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katl2

Bewertungen

Insgesamt 41 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2021
Ein neuer Morgen für Samuel
Druart, Ruth

Ein neuer Morgen für Samuel


ausgezeichnet

Der Franzose Jean-Luc lebt schon seit Jahren mit seiner Frau und ihrem Sohn Samuel in den USA. Eines Tages wird er von schwarz gekleideten Männern von Zuhause abgeholt und Jean-Luc wird unfreiwillig erneut mit seiner Vergangenheit konfrontiert. 1944 verrichtete er Frankreich seinen Dienst als Gleisarbeiter. Züge sieht er nie. Antworten bekommt er keine. Doch dann kommt es zu einem technischen Effekt und mit einem Schlag ändert sich sein ganzes Leben.
Aufbau und Spannungsbogen
Die Geschichte, die uns Ruth Druart hier präsentiert, gliedert sich in zwei Abschnitte: zum einen spielt sie in der Vergangenheit – in Frankreich des Jahres 1944 und zum anderen in der Gegenwart, die von dieser Zeit stark beeinflusst wird. Obwohl man das Schicksal der verschiedenen Charaktere durch die Kapitel in der Gegenwart und den Klappentext bereits kennt, ist es eine interessante und durchaus spannende Reise. Das Buch ist an keiner Stelle langatmig oder fad. Wie ein junger Bach plätschert sie unaufhörlich dahin – manchmal schneller, gelegentlich etwas langsamer. Aber stets in Bewegung. Eine Geschichte, die fesselt bis zum Schluss.
Schreibstil
Die Autorin besitzt ein unglaubliches Fingerspitzengefühl, dass bei einer solchen Handlung auch von Nöten ist. Trotz der düsteren Thematik besitzt sie einen leichten Schreibstil, so als würde sie auf Zehenspitzen durch das Leben tanzen. Auf den ersten Blick scheint dieser Stil nicht zu dieser Art von Geschichte passen, aber dem ist nicht so. Mit viel Emotion und moralischen Konflikten zieht Ruth Druat in ihren Bann. Was würdest du in einer solchen Situation tun? Was ist richtig, was ist falsch? Sie stellt diese Fragen, ohne zu richten, ohne zu urteilen. Sie stehen im Raum und gehen nicht mehr aus dem Kopf.
Charaktere
Die Geschichte wird von fünf Charakteren erzählt: von Jean-Luc, seiner Frau Charlotte, Samuels Eltern David und Sarah und von dem Jungen selbst. Die unterschiedlichen Erzählperspektiven beleuchten die Geschichte von allen Seiten. Denkweisen und Handlungen werden klarer, verständlicher. Sie alle haben ihre Fehler, ihre Macken und Eigenheiten. Sie sind nicht perfekt. Keiner von ihnen. Und deshalb wachsen sie einem ans Herz. Weil sie ihre Fehler machen, diese einsehen und versuchen daraus zu lernen.
Fazit
Ein wunderbares Buch, das hoffentlich noch viele Menschen lesen werden. Es erzählt von einer Zeit, die man nicht vergessen sollte, in der Menschen Unaussprechliches erleben mussten, die Zahlreiche nicht überlebt haben. Bücher darüber gibt es viele. Aber dieses ist anders. Es erzählt nicht nur vom Schmerz und vom Tod, sondern richtet seinen Fokus auf ein kleines Stückchen Hoffnung: auf den kleinen Samuel, der überlebte.

Bewertung vom 08.08.2021
Dampfer ab Triest
Neuwirth, Günter

Dampfer ab Triest


ausgezeichnet

Gefahr auf hoher See
Brunos Leben verläuft friedlich und in geregelten Bahnen. Sein Leben gefällt ihm und um ehrlich zu sein hat er keine Lust, an Bord der Thalia über das Mittelmeer zu schippern und heimlicher Bodyguard des Grafen Urbanau zu sein. Doch sein Vorgesetzter lässt ihm keine Wahl. Unauffällig mischt er sich unter die anderen Fahrgäste, fest davon überzeugt, dass seine Anwesenheit völlig überflüssig ist. Doch er sollte sich irren.
Triest, 1907
Die Geschichte beginnt einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg in der Hafenstadt Triest, die damals noch Teil der Österreich-Ungarischen Habsburgermonarchie war. Mit schriftstellerischem Geschick und Fingerspitzengefühl gelingt es dem Autor nicht nur frühere Sprachgewohnheiten und Redensarten wieder zum Leben zu erwecken, sondern bietet auch einen interessanten Blick auf die Denk- und Lebensweisen der Menschen von damals. Moderne Technik steht der Nostalgie gegenüber, der Kampf der Frauen nach Freiheit und Rechten den strengen Normen der Gesellschaft, der Wunsch nach Unabhängigkeit einzelner Volksstämme gegen herrschende Monarchien. Eine turbulente Zeit, die unterschiedlichste Strömungen und Denkweisen aufgewiesen hat und die Günter Neuwirth eine fabelhafte Kulisse für seine Geschichte geboten hat.
Sprache und Stil
Der Autor versucht das Leben von damals, durch den Gebrauch von fremdartigen Ausdrücken und Sprechweisen näher zu bringen. Während mir sein Stil sehr gefallen hat und ich gut damit zurecht gekommen bin, gibt es bestimmt Leserinnen und Leser, die die moderne Sprache vorziehen und das Lesen dadurch etwas beschwerlicher finden. Die Sprache passt zu der Zeit, in der die Handlung stattfindet, aber sie ist nicht für jeden was.
Der Handlungsverlauf und Charaktere
Die Geschichte beginnt ganz im Zeichen ihres Protagonisten – gemütlich und ohne Stress. Langsam, aber stetig werden die verschiedenen Figuren in die Handlung miteingeflochten. Der Autor nimmt sich dafür genügend Zeit, so dass später keine Probleme mit der Identifizierung der Charaktere mehr auftritt und auch ähnliche Namen wie Friedrich und Ferdinand für keine Verwirrung mehr sorgen. Dann zieht die Handlung stramm an und das Buch bleibt bis zum Schluss spannend und unberechenbar.
Fazit
Leserinnen und Leser, die gerne mit zahlreichen und unterschiedlichen Charakteren zu tun haben, ist das Buch ideal. Ein zügiges Tempo, aber nicht zu rasch. Eine ideale Sommerlektüre, die man auch mal ein paar Tage aus der Hand legen könnte (falls die aufgebaute Spannung es zulässt). Ein tolles Buch, dass ich nur weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 23.07.2021
Wild Card
Thompson, Tade

Wild Card


ausgezeichnet

In der Hitze von Afrika

Weston Kogi wollte eigentlich nur das Begräbnis seiner Tante besuchen. Immerhin hat sie ihn großgezogen und dafür gesorgt, dass er nach London ziehen konnte. Kurz die letzte Ehre erweisen und dann zurück nach Europa. Ganz einfach. Doch dann begegnet Weston seinem Bully aus der Schulzeit wieder. Ein paar Beleidigungen hier, ein paar Übertreibungen da – nichts Ernstes. Vor allem, da Weston Afrika ohnehin so bald wie möglich wieder verlassen würde. Doch dann wacht er auf und mit einem Schlag ist alles anders.

Ede City, Alcacia, Westafrika

Tade Thompson entführt in eine Welt, die zumindest mir bisher gänzlich unbekannt war: nach Afrika. Ein Kontinent voller Leben, voller Gewalt, voller Korruption und Emotion. Dieses Buch hat mir das Leben und die Denkweisen der Menschen in Afrika nähergebracht. Kommunikation durch Gefühle, Korruption als alltägliches Mittel zum Zweck, die Bedeutung von Ehe und Religion. Der Eid auf das Stierhorn als Unbrechbarer Schwur. Die Sprache der Gewalt (die nicht nur in Afrika zu finden ist). Die ständige Gegenwart von Geistern, Zauberern und anderen Übernatürlichen Dingen. Es war eine spannende Reise durch eine völlig neue Welt.

Sprache

Trocken, derb, sarkastisch. Das sind die drei Worte, mit denen ich die Erzählweise von Tade Thompson (Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet) beschreiben würde. Sie passt zu seinem Helden. Alles andere als perfekt, aber dennoch sympathisch und mit einem eigenen Sinn für Humor, der besonders dann zum Vorschein kommt, wenn seine Lage alles andere als rosig zu bezeichnen ist.

Fazit

Eine enorm fesselnde Geschichte, die sich schneller dreht als der Wind. Die Seiten verschwinden unter den Fingern. Ein Krimi verpackt in einem politischen Konflikt, bei dem beide Seiten nicht vor Gewalt zurückschrecken. Kein Buch für schwache Nerven, aber absolut empfehlenswert.

Bewertung vom 06.07.2021
Im Westen ist Amerika
Möller, Dirk

Im Westen ist Amerika


sehr gut

Ein Junge auf der Suche nach Glück

Der junge Johannes ist auf der Flucht. Um seine Familie vor dem Hungertod zu bewahren, nutzte er seine Schießkunst zum Wildern. Er wird erwischt, doch kann entkommen. Bei seiner Flucht tötet er den Sohn des Oberforstmeisters, der daraufhin eine große Hetzjagd nach dem Mörder seines Jungen organisiert. In seiner Angst wählt Johannes den einzigen Weg, der ihm Sicherheit bieten könnte: ein Schiff nach Amerika. In das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Johannes

Der siebzehnjährige Junge war schon immer anders. Seine Eltern sind nicht religiös, was sie zu dieser Zeit zu Ausgestoßenen der Gesellschaft macht. Ohne Freude wächst er heran. Aber dafür hat er etwas, das andere Menschen oft in ihrem Leben missen: er ist unglaublich anpassungsfähig und hat das Glück gepachtet. Immer wieder gelingt es ihm, sich aus scheinbar ausweglosen Situationen zu befreien. Unbeirrt und mutig geht er seinen Weg, der ihn immer weiter in den Westen bringt.

Sprache und Stil

Der Autor liebt Namen. Jegliche Figur, die in seinem Roman auftritt, wird namentlich erwähnt, oft noch mit einem Stück Hintergrundgeschichte. Das kann anfangs für Verwirrung sorgen, entpuppt sich jedoch als interessante Methode, der Geschichte ein Gefühl von Tiefe zu geben. Der Erzählstil ist rasch. Ein Ereignis jagt das nächste. Kaum ist ein Abenteuer bestanden, klopft das nächste bereits an die Tür. Die kurzen Sätze und die wechselnden Erzählperspektiven erhöhen den Effekt zusätzlich. Zwischen historischen Fakten und detaillierten Beschreibungen von Situationen und Orten bewegt sich auch der Mann mit dem grauen Mantel, der in den raschen Erzählstrom auch noch das Gefühl des drohenden Unheils einflechtet.

Historischer Hintergrund

Ende des 18. Jahrhunderts war eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung. Der größte Teil der Bevölkerung ist arm. Hygiene ist ein Fremdwort. Aber die Menschen wollen weiter. Träumen von anderen, besseren Zeiten. Von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Doch die, die viel haben, wollen das nicht hergeben. Nutzen jedes bisschen Macht, die sie besitzen, schamlos aus. Amerika ist nicht das Paradis, das angepriesen wird. Seuchen, Gewalt und Sklaverei prägen das Land. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren. Man muss nicht reich sein, obwohl das ebenfalls kein Nachteil ist. Aber je schneller du bist mit dem Colt, je besser du dich behaupten kannst, desto weiter oben bist du in der Gesellschaft des neuen Kontinents.

Fazit

Ein Buch über das Leben der einfachen Menschen zu einer Zeit des Umbruches. Man kennt die großen Namen, die Erfolge und die Niederlagen. Die brutale Wahrheit wird häufig verschwiegen und ignoriert. Nüchtern und ohne Ausschmückungen erzählt Dirk Möller die Geschichte eines Jungen, der versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen. Ein spannendes Buch, schnell erzählt und gut erklärt. Für jemanden, der sich mit der damaligen Zeit auseinandersetzen möchte, kann ich es nur empfehlen.

Bewertung vom 06.07.2021
Erben wollen sie alle
Hennig, Tessa

Erben wollen sie alle


ausgezeichnet

Kurz zum Inhalt
Bianca hat Glück: mit ihren 75 Jahren findet sie noch einmal den Weg zur Liebe. Wolfi ist zwar etwas jünger, aber hat dafür alles, was man sich nur wünschen kann. Er ist ein Gentleman, macht gerne Späße, ist alles andere als schüchtern und hat tolle Ideen. Wie die, eine Weltreise zu machen. Biancas Kinder haben kaum noch Kontakt zu ihr. Allein ihre Enkelin Luise trifft sich noch regelmäßig mit ihrer Omi. Und sie ist die Letze, die Bianca von diesem Abenteuer abhalten würde. Entschlossen beginnen sie zu planen. Doch dann steht plötzlich Biancas gesamte Familie vor der Tür. Sie haben von der Sache Wind bekommen und können auf keinen Fall zulassen, dass Bianca ihr Erbe verschleudert. Doch so schnell gibt Bianca nicht auf.

Eine selbstbewusste Frau
Bianca ist alles andere als auf den Kopf gefallen. Sie weiß was sie will und lässt sich nur schwer von ihrem Kurs abbringen. Ihre Enkelin liebt sie über alles, ebenso wie ihre Kinder und sie leidet unter der Distanz, die sie zueinander aufgebaut haben. In Wolfi findet Bianca jemanden, der sie wieder zum Lachen bringt, der sie schätzt und respektiert. Modern für ihr Alter schreibt sie ihr Tagebuch am Notebook. Eine alte Frau, die mit der Zeit ging und die man einfach ins Herz schließen muss.

Cover und Gestaltung
Ein Buch, das man bereits am Cover als Tessa Hennig identifizieren kann. Lange Nasen mit Brillen und eher unproportionierte Figuren mit einem karikaturistischen Touch. Diese Buchgestaltungen passen ideal zu ihrer Art zu schreiben.

Sprache und Stil
Mit Witz und Scharm, gepaart mit sarkastischen Bemerkungen, erzählt Tessa Hennig dieses Familiendrama auf Mallorca. Kurze Sätze, wechselnde Erzählperspektiven und das pure Gefühl von Sommer geben dem Roman eine Leichtigkeit, so dass das Lesen zum Genuss wird.

Fazit
Ein amüsanter Roman, der zu dieser Zeit des Jahres passt. Drama, Ironie und bildhafte Landschaftsbeschreibungen wechseln einander ab. Eine unterhaltsame Sommerlektüre, die seine Figuren und das Leben selbst nicht ganz so ernst nimmt, wie sie es gerne haben würden. Ein gutes Buch für zwischendurch, das für ein Lächeln auf den Lippen sorgt.

Bewertung vom 25.06.2021
Gründungsmythen des Nationalismus (MP3-Download)
Grabuschnig, Ralf

Gründungsmythen des Nationalismus (MP3-Download)


ausgezeichnet

Diese Rezension gilt für das e-Book dieses Werkes

Zum Buch
Humorvoll erzählt Ralf Grabuschnig Geschichten, die europäische Nationen zu dem machen, was sie heute sind. Sechs ausgewählte Länder (Deutschland, Rumänien, Frankreich, Serbien, England und Ungarn) werden auf ihre Gründungsmythen durchleuchtet und deren Bedeutung bis heute erläutert.
Schreibstil
Der Autor präsentiert Geschichte einmal anders: mit Sarkasmus und einem Augenzwinkern erweckt er lang vergangene Schlachten und Heldentaten zum Leben. Bekannte Mythen erscheinen in einem anderen Licht und neue Legenden betreten die Bühne.
Aufbau
Abwechselnd erzählt er die Mythen aus West (Mittel)- und Osteuropa. Volkshelden und Opfermythen. Bunt zusammengewürfelt bieten sie ein unterhaltsames Lesevergnügen.
Fazit
Ein amüsantes Buch, das Europa einmal in ein ganz anders Licht stellt. Ganz unterschiedliche Erzählungen, und doch so ähnlich. Ein anderer Tripp in die Vergangenheit unseres Landes, den ich nur empfehlen kann. Wer auf ein fachliches Sachbuch hofft, ist hier an der falschen Adresse. Fachlich, ja. Sachbuch – meilenweit entfernt.

Bewertung vom 25.06.2021
Mycrofts Comeback (eBook, ePUB)
Baum, Beate

Mycrofts Comeback (eBook, ePUB)


sehr gut

Zum Buch
Ein neuer Fall für Sherlock Holmes. Während Corona das Land noch in Atem hält, geht es bei Scotland Yard wieder rund. Eine Frau wird ermordet aufgefunden. Während Lestrade noch seine Spuren sammelt, sind Sherlock und Watson bereits unterwegs. Zwischen FFP2 Masken und seltenen Whiskeyflaschen führt sie ihr Weg in einen Fall, der verzwickter ist als es zunächst den Anschein hat. Und wo ist eigentlich Mycroft?
Schreibstil und Handlung
Rasches Erzähltempo, abwechselnd kurze Dialoge und lange, jedoch unkomplizierte, Satzstrukturen. Es ist gut zu lesen. Die langen Sätze verleiten etwas dazu, darüber zufliegen und die, wie zufällig platzierten Hinweise, zu übersehen. Was natürlich auch pure Absicht sein kann und das Gefühl der Original-Holmes-Krimis in einem aufsteigen lässt.
Die Spannung baut sich gegen Ende hin immer mehr auf, eine gelöste Frage bringt zwei ungelöste mit sich. An sich kann man ganz gut mitraten, doch manche Enthüllungen kommen dann doch überraschend, da oft das letzte Teilchen fehlt, um das Bild selbst zusammenzustellen.
Fazit
Ich habe es genossen, wieder einmal eine andere Art von Sherlock Holmes kennen zu lernen. Viele Aspekte erinnern an die Serie Sherlock und dennoch ist es wieder völlig anders. Die Geschichte ist gut geschrieben, alle losen Enden werden verknüpft. Etwas schade fand ich, dass man nicht die Möglichkeit hat, den Fall selbstständig lösen zu können, da einem, wie bereits gesagt, das letzte Puzzleteil fehlt.
Alles in allem ein unterhaltsamer und spannender Fall, der die Probleme von Corona einmal anders darstellt.

Bewertung vom 09.06.2021
Komm mit zu den Portalen der Zeitenwelt (eBook, ePUB)
Birnhelm, Betty van

Komm mit zu den Portalen der Zeitenwelt (eBook, ePUB)


sehr gut

Anfangs ist ein Austausch zwischen den Welten noch möglich. Doch dann schließen sich die Portale und die Gute Menschin, die von der Kugel (auch Erde genannt) in die Zeitenwelt gekommen ist, steckt fest. Auf ihrer Suche nach einem Heimweg trifft sie auf Franz den Fröscher und die Säuselnde Susanne, die ihr auf ihrem Weg durch die Zeitenwelt Gesellschaft leisten.

Unvorbereitet trifft einen die sarkastische und von Wortspielen gespickte Sprache der Autorin. Doch hat man sich einmal an diese Art der Geschichtenerzählung gewöhnt, kann man sich entspannt zurücklehnen und mit grinsendem Gesicht die skurrile und schräge Reise durch die Zeitenwelt mitverfolgen. Die kurzen Kapitel sorgen für eine angenehme Lesegeschwindigkeit, bei der sich viele Möglichkeiten bieten, innezuhalten, zu reflektieren oder gewisse Stellen noch einmal zu lesen.

Klingende Namen, wie Franz der Fröscher, Kurt der Kussfahrer oder die säuselnde Susanne, säumen den Pfad des Buch. Einfach gestrickte Charaktere und ein simpler Plot in einer sehr komplexen Welt.

Das Buch hat mir gut gefallen. Die vielen Anspielungen und Wortspiele werden vermutlich erst bei mehrmaligem Lesen ihre wahre Genialität entfalten. Doch auch beim ersten Mal konnte ich genügend zwischen den Zeilen finden, dass mich zum Schmunzeln und Grübeln brachte.

Bewertung vom 30.05.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


ausgezeichnet

Ein junges Mädchen wird grausam ermordet aufgefunden. Ihre Kehle wurde aufgeschlitzt und zwischen ihren Schenkeln steckte ein hölzerner Pfahl. Der junge Inspektor Leopold von Herzfeldt soll in diesem Fall ermitteln. Doch die eingesessenen Wiener Polizisten misstrauen dem jungen Kollegen aus Graz mit seinen modernen kriminalistischen Methoden und schieben ihn auf einen anderen Fall ab. Dabei lernt Leopold den schrulligen Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs kennen, August Rothmayer. Doch dann schlägt der Täter erneut zu und die beiden geraten mitten hinein in ein Netz aus Verschwörungen und Gewalttaten.

Schauplatz: Wien 1983

Mit flottem und packendem Erzählstil entführt Oliver Pötzsch einen in das Wien des 19. Jahrhunderts. Antisemitismus, Vorurteile und Ablehnung allem Neuen gegenüber prägen die Stadt. Trotzig und stur stellt sich der Wiener jeglichem Fortschritt entgegen. Bloß keine Veränderung. Fotographie und Fahrräder treffen auf die traditionellen Ansichten der Eingeborenen, die lieber alles so lassen würden, wie es immer gewesen ist. Ein Ereignis jagt das nächste, während man dem jungen Inspektor durch die Straßen des historischen Wien folgt.
Besonders gefallen haben mir die Einträge in den Almanach für Totengräber. Wie Augustin einmal gesagt hat, der Tod hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Er wird nach außen gedrängt, negiert und ignoriert. Und doch ist er ein Teil vom Leben. Die interessanten Berichte am Beginn jedes Kapitels machen deutlich, wie viel uns die Toten auch noch nach ihrem Ableben mitteilen können und was in einem Grab so vor sich geht.

Ein ungleiches Paar

Leopold von Herzfeldt ist ein energetischer junger Mann, der mit seiner selbstsicheren und direkten Art bei seinen neuen Kollegen nicht besonders gut ankommt. Als Jude trifft er im antisemitischen Wien auf zusätzliche Schwierigkeiten. Doch er lässt sich nicht unterkriegen und schießt Freundschaften, wo er es am wenigsten erwartet. Ein motivierter junger Mann, der seinen Platz in der Welt sucht und dabei nicht vor Fehlern und Vorurteilen gefeit ist.

Augustin Rothmayer stammt aus einer angesehenen Totengräberfamilie, die bereits zahlreiche Persönlichkeiten zu Grabe getragen haben. Sein schäbiges Aussehen und sein nicht gerade angesehener Beruf täuschen über sein enormes Wissen und seine Scharfsinnigkeit hinweg. August spricht im Dialekt, was ihn sehr authentisch und natürlich macht. Ein gemütlicher Mann, der seinen Platz in der Welt genau kennt. Ruppige Schale mit weichem Kern.

Fazit

Bereits der dunkle Einband mit dem hellen Kreuz in der Mitte und dem großen roten Fleck übt eine gewisse Anziehung aus. Der Krimi ist packend erzählt und bietet viel Möglichkeit zum eigenen mitraten. Oliver Pötzsch platziert seine Hinweise gezielt und rar. Die Lösung plausibel und nachvollziehbar. Der historische Schauplatz wird vor dem inneren Auge lebendig und auch die Wiener Mentalität spiegelt sich in den Buchseiten wider. Wer historische Krimis liebt, sollte das Buch unbedingt lesen.

Bewertung vom 27.05.2021
Frau Merian und die Wunder der Welt
Kornberger, Ruth

Frau Merian und die Wunder der Welt


sehr gut

Maria Sibylla Merian löst sich aus den Fesseln der Gesellschaft, um sich ganz ihrer Leidenschaft widmen zu können: dem Erforschen von Schmetterlingen und anderen Insekten, die bisher kaum Beachtung gefunden haben. Liebevoll und gewissenhaft präpariert sie die Tierchen und bringt die sie anschließend auf das Papier. Maria und ihre Töchter lassen sich schließlich in Amsterdam nieder, wo sie die angefertigten Bilder drucken lassen und verkaufen. Mit dem eingenommenen Geld will sich Maria ihren Herzenswunsch erfüllen: eine Forschungsreise nach Surinam.

Dieser zauberhafte Roman befasst sich mit dem Leben von Maria Merian, die sich als Künstlerin und Wissenschaftlerin im 17. Jahrhundert beweisen muss und es auch tut. Mit blumigen und liebevollen Worten erzählt Ruth Kornberger von den alltäglichen Herausforderungen und Problemen, denen sich Maria stellen muss, um ihre Leidenschaft leben zu können und an ihr gewünschtes Ziel zu kommen.

Maria ist ein starker Charakter. Sie weiß genau was sie will. Kein Hindernis ist ihr zu groß, um zu dem Ziel zu gelangen, das sie sich selbst gesetzt hat. Wortgewandt und schlagfertig bewegt sie sich in der männerdominierten Welt. Dem anderen Geschlecht steht sie skeptisch und misstrauisch gegenüber. Als sie dann auf Jan de Jong trifft, kämpft sie gegen ihren Instinkt, ihrer Vorsicht und mit seiner Verschwiegenheit.

Ruth Kornberger gelingt es mit ihren leichten Worten, das Leben des 17. Jahrhunderts lebendig werden zu lassen. Besonders die detailreichen Erläuterungen von Marias Arbeit habe ich sehr genossen. Ganz nebenbei, ohne es bewusst zu merken, lernt man die komplexen Wege vom Tier zur Abbildung im Buch kennen, die unzähligen kleinen Arbeitsschritte kennen und entwickelt eine Achtung gegenüber dem Reich der Insekten. Bald versteht man Ausdrücke, die einem vorher kein Begriff waren. Auch die damalige Gesellschaft kommt nicht zu kurz. Nicht nur das Leben von Kaufleuten und Künstlern, von Mätressen und Seeleuten wird beschrieben, sondern auch der Weg vom Freibeuter zur Piraterie findet Platz in dieser Geschichte.

Ein wunderschönes Buch, das mit einer Leichtigkeit von einer vergangenen Zeit erzählt, diese wieder aufleben lässt und den eigenen Blick auf die Welt verändert. Die Spannung bleibt während der gesamten Geschichte nahezu gleich. Dennoch ist das Buch weder langatmig noch langweilig. Maria zieht einen mit ihrer rastlosen und umtriebigen Art durch die Seiten und die Kapitel schwimmen nur so dahin.