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bookloving
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Munich

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Insgesamt 321 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


sehr gut

*Faszinierende Spurensuche*
Mit seinem Sachbuch-Debüt „Kajzer“ ist dem in Toronto geborenen und in New York lebenden Journalisten Menachem Kaiser ein bewegendes und zugleich höchst unterhaltsames Memoir gelungen.
Hierin erzählt er äußerst scharfsinnig und humorvoll, welche unerwarteten und bisweilen bizarren Verwicklungen ihm widerfuhren, als er sich auf die Spurensuche nach der Geschichte seiner eigenen Familie begab.
Eigentlich hatte sich Menachem Kaiser als Nachkomme von Juden, die den Holocaust überlebten und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika auswanderten, nicht sehr für alte Familiengeschichten und seine Herkunft interessiert – sicherlich auch, weil in der Familie wenig über die problematische Vergangenheit gesprochen wurde. Als er jedoch erfährt, dass sein Großvater Maier Menachem Kajzer, der bereits 8 Jahre vor seiner Geburt verstarb und nach dem er benannt wurde, sich vor langer Zeit vergeblich bemühte, im heutigen Polen Ansprüche auf ein von den Nazis enteignetes Mietshaus seiner Familie geltend zu machen, begibt sich der Autor nach Schlesien - der ehemaligen Heimat seines Großvaters, um vor Ort mehr darüber zu erfahren und eventuell doch noch eine Rückübertragung des Gebäudes zu erwirken.
Es wird eine höchst ereignisreiche und fesselnd erzählte Reise zu seinen familiären Wurzeln und seinem Familienerbe mit zahlreichen Um-und Irrwegen sowie sehr abenteuerlichen Entwicklungen, auf der wir den Autor begleiten.
In seinem in vier Teile untergliederten Buch berichtet Kaider über seine Erlebnisse keineswegs rein chronologisch. Des Öfteren schweift er in seinen zu Papier gebrachten Erinnerungen ab, verliert sich bisweilen in Nebenschauplätzen, hinterfragt seine Motive und sinniert über unterschiedliche Themen, um schließlich den Faden wieder aufzunehmen. Durch den lebendigen, sehr mitreißenden Schreibstil wird man rasch in die sich oftmals überraschend entwickelnden Geschehnisse hineingezogen und folgt gebannt dem weiteren Fortgang, so dass man gerne über einige sehr sprunghafte Wechsel und etwas langatmige Passagen hinwegsieht.
Hautnah haben wir zunächst Anteil an seiner Spurensuche nach dem Familienerbe in der kleinen polnischen Stadt Sosnowiec, seinen Begegnungen mit den langjährigen Bewohnern des Gebäudes sowie seinen Interaktionen mit der mysteriösen polnischen Anwältin namens „Killerin“, die ihn und seine Familie bei ihrer Restitutionsforderung in Polen und möglichen bürokratischen Schwierigkeiten unterstützen soll. Doch unversehens befinden wir uns im zweiten Teil auf einer Schatzsuche der ganz anderen Art, erkunden an der Seite skurriler Nazi-Schatzsucher das von jüdischen Zwangsarbeitern tief ins Eulengebirge gegrabene Mysterium namens Projekt Riese, um das sich viele Mythen und aberwitzige Verschwörungstheorien ranken, und tauchen an der Seite von Kaiser in eine höchst merkwürdige Welt ab, die viele interessante historische Hintergrundinformationen aber auch bizarre Verwicklungen für uns bereit hält. So erstaunt er uns insbesondere mit einer ganz neuen, erstaunlichen Facette seiner verwobenen Familiengeschichte, die uns eigentlich von seiner Spurensuche nach der Familie seines verstorbenen Großvaters wegführt und einen ganz anderen, berühmten Volkshelden in Polen in Form von dessen Cousin in den Mittelpunkt rückt.
Und wie es so oft im Leben ist, kommt am Ende alles ganz anders als erhofft und wir müssen uns mit einem unbefriedigenden und bislang offenen Ausgang von Kaisers Unterfangen zufrieden geben.
FAZIT
Ein fesselndes, sehr ausschweifend erzähltes Memoir über eine ereignisreiche Spurensuche nach den familiären Wurzeln, über Familienerbe, Herkunft, Wiedergutmachung und erschütternde jüdische Schicksale.
Eine absolut bizarre, wie faszinierende Geschichte mit interessanten Hintergrundinformationen, die mich noch lange beschäftigt hat! Lesenswert!

Bewertung vom 20.12.2023
Zweistromland
zu Stolberg, Beliban

Zweistromland


ausgezeichnet

*Beeindruckendes Debüt*
In ihrem äußerst beeindruckenden Romandebüt „Zweistromland“ erzählt die Drehbuch- und Debütautorin Beliban zu Stolberg eine bewegende, sehr nachdenklich stimmende Familiengeschichte und die berührende Suche einer jungen Frau nach ihren familiären Wurzeln und ihrer Identität.
Mit ihrem wundervoll poetischen, sehr atmosphärischen Schreibstil zieht uns die Autorin in ihre tiefgründige Geschichte hinein, die uns von der autokratischen Türkei im Jahr 2016, über die deutsche Nordseeküste in den 1990er Jahren bis an den sagenumwobenen Tigris in der Südost-Türkei führt.
Im Mittelpunkt des fesselnden Romans steht die deutsch-türkische Protagonistin und Ich-Erzählerin Dilan, Tochter von nach dem Militärputsch aus der Türkei geflohenen kurdischen Aleviten, die in Deutschland aufwuchs und inzwischen in Istanbul als Anwältin für Wirtschaftsrecht arbeitet. Ausgelöst durch die Beerdigung ihrer Mutter und einer rätselhaften Begegnung beschließt sie, den vielen Leerstellen in ihren Erinnerungen nachzuspüren und die sorgsam gehüteten, dunklen Geheimnisse ihrer Eltern aufzudecken. Trotz ihrer Schwangerschaft begibt sie sich spontan auf eine gefahrenvolle Reise in den Südosten der Türkei, um in der Bürgerkriegsregion und kurdischen Hochburg Diyarbakır an den Ufern des Tigris gelegen mehr Informationen über das Leben ihrer Eltern und ihre Vergangenheit in deren ehemaliger Heimat in den 1970er Jahren zu finden.
Gekonnt thematisiert die Autorin neben dem türkisch-kurdischen-Konflikt, den Krieg der Türkei gegen die kurdische Minderheit im eigenen Land und politischer Verfolgung, die fatalen Folgen unbewältigter Traumata und deren transgenerationaler Weitergabe. In sehr atmosphärischen und ergreifenden Episoden lässt uns die Autorin in das Leben der Protagonistin im Jahr 2016 eintauchen, die sich auf eine schmerzliche Reise in ihre eigenen verdrängten Erinnerungen begibt und den Ursachen für die allumfassende Sprachlosigkeit in ihrer Familie auf den Grund geht, um endlich für ihr ungeborenes Kind die unheilvolle Spirale zu durchbrechen.
Äußerst anschaulich und nuancenreich setzt die Autorin die vielen Widersprüchlichkeiten in Dilans Leben in Szene. Gebannt folgt man der eindringlichen Erzählstimme im Rückblick ins Jahr 1999 und hat Anteil an den bruchstückhaften, sehr schmerzvollen Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend in Norddeutschland. So erlebt man die familiären Gradwanderungen zwischen Sprachlosigkeit, Schweigen, Tabus und unausgesprochenen Erwartungshaltungen, die schließlich verinnerlicht und von ihr auch im späteren Leben übernommen werden. Äußerst fesselnd und emotional aufreibend ist es mitzuerleben, wie sich die verschiedenen Puzzlestückchen und Dilans vage Erinnerungsfetzen zu einem bedrückenden Gesamtbild zusammensetzen. Im letzten Teil gelingt es Dilan schließlich die schmerzliche Wahrheit aufzudecken, das so lange verschwiegene, beklemmende Familienschicksal zu enthüllen und endlich eine Art Frieden zu finden. Auch wenn nicht alles bis ins letzte Detail auserzählt wird und man einiges zwischen den Zeilen lesen muss, so findet der Roman dennoch einen sehr stimmigen Abschluss.
FAZIT
Ein sprachlich beeindruckendes Debüt mit einer tiefgründigen, berührenden Geschichte die Suche einer jungen Frau nach ihren familiären Wurzeln und ihrer Identität!

Bewertung vom 20.12.2023
Ich träumte von einer Bestie
Blazon, Nina

Ich träumte von einer Bestie


ausgezeichnet

*Faszinierender Roman*
In ihrem neuen Belletristikroman „Ich träumte von einer Bestie“ erzählt die deutsche Autorin Nina Blazon eine unglaublich fesselnde Geschichte über eine außergewöhnliche junge Frau, die mit den Dämonen ihrer familiären Herkunft und den Traumata ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat.
Zu Recht wird er vom Verlag als „Literarischer Grenzgänger“ angekündigt, denn einem eindeutigen Genre lässt er sich kaum zuordnen. Der faszinierende Roman ist eine abwechslungsreiche und stimmige Mischung aus Familiensaga mit dunklem Geheimnis, Reiseroman und Liebesgeschichte gewürzt mit einem Schuss psychologischem Krimi, historischen Elementen und viel mystisch-märchenhaftem Flair. Kurzum: ein großartiges literarisches Abenteuer, das mich von Beginn an in seinen Bann gezogen hat.
Inspiriert wurde die Autorin für ihren Roman von der bis heute sehr populären französischen Legende der Bestie des Gévaudan, die bis heute die Region auf mannigfaltige Weise prägt.
Angesiedelt ist die Handlung daher diesmal nicht in den nordischen Ländern, sondern hauptsächlich in der französischen Auvergne in der Gegend um Puy-en-Velay und Le Malzieu.
Hervorragend gefallen haben mir die ausdrucksstarken, sehr atmosphärischen Beschreibungen der Originalschauplätze, dieser schroffen Landschaft und endlosen Waldgebiete in der Auvergne gefallen, aber auch die Schilderungen der tief verwurzelten Traditionen und historischen Legenden, in denen immer wieder auch Jäger, Wölfe und Bestien eine tragende Rolle spielen.
Mit ihrem bildgewaltigen und eindringlichen Schreibstil lässt uns die Autorin in die rätselhafte Welt der faszinierenden Protagonistin Fleur eintauchen, die sich durch die Erbschaft ihres französischen Vaters gezwungen sieht, sich mit dessen bewegter Vergangenheit und ihren familiären Wurzeln zu beschäftigen. An Fleurs Seite begeben wir uns auf eine fesselnde und abenteuerliche Reise, die uns von Deutschland über das luxemburgische Städtchen Echternach bis in die wilde Auvergne führt.
Nina Blazon gelingt es hervorragend ihre vielschichtigen Figuren zum Leben zu erwecken, die mit ihren Eigenarten sehr glaubwürdig und authentisch wirken. Insbesondere ihre geheimnisumwitterte Hauptfigur Fleur Martin ist eine facettenreiche Persönlichkeit mit einem unheilvollen Geheimnis, das es allmählich zu ergründen gilt. Man erlebt sie zunächst als sehr unnahbaren Charakter, die der Aussenwelt am liebsten nichts von sich preis gibt und von rätselhaften ständig wiederkehrenden Alpträumen heimgesucht wird. Als junge Datenforensikerin durchkämmt sie nachts das Internet auf der Suche nach „Cyberwölfen“, sammelt alte Märchenausgaben und ist fasziniert den historischen Ursprüngen dieser archetypischen Geschichten. Je mehr man über Fleurs Leben und ihre mysteriöse Familiengeschichte erfährt und hinter ihre Fassade blickt, desto mehr ist man von diesem starken Charakter fasziniert und fiebert der Auflösung ihres dunklen Geheimnisses entgegen.
Ob nun kulturelles sowie historisches Erbe oder sogar ein psychologisches Erbe im Rahmen der transgenerationalen Vererbung von Traumata - gekonnt beleuchtet Blazon in ihrem tiefgründigen Roman auch unseren Umgang mit Erbschaften unterschiedlichster Natur aus sehr interessanten Blickwinkeln.
Daneben spielen aber auch Mythen und Märchen insbesondere Le Chaperon Rouge, die ältere, französische Version des Gebrüder Grimm Märchens Rotkäppchen, eine besondere Rolle. Neben dem Ursprung von Märchenmotiven werden auch gut recherchierte Fakten zu historischen Wolfsjagden, der Jagd von brutrünstigen Wolfswesen auf Kinder und junge Frauen, sowie allerlei Wissenswertes zu wildlebenden Wölfen, ihrem Verhalten und deren verteufelte Darstellung in Märchen und Schauergeschichten geschickt in die spannende Geschichte um Fleur eingeflochten.
Die Autorin versteht es hervorragend, uns mit der dichten oftmals düsteren Atmosphäre gefangen zu nehmen und uns mit unvorhersehbaren Verwicklungen, überraschenden Enthüllungen und den von Fleur aufgedeckten Hintergrundgeschichten aus ihrer Familiengeschichte bis zum stimmigen Ende mit seiner erstaunlichen Auflösung hin zu fesseln.

FAZIT
Ein faszinierender, fesselnder Roman - mit tollem mystisch-märchenhaftem Flair und einer emotionalen, vielschichtiger Geschichte mit interessanten historischen Elementen!

Bewertung vom 20.12.2023
Cucina e giardino
Carpi, Vea

Cucina e giardino


ausgezeichnet

*Inspirierendes Kochbuch mit kreativen Rezepten frisch aus dem Bauerngarten*
In ihrem neuen Selbstversorger-Kochbuch „Cucina e giardino. 80 Rezepte aus meinem italienischen Bauerngarten“ bringt uns die äußerst sympathische Vea Carpi nicht nur ihre regionale, bodenständige und saisonale Küche näher, sondern gibt uns zudem authentische und sehr persönliche Einblicke in ihre Familiengeschichte und ihr einfaches, naturnahes, aber spannendes Leben als Bergbäuerin auf dem Hof Mas del Saro im Fersental im Trentino. Es ist ein interessantes und rundum überzeugendes Buch mit tollen schnörkellosen, bodenständigen Rezepten, das ich jedem sehr ans Herz legen kann.
Bevor wir uns also im eigentlichen Rezeptteil auf eine kulinarische Reise begeben und Vea Carpis ganz persönliche Interpretation von Gerichten verschiedener Herkunft kennen lernen werden, gibt es zunächst einen interessanten einleitenden Teil. Der Autorin liegt es am Herzen, dass wir unsere Kochgewohnheiten im Sinne der Einfachheit zu überdenken lernen und uns für bewussteren Konsum zu sensibilisieren. Entsprechend sind ihre Rezepte einfach gehalten, so dass sie mit wenigen saisonalen, aber qualitativ hochwertigen Zutaten leicht nachgekocht werden können. Direkt vom Garten auf den Tisch – doch keine Sorge, man muss nicht zwingend Selbstversorger sein, denn alles lässt sich auch auf dem Bauernmarkt oder in der Gemüsekiste je nach Jahreszeit finden. Ich finde es schön, dass die Rezepte in einfacher bäuerlicher Tradition stehen und auch der Aspekt der Vorratshaltung behandelt wird.
In den einleitenden Kapiteln nimmt uns Vea Carpi mit auf eine spannende Entdeckungstour rund um ihren Berghof. Äußerst spannend fand ich auch ihre interessanten Schilderungen zu ihrer Familiengeschichte, ihrer jahreszeitlich geprägten Arbeit auf dem Feld und in der Küche. Zudem sie gewährt uns spannende Einblicke in das Herz des Bauernhofs, der Vorratskammer, die für sie den absoluten Mittelpunkt der Gefühlswelt als wesentlicher Bestandteil des bäuerlichen Überlebens darstellt.
Der eigentliche Rezeptteil ist nicht nach klassischem Vorbild aufgebaut, sondern nach den vier „produktiven“ Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter mit interessanten Anregungen zu köstlichen Gerichten, die sich in der Küche ohne großen Aufwand zaubern lassen. Vorangestellt ist jeder Jahreszeit der Abschnitt „Vorratskammer“, in dem man einfache und authentische Zubereitungen zum Haltbarmachen und der späteren Verwendung der frischen Produkte der Saison findet. Zu den genialen Vorratsideen zählen beispielsweise Schnittlauchkapern, verschiedene Pestos, Kimchi oder auch Kompott. Im Winter finden wir Basisrezepte wie beispielsweise für Brot sowie eine ausführliche Anleitung zur Herstellung von Eierteignudeln oder der regionalen Pastaspezialität Pici.
Ob nun deftige Gerichte wie vegetarisches Ragout, Tortelli mit Ricotta und Fichtenwipfelpesto und winterliche Suppen, oder leckere Süßspeisen wie Erdbeer-Rhabarber-Crumble oder der urtypischen Trentiner Pinza de lat mit Äpfeln – die Auswahl an kreativen, wie authentischen Rezepten ist äußerst vielfältig, die Zubereitung unkompliziert und die Resultate sind zudem absolut köstlich! Inspiriert sind die Carpis Rezepte von traditionellen Familiengerichten und den bodenständigen Gerichten ihrer norditalienischen Selbstversorgerküche für den Agriturismo.
Insgesamt findet sich eine spannende Zusammenstellung von 80 alltagstauglichen, rein vegetarischen Rezepten, deren Zubereitung sehr verständlich und Schritt für Schritt nachvollziehbar beschrieben wird. Zu jedem Rezept findet sich eine übersichtliche, für 4 Personen ausgelegte Zutatenliste. Die Zubereitungen erfordern keine allzu große Kocherfahrung und sind trotz ihrer Raffinesse sehr einfach und schlicht gehalten, so dass auch Hobbyköche keine Probleme beim Nachkochen haben dürften. Den eigentlichen Rezepten ist jeweils eine kurze Einleitung vorangestellt, in der die Zutaten vorgestellt werden sowie regionale Hintergrundinformationen, persönliche Anmerkungen oder kleine unterhaltsame Anekdoten zu lesen sind. Zudem finden sich am Ende hilfreiche Tipps zum Aufbewahren und Servieren.
Abgerundet wird das Ganze mit einem ganzseitigen Foto, das die jeweils sehr ansprechend angerichteten Gerichte im rustikalen Ambiente zeigt - wundervoll in Szene gesetzt vom Fotografen Matteo Pavana.
Am Ende des Buchs findet sich noch ein übersichtliches alphabetisches Register und Glossar sowie Abkürzungen zum Nachschlagen. Hervorragend hat mir auch die übersichtliche und ansprechende Gestaltung des Buchs gefallen sowie die stimmungsvolle Bebilderung des einleitenden Teils und die natürlich wirkenden, Appetit-anregenden Fotos der einzelnen Gerichte, so dass man es gar nicht abwarten kann, die tollen Rezepte auszuprobieren.

FAZIT
Ein inspirierendes und rundum gelungenes Kochbuch, das uns eine regionale, bodenständige und saisonale Selbstversorger-Küche mit unkomplizierten, kreativen und absolut köstlichen Rezepten näherbringt!

Bewertung vom 20.12.2023
Aktion Phoenix
Herzog, Christian

Aktion Phoenix


ausgezeichnet

*Fesselnder Roman*
Mit „Aktion Phoenix“ hat der unter dem Pseudonym Christian Herzog schreibende deutsche Autor Ralf H. Dorweiler einen historischen Roman mit fesselnden Thrillerelementen vorgelegt, der uns in Deutschlands dunkle Vergangenheit eintauchen lässt. Sehr anschaulich widmet sich der Autor der Thematik, wie es totalitären Staaten gelingt, ihre Bevölkerung mit Hilfe von Propaganda und Repressionen in ihrem Sinne zu beeinflussen und ideologisch zu prägen.
Die Handlung ist im Nazi-Deutschland des Jahres 1936 rund um die 11. Olympischen Spiele in Berlin angesiedelt und lässt uns an einem bewegenden und sehr lehrreichen Abschnitt deutscher Zeitgeschichte Anteil nehmen.
Herzog ist es hervorragend gelungen, eine Vielzahl historischer Fakten und Geschehnisse in die spannende fiktive Handlung einzuflechten und uns zugleich die perfiden Mechanismen aufzuzeigen, mit denen das skrupellose Nazi-Regime die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Tätern, Mitläufern sowie auch Opfern steuern und manipulieren konnte.
Ausgangspunkt für seine Geschichte ist ein faszinierendes Gedankenspiel, das im Lichte des Größenwahns der NS-Regierung mit ihren willfährigen Handlangern durchaus glaubhaft scheint und sich in ähnlicher Weise hätte abspielen können. Äußerst spannend ist es daher, den Hintergründen der rätselhaften Aktionsgruppe Phoenix auf die Spur zu kommen.
Die vielschichtige, geschickt in den historischen Kontext eingebettete Handlung zieht uns rasch in ihren Bann.
In zahlreichen nebeneinander laufenden Handlungssträngen lernen wir nach und nach die unterschiedlichen Charaktere kennen, deren moralischer Kompass und Verhalten exemplarisch für viele Menschen während der Zeit der Nationalsozialisten stehen – vom schweigenden Mitläufer über den gewissenlosen Opportunisten bis hin zu den kleinen Helden, die sich trotz größter Gefahren gegen die Ideologie stellten und sich im Widerstand organisierten.
Im Mittelpunkt stehen drei fiktive Protagonisten, die alle in die schicksalhaften Ereignisse rund um die olympischen Eröffnungsspiele verwickelt sind und schließlich in höchste Gefahr geraten.
Gekonnt lässt uns Herzog ins Berlin 1936 eintauchen und zeichnet ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit. Während die Nazis sich bemühen, Deutschland der internationalen Öffentlichkeit als eine weltoffene Nation mit makellosem Image zu präsentieren und eine einzigartige Propaganda-Inszenierung der Olympischen Spiele planen, lässt er uns in verschiedenen Szenen auch einen schockierenden Blick hinter die herausgeputzten Fassaden werfen. Die eindrücklichen Darstellungen des damals üblichen Umgangston und allgemeinen Meinungsbilds sowie die damalige politische Stimmung in der Bevölkerung sind äußerst gelungen. Allgegenwärtig sind offener Judenhass und Rassismus, aber auch die permanente Überwachung und Bespitzelung der Bevölkerung lässt Misstrauen und ein Klima der Angst aufkommen. Doch SA-Schlägertrupps verkörpern die hässliche Fratze dieses totalitären Staats, denn auch die Systemtreuen sind vor Bedrohung und Erpressung nicht sicher.
Die Geschichte lebt neben den anschaulich dargestellten und gut recherchierten historischen Zusammenhängen vor allem von seinen vielschichtig und authentisch gezeichneten Figuren, in deren Gefühls- und Gedankenwelt man sich gut hineinversetzen kann.
Ob nun die junge Kunststudentin Anna Kollmann, die mit ihrer studentischen Widerstandsgruppe mit Plakat-Aktionen auf die Taten der Nazi-Diktatur aufmerksam machen will, der für die Propagandaabteilung arbeitende Hermann Schmidt, der der Nazi-Ideologie kritisch gegenübersteht, sich in die rebellische Anna verliebt wodurch sein Leben völlig aus den Fugen gerät, oder der unpolitische, gutherzige Oberkellner Georg Finkbeiner, der als Stewart im Zeppelin Hindenburg unversehens zwischen die Fronten gerät und einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur kommt – sie alle werden in ein in perfides Komplott hineingezogen, müssen schwierige Entscheidungen treffen und dem Unrechtsregime die Stirn bieten, um überleben zu können. Ein besonderes Highlight sind zudem die vielen historischen Persönlichkeiten wie Leni Riefenstahl, Goebbels oder sogar Hitler, die Gastauftritte haben und von Herzog sehr glaubwürdig darstellt werden.
Gekonnt lässt der Autor die Spannung immer weiter ansteigen, verdichtet die verschiedenen Handlungsstränge zunehmend und überrascht uns mit einem fulminanten und äußerst packenden Finale während der Olympia-Eröffnungsfeier. Auch wenn nicht alles bis in kleinste Detail aufgeklärt wird, so konnte mich die schlüssige Auflösung des perfiden Plans hinter der Aktion Phoenix sehr überzeugen. Abgerundet wird der tolle Roman durch ein interessantes Nachwort des Autors.

FAZIT
Ein fesselnder und nachdenklich stimmender Roman mit gelungenem Zeitkolorit, der mich sehr gut unterhalten hat. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 17.12.2023
Florence Butterfield und die Nachtschwalbe (eBook, ePUB)
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Bewegender, sehr stimmungsvoller Roman*
„𝐅𝐥𝐨𝐫𝐞𝐧𝐜𝐞 𝐁𝐮𝐭𝐭𝐞𝐫𝐟𝐢𝐞𝐥𝐝 𝐮𝐧𝐝 𝐝𝐢𝐞 𝐍𝐚𝐜𝐡𝐭𝐬𝐜𝐡𝐰𝐚𝐥𝐛𝐞“ von der britischen Autorin Susan Fletcher ist ein faszinierender Roman mit einer fesselnden Geschichte voller Überraschungen und bewegender Rückblicke.
Auch wenn es sich hierbei - anders als zunächst von mir angenommen - nicht um einen englischen Wohlfühlkrimi handelt, konnte mich der sehr atmosphärische Roman rund um die sympathische Protagonistin Florence Butterfield berühren und mit seinem wundervoll idyllischen Landhaus-Setting gut unterhalten.
Im Mittelpunkt der warmherzig erzählten Geschichte steht die 87-jährige Florrie, die seit einiger Zeit ihren Lebensabend in der beschaulichen Seniorenresidenz Babbington Hall verbringt und nach einer Beinamputation an den Rollstuhl gefesselt ist. Als sie eines Nachts mitbekommt, wie die Heimleiterin Renata aus ihrem Fenster stürzt, ist sie davon überzeugt, dass es sich nicht um einen Suizidversuch handelt. Trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung beginnt sie gemeinsam mit dem liebenswerten Mitbewohner Stanhope Jones diskrete Nachforschungen zu den Hintergründen anzustellen. Immerhin ist ihnen bald klar, dass unter ihnen ein potentieller Mörder weilen könnte. Nur gut, dass sich Florrie als gewitzte Miss Marple der Seniorenresidenz bei den Ermittlungen auf ihr untrügliches Gespür für zwischenmenschliche Schwingungen verlassen kann. Die eigentliche Krimihandlung, die es durchaus in sich hat, entwickelt sich sehr gemächlich und spielt sich insgesamt leider eher im Hintergrund ab. Die aus Florries Perspektive erzählten Ereignisse werden, wie es so häufig bei älteren Damen vorkommt, immer wieder von abschweifenden Gedanken, detailverliebten Betrachtungen und eingestreuten Rückblicken auf ihr eigenes bewegtes Leben unterbrochen. So erfahren wir nach und nach unterhaltsame Anekdoten über ihre abenteuerlichen Reisen und erhalten ausführliche Einblicke in ihre ereignisreiche Vergangenheit, die von einem dunklen Geheimnis, das ihr weiteres Leben nachhaltig prägte, überschattet ist.
Dank des einfühlsamen Erzählstils der Autorin und den schönen bildhaften Beschreibungen wird man rasch in das wundervoll atmosphärische Setting von Babbington Hall und Florries faszinierendes, erfülltes Leben hineingezogen.
Die zahlreichen lebendig gezeichneten Charaktere, die mit ihren netten Eigenarten, kleinen Hintergrundgeschichten und Geheimnissen für jede Menge Abwechslung und Unterhaltung sorgen, sind der Autorin sehr gelungen.
Die liebenswerte Protagonistin Florence Butterfield ist natürlich ein besonderes Highlight. Mit ihr hat die Autorin einen interessanten und sehr vielschichtigen Charakter geschaffen, über deren bewegte Lebensgeschichte mit sechs Männern und etlichen herben Enttäuschungen man immer mehr Details erfährt, so dass man ihr schließlich immer näher kommt. Die weltoffene, clevere und sehr couragierte ältere Dame voller Lebensenergie konnte mich mit ihren ausschweifenden Geschichten über ihr Leben und lang gehütete Geheimnisse trotz einiger Längen für sich einnehmen, doch insbesondere ihre gewitzten Ermittlungen, die zum Ende hin richtig an Fahrt aufnehmen und in einem packenden Showdown gipfeln, konnten mich bestens unterhalten. Am Ende erfahren wir neben der schlüssigen Aufklärung des Falls auch die tragischen Hintergründe zu Florries traurigem Geheimnis, das mich sehr berührt hat.

FAZIT
Ein fesselnd und warmherzig erzählter Roman über eine faszinierende Heldin und ihre bewegende Lebensgeschichte - mit einem schönen Schuss Cosy Crime, stimmungsvoller Atmosphäre und wundervollem Landhaus-Setting.

Bewertung vom 14.12.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

*Wundervoll herzerwärmender Roman*
Mit seinem neuen Werk „Kein guter Mann“ ist dem deutschen Schriftsteller und Drehbuch-Autor Andreas Izquierdo ein humorvoller aber zugleich auch berührender und nachdenklich stimmender Roman gelungen.
Im Mittelpunkt seiner unterhaltsamen Geschichte steht der knapp 60jährige Postbote Walter, dem es mit seiner mürrischen, pedantischen Art gelingt sich bei jedem unbeliebt zu machen. Nach einem höchst unerquicklichen Vorfall mit einem Kunden wird der alte Grantler schließlich in die Christkindlfiliale in Engelskirchen strafversetzt, wo er möglichst wenig Schaden anrichten kann.
Mit seinem lebendigen Schreibstil versteht es Izquierdo hervorragend, in uns eine ganze Bandbreite an Gefühlen zu wecken und uns immer tiefer in die abwechslungsreiche, emotionsgeladene Geschichte rund um Walter hineinzuziehen.
Während der Beginn noch überwiegend humorvoll und amüsant erzählt wird, wechselt die Handlung allmählich zu einer tiefgründigen Geschichte, in der auch viele ernstere, zu Herzen gehende Themen angeschnitten werden.
Dem Autor gelingt es aber hervorragend, die oft etwas traurige und beklemmende Stimmung mit der unterhaltsamen Email-Korrespondenz zwischen Ben und Walter als liebem Gott sowie einigen herrlich witzigen Episoden aufzulockern.
Izquierdo hat einfach ein Händchen dafür, bemerkenswerte Charaktere zu schaffen. Seine Hauptfigur Walter hat er vielschichtig und mit seiner schwierigen Persönlichkeit interessant ausgearbeitet. Während man anfangs einige seiner Verhaltensweisen sehr verschroben und ihn nicht allzu sympathisch findet, beginnt man Walter bei besserem Kennenlernen immer mehr zu mögen und ihn in sein Herz zu schließen.
Schrittweise erfahren wir in Rückblicken mehr über sein Leben und seine verwickelte Familiengeschichte. So erkennt man bald, dass hinter dem vermeintlichen Ekelpaket eigentlich ein sehr einsamer und rundum herzensguter, empathischer Mensch steckt, dem von seiner Familie und dem Schicksal teilweise sehr übel mitgespielt wurde. Die vielen schlechten Erfahrungen prägten Walter nachhaltig und haben ihn schließlich zu dem verschrobenen Menschen gemacht, der er heute ist.
Sehr nachdenklich und traurig stimmt auch das Schicksal vom kleinen Ben und seiner alleinerziehenden depressiven Mutter, der sich an in seiner Not mit einem Brief an den lieben Gott persönlich wendet und um Hilfe bittet
Sehr glaubhaft und gefühlvoll zeichnet der Autor, wie sich ein zartes Band der Freundschaft, des Vertrauens und der Hoffnung zwischen den beiden entwickelt und sie erfahren, dass das Leben nicht nur Enttäuschung, Kummer und Perspektivlosigkeit für sie bereithält. Wie schön ist es mitzuerleben, wie Ben und Walter sich gegenseitig dabei geholfen haben, einander den richtigen Weg zu weisen.
Auch wenn ich die Verhaltensweisen einiger Figuren nicht ganz nachvollziehen und als etwas zu überspitzt dargestellt empfand, konnte mich diese, herzerwärmende Geschichte sehr begeistern.
Eine wundervolle Geschichte, die anschaulich aufzeigt, dass in jedem Mensch etwas Gutes steckt.
Ein äußerst gelungener Einblick in eine Gesellschaft des vorschnellen Verurteilens, der oberflächlichen Betrachtung und deren Folgen am Beispiel eines zerstörten Lebens.
FAZIT
Ein humorvoller und berührender Roman mit einer unvergesslichen, herzerwärmenden Geschichte und viel Tiefgang. Ein ganz besonderes, sehr empfehlenswertes Leseerlebnis!

Bewertung vom 07.12.2023
Als wir an Wunder glaubten
Bürster, Helga

Als wir an Wunder glaubten


ausgezeichnet

*Eindrucksvoller Roman*
In ihrem beeindruckenden, auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman „Als wir an Wunder glaubten“ widmet sich die deutsche Autorin Helga Bürster einem wenig bekannten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Hierin greift sie sozialpsychologische Phänomene der deutschen Nachkriegsgesellschaft auf, die sich in einem weit verbreiteten Aber- und Hexenglauben, der Popularität von selbst ernannten „Wunderdoktoren“ wie Bruno Gröning aber auch Fällen von Hexendenunziationen äußerten.
Wie bereits in ihren letzten beiden Romanen „Luzies Erbe“ und „Eine andere Zeit“ entführt uns Bürster an einen sehr ländlichen Schauplatz im Norden Deutschlands. So ist diesmal ist der neue Roman in Unnenmoor zum Ende der 1940er Jahre angesiedelt, einem abgeschiedenen und rückständigen kleinen Ort in der unwirtlichen norddeutschen Moorlandschaft, an dem das Leben von vielen Beschränkungen geprägt ist und ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Hervorragend haben mir insbesondere die eindrucksvollen, atmosphärisch dichten Natur- und Landschaftsbeschreibungen der eigenwilligen und sehr mystischen Gegend und der unterschiedlichen Handlungsorte gefallen, die mich die Kargheit und die Härte der Naturgewalten hautnah haben spüren lassen
Einfühlsam und eindringlich erzählt die Autorin von verunsicherten und entwurzelten Menschen, denen nach ihren traumatischen Erlebnissen in der Nazizeit und durch die Folgen des verlorenen Kriegs die Orientierung und Sicherheiten abhandengekommen sind. Noch haben sie nicht in ihr Leben zurückgefunden und flüchten sich in der Hoffnung, Rückhalt und Geborgenheit zu finden, ins Irrationale und Übernatürliche. Sehr anschaulich und authentisch fängt sie die Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit der Dorfgemeinschaft von Unnenmoor und das allgegenwärtige Gefühl von sozialem Misstrauen und unbestimmten Zukunftsängsten ein. Sehr atmosphärisch beschreibt sie die düstere, trostlose Stimmung und bleierne Schwere, die auf dem Dorfleben lastet, das immer noch von den Auswirkungen des Krieges beeinflusst ist. Ein perfekter Nährboden für Scharlatane und Wanderpropheten, die den Weltuntergang ankündigen, und dem Aufleben von altem Aberglauben.
Nachvollziehbar ist die große Sehnsucht der Menschen nach einer besseren Zukunft und einem Leben ohne Schuldgefühle und die Schatten der Vergangenheit. Doch während die einen auf materiellen, Wohlstand, Fortschritt und Neuanfang setzen und die alten Traditionen rigoros hinter sich lassen wollen, besinnen sich andere in der schwierigen Zeit auf die früheren Zeiten, alte Bräuche, Geister und ihren Aberglauben und suchen Sündenböcke unter ihresgleichen, um sich von ihren unguten Emotionen und Ängsten zu befreien.
Der Autorin ist eine einfühlsame, vielschichtige Figurenzeichung ihrer Protagonistinnen gelungen. Am Beispiel der beiden Freundinnen Edith und Annie führt uns die Autorin anschaulich und ernüchternd den tristen Alltag in Unnenmoor vor Augen und lässt uns schrittweise in die bedrückende Nachkriegsatmosphäre eintauchen, die mich mit ihrer Intensität zunehmend in den Bann gezogen hat. Gemeinsam mit ihren Kindern, der aufgeweckten Betty und den geistig behinderten Willi haben sie die harten Kriegsjahre durchgestanden, immer noch auf sich selbst gestellt und warten sie auf die baldige Heimkehr ihrer Männer aus dem Krieg. Als jedoch Annis Mann Josef kriegsverseht, schwer traumatisiert und mit nur rudimentären Erinnerungen an die Vergangenheit heimkehrt, nimmt das Schicksal seinen fatalen Lauf und die Ereignisse gipfeln in einer bizarren Hexenjagd. Obwohl sich die Handlung bisweilen im Kreise zu drehen scheint, konnten mich vor allem Gustes alte Geister-Geschichten über die Glöhnigen und Töverschen, die mystische Atmosphäre und die Dynamik der sich zuspitzenden Geschehnisse sehr fesseln. Sehr glaubhaft wird in der bewegenden und nachdenklich stimmenden Geschichte dargelegt, wie leicht sich psychisch labile Menschen von Opportunisten und Blendern manipulieren und ausnutzen lassen.
Abgerundet wird der Roman durch einen zuversichtlich stimmenden Ausklang im Epilog, der die Geschehnisse nach einem großen Zeitsprung zu einem schönen, stimmigen Abschluss bringt.

FAZIT
Ein beklemmender Roman über ein wenig bekanntes Phänomen deutscher Nachkriegsgeschichte – eine eindrucksvoll erzählte Geschichte voller Magie, Mythen und Aberglaube, die noch länger nachwirkt und nachdenklich stimmt!

Bewertung vom 06.12.2023
Die Erfindung des Lächelns
Hillenbrand, Tom

Die Erfindung des Lächelns


ausgezeichnet

*Opulenter historischer Roman*
Mit „Die Erfindung des Lächelns“ hat der deutsche Autor Tom Hillenbrand ein großartigen, äußerst opulenten historischen Roman zu Papier gebracht, der mit akribisch recherchierten historischen Details, überbordender Farbenpracht, Ideenreichtum und spannenden Verwicklungen für beste Unterhaltung sorgt. Ausgangspunkt für den fesselnden und atmosphärisch dichten Roman ist eine wahre Begebenheit – der spektakuläre Diebstahl von Leonardo da Vincis berühmten Gemälde „Mona Lisa“ aus dem Pariser Louvre am 22. August 1911.
Aufgrund der überbordenden Beschreibungen und des etwas ungewohnt antiquierten Sprachstils sowie der Vielzahl an Figuren fiel es mir anfangs leider etwas schwer in die vielschichtige Handlung einzutauchen.
Der lebendige, bildhafte Erzählstils und die rasante, atmosphärisch dichte Geschichte hatte mich dann aber doch irgendwann richtig gepackt, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Gebannt verfolgte ich den Fortgang der Geschehnisse und Commissaire Lenoirs aufregende Jagd nach der verschwundenen Mona Lisa.
Hillenbrand hat ein faszinierendes, facettenreiches und sehr stimmiges Zeit- und Sittengemälde der ausgehenden Belle Epoche in Paris geschaffen und lässt uns dank detaillierter Beschreibung der Schauplätze und dichter Atmosphäre mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Gekonnt lässt uns Hillenbrand die fesselnde Geschichte in den jeweiligen Handlungssträngen aus Sicht verschiedener, für die Handlung bedeutsamer Figuren erleben. Wir begeben uns an Seite verschiedener interessanter Figuren auf eine aufregende und lehrreiche Reise in die Vergangenheit und begegnen unzähligen historischen Persönlichkeiten, die der Autor absolut gelungen in seine äußerst spannende fiktive Handlung eingebettet hat. Vor einem authentischen historischen Kontext erleben wir eine hochinteressante Welt der Kunst und Kultur sowie unterschiedlichster politischer Strömungen und technologischen Wandels, eine Welt der Kontraste voller Ausschweifungen, Dekadenz, extremer Ideologien, Armut und Intrigen.
Die wendungsreiche Geschichte lebt neben einer Atmosphäre vor allem von einer Vielzahl von facettenreich und lebendig angelegten Figuren, die sehr lebensnah wirken und. für so manche Überraschung sorgen. Nach einer Fülle von fesselnden Verwicklungen und unerwarteten Wendungen findet die höchst erstaunliche Geschichte um den Diebstahl der berühmten La Joconde mit einer absolut stimmigen und gelungenen Auflösung der Ereignisse ihren Abschluss und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ja, so oder so ähnlich hätte sich damals tatsächlich alles zutragen können…

FAZIT
Ein faszinierender, mitreißend erzählter historischer Roman über das Schicksal der aus dem Louvre gestohlenen Mona Lisa – ein fesselnder Detektivroman und ein opulentes Sittengemälde der Belle Epoche voller spannendender historischer Fakten und atmosphärischer Dichte.
Ein beeindruckendes und sehr empfehlenswertes Leseerlebnis trotz des sehr anspruchsvollen Schreibstils!

Bewertung vom 03.12.2023
Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung / Monsieur le Comte Bd.2
Martin, Pierre

Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung / Monsieur le Comte Bd.2


sehr gut

*Leichte Krimiunterhaltung für Zwischendurch*
Bei dem kurzweiligen Krimi „Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung“ von Pierre Martin, einem deutschen unter Pseudonym schreibenden Bestseller-Autor, der vor allem durch seine Provence-Krimi-Reihe um »Madame le Commissaire« bekannt ist, handelt es sich bereits um den zweiten Band seiner humorvollen Wohlfühlkrimi-Reihe. Angesiedelt ist diese in Südfrankreich mit den wundervollen Schauplätzen Villefranche-sur-Mer und Cap-Ferrat.
Im Mittelpunkt der unterhaltsamen Krimi-Reihe steht der charmante Bonvivant Lucien Comte de Chacarasse, der ein Bistro im südfranzösischen Villefranche-sur-Mer leitet und ansonsten als sprichwörtlicher Lebemann die schönen Seiten des Lebens in vollen Zügen genießt. Allerdings ist er nach dem Tod seines Vaters gemäß seiner Familientradition verpflichtet in dessen Fußstapfen zu treten und entgegen seiner Überzeugung als Auftragsmörder zu arbeiten. Mit allerlei Tricks und cleveren Täuschungsmanövern versucht er seine Aufträge auch ohne zu morden auszuführen. Zum Glück kann Lucien er auf die tatkräftige Unterstützung von Francine, der attraktiven Sekretärin und Geliebten seines verstorbenen Vaters zählen…
Der Autor hat sich für seinen liebenswerten Protagonisten und Auftragskiller wider Willen erneut einen originellen und ziemlich verzwickten Auftrag einfallen lassen, den er geschickt und vor allem unblutig zu lösen versteht. Die abwechslungsreiche Handlung ist zwar nicht allzu realistisch und schreitet eher gemächlich voran, doch sorgen vor allem humorvolle und skurrile Episoden sowie der lockere Erzählstilstil für Abwechslung und gute Unterhaltung. Insgesamt hätte ich mir allerdings etwas mehr Spannung und einige unerwartete Wendungen gewünscht. Wie es für regionale Krimis typisch ist, spielen natürlich die kulinarischen Genüsse der provenzalischen Küche und das stimmungsvoll eingefangene südfranzösische Lokalkolorit mit dem französischen 'Savoir-vivre'. Die Schilderungen der Schauplätze und des wundervollen Settings an der französischen Riviera lassen zudem ein schönes Urlaubs-Feeling aufkommen. Auch das turbulente Privatleben des überaus gutherzigen Antihelden Lucien kommt zwischendrin nicht zu kurz.
Die verschiedenen Charaktere sind insgesamt interessant, aber etwas klischeehaft angelegt und hätten ruhig mehr Tiefgang vertragen können. Gelungen ist aber neben der sympathischen Hauptfigur Lucien vor allem die liebenswerte, schwerhörige Haushälterin Rosalie, die für einige nette Schmunzelmomente sorgt. Auch die clevere Francine ist wieder für einige Überraschungen gut und unterstützt Lucien bei seinen Aufträgen wo es nur geht. Ein kurzer Gastauftritt von Madame le Commissaire aus einer früheren Krimi-Reihe von Pierre Martin ist überdies als Running Gag eingebaut.
Man darf gespannt sein, wie es mit Lucien Comte de Chacarasse und der geheimnisvollen Francine in der Fortsetzung dieser charmanten Cosy-Crime-Reihe weitergehen wird.
ZUM HÖRBUCH
Das gekürzte Hörbuch wird von Schauspieler Wolfram Koch erneut sehr überzeugend eingelesen. Mit seiner ruhigen, angenehmen Stimme und angemessenem Sprechtempo setzt er die Handlung abwechslungsreich und mitreißend um. Auch humorvolle Passagen gelingen ihm mit dem gewissen Augenzwinkern. Gekonnt schlüpft er in die Rolle des charmanten Lebemanns Lucien und lässt seinen eigenwilligen Charakter lebendig werden. Insgesamt ein nettes vergnügliches Hörerlebnis!
FAZIT
Ein unterhaltsamer Wohlfühlkrimi - mit viel Humor, einem liebenswertem, gutherzigen Auftragskiller und tollem südfranzösischen Lokalkolorit!