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Benutzername: 
Jidewi

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2020
Nur wer sichtbar ist, findet auch statt
Onaran, Tijen

Nur wer sichtbar ist, findet auch statt


ausgezeichnet

Das neue Sachbuch von Tijen Onaran mit dem Titel "Nur wer sichtbar ist, findet auch statt" beschäftigt sich eindrücklich, nahbar und mit natürlichen Beispielen und Hacks mit dem sehr persönlichen Thema Personal Branding, Fokus auf soziale Netzwerke gesetzt.

Tijen Onaran findet einen sehr persönlichen Einstieg in das Thema über ihre eigenen Erfahrungen, was das ganze Pamphlet für den Leser direkt realistischer wirken lässt und auf Augenhöhe holt. Viele Sachbücher verlieren ihren Leser bereits zu Beginn mit Tipps und Tricks, die von oben herab diktiert werden, in diesem Fall hingegen wird der Leser sympathisch abgeholt, mit offenen Armen empfangen, unabhängig seiner vorherigen Vorbereitung zum Personal Branding. Die Kapitel sind klar und deutlich gegliedert, bauen aufeinander auf und greifen thematisch ineinander wie Zahnräder eines Uhrwerks. Der Stil ist leicht, erzählend und gleicht einem Roman, daher liest es sich trotz der Komplexität des Themas schnell und flüssig. Dabei bleibt die Einfachheit bei Erklärungen im Vordergrund, inkludiert so jeden Leser mit beliebigem Background. Herauszuheben sind die schlüssigen Zusammenfassungen am Ende, sowie die Animation das Ganze für sich auszuprobieren, zu hinterfragen und zu reflektieren, eben seinen eigenen Standpunkt zu definieren. Dabei schafft es Tijen Onaran diese sehr schwer zu definierenden Themen immer wieder sympathisch zu be- und umschreiben, Rahmen abzustecken, ihre eigenen Unsicherheiten zu integrieren und dabei aber auch Raum zu lassen für den Leser, der bei dem ganzen Spiel um das Thema Branding vielleicht seine Rolle noch nicht gefunden hat. Es geht nicht darum einen Leitfaden zu bieten für die beste Definition von eigener Darstellung, sondern seinen eigenen Weg zu finden und Möglichkeiten, Diversität aufzuzeigen. Für mich persönlich sind nicht alle Kapitel gleich wertvoll aufgrund meiner Vorbildung und nicht alle Tipps und Tricks umsetzbar, den Anspruch erhebt das Buch jedoch auch nicht. Perfekt geeignet für alle, die sich immer schon gefragt haben, wie sie das Beste aus sich selbst herausholen können und die Social Media eher als ein Netz der Verwirrung ansehen, denn als reale Plattform, die die eigene Position stärken kann.

Bewertung vom 06.09.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


sehr gut

Der Debütroman "Jahresringe" von Andreas Wagner schildert auf sanfte, jedoch eindrückliche, sowie emotionale Art und Weise den Generationswechsel einer Familie und damit einhergehend eben auch die Veränderung ihrer Heimat, sowie die nachdrückliche Feststellung, dass nicht nur unsere Handlungen, Entscheidungen im Hier und Jetzt unser Leben nachhaltig bestimmen, sondern auch die Vergangenheit.

Leonore, eine Vertriebene aus Ostpreußen, streift heimat- und orientierungslos umher, getrieben von der Angst um die Zukunft. Sie trifft auf den Süßwarenbäcker Jean, den jedoch alle nur Hannes nennen, der ihr Obhut gewährt in seinem Haus in einem kleinen Dorf zwischen Köln und Aachen. Aufgrund ihrer Herkunft wird sie im Dorf jedoch vielmehr geduldet, als in ihrer Mitte willkommen geheißen. Einzig ihre Verbindung zum Wald lässt sie mit eben diesem Ort verwurzeln. Ihr Sohn Paul erlebt die Epoche, in der der Kohletagebau die Zukunft des Waldes und des Dorfes gefährdet, was letztlich zur Umsiedlung führt und für Paul in eine neue, ungewisse und definitiv andere Zukunft führt, als er es für sich erdacht hat. Die letzte Generation, Jan und Sarah, die Kinder von Paul, groß geworden in dem Dorf der Umsiedlung, könnte zerissener nicht sein: Sarah hat die Verbundenheit zum Wald von ihrer Großmutter geerbt und engagiert sich aktiv für dessen Erhalt, wohingegen Jan im Tagebau arbeitet und demnach auf der anderen Seite steht. Wird dieser Konflikt in einer familiären, generationsübergreifenden Katastrophe enden?

Die Schilderungen im gesamten Buch sind detailreich und sehr nahbar geschrieben. Trotz des ernsten Themas liest es sich leicht, einfach und doch schwingt zwischen den Zeilen die Melancholie, leise und sanft, jedoch nachhallend und einnehmend. Mir gefällt besonders, dass der Autor es schafft den Leser generationsübergreifend abzuholen und jeweils in der entsprechenden Epoche zu binden mit den entsprechenden Sorgen und Nöten, aber auch den kleinen, feinen Glücksmomenten. Ich habe den Roman als sehr authentisch empfunden und besonders die Verbindung zu Leonore gespürt auf ihrer tiefsinnigen Suche nach dem Gefühl anzukommen und sich in einer neuen Heimat verwurzeln zu können. Je weiter die Zeit fortschritt, desto anonymer wurde schlichtweg die Beziehung zu den Protagonisten, was ich in diesem Fall jedoch als schlichtweg realistisch bewerte. Jeder, der die mehrschichtigen, vielfältigen Geschichten seiner eigenen Familie kennt weiß, dass mit fehlender zeitlicher Nähe zu den Geschehnissen der Nachkriegszeit auch leider die Emotionalität, die Betroffenheit schwindet. Das gesamte Thema hat mir unglaublich gut gefallen, denn wir alle sind zuweilen von den Fragen betroffen, was Heimat bedeutet und was eben diese zu unserer Identität beiträgt. Wieviel bestimmt die Vergangenheit der Familie und wieviel bestimme ich? Was ist das Erbe meiner Familie und trage ich es mit Würde und Stolz, im Sinne dessen, was die Vorfahren sich gewünscht hätten und für sich erarbeitet haben? Und wo bleibe ich inmitten dieser komplexen Gedanken? Eben solche Fragen sind mir persönlich immer wieder während des Lesens begegnet und regen zur eigenen Reflektion an. Die einzigen Minuspunkte sind für mir die zuweilen etwas surrealen Szenen, die es meiner Meinung nach nicht gebraucht hätte in diesem durchweg stimmigen Werk zwischen Freude, Leid und dem Neuanfang, sowie die für mich persönlich empfundene Kurzatmigkeit- gerne hätte ich noch mehr gelesen. Für alle empfehlenswert, die generationsübergreifende Handlungen, Nahbarkeit von Charakteren schätzen und sich selbst die Frage stellen, was Heimat bedeutet.

Bewertung vom 04.09.2020
Caribou
Major, Kevin

Caribou


sehr gut

Der Roman "Caribou" von Kevin Major werden eindrücklich die Geschehnisse des 2. Weltkriegs thematisiert mit dem Hauptaugenmerkt auf die U-Boot-Kriegführung zwischen Deutschland und Kanada, sowie den USA.

Ulrich Gräf ist Oberleutnant/ Kapitänleutnant der U69, ein ambitionierter Offizier, der zielstrebig seine Karriere verfolgt und Befehle ausführt. Gleichzeitig ein musischer Mann, den Künsten zugeneigt und voller Liebe für seine Elise. Dem gegenüber steht der junge John Gilbert, ein Steward auf der Caribou, der seine Rolle im Leben noch nicht gefunden hat. Er ist auf der Fähre umgeben von einem vielfältigen Potpourri an Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Bis zu jenem schicksalshaften Tag im Oktober 1942, als sich das Schicksal der beiden auf unwiderrufliche Weise kreuzt.

Mich hat vor allem der Detailreichtum des Romans begeistert über eine spezielle Materie des 2. Weltkrieges, die ich vorher für mich unbewusst ausgeklammert habe. Einzutauchen in die Logik der U-Boot Kriegsführung, den Regeln und Gebräuchen, dem Ehrenkodex näher zu kommen mit entsprechender realer, zeitlicher Verknüpfung hat das ganze Material in eine sehr lesenswerte Handlung verwandelt, die für mich einen wahren Wissensmehrwert bedeutet hat. Darüber hinaus war es sehr spannend, die Geschichte über das Unglück hinaus verfolgen zu können, den Charakteren weiter in ihrer Entwicklung zu folgen, genau das war für mich unvorhergesehen und dementsprechend sehr unterhaltsam. Der Stil ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, liest sich aber dann flüssig von der Hand. Am Anfang haben mich zudem die vielen Charaktere verwirrt, was sich jedoch auch im Verlauf des Buches legt. Was mir wiederum gefehlt hat, ist die Nähe zu den Charakteren, eine Reflektion ihrer Persönlichkeit, eine aktive Auseinandersetzung mit dem Kriegsgeschehen und den traumatischen Erlebnissen, um meine eigene Betroffenheit steigern zu können. Ein sehr lesenswerter Roman für historisch begeisterte Leser mit Anspruch auf Realitätsgehalt gepaart mit einem Schuss Menschlichkeit der guten Charakterstudie.

Bewertung vom 02.09.2020
TREU
Hornscheidt, Sven

TREU


sehr gut

In seinem Debütroman "Treu" schildert Sven Hornscheidt die Tücken der heutigen Jugend, die Ambivalenz von Freundschaften, gepaart mit dunklen Geheimnissen, einem düsteren Kraterwald und mysteriösen Charakteren. Unvorhersehbare Ereignisse fesseln den Leser bis zum dramatischen Ende.

Der Hauptprotagonist Moritz, ein schüchterner, introvertierter Junge, sieht sich mit sich selbst konfrontiert, den Herausforderungen des Erwachsenwerdens und somit auch seiner Freundschaft zu Lukas, dem verwegenen Lockenkopf, dem er sich gerne öffnen möchte und dessen Art und Weise ihn vollkommen gefangen nimmt. Lukas hingegen ist mit Marina zusammen, aber die Beziehung kriselt, was nicht zuletzt an Lukas mysteriösem Verhalten liegt und seiner abgeklärten Art. Was hat Lukas zu verbergen? Und was hat das alles mit seinem Bruder Jakob zu tun über den er nie sprechen will? Moritz rutscht immer mehr in Lukas Welt ab, die aus dunklen Geheimnissen, mysteriösen Ereignissen und vielen ungelösten Fragen besteht, bis es kein Zurück mehr gibt.

Der Roman ist in seiner Thematik sehr aktuell gehalten, die Zerrissenheit der heutigen Jugend gut und klar geschildert. Der Stil ist leicht und fließend und die Zeitsprünge sehr gut eingebettet, sodass der Leser gut folgen kann. Der Spannungsaufbau ist gelungen und das Ende mehr als unvorhergesehen, scheut sich nicht mit Tabus zu brechen. Und genau das spricht für den guten Stil, denn zeitweise wollte ich nicht tiefer in die Geheimnisse eintauchen aufgrund der bösen, innerlichen Vorahnung, die mich zurückschrecken ließ. Die Charaktere sind überzeugend gezeichnet, vor allem die Entwicklung von Moritz sei hier hervorzustellen. Der einzige Schwachpunkt für mich ist die anfängliche Konzentration auf recht nebensächliche innere Reflektionen, die jedoch nicht viel zur Geschichte beitragen. Dafür hätte ich mir wiederum andere Handlungsstränge vertieft gewünscht, um die weiteren Charaktere noch nahbarer zu empfinden, emotionaler mit ihnen verwoben und selbst betroffener zu sein. Ein sehr lesenswerter Roman für Freunde von jugendlich angehauchten, düsteren Thrillern, eingebettet in die Problematik der Generation Z.

Bewertung vom 01.09.2020
Schwarzer Jasmin
Rumpl, Manfred

Schwarzer Jasmin


gut

Der Roman "Schwarzer Jasmin" von Manfred Rumpl thematisiert vor allem ein sehr aktuelles Thema: Migration, Integration und die Intention möglicher Gefährder. Eymen wächst in Tunesien auf, seine Kindheit ist geprägt von Hass, Gewalt und der Willkür der Salafisten. Schnell wird ihm klar, dass er in Tunesien keine Zukunft hat und begibt sich als Flüchtling nach Europa. Dort trifft er auf Julia, eine Vollblut Sozialarbeiterin, die sich auch privat mit der Ungerechtigkeit der Welt, der fehlenden Balance unseres Systems und systemischer Diskriminierung auseinandersetzt. Das bekommt auch ihr Freund Jakob zu spüren, der zwar ein gutes Gespür für Wein besitzt, jedoch ein fehlendes Händchen für zwischenmenschliche Beziehungen. Der letzte Protagonist ist Frank, Polizist kurz vor der Pension, der sich dem Thema der Terrorabwehr im Land widmet. Die Handlungsstränge sind enger verwoben als gedacht und führen zu einem dramatischen Finale.

Die Leseprobe dieses Romans hat mich schlichtweg umgehauen: Eymens Kindheit wird beleuchtet, seine Umstände und eben auch das Leben in Tunesien. Schwarzer Jasmin als Leitfaden taucht immer wieder auf und vernetzt alsbald die ersten Handlungsstränge sanft und trotzdem drastisch. Dazu die Beleuchtung der Liebesbeziehung von Jakob und Julia, sowie die Bedürfnisse von Frank, der sich trotz nahender Pension nochmal komplett in seine Arbeit vertieft. Die Geschichte an sich mit all ihren Handlungssträngen hat unglaublich viel Potential, mir fehlt jedoch die Nähe zu den Charakteren, wahrscheinlich auch aufgrund der vielen, für mich teilweise nicht mehr nachvollziehbaren Sprünge im Zeitverlauf. Dadurch verliert die Geschichte an Tiefe und emotionaler Komplexität, sodass für mich das Ende zwar spannend war, ich mir jedoch eine größere Verbundenheit mit den Protagonisten gewünscht hätte. Das Verhältnis bleibt für mich somit oberflächlich, leicht angeraut. Für mich spannend klingende Handlungspassagen wurden gefühlt auch leider nicht intensiviert oder näher thematisiert, teilweise ebenfalls übersprungen trotz des brachliegenden Potenzials. Ich hätte mir eine tiefergehende Reflektion gewünscht. Eine Leseempfehlung für diejenigen, die sich für die Geschichten hinter potenziellen Gefährdern interessieren, ihren Lebensweg und ihre Sichtweisen, jedoch weniger für Leser, die komplexe Charaktere lieben und Geschichten mit emotionalem Tiefgang.

Bewertung vom 24.08.2020
Der letzte Satz
Seethaler, Robert

Der letzte Satz


ausgezeichnet

Gustav Mahler sitzt eingewickelt in Decken auf dem Deck der Americana und blickt seiner letzten Reise entgegen von New York nach Wien, begleitet von Erinnerungen, Erfolgen und Echtzeitaufnahmen lässt er sein Leben Revue passieren. Robert Seethaler nimmt den Leser mit auf dieser einzigartigen, eindrucksvollen Reise, die über die letzten Zeilen in die Welt hinaushallt.

Trotz der Kürze des Romans war der Inhalt sehr intensiv, authentisch und es bedarf keiner weiteren Zeilen, da er komplett, in sich schlüssig und schlussendlich fließend erscheint. Der große Künstler, der sowohl auf eine eindrucksvolle Karriere zurückblicken kann, als auch eine liebende Familie, was ihn mit unglaublich viel Wärme und Glück erfüllt. Gleichzeitig ist er Künstler, hadert mit sich, dem Leben, der Liebe und auch seinen Werken. Diese Zerissenheit zwischen den Zeilen, diese Zerbrechlichkeit und teilweise geschilderte Hochsensibilität, gepaart mit vielerlei Widersprüchen zeichnet für mich ein so emotionales, zugleich reales Bild eines Mannes, der das beste Leben gelebt hat, das er konnte, jedoch nicht das beste, was er vielleicht wollte. Die innere Auseinandersetzung zwischen Akzeptanz, dem Bewusstsein um die schönen, erlebten Momente und dem Wunsch nach mehr, dem Gefühl, dass alles nicht reicht, wird begleitet mit wunderschönen, malerischen Schilderungen, Zeitsprüngen und Dialogen. Präzise und fein säuberlich bleibt am Ende die Frage nach dem Glück für mich, im Leben, in der Liebe und im Tod. Wann ist ein Leben lebenswert und wann bereue ich verpasste Chancen? So eindrücklich hat für mich bisher noch kein Autor die letzte Reise eines Menschen verpackt.

Bewertung vom 09.08.2020
Das Leben ist ein wilder Garten
Buti, Roland

Das Leben ist ein wilder Garten


ausgezeichnet

Der Roman "Das Leben ist ein wilder Garten" von Roland Buti ist ein kurzweiliges, dabei jedoch intensives Portrait des Lebens eines Mannes, dessen Detailreichtum den Leser nachhaltig begeistert.

Der Protagonist Carlo, Landschaftsgärtner aus Leidenschaft, kämpft nachhaltig mit der Tatsache, dass seine Frau Ana ihn verlassen hat. Seine Tochter Mina ist in London und somit ebenfalls aus seinem Sichtfeld verschwunden. Sein Kollege Agon ist die verlässliche Konstante in seinem Leben, steht ihm mit Rat und Tat zur Seite. Als Carlos demente Mutter aus dem Heim verschwindet, beginnt für ihn eine Reise in eine ihm unbekannte Vergangenheit seiner Mutter, die tatsächlich mehr Auswirkungen auf sein eigenes Leben hat, als er bis dato ahnt.

Mir hat der Roman wirklich gut gefallen. Prägnant und kurz bringt der Autor das Geschehene auf den Punkt, nimmt den Leser mit, der relativ schnell die einzelnen Charaktere als Ganzes begreift, ihre Wünsche und Träume, aber auch ihre Ängste und Sorgen. Ich mag das vielfältige Spektrum der kleinen Randgeschichten, die doch so detaillreich aufwarten, dass sie mich nachhaltig berührt haben. Ich bin generell ein großer Fan von langen, ausschweifenden Romane, weil ich persönlich glaube, dass dadurch eine komplexere Verbindung zu den Protagonisten hergestellt werden kann. In diesem Fall schafft der Autor trotz der kurzweiligen Lesedauer genau das zu erreichen. Die Schilderungen in ihrer kleinen, feinen, kurzen Art sind gespickt mit Emotionen, die selbst Unausgesprochenes zwischen den Zeilen nachwirken lassen.

Für mich eine klare Empfehlung für alle, die sich bereits selbst schon einmal mit der Vergangenheit der Familie auseinander gesetzt haben und realisieren, dass vieles unausgesprochen ist und es manchmal auch so bleibt. Nahbar, emotional und leicht, flüssig geschrieben- ein leichter Roman mit erstaunlicher Tiefe.

Bewertung vom 06.08.2020
Modehaus der Träume / Das Lichtenstein Bd.1
Averbeck, Marlene

Modehaus der Träume / Das Lichtenstein Bd.1


sehr gut

"Das Lichtenstein- Modehaus der Träume" ist der Auftakt einer dreiteiligen Saga, die sich maßgeblich um das Modehaus Lichtenstein dreht, sowie seine vier Protagonisten, deren Schicksale und Träume trotz ihrer unterschiedlichen Hintergünde eng miteinander verwoben sind.

Das Cover ist für eine Geschichte voller Glanz, Gloria, Emotionen und spannenden Entwicklungen für mich nicht ausdrucksstark, aufmerksamkeitsheischend genug. Ich hätte mir etwas modischeres, stilechteres gewünscht, den großen Glanz widergespiegelt im Cover dieser doch signifikanten Epoche. Nennenswert ist zu Beginn die Personenaufstellung, die zu jedem guten, historischen Roman dazugehört, sowie ein Glossar, um die Begrifflichkeiten ihrem modernen Kontext zuordnen zu können.

Die Geschichte beschreibt die spannende Epoche zwischen 1913- 1918, im Zentrum die Stadt Berlin und das Modehaus Lichtenstein. Der Autor erzählt die Geschichte aus den wechselnden Perspektiven der vier Protagonisten: Jacob, Hedi, Thea und Ella. Jacob Lichtenstein, Sohn des Gründers des Kaufhauses, ist ein moderner Geschäftsmann, der mit kreativen und innovativen Ideen das Lichtenstein in eine neue Ära führen will. Er sieht sich dabei jedoch mit seiner Familie konfrontiert, allen voran seinem Bruder Ludwig, der andere Pläne für die Zukunft des Modehauses verfolgt. Hedi Markwardt, ein neues Ladenmädchen im Lichtenstein, träumt von einer Karriere in der Mode aufgrund ihres Talents für Farben und Formen, doch sie muss sich gegen ihre konservative Mutter behaupten und sich im Modehaus zuerst beweisen. Thea Stübner, eine Näherin im Lichtenstein, versucht dem Spagat zwischen fordernder Familie und ihrer Arbeit im Modehaus gerecht zu werden und Ella Winkler, eine aufstrebende Schauspielerin, hält an ihrem Traum fest die Bühnen dieser Welt zu bespielen, aber bisher reicht es noch nicht einmal für den Lebensunterhalt. Sie alle eint die Vision ihrer Träume, bis ein Brand im Lichtenstein diese in einem einzigen Moment zu zerstören droht.

Der Prolog ist bereits ein spannender Einstieg und hält den Leser gefangen im Spannungsbogen, der sich erst im Verlauf des Buches auflöst. Die Geschichte an sich liest sich leicht, umschmeichelt den Leser wie ein leichtes Sommerkleid am Körper, elegant und zart, nahbar und detailreich. Die Kapitel wechseln zwischen den Protagonisten und jeder Wechsel impliziert einen kleinen Zeitsprung. Sie sind kurzweilig formuliert und animieren zum Weiterlesen, denn jeder weitere Einblick fesselt den Leser und bindet ihn im Verlauf der Seiten immer mehr an die Protagonisten. Die Schilderungen des Autors habe ich größtenteils als malerisch empfunden und konnte mich gute in die einzelnen Szenen hineinversetzen, die Orte visualisieren. Die Figuren sind für mich charakterstark, signifikant und klar gezeichnet, dabei unterschiedlich und sich ergänzend. Die Geschichte wechselt zwischen emotionalen Liebesgeschichten, geschäftlichen Problemen, Zukunftsvisionen und damit verbundenen Ängsten, aber eben auch den dunklen Seiten des Lebens, bedingt durch den nahenden Krieg. Nahbar, emotionsgetrieben und trotzdem leicht fließt die Geschichte einem Ende entgegen, das auf den zweiten Teil hoffen lässt, der sich sicherlich ebenfalls als Schmöker entpuppen wird.

Was ich zwischendurch, vor allem zum Ende des Buches als etwas schade empfunden habe, sind die Zeitsprünge. Gerne wäre ich näher an den Charakteren geblieben und hätte noch mehr über ihre Entwicklung erfahren, ihre inneren Kämpfe und Gedanken in den verschiedenen Phasen der Epoche.

Fazit: Ein schöner, leichter Roman über eine spannende Epoche der Widersprüche zwischen Glanz und Gloria, aber auch Launen der Zeit und Leid inmitten von Berlin, mit liebevollen Charakteren, ausgestattet mit dem nötigen Rüstzeug seine Leser bis zur letzten Seite emotional zu binden. Ich freue mich bereits jetzt auf den zweiten Teil!