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Blümchen
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 169 Bewertungen
Bewertung vom 20.02.2024
Frühlingsgeheimnisse / Season Sisters Bd.1
Helford, Anna

Frühlingsgeheimnisse / Season Sisters Bd.1


sehr gut

Familiengeheimnisse in Wales - entspannte Frühjahrslektüre

Schwestern machen sich immer gut für eine Buchreihe im Unterhaltungsbereich und so wird auch diese neue Reihe - vielleicht ein wenig angeregt von der Sieben-Schwestern-Reihe von Lucinda Riley - getragen von den Frauen einer Familie, die alle besondere Familiengeheimnisse entlarven und dabei (natürlich) ihr persönliches Glück finden.

Hier sind es - naheliegend, wenn man den Titel anschaut - die Schwestern Spring, Summer, Autumn und Winter. Nachname: Season. Gut, für Bücher mag das alles funktionieren, ob jemand im „echten Leben“ seine Kinder nach den Jahreszeiten benennen würde, wenn er diesen Nachnamen hätte... man weiß es nicht. Sei’s drum - hier geht es um Unterhaltung und da ist das erlaubt.

Im ersten Band begeben wir uns mit der stürmischen und unangepassten Spring auf die Suche nach Geheimnissen in Wales. Ihre Geschichte ist verknüpft mit der Familie Fowler, deren Sohn Ethan ihre erste große Liebe war und deren Anwesen direkt an die Farm der Familie Season angrenzt.

Die Geschichte beginnt allerdings in London - denn Spring ist mit 16 zuhause ausgezogen und in die Großstadt gegangen. Die Hippiekultur ihrer Eltern auf der Farm, mit ausschweifenden Partys, viel Marihuana und freier Liebe hat die junge Frau überfordert. Doch nicht etwa, dass sie in London hätte Fuß fassen können - sie trudelt selbst mehr schlecht als recht durchs Leben und wird erst wach, als sie bei der 80jährigen Sophia Fowler Sozialstunden ableisten muss. Die beiden erkennen sowohl emotional als auch räumlich eine Verbindung - denn Mrs Fowler ist die Großmutter von Springs erster Liebe Ethan. Sie lebt schon lange nicht mehr auf dem großen Anwesen der Familie Fowler, sondern wurde von ihrem Sohn nach London abgeschoben. Spring möchte der Sache auf den Grund gehen und überredet Sophia, nach Wales zurückzukehren und jeweils mit ihren Familien reinen Tisch zu machen. Das entpuppt sich für beide als schwere Bürde...

In eingeschobenen Kapiteln erfährt man in einem historischen Teil von der Familiengeschichte der Fowlers und dem streng gehüteten Geheimnis, das die Familie auch in der heutigen Zeit noch zerstören könnte.

Das Buch ist natürlich als reine Unterhaltungslektüre gedacht und so muss man es auch lesen, denn sonst würde man schon am Anfang über die Verbindung zwischen Sophia und Spring stolpern - denn wie wahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet diese beiden sich in der Millionenstadt London durch Zufall kennenlernen?

Ich persönlich fand auch einige Aspekte nicht weit genug ausgearbeitet, so z. B. (Achtung, kleiner Spoiler!) die Pläne von Spring und Ethan für ein B & B. Das Geld kommt vom reichen Ethan, der natürlich kein Problem damit hat, trotz absoluter Unwissenheit von Gastronomie und Hotellerie 2-3 Millionen Pfund in den Um- und Aufbau eines B & B zu investieren. Damit ist auch für die Zukunft von Spring gesorgt, denn sie ist ja Ethans Freundin... da macht es sich die Autorin aus meiner Sicht zu einfach. Die Gründung eines Unternehmens, von dessen Führung man keine Ahnung hat, birgt immer Risiken und es hätte beiden Charakteren und der Authentizität des Buches gut getan, sich damit auseinander zu setzen. Das habe ich vermisst.

Alles in allem bietet Season Sisters aber für Fans von Romanen auf zwei Zeitebenen gediegene Unterhaltung mit viel Raum für die historischen Zusammenhänge, mehreren Liebesgeschichten (historisch und in der Gegenwart) und vielen Geheimnissen, die entdeckt werden wollen. Das Setting mit dem alten Schloss in Wales ist charmant und die Geschichten entwickeln sich recht dynamisch, so dass man beim Lesen dranbleibt.

Bewertung vom 11.02.2024
Das Lächeln der Königin
Gerhold, Stefanie

Das Lächeln der Königin


gut

Wie Nofretete nach Berlin kam...

Seit 100 Jahren steht sie - mit Unterbrechungen - im Museum in Berlin und fasziniert die Menschen: die Büste der ägyptischen Königin Nofretete. Auch nach mehr als 3000 Jahren hat sie nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Mittlerweile ist sie Werbefigur für die Stadt und ihre Museum, prangt auf Tickets und Plakaten und zieht Touristen an. Doch wie kam sie eigentlich nach Berlin?

Dieser Frage geht Stefanie Gerhold in ihrem Roman nach. Aus alten Aufzeichnungen rekonstruiert sie die Geschichte der berühmten Figur und der Menschen, die daran beteiligt waren, sie nach Berlin zu holen. Besonders zwei Männer hatten hier wesentlichen Anteil: Ludwig Borchardt, der Archäologe, der die Statue in Ägypten fand und der Berliner Unternehmer und Kunstmäzen James Simon, der immer wieder Geld für Grabungen zur Verfügung stellte.
Protagonist des Romans ist Simon. Sein Leben, Streben und Schaffen wird porträtiert und ein wesentliches Stück seiner Sammlung, die er den Berliner Museen zur Verfügung stellte, sollte eben auch die bereits 1912 entdeckte Büste der Königin sein. Er setzte sich dafür ein, dass sie möglichst nach Deutschland kommt, doch zunächst ist da die sogenannte „Fundteilung“ zu beachten. Borchardt machte ihm nicht viel Hoffnung, dass das beeindruckende Stück außer Landes kommen würde - und wenn, dann ggf. eher nach Frankreich als nach Deutschland.

Doch plötzlich die Freigabe: die Büste könne nach Berlin verbracht werden. Simon entsandte sofort seinen Sohn um das Stück zu holen - was auch gelang. Doch die Königin fristete noch weitere Jahre ein Leben im Verborgenen - erst 1924 wird sie endlich auf der Museumsinsel ausgestellt.

Das Buch stellt das Leben und Wirken von James Simon in den Mittelpunkt - ein zweifellos interessanter Charakter und wesentlich Beteiligter bei der „Aktion Nofretete“. Doch ich muss sagen, für mich wäre es wohl spannender gewesen, die Geschichte um die berühmte Büste aus der Sicht des Archäologen Borchardt zu lesen, denn ich denke dann wäre man noch näher dran gewesen an der Königin und ihrer Reise nach Berlin, die wohl doch von einigen Ungereimtheiten geprägt war. Mein persönliches Interesse liegt mehr auf dem Fundstück selbst als auf der persönlichen Lebensgeschichte des Geldgebers. Natürlich sind beide miteinander verbunden, aber für mich war es zwischendurch doch nicht ganz so interessant zu verfolgen.

Fazit:
Mit „Das Lächeln der Königin“ bekommen Leser einen Einblick in den „Ägypten-Fanatismus“, der zu Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa herrschte und bei dem Länder wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland versuchten, sich mit Sensationsfunden gegenseitig auszubooten. Der Fokus liegt aber stark auf der Lebensgeschichte des James Simon und - zumindest für mich persönlich - zu wenig auf der Büste selbst und ihrem Entdecker Ludwig Borchardt, von dem ich gern noch mehr erfahren hätte.

Bewertung vom 08.12.2023
Die Schuld, die man trägt / Sebastian Bergman Bd.8
Hjorth, Michael;Rosenfeldt, Hans

Die Schuld, die man trägt / Sebastian Bergman Bd.8


sehr gut

Ganz schön viel in einem Buch!

Auch Sebastian Bergman und die Reichsmordkommission sind im Jahr 2023 angekommen - älter, weiser und ruhiger? Nun ja, zumindest versucht Sebastian, sich geläutert zu geben und ab und zu mal niemanden vor den Kopf zu stoßen. Auch er hat in den letzten turbulenten Jahren einiges gelernt. Doch schon will ihm wieder jemand an den Kragen - bzw. setzt ein mörderisches Spiel in Gang, um Sebastian zu beweisen, dass er viel Schuld auf sich geladen hat.

Die Figuren rund um Sebastian Bergman sind mittlerweile zu guten Bekannten für mich geworden. Ihre Lebenswege, Erfolge und Lebenskrisen verfolge ich seit 8 Bänden - in diesem neuesten Band ging es nahtlos damit weiter und ich muss sagen, dass ich keinem „Neuling“ der Reihe mehr empfehlen würde, wahllos mitten in der Reihe mit dem Lesen anzufangen - und auf keinen Fall bei diesem 8. Band. Zu komplex sind die Strukturen, die die Autoren zwischen den Figuren aufgebaut haben. Wer die Vorgängerbände nicht kennt, wird mit einigen Andeutungen oder Zusammenfassungen wenig anfangen können, dafür ist einfach schon viel zu viel passiert und die Zusammenhänge sind auch nicht auf einer halben Seite erklärt. Immer mehr wird es deshalb zu einer Reihe, die nur (noch) für die Fans der ersten Stunde geeignet ist.

Keine Frage, es lohnt sich definitiv, die Reihe zu lesen - kaum jemand kann so gute Thriller schreiben wie Hjorth/Rosenfeldt, finde ich. Und so geniale Cliffhanger (auch diesmal wieder...).

Aber so langsam werden die Zusammenhänge undurchdringlich, auch diesmal spielten wieder Fälle und Begebenheiten aus Sebastians Vergangenheit eine große Rolle, daneben gab es noch drei (!) weitere wichtige Handlungsstränge, die alle einen Bezug zu den bisherigen Büchern hatten. Zum einen taucht Ellinor wieder auf, die Kontaktverbot hat und Sebastian stalkt. Zum anderen kommt Sebastian dem Geheimnis um die „Lebenslüge“ seines Patienten Tim Cunningham auf die Spur - und dieses Geheimnis führt zurück zu dem Tsunami, in dem Sebastian seine Frau und seine kleine Tochter verlor. Zu guter Letzt wird auch die Geschichte von Billy weitererzählt, der Ermittler in der Reichsmordkommission war - bis herauskam, dass er ein Serienmörder ist. Nun sitzt Billy in Haft und wartet auf seinen Prozess - doch auch da gibt es neue Entwicklungen.

Wie man sieht, wird die Handlung immer immer komplexer und ich muss tatsächlich sagen - ich neige zu der Auffassung, dass die Autoren die Geschichte langsam zu einem Ende führen sollten, anstatt sie immer mehr in sich selbst zu drehen wie ein Wollknäuel. Insofern bin ich gespannt, ob und wie es nach dem wieder extremen Cliffhanger aus diesem Buch weitergehen wird. Ich würde der Reihe einen raffinierten Abschluss wünschen, der der hohen Qualität der bisherigen Bücher gerecht wird und zu einem fulminanten Finale führt. Aber noch 4-5 Bände mit immer mehr Verwirrungen und Verschwörungen kann ich mir nicht vorstellen.

Fazit:
Wieder super geschrieben, wieder ein komplexes Netz von Entwicklungen, wieder ein extremer Cliffhanger - aber nur (noch) für Fans zu empfehlen.

Bewertung vom 30.11.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


sehr gut

Du bist so wunderbar, Berlin!

Vor rund 100 Jahren tobte in Berlin das Leben - das wissen wir spätestens seit der Kult-Serie Babylon Berlin. Einen wesentlichen Anteil an der Vergnügungskultur der Stadt hatten die Tanz-Etablissements und Bars wie Clärchens Ballhaus oder das Wintergarten-Varieté. Um Leute anzuziehen, wurden große Revuen aufgeführt und Mädchen-Tanzgruppen waren gefragt. Aber es war ein hartes Pflaster, denn nicht alle schafften es und nicht alle konnten den Versuchungen widerstehen, die das Nachtleben bietet...

In „Lindy Girls“ begleiten wir eine solche Mädchen-Tanzgruppe und ihre Trainerin Wally auf ihrem Weg zum Ruhm. Nicht alle Mitglieder der Tanzgruppe bekommen ihren eigenen Erzählstrang, aber beispielhaft werden anhand Thea, Alice und Wally sowie der Sekretärin Gila typische Lebenswege von Frauen im Berlin der 1920er Jahre erzählt. Daneben kommen mit Wallys Jugendfreund Jo sowie ihrem Geschäftspartner (oder mehr?) Toni auch zwei sehr gegensätzliche Männer zu Wort. Jo hadert mit Kriegstraumata und arbeitet als Eintänzer für einsame Frauen. Toni ist Sänger und wird Wallys Geschäftspartner - und sein flotter Lebenswandel und seine Risikobereitschaft können anziehend und abstoßend zugleich sein.

In diesem Potpourri von Figuren lässt Anne Stern auch diesmal den Zeitgeist sehr gut auferstehen. Sie erzählt nicht die Geschichte einer aufs Tanzen fixierten jungen Frau, die alles daran setzt ihren Traum zu verwirklichen. Denn so waren die Zeiten nicht... vielmehr kommen die Mädchen mitunter mehr zufällig zum Tanzen - es ist ein Job, er verspricht etwas Geld und wenn man halbwegs talentiert ist, ist es zumindest ein Weg aus der schlimmsten Armut. Schöngeredet wird hier wenig und vom Glamour der Showtanzgruppen ist nicht so wahnsinnig viel zu spüren.

Wie auch? Wie jedes Projekt in der Kulturszene ist auch dieses ein finanzielles Risiko und zunächst mal geht es darum, bezahlte Auftritte zu ergattern und einen Ruf zu etablieren.

Man folgt den Figuren gern durch die Straßen der Stadt und hofft, bangt und leidet mit, wenn sie Herausforderungen meistern müssen. Das ist Anne Sterns große Stärke - ein authentisches Bild von ihren Figuren im historischen Kontext zu zeichnen. Dass die Handlung nicht so dynamisch voranschreitet, wie man vielleicht erwarten könnte, verzeiht man da gern.

Und so empfehle ich den Roman gern weiter an alle, die eintauchen wollen ins Berliner Nachtleben der 1920er Jahre - mit all ihrer überbordenden Lebensfreude, Versuchungen und tiefen Krisen... es lohnt sich!

Bewertung vom 27.11.2023
Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


gut

Von wegen ruhiger Lebensabend

Florence Butterfield, 87, hatte sich auf einen ruhigen Lebensabend gefreut. Seit ihr nach einem Unfall ein Unterschenkel amputiert werden musste und sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist, ist eine Pflegeeinrichtung wohl doch die bessere Wahl. Im beschaulichen Babbington Hall möchte sie ihre Zeit bei Brettspielen oder im Garten verbringen. Natürlich - ab und zu kommt es in Altersheimen natürlich vor, dass Mitbewohner versterben. Aber Arthur? Um den liebgewonnenen Gesprächspartner ist es besonders schade.

Florence wendet sich der Pflegeheimleiterin Renata zu, die sie ebenfalls ganz entzückend findet. Und die ihr im Vertrauen erzählt, dass sie frisch verliebt ist und gern nach Paris fahren möchte. Kurz darauf stürzt Renata nachts aus dem Fenster ihrer Wohnung im 3. Stock der Seniorenresidenz. Und alle glauben, sie wäre gesprungen. Nur Florence glaubt nicht daran - und setzt alles daran, dahinter zu kommen, was wirklich vorgeht in Babbington Hall.

Zwischen den „Ermittlungen“ der rüstigen Rentnerin wird Florence‘ Leben erzählt - das ganz und gar nicht so beschaulich war wie man annehmen würde. Florence hat als Gattin eines Diplomaten die ganze Welt bereist und und ist bei weitem nicht so unbedarft wie es zunächst den Anschein macht. Doch sie hütet auch ein Geheimnis. Denn seit ihrer Jugend überschattet eine Tragödie, die sie nur den „Hackney-Vorfall“ nennt, ihr Leben.

Ich bin Florence sowohl durch die Gänge von Babbington Hall als auch durch ihr bewegtes Leben gefolgt, aber so richtig erwärmen konnte ich mich für die Geschichte irgendwie nicht. Gefühlt lag immer Melancholie über der ganzen Geschichte, sowohl was Renata anging als auch Florence selbst. Zunächst kam der Roman wie ein CosyCrime daher, je mehr man jedoch von Florence und Renata erfuhr, desto ernster wurde er. Einem eindeutigen Genre zuordnen kann man das Buch nicht (was vielleicht auch genau so gewollt ist).

Ich kann gar nicht richtig sagen, was mich an der Geschichte gestört hat, nur dass ich nicht 100%ig drin war... Das Cover finde ich nicht wirklich passend zur Geschichte - soll es Florence darstellen? Dabei wird an vielen Stellen betont, dass Florence keine schlanke Person ist (und auch nie war), die ein pinkfarbenes Etuikleid tragen würde... weder die Farbe noch das Kleid haben etwas mit der Handlung zu tun - ich kann nicht wirklich deuten, was es damit auf sich haben soll (oder mir ist etwas entgangen).

Letztendlich erfindet die Autorin mit ihrer Geschichte das Rad nicht neu - ermittelnde englische Rentner gibt es mittlerweile zuhauf und auch der ominöse „Hackney-Vorfall“ stellte sich letztlich als etwas heraus, was mir in anderen Büchern kürzlich schon zweimal begegnet ist. Insofern konnte mich die Geschichte leider nicht überraschen. Vielleicht wäre es für mich interessanter gewesen, wenn Florence‘ Auslandsaufenthalte noch mehr Raum erhalten hätten und das Buch dadurch schillernder geworden wäre. Doch einige ihrer Stationen wurden nur aufgezählt, andere nur in Verbindung mit dort kennengelernten Männern erwähnt. Das war mir etwas zu blass.

Alles in allem hätte die Geschichte - so wie sie hier erzählt ist - auch gern 50 Seiten weniger haben dürfen, ich glaube nicht, dass man dann etwas Wesentliches verpasst hätte.

Für mich war es ein durchschnittlich guter Roman, ich könnte mir aber vorstellen, dass zum Beispiel Fans des „Donnerstagsmordclubs“ von Richard Osman viel Freude mit diesem Buch haben könnten.

Bewertung vom 17.11.2023
Der Buchclub - Ein Licht in dunklen Zeiten
Lyons, Annie

Der Buchclub - Ein Licht in dunklen Zeiten


ausgezeichnet

Herzerwärmend!

Ein Buchclub in den dunkelsten Stunden europäischer Geschichte, eine Londoner Buchhandlung und ein junges jüdisches Mädchen, das in einer völlig fremden Welt seinen Platz finden muss - das ist die Geschichte des „Air raid book club“ (so der englische Originaltitel, der in etwa so viel heißt wie „Luftschutz-Buchclub“).

Doch bevor dieser ganz spezielle Buchclub seine Pforten öffnet, begleiten wir zunächst Gertie Bingham in den Jahren 1938/39. Sie und ihr Mann Harry waren seit Jahrzehnten die Inhaber von Binghams Books - doch seit Harry tot ist, hat Gertie keinen Elan mehr für die Buchhandlung. Mehr schlecht als recht führt sie den kleinen Shop und ist froh, dass ihre Angestellten sich weitgehend darum kümmern.
Da kommt der beste Freund ihres verstorbenen Mannes mit einer ungewöhnlichen Bitte auf sie zu: es werden Personen gesucht, die jüdische Kinder oder Jugendliche aus Deutschland aufnehmen. (vielleicht sind dem einen oder anderen die „Kinderverschickungen“ ein Begriff).

So kommt es, dass Gertie plötzlich die 15jährige Hedy Fischer im Haus hat - scheu und wortkarg und irgendwie so gar nicht das, was sich Gertie für ihr viel zu stilles Haus erhofft hat.

Doch als abzusehen ist, dass Hedys Eltern nicht wie geplant nach England nachkommen können und Hedys Aufenthalt zur langfristigen Angelegenheit wird, raufen sich die beiden zusammen. In den langen Nächten im Luftschutzraum werden aus Fremden Freunde und ein neuer Buchclub wird geboren - er spendet sowohl Gertie und Hedy als auch vielen Nachbarn und Kunden der Buchhandlung Trost in diesen schwierigen Zeiten und wird zum Dreh- und Angelpunkt der Nachbarschaft.

Annie Lyons ist mit diesem Roman eine wunderbar herzerwärmende Geschichte gelungen, die das Schicksal der von ihren Eltern getrennten „Verschickungskinder“ beleuchtet und gleichzeitig die Liebe zu Büchern feiert. Jeder, der Bücher liebt, wird in dieser Geschichte rührende Momente erleben, sei es mit John Steinbeck oder Winnie Puuh :)

Die Protagonisten Gertie und Hedy sind für einen Unterhaltungsroman erstaunlich gut und tiefgründig ausgearbeitet - sie sind nicht nur Romanheldinnen, sondern dürfen auch ihre schwachen Momente haben, mal ungerecht sein oder voreingenommen. All das macht sie zu nahbaren Figuren, die man gern im wirklichen Leben kennengelernt hätte. Selbst die Nebenfiguren haben ihren eigenen Charme, sei es die resolute Margery Fortescue, der ungestüme Nachbarsjunge Billy oder der gutmütige Labrador Hemingway.

Und trotz aller Tragik, die in diesem Buch eine Rolle spielt, scheinen auch immer wieder glückliche Momente durch, man leidet und hofft mit den Charakteren und bangt, dass sie alle den Krieg unbeschadet überstehen mögen. Dieses Mitfühlen macht für mich ein gutes Buch aus und deshalb vergebe ich hier liebend gern 5 Sterne und eine große Leseempfehlung!

PS. Wer „Die Bibliothek der Hoffnung“ mochte, wird den Buchclub lieben!

Bewertung vom 15.11.2023
Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
Ford, Olivia

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn


ausgezeichnet

Warnung! Dieses Buch verursacht Heißhungerattacken!

Wer das Backen liebt, wird auch Mrs. Quinn lieben - soviel kann man gleich am Anfang sagen. Und wer Kuchen liebt, der wird mit diesem Buch Heißhungerattacken erleiden, denn die Beschreibung der liebevollen Herstellung von Mrs. Quinns Köstlichkeiten ist so gelungen, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft.

Denn Mrs. Quinn ist eine begnadete Bäckerin, schon ihr ganzes Leben lang. Für sämtliche Lebenslagen kennt die rüstige 77jährige die passende Süßigkeit und die Menschen um sie herum bewundern sie für ihre Backkünste. Allen voran ihr Ehemann Bernard, der seit über 60 Jahren an ihrer Seite ist und bald auch 60 Jahre Eheglück mit ihr feiern kann. Doch trotzdieser harmonischen Ehe liegt ein Schatten über dem Paar - denn von der größten Tragödie ihres Lebens hat Jennifer Quinn ihrem Mann nie erzählt.

Als sie sich für eine Fernseh-Backshow bewirbt, bäckt sie sich durch neue und alte Rezepte - und so wie auch Gerüche oft Erinnerungen in sich tragen, wird bei Jennifer durch die Rezepte die schwierigste Zeit ihres Lebens wieder lebendig - ein Umstand, der sie an den Rand ihrer Kräfte bringt. Ist ihre Beziehung stark genug, ein 60 Jahre lang gehütetes Geheimnis zu überstehen?

Dieser Frage widmet sich die Autorin und lässt die Leser teilhaben an dem schwierigen Prozess, sich im Alter noch einmal der Vergangenheit zu stellen. Ihre Hauptfiguren Jennifer und Bernard sind so liebenswürdig gezeichnet, dass man nichts lieber täte, als mit ihnen bei einer Tasse Tee in ihrem Wohnzimmer zu sitzen.

Da die Autorin als Fernsehproduzentin Erfahrung mit den Abläufen bei TV-Formaten hat, lässt sie auch ein realistisches Bild der Dreharbeiten der Backshow entstehen. Die wuselige Atmosphäre, die immer greifbare Hektik, der Stress der Kandidaten... das wird glaubwürdig transportiert und bildet einen interessanten Gegenpol zum beschaulichen Leben der Quinns in ihrem Ruhestand. Und so ergibt sich insgesamt ein rundes Bild, ein Wohlfühlroman der Extraklasse, der mit vielen Kleinigkeiten punktet und ein stimmiges Gesamtbild abgibt.

Wenn man unbedingt was zu meckern finden möchte, dann könnte man anbringen, dass sich die Geschichte doch sehr auf Jennifer konzentriert und die Nebenfiguren gern etwas mehr Raum hätten bekommen können (insbesondere Azeez‘ Geschichte hätte mich interessiert). Aber das sind Marginalien, wenn man das wunderbare Gesamtpaket betrachtet.

Deshalb kann ich nur jedem raten, sich von Jennifer Quinn mitnehmen zu lassen auf eine Reise durch die Rezepte der britischen Inseln, die gleichzeitig auch eine Reise in Jennifers Vergangenheit ist. Genau das richtige Buch für kuschelige Lesestunden am Kamin mit einem saftigen Stück Carrot Cake :)

Bewertung vom 12.10.2023
Elizabeth Taylor / Ikonen ihrer Zeit Bd. 11
Weinberg, Juliana

Elizabeth Taylor / Ikonen ihrer Zeit Bd. 11


sehr gut

Die sieben Männer der Elizabeth Taylor

Sieben Männer und eine alternde Diva... Moment, war da nicht mal was? Ja, doch, ein bisschen könnte man schon auf den Gedanken kommen, dass Taylor Jenkins Reid in der Biografie von Elizabeth Taylor ein bisschen herumgemopst hat... Aber sei’s drum - hier geht es ja um Elizabeth’s wirkliches Leben.

Und sie hat einiges erlebt! Acht Ehen mit sieben verschiedenen Männern, eine Hollywood-Karriere vom Kinderstar zur Diva, Alkohol- und Tabletten-Abstürze, Depressionen, Höhenflüge. Genau das, was den Stoff für Romane ausmacht und davon jede Menge.

Genau deshalb könnte man auch auf den Gedanken kommen, dass 400 Seiten etwas knapp sind, um sich der Person und ihrem turbulenten Leben wirklich tiefgründig nähern zu können. Ja, diesen Eindruck hatte ich zeitweise.

Denn die Autorin begnügt sich nicht damit, nur einen Ausschnitt aus dem Leben der Hollywoodgröße zu erzählen. Nein, von ihren Kindertagen bis zu ihrem sozialen Engagement in den 1990er Jahren spannt sich der Bogen dieses biografischen Romans, in dem man neben Elizabeth zum Beispiel auch James Dean, Rock Hudson, Richard Burton und Michael Jackson näher kennenlernt. Grundsätzlich gefällt mir das besser, als wenn biografische Romane nur einen kurzen Zeitabschnitt beleuchten, aber so bleibt man eben mit vielen Schilderungen an der Oberfläche.

Oft hätte ich gern noch etwas mehr zu einem bestimmten Kapitel in Elizabeth‘ Leben erfahren, etwas mehr in ihre Seele geschaut (auch wenn mir bewusst ist, dass da viel Spekulation im Spiel sein muss, da man sich auch als Autor nur auf Informationen aus zweiter Hand stützen kann wie Interviews, Filmausschnitte oder Zeitungsberichte).

Aber es wird einem ein buntes Potpourri der Reichen und Schönen Hollywoods geboten und durch die leichte, schmeichelnde Scheibweise zieht alles wie ein bunter Film an einem vorbei - kurzum, das Buch lässt sich sehr gut lesen und man fliegt durch die Seiten.



Eine kurze Anmerkung noch zum Korrekturlesen/Lektorat - da sind mir ein paar Schnitzer aufgefallen, so z.B. als im Jahr 1949 jemand zu Elizabeth sagt „Sie werden ja strenger bewacht als die Queen!“ - die in dem Jahr noch gar nicht Königin war (und dass sich das auf eine andere Königin beziehen soll, kann ich mir nicht vorstellen). Oder als Elizabeth in Rom einen Film drehte und Rom als die „römische Hauptstadt“ bezeichnet wurde (muss das nicht italienische Hauptstadt heißen?). An solchen Dingen bin ich ab und zu hängen geblieben.

Dennoch - das Buch macht Spaß und gibt einen guten Überblick über das turbulente Leben einer der bekanntesten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Gute 4 Sterne und eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.10.2023
Die Lichter der Stadt / Fräulein Gold Bd.6
Stern, Anne

Die Lichter der Stadt / Fräulein Gold Bd.6


ausgezeichnet

Berlin am Scheideweg - und Hulda mittendrin

Was Anne Stern einfach unvergleichlich gut kann: die Leser mitten hinein ziehen in eine Situation, eine Stimmung, eine Zeit. Auch 1929 ist man wieder mittendrin, wenn man Hulda auf ihrem weiteren Lebensweg begleitet.

Seit Band 5 und der turbulenten Geburt ihrer Tochter Meta sind drei Jahre vergangen - nicht für die Leser, denn Band 5 ist noch nicht einmal ein Jahr alt - aber für Hulda und die Menschen um sie herum. Wir schreiben das Jahr 1929 und das Leben in Berlin schwankt zwischen hoffnungsvollem Aufschwung und trauriger Bescheidenheit. Während die Nationalsozialisten weiter Anhänger um sich scharen, versuchen so viele Berliner einfach ihr Auskommen zu finden und von dem wenigen, das sie besitzen irgendwie zu leben.

Diese Gegensätze versteht die Autorin gekonnt in Szene zu setzen, indem sie zum Beispiel genau auf Huldas Kundinnen in der Mütterfürsorgestelle schaut, andererseits aber die gut situierte „Schwiegerfamilie“ von Wenckow porträtiert, mit denen Hulda schon wegen ihrer Tochter immer wieder Berührungspunkte hat. Und so lebt Hulda zwischen den Welten und fühlt sich selbst keiner wirklich zugehörig. Sie ist - zu Recht - stolz, allein für sich und ihre Tochter sorgen zu können. Auch wenn es sich immer wieder schwierig gestaltet.

Doch Hulda beißt sich durch und es ist schön zu lesen, dass sie in diesem Band auch wieder einmal Schmetterlinge im Bauch haben darf - auch wenn sich die Anbahnung der Beziehung nicht gerade einfach darstellt.

Wie immer habe ich Hulda sehr gern durch Berlin begleitet und die Nebenhandlung mit der Einbruchsserie rund um Huldas Wohn- und Arbeitskiez bringt Spannung in den Roman. Dennoch hatte ich das Empfinden, dass die Krimi-Elemente diesmal hinter dem „gesellschaftlichen“ Erzählstrang zurückblieben.

Doch das tat dem Roman keinen Abbruch! Ganz im Gegenteil. Je länger ich Hulda begleite, desto mehr möchte ich von ihr und ihrem Umfeld erfahren. Ich brauche keine Krimihandlung (mehr), um mich mit Hulda wohlzufühlen und an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen. Insofern bin ich jetzt schon gespannt, was Hulda in dem bereits angekündigten Band 7 widerfahren wird („Nacht über der Havel“ soll im Dezember 2024 erscheinen - eine Leseprobe ist dem jetzt erschienenen Band auf den letzten Seiten bereits beigefügt).

Mir hat es wieder viel Vergnügen bereitet, Hulda in ihrem Alltag und auch im Nachtleben Berlins zu begleiten - wie ich finde, ist und bleibt „Fräulein Gold“ eine der besten deutschen Roman-Reihen über die 1920er Jahre!

Bewertung vom 28.09.2023
Die Suche
Harper, Jane

Die Suche


ausgezeichnet

Man sieht nur, was man sehen will

Jane Harper hat mit „Die Suche“ einen weiteren Krimi um den Ermittler Aaron Falk vorgelegt. Und wie immer spielt sie die Karten perfekt... Vorfälle aus der Vergangenheit, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart spürbar sind, feine Spannungen zwischen den handelnden Personen, bei denen man bald schon nicht mehr weiß wessen Aussagen man trauen kann - das sind die Spezialitäten der Autorin und das hat sie auch in diesem Buch wieder meisterhaft zu einer spannenden Spurensuche verwoben.

Alles beginnt mit einer Familienfeier - Aaron ist bei Freunden zur Taufe ihres jüngsten Sohnes eingeladen. Doch überschattet wird das Wochenende von einem Vermisstenfall, der vor genau einem Jahr auf einem Jahrmarkt begann und seitdem die Bevölkerung des kleinen Städtchens nicht losgelassen hat. Eine junge Mutter verschwand spurlos, ihr 6 Wochen altes Baby fand man Stunden später in seinem Kinderwagen auf dem Fest. Wollte sie sichergehen, dass das Kind gefunden wird, bevor sie sich abgesetzt hat? Fiel sie einem Verbrechen zum Opfer? Beging sie Selbstmord im nahegelegenen Stausee?

Auch Aaron lässt dieser Fall nicht los und im Gespräch mit seinen Freunden und deren Familien setzt sich langsam ein Bild zusammen... doch im Zusammenhang damit kommen noch weitere mysteriöse Vorkommnisse aus der Vergangenheit ans Licht. Zum Beispiel zwei tragische tödliche Unfälle, die Jahre zurückliegen und immer noch Fragen aufwerfen. Hängt doch alles miteinander zusammen? Oder sind hier einfach nur merkwürdige Zufälle zustande gekommen?

Wie immer bei Jane Harpers Krimis kann man es sich als Leser nicht leisten, unaufmerksam zu sein oder Seiten nur flüchtig zu lesen. Denn in den vielen zwischenmenschlichen Interaktionen, die Harper beschreibt, tauchen immer wieder kleine Hinweise auf - natürlich auch falsche Fährten - die am Ende ein großes Ganzes ergeben werden. In ihren Büchern muss auf Zwischentöne geachtet werden.

Deshalb würde ich auch dieses Buch nicht für Leser empfehlen, die sich nur zurücklehnen und berieseln lassen wollen. Ja, es ist Unterhaltungsliteratur, aber es ist auch ein Netz aus Intrigen, Lügen und Täuschungen, bei dem man aufmerksam bleiben muss um den Faden nicht zu verlieren.

Ein so geschriebener Krimi ist vielleicht keine so leichte Kost, aber da ich Aaron Falk schon seit geraumer Zeit begleite und bereits einige Fälle mit ihm gelöst habe, weiß ich, worauf ich mich einlasse. Und auch diesmal haben mich die Figuren wieder so beeindruckt, dass ich selbst nach dem Zuklappen des Buches - als ich bereits das nächste angefangen hatte - mit einem leisen Bedauern daran gedacht habe, dass ich eigentlich gern noch etwas mehr Zeit mit Aaron und seinen Leuten verbracht hätte. Und was kann ein Autor mehr erreichen, als dass einem ein Buch auch nach dem Lesen noch nachhängt?

Ich bin bekennender Fan von Aaron Falk und von Jane Harpers Art, spannende Geschichten zu entwerfen. Sie hat mich auch dieses Mal wieder eingefangen und freue mich schon darauf, wenn Aaron das nächste Mal in einen Fall stolpert...