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Blümchen
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 159 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2023
Die Formel der Hoffnung
Cullen, Lynn

Die Formel der Hoffnung


sehr gut

Die Rolle der Wissenschaftlerinnen hinter den bekannten Wissenschaftlern...

Googelt man die Worte „Polio Impfstoff Erfinder“, wird man immer wieder zwei Namen lesen: Jonas Salk und Albert Sabin. Beide arbeiteten mit ihren Forscherteams (und unterschiedlichen Ansätzen) an Impfstoffen, beide Namen sind in die Geschichte eingegangen. Doch die wenigsten wissen, dass hochqualifizierte Frauen mit ihrer Arbeit erst dafür gesorgt haben, dass Salk und Sabin ihre Impfstoffe gegen die gefürchtete Kinderlähmung entwickeln und testen konnten. Eine davon war Dr. Dorothy Horstmann.

Ihre Geschichte erzählt Lynn Cullen in „Die Formel der Hoffnung“. Zwar erklärt sie im Nachwort, dass die Handlung des Buches weitestgehend fiktional ist, doch die Eckpunkte von Horstmanns Forschung und der Kontext zur Entwicklung der Impfstoffe ist natürlich authentisch. Die Szenen im Buch sind zwar oftmals von dokumentierten Ereignissen inspiriert, ihr Ablauf jedoch ist fiktiv erzählt.

Gar so viel Verwertbares hat die Autorin wahrscheinlich nicht finden können über Dr. Horstmann - denn klar, die Bücher zu Polio-Impfstoffen beschäftigen sich eben hauptsächlich mit den Männern, die am Ende die Lorbeeren für die Impfstoffe einheimsten.

So erzählt sie Dorothys Geschichte als Roman und die Grenzen zwischen belegten Fakten und künstlerischer Freiheit verschwimmen, wie es in biografischen Romanen üblich ist.

Sie hat versucht, den Weg zum Impfstoff detailliert nachzuzeichnen, doch genau das ist aus meiner Sicht der Nachteil des Buches. Forschung ist zäh, langwierig und oftmals über lange Zeiträume nicht von durchbrechenden Ergebnissen bestimmt. Doch je mehr dies wiedergegeben wird, desto weniger Dynamik hat auch der Roman.

Über eine Spanne von etwa 100-150 Seiten erfuhr man von diversen Treffen Dr. Horstmanns mit ihren Forscherkollegen, in denen gefühlt immer wieder die gleichen Gespräche geführt, die gleichen Fragen gestellt, die gleichen Antworten gegeben wurden. Dies machte das Buch in diesen Kapiteln sehr langatmig für mich - gefühlt passierte überhaupt nichts.

Auf den letzten 100 Seiten wiederum, als der Forschungsdurchbruch erzielt war und es um das „Wettrennen“ von Salk und Sabin um die Impfstoffe ging, wurde es dann wieder spannend und diesen letzten Teil habe ich mit Begeisterung und viel Lesefreude verfolgt.

In der Gesamtschau ist es daher für mich ein Buch mit Verbesserungs- bzw. Kürzungspotential, das aber trotzdem thematisch sehr interessant ist und bei dem es sich lohnt, bis zum Ende dranzubleiben.

Bewertung vom 20.09.2023
Always love you / Ikonen ihrer Zeit Bd.11
Faber, Hanna

Always love you / Ikonen ihrer Zeit Bd.11


sehr gut

Die größte Stimme des 20. Jahrhunderts

Sie war eine Legende. Bei Whitney Houston überschlugen sich die Musikkritiker mit Lob, ihre außergewöhnliche Stimme wurde als „größte Stimme des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet und ihre Lieder werden noch heute rauf und runter im Radio gespielt.

Doch die Geschichte hinter all dem Glamour hat natürlich auch ihre Schattenseiten. Hanna Faber versucht, sich der Ausnahmekünstlerin in einer Romanbiografie zu nähern. Wie kam es zu ihrem Megaerfolg? Wer waren die Leute hinter dem Star? Wer machte sie zu der Ikone, als die sie noch immer gilt?

All das erfährt man, wenn man „Always love you“ liest. Und trotzdem finde ich die Biografie als etwas zu kurz gegriffen. Das Buch beleuchtet abwechselnd einen Tag im Jahr 1994 (der Tag der Grammy-Verleihung) und verschiedene Stationen ihres Lebens vor diesem Tag, die ihren steilen Aufstieg als Sängerin schildern. Doch wie die meisten wissen, starb Whitney zwar viel zu früh, aber doch erst im Jahr 2012. Und diese Jahre zwischen 1994 und 2012 werden überhaupt nicht angesprochen. Wenn man aber verstehen möchte, wie sich Whitney entwickelt hat und was letztlich zu ihrem viel zu frühen Tod führte, muss man sich insbesondere diesen letzen Jahren in ihrem Leben widmen.

So feiert das Buch hauptsächlich ihren Aufstieg zum Star, ist fließend und leicht zu lesen und gibt einen Eindruck davon, wie es für ein schwarzes Mädchen war, plötzlich die Königin jeder Bühne zu sein. Es ist ein Buch, das Whitney sehr wohlwollend porträtiert und explizit auch ihre ganz besondere Beziehung zu Robyn Crawford darstellt (von der behauptet wird, sie sei die wahre Liebe von Whitney gewesen, auch wenn sie offiziell nur ihre persönliche Assistentin war). Doch einen Gesamtüberblick über das Leben der Soulqueen wird man nicht finden. Für mich persönlich fehlte dadurch etwas und die Biografie war für mich nicht ganz rund, so dass es ein 4-Sterne-Buch für mich war.

Wer an Whitneys Anfängen und ihrem Privatleben während ihres Aufstiegs interessiert ist, wer ein bisschen eintauchen will in den Glamour des Musikbusiness und noch einmal in Erinnerungen schwelgen will an ihren größten Erfolg, den Film „Bodyguard“, dem sei das Buch wärmstens empfohlen!

Bewertung vom 27.08.2023
Hell
Burr, Shelley

Hell


ausgezeichnet

Atmosphärisch, spannend, mit unerwartetem Ende

Ich muss schon sagen, für einen Debütroman im Krimi-/Thrillerbereich ist dieses Buch wirklich gut gelungen. Am meisten beeindruckt hat mich bei diesem Erstlingswerk einer jungen australischen Autorin, dass sie es geschafft hat, ein Ende zu erschaffen, das sowohl die Fragen der Leser beantwortet als auch Überraschungsmomente zu bieten hat.

Die Grundstory ist schnell erzählt: vor 20 Jahren verschwand ein kleines Mädchen spurlos und ihrer Zwillingsschwester machen die Auswirkungen dieses Dramas auch heute noch zu schaffen. Ein Privatdetektiv hat den Ehrgeiz, den Cold Case aufzuklären - doch seine Motive sind sehr persönlich, wie sich im Laufe des Buches herausstellt.

Das atmosphärische Setting in einer abgelegenen Gegend Australiens ermöglicht den Lesern spannendes Kopfkino. Man spürt förmlich die Hitze und den Staub und wird von der teilweise sozialfeindlichen Wohnsituation (3 Stunden Fahrzeit in die nächste größere Stadt) eingenommen. Für ein Thrillersetting ist diese Konstellation natürlich ideal und durch den bildhaften Erzählstil der Autorin ist man immer hautnah dabei und spürt die teilweise beklemmende Atmosphäre.

Nach und nach offenbaren sich die wahren Gründe für den Ehrgeiz des Privatdetektivs Lane Holland und man ahnt schon, dass das zu massiven Verwicklungen führen wird und dass es kaum ein gutes Ende nehmen kann. Ich war trotz ihrer Eigenheiten sehr nah an den Protagonisten, sowohl an Lane als auch an Mina. So bin ich atemlos durch das Buch geflogen und hatte an keiner Stelle ein Gefühl von Langeweile oder “es zieht sich“.

Die Auflösung, was den Fall von Minas Schwester betrifft, war ab einem bestimmten Zeitpunkt zwar zu erahnen, die Umsetzung des Showdowns (und vor allem der Auswirkungen auf die Protagonisten) fand ich schon sehr clever konstruiert und trotzdem nicht unglaubwürdig.

Alles in allem ein Thrillerdebüt, das sich auf jeden Fall zu lesen lohnt - für Leute mit einer Affinität zu Australien auf jeden Fall, aber auch für jeden, der gut geschriebene Thriller mag. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 31.07.2023
Die Schwabinger Morde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.2
Aicher, Petra

Die Schwabinger Morde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.2


sehr gut

Nicht ganz so spritzig wie der erste Band

Der erste Teil dieser Reihe („Die Prinzregentenmorde“) hatte mich sehr positiv überrascht. Insbesondere der verbale Schlagabtausch zwischen Anna und dem Adligen Fitz von Weynand war amüsant zu lesen - da wollte ich natürlich den zweiten Teil nicht verpassen.

Der brauchte leider ein wenig, um in die Gänge zu kommen. Im ersten Drittel des Buches war mir die Handlung noch zu konfus, um einen roten Faden zu erkennen. Ein totes Baby in einem Hinterhof - wobei man schnell feststellt, dass es nicht umgebracht wurde, sondern eines natürlichen Todes starb. Ein totes Dienstmädchen, bei dem sich die Anzeichen für einen gewaltsamen Tod mehrten - das aber mit dem toten Baby nichts zu tun hatte... Mehrere „Töpfe“ wurden aufgemacht, ohne dass sich die Hinweise auf einen Zusammenhang verdichteten. Genau wie Anna und Fritz tappte ich lange Zeit im Dunkeln, ob es überhaupt Zusammenhänge geben würde und wie sich diese darstellen. Dadurch verlor das Buch aber in der ersten Hälfte für mich an Spannung. Wenn nicht erkennbar ist, dass sich die Handlungsstränge aufeinander zu bewegen, wird es manchmal etwas langatmig.

Dann kam im zweiten Teil aber richtig Spannung auf, als sich doch noch herauskristallisierte, welche Zusammenhänge es gibt. Ich wette, es kommt kein Leser auf den Twist, den die Autorin hier eingebaut hat (wobei ich mir dazu schon ein, zwei Fragen gestellt habe, wieso das Umfeld von Alfons Wendlinger jahrelang nichts gemerkt haben soll...). Aber sei’s drum - es war auf jeden Fall eine faustdicke Überraschung.

Etwas gefehlt haben mir in diesem zweiten Teil die herzerfrischenden Dialogszenen zwischen Anna und Fritz. Ich hatte den Eindruck, es ging diesmal zwischen den beiden nicht so spritzig zu wie noch in Teil 1. Hauptsächlich war es Fritz, der eloquente Spitzen verteilte, aber Anna wirkte nicht so schlagfertig wie noch im ersten Band.

Insgesamt war es für mich daher zwar ein sehr unterhaltsamer, aber diesmal nicht begeisternder historischer Krimi. Fans der „Totenärztin“ von René Anour können aber gern mal einen zweiten Blick riskieren auf Fräulein Anna, denn ich könnte mir vorstellen, dass sie an Anna durchaus ihre Freude haben.

Bewertung vom 25.07.2023
Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10
Lüding, Kristina

Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10


gut

Die schöne Unnahbare

„Ich kenne niemanden, der Filme macht und glücklich ist.“ soll Greta Garbo gesagt haben. Bereits aus diesem Zitat spricht ihre Unzufriedenheit mit ihrem Leben. Doch wie kam es dazu, wenn doch die Schauspielerei immer ihr großer Traum gewesen ist?

Greta wächst behütet in Stockholm auf, verliert allerdings früh - schon mit 14 Jahren - ihren Vater. Ein Verlust, der für sie nur schwer zu ertragen ist und mit dem sie lange Zeit hadert. Als junges Mädchen träumt sie von der Schauspielerei. Ihre Schulbildung endete wie bei so vielen jungen Frauen der damaligen Zeit früh - statt dessen versuchte sie zum Familienunterhalt beizutragen, indem sie arbeiten ging. In einem Stockholmer Bekleidungsgeschäft verkauft sie Hüte und wird als Hutmodell für den Katalog des Warenhauses abgelichtet. Dies und zwei folgende Werbefilme waren ihr Sprungbrett in Richtung Schauspielerei.

Doch ab hier erstaunte mich das Buch. Gretas Schauspielversuche und ihre Vorsprechen werden als völlige Desaster geschildert, so dass ich als Leser leider den Eindruck hatte, dieses Mädchen sei hoffnungslos untalentiert. Und das bei einer Frau, die später als eine der größten Schauspielerinnen ihrer Zeit gefeiert wird? Das kam mir sehr merkwürdig vor, zumal man in vielen Artikeln über sie lesen kann, sie habe ein so „natürliches Talent“ besessen. Mehr als einmal musste ich die Augen verdrehen, als sie wieder einmal kein Wort rausbrachte und vor sich hinstammelte und ich muss leider sagen - meine Geduld mit der Hauptfigur näherte sich ihrem Ende...

Zum Glück schwenkt das Buch schließlich über in die Phase ihres Filmschaffens, angefangen mit den schwedischen Filmen bis zu ihrer Karriere in Hollywood. Immer an ihrer Seite: ihr „Entdecker“ und Mentor Mauritz Stiller. Das Verhältnis zwischen Greta und ihm war schwierig, um nicht zu sagen toxisch. Er muss wohl außerordentlich cholerisch gewesen sein, was im Buch sehr deutlich herausgestellt wird. Dennoch schafft Greta es nicht, sich von ihm zu lösen. Auch als er sie mit nach Amerika nimmt, steht sie in seinem Schatten.

Später, als sie auch ohne ihn Erfolg hat in Hollywood, kann sie sich leider kein glückliches Leben aufbauen. Hinter der Leinwandgöttin kommt immer mehr die verzweifelte Frau zum Vorschein, die von Heimweh und Trauer (mittlerweile auch um ihre früh verstorbene Schwester) geprägt ist.

Greta Garbo hat nie geheiratet und ob sie sich eher für Männer oder Frauen interessierte, wird auch in dieser Romanbiografie nicht geklärt. Zwar geht der Roman auf mehrere sehr enge Freundschaften mit Frauen ein, die viel Interpretationsspielraum lassen, jedoch positioniert sich der Roman nicht.

Letztendlich hatte ich den Eindruck, dass die geheimnisvolle Greta Garbo auch in diesem Roman ein großes Geheimnis bleibt. Leider hatte ich nicht das Gefühl, ihr durch den Roman wirklich näher gekommen zu sein. Unbestritten liest sich das Buch leicht und schnell, man fliegt förmlich durch die Seiten. Aber es hat mir leider keine Verbindung zu Greta vermitteln können, so dass ich es von seiner Gesamtwirkung her bei 3 Sternen ansiedle.

Bewertung vom 17.07.2023
Bergleuchten
Seemayer, Karin

Bergleuchten


ausgezeichnet

Perfekte Verbindung zwischen historischen Fakten und Unterhaltung!

Es war ein Jahrhundertprojekt - der Bau des Gotthardtunnels in der Schweiz in den 1870er Jahren. Von jeher war es äußerst mühsam, über den Gotthardpass zu kommen, der die Schweiz mit Italien verband. Auch im 19. Jahrhundert noch waren die Fuhrhalter, die mit ihren Fuhrwerken Waren über den Pass brachten, in großer Gefahr. Denn Wind und Wetter waren unberechenbar am Pass, die Straßen steil und die Kehren eng.

Doch dann begann ein kühnes Bauvorhaben: ein 15 km langer Tunnel durch das Gotthardmassiv, von Göschenen in der Schweiz bis Airolo auf italienischer Seite. Es veränderte das kleine Bergdorf Göschenen in kürzstester Zeit. Zu Hunderten kamen italienische Bergarbeiter, sogenannte Mineure, und arbeiteten in den Stollen. Der Wohnraum wurde knapp, die Spannungen zwischen den alteingesessenen Bewohnern und den Arbeitern wuchsen. Gastwirtschaften und neue Läden schossen wie Pilze aus dem Boden, während die Fuhrhalter der Region um ihre Existenz bangten. Denn wenn der Eisenbahntunnel da war - wer würde sie dann noch zum Warentransport beauftragen?

In diesem Spannungsfeld erzählt Karin Seemayer einen dramatischen historischen Roman, der die Geschichte des Tunnelbaus akribisch nachzeichnet. Die Geschehnisse sind tatsächlich historisch verbürgt, angefangen von den Aufständen der Arbeiter bis zu den im Roman vorkommenden Unglücken im und am Tunnel (und davon gab es reichlich).

In diesem Setting hat die Autorin Protagonisten von beiden „Seiten“ erschaffen - einerseits die Fuhrhalterstochter Helene, deren ganze Welt sich wandelt, als das große Bauvorhaben beginnt und die zwischen Faszination und Besorgnis hin und her gerissen ist. Andererseits den Italiener Piero, der als Mineur, also als Bergarbeiter, nach Göschenen kommt und durch dessen Augen man den Tunnelbau sieht und die schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bergleute miterlebt. Da der Bauherr, Luis Favre, ein halsbrecherisches Angebot vorgelegt hatte, um den Zuschlag für den Tunnelbau zu bekommen, spart er an allen Ecken und Enden. Gleichzeitig muss er die vereinbarte Bauzeit einhalten, da sonst horrende Strafzahlungen drohen. Ein Himmelfahrtskommando für die Bergleute, die im Stollen arbeiten...

Und so nimmt eine dramatische und hochspannende Geschichte ihren Lauf, die natürlich mit einer Liebesgeschichte angereichert ist, aber trotzdem wahrheitsgetreu die Zustände während der Bauphase des Tunnels beleuchtet.

Dieser Roman vermittelt damit auf unterhaltsame Weise Wissen und ich muss tatsächlich sagen, dass mich die Geschichte des Tunnelbaus tief beeindruckt hat. Ich habe mir dazu im Nachgang eine Dokumentation angeschaut („Mythos Gotthard“), die ebenfalls den Tunnelbau ab 1872 beleuchtet und habe dort tatsächlich alle Themen des Romans 1:1 wiedergefunden.

Ich kann diesen Roman von Herzen empfehlen, sowohl für Leser, die sich ein Bild von den historischen Gegebenheiten und von den Anfängen des Gotthardtunnels machen wollen als auch für Leser, die unterhaltsame Urlaubslektüre suchen. Mein großer Respekt für die Autorin, die den Spagat zwischen realistischer Darstellung und kurzweiliger Lektüre so gut hinbekommen hat - verdiente 5 Sterne!

Bewertung vom 05.07.2023
Lighthouse Bookshop
Gosling, Sharon

Lighthouse Bookshop


ausgezeichnet

Ein Leuchtturm mit Geheimnissen!

Mitten in einem kleinen Ort in Schottland, meilenweit von der Küste entfernt, steht ein Leuchtturm. So weit, so kurios. Noch kurioser ist, dass der Leuchtturm eigentlich ein Buchladen ist. Natürlich wurde er ursprünglich nicht für diese Nutzung gebaut, sondern... ja, wofür eigentlich?

Sharon Gosling nimmt uns mit in die Geschichte des kleinen (fiktiven) Ortes Newton Dunbar und präsentiert eine wunderschöne Geschichte zum Schmunzeln, Nachdenken, Seufzen und Dahinschmelzen!

Rachel arbeitet seit 5 Jahren in der Leuchtturm-Buchhandlung, die der betagte Cullen führt. Er und sein bester Freund Ron pflegen dort ihre Schachwettkämpfe, während Rachel sich um die Buchhandlung kümmert. Cullen lässt sie auch dort wohnen, seit sie damals in dem kleinen Ort „hängen geblieben“ ist. Warum sie unterwegs war, hat sie noch nie jemandem erzählt. Zu den regelmäßigen Stammkunden zählen auch Edie und Ezra, die Nachbarn sind, sich aber offenbar so gar nicht riechen können. Journalist und Ex-Kriegsberichterstatter Toby hat sich nach Newton Dunbar zurückgezogen, um dort an seiner Autobiografie zu arbeiten. Die Jugendliche Gilly hängt auch ständig in dem Ort ab - aber keiner weiß so richtig, wohin sie eigentlich gehört. Weiß sie es überhaupt selbst?

Als Cullen plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, müssen alle Dorfbewohner - ob alteingesessen oder neu dazu gekommen - zusammenhalten und um ihre (Wahl-)Heimat kämpfen. Und der Leuchtturm birgt ein Geheimnis, das am Ende alle noch viel näher zusammenbringen wird - im übertragenen und im Wortsinn.

Mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen zeichnet die Autorin das Bild eines idyllischen Ortes, dessen Idylle gerade nicht nur von der Landschaft abhängt - sondern vor allem von den Menschen, die den Ort bevölkern. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und trotzdem lernen alle, sich aufeinander zu verlassen und füreinander da zu sein. Diesen Prozess begleiten wir als Leser und lernen die Dorfbewohner, allen voran Rachel und Toby, Stück für Stück näher kennen (und lieben!). Und so wird Newton Dunbar im Laufe des Buches zu einem Ort, den man selbst am liebsten sofort besuchen möchte.

Überrascht hat mich, dass das Buch trotz der vielen Problemfelder, die es thematisiert, nicht überfrachtet wirkt. Das muss einem Autor erst einmal gelingen! Statt dessen ist man begierig, immer tiefer in die Welt der Figuren einzutauchen und sie und ihre Träume, Wünsche und Ängste immer besser kennenzulernen.

Wie schon in „Fishergirls Luck“ (dessen Schauplatz im Übrigen an einer Stelle als kleines EasterEgg vorkommt) schafft es die Autorin, einen Wohlfühlroman zu schreiben, obwohl viele ernste Themen angesprochen werden und ein positives Gefühl zu hinterlassen, ohne dass die Geschichte ins Kitschige abdriftet. Sehr gut gemacht und sehr lesenswert! 4,5 Sterne von mir.

Bewertung vom 22.05.2023
Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1
Stern, Anne

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1


sehr gut

Die Semperoper in einem Roman verewigt!

Anne Stern ist bekannt dafür, dass ihre Bücher den Zeitgeist der Epoche, in der sie spielen, wunderbar einfangen. Und auch diesmal ist das auffallend. In „Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie“ verewigt sie die Dresdner Semperoper und die Zeit um 1840, als die neu gebaute königliche Spielstätte ihren Glanz erhielt.

Anhand ihrer Figuren wirft Anne Stern sowohl einen Blick auf das gutbetuchte Bürgertum (in Form ihrer Protagonistin Elise Spielmann und deren wohlsituierter Familie) als auch auf die armen Seelen (in Form des Malergehilfen Christian oder seiner Schwester, die zum Teil in einem Waisenhaus aufwuchsen). Darüber hinaus lernt man das auch damals schon bunte Treiben auf und hinter der Semperopernbühne kennen – von der Schneiderin über die Solisten bis zum Orchester.
Auch ihre Nebenfiguren entwickelt Anne Stern immer mit viel Liebe zum Detail. Auch an ihnen schildert sie typische Lebensläufe von Personen der damaligen Zeit – seien sie nun Emporkömmlinge oder „gefallene Mädchen“. Die Liste der Fallstricke für junge Frauen dieser Zeit ist lang – und eine unbedachte Äußerung oder ein kleiner Fehler können Existenzen vernichten. Auch dies schildert die Autorin plastisch und – wo nötig – auch deutlich.

Mit ihrem Schreibstil lässt die Autorin das alte Dresden lebendig werden und ihre Szenen bieten immer wieder neue Facetten der Stadt und ihrer Bewohner. Dies mag dem einen oder anderen vielleicht zu ausführlich erscheinen, aber es führt dazu, dass man sich in ihren Romanen immer fühlt, als sei man „mittendrin“. Allerdings – und dies fällt mir ebenfalls immer wieder auf – enthält der Roman dadurch auch keine so große Handlungsdichte wie vergleichbare Bücher. Ihre Romane leben einfach von der Stimmung, den Situationen und dem Zeitgeist.

Während nun Elise darauf wartet, ihre Pflichtheirat mit dem viel älteren und ebenfalls wohlhabenden Bürger der Stadt einzugehen, lernt sie während einer Vorstellung an der Semperoper Christian kennen. Obwohl beide wissen, dass es für sie aufgrund ihrer Standesunterschiede kaum eine Möglichkeit geben würde, ein gemeinsames Leben zu beginnen, finden sie immer wieder Möglichkeiten, sich zu sehen und näher kennenzulernen. Doch wohin kann eine solche Liebe, der viele Widerstände entgegenstehen, führen?

Nun, ohne zu viel verraten zu wollen – Anne Stern hat nicht nur die Lebensumstände der Figuren plastisch und realitätsnah geschildert, auch das Ende der Geschichte ist keineswegs verklärt und durch die rosarote Brille betrachtet. Mir hat das sehr gut gefallen, weil die Story dadurch einfach Charakter bekommt. Und schließlich müssen wir auch in Zukunft nicht auf die lieb gewonnenen neuen Figuren verzichten – denn es deutet sich an, dass es (mindestens) eine Fortsetzung geben wird!

Wer schon immer Näheres über eine bisher wenig beleuchtete Zeitspanne der deutschen Geschichte erfahren wollte, wer mittendrin statt nur dabei sein möchte und nicht zuletzt wer Dresden in all seiner historischen Schönheit erleben will, der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Aber Achtung – das nächste lange Wochenende ist dann garantiert für einen Ausflug nach „Elbflorenz“ reserviert 😉

Bewertung vom 14.05.2023
Malibu Rising
Reid, Taylor Jenkins

Malibu Rising


sehr gut

Sehen und gesehen werden auf der Party der Jahres

An alle Fans von Evelyn Hugo und Carrie Soto: habt ihr Lust, auf eine spektakuläre Pary zu gehen? Wo sich die Hollywood-stars die Klinke in die Hand geben? Wo das Wort „Party“ völlig untertrieben ist für das Ausmaß an Chaos, das sie verursacht? Wo Carrie Soto höchstselbst eine Szene hinlegt, die filmreif ist? Dann kommt nach Malibu, zur jährlichen Sommerparty der Riva-Geschwister!

Aber Moment - wer sind überhaupt die Riva-Geschwister? Müsste man die kennen? Nun, wir lernen sie kennen in diesem Roman, der neben der Party selbst auch die Familiengeschichte der Rivas beleuchtet. Von den 1950er Jahren bis ins Jahr 1983 spannt sich der Bogen und zeigt, dass man in Malibu auch aus einfachsten Verhältnissen zum Star werden kann. Doch zu welchem Preis?

1983 ist Nina Riva ein bekanntes Bikini-Model. Ihr Bruder Jay ist mittlerweile Weltmeister im Surfen, der andere Bruder Hud begleitet ihn mit seiner Kamera und macht die besten Wassersport-Fotos der Welt. Nur Nesthäkchen Kit hat ihre Bestimmung noch nicht gefunden - dabei ist sie auf dem Brett genau so gut wie Jay! Gibt es auch für sie eine Chance, als Surferin erfolgreich zu sein?

Die schwierige Kindheit der Geschwister ist überschattet von Verlusten. Der Vater, ein gefeierter Star, verschwindet mehrfach von heute auf morgen aus der Familie - und die Kinder können sich nicht sicher sein, ob er je zu ihnen zurückkommen wird. Mutter June versucht alles, um allein vier Kinder großzuziehen. Doch ohne die Alimente ihres Ex-Mannes ist das kaum zu stemmen. Während June an den Umständen zunehmend verzweifelt und sich dem Alkohol zuwendet, wächst Nina im Teenageralter zur Ersatzmutter heran. Sie ist es, die ihre Geschwister unterstützt, als ihre Mutter es nicht mehr kann, und sie bis ins Erwachsenenalter begleitet. Als ein Fotograf sie surfen sieht und als Bademoden-Model entdeckt, träumt sie nicht von der großen Karriere, sondern nur davon, dass mit der Gage endlich das Geld reicht, um ihren Geschwistern einige kleine Träume erfüllen zu können.

Jahre später sind die Geschwister ihre Geldsorgen los. Nina ist inzwischen mit dem Tennis-Star Brandon Randall verheiratet. Jedes Jahr im Sommer geben NIna und ihre Geschwister in Ninas Haus eine Party - doch als diesmal plötzlich ihr Vater Mick vor der Tür steht führt eins zum anderen - und am Schluss in eine große Katastrophe.

Taylor Jenkins Reid versteht es auch diesmal wieder, einen packenden Roman aus der Glamourwelt der Schönen und Reichen zu schreiben. Und auch diesmal wird offenbar, dass sich unter dem schönen Schein Abgründe auftun. Dennoch finde ich, dass sie mit „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ ihr Meisterstück abgeliefert hat, denn weder „Carrie Soto is back“ noch „Malibu rising“ konnten mich ähnlich fesseln wie Evelyn. Trotzdem ist es ein cleverer Schachzug, dass ihre Romane alle im gleichen Universum spielen. So hat beispielsweise Carrie einen Auftritt auf Ninas Party - und was für einen!

Ohne Frage, das Buch ist einfach gute Unterhaltungslektüre. Es zeigt auch, wie das heutzutage berühmte Malibu vom einfachen Küstenstädtchen zum begehrten Wohnort für Superreiche wurde. Wer sich mit Geschichten über Stars und Sternchen sowie deren meist nicht ganz so glamouröser Vergangenheit wohlfühlt, ist mit „Malibu Rising“ auf jeden Fall gut beraten!

Bewertung vom 11.05.2023
Adas Fest
Burseg, Katrin

Adas Fest


sehr gut

Katrin Bursegs „Unter dem Schnee“ hatte mich so beeindruckt, dass ich unbedingt auch ihr neues Werk lesen wollte. Ob die Geschichte wieder ähnlich spannend und geheimnisvoll sein würde wie der vorherige Roman? Ja, definitiv. Auch wenn das Setting sich nicht mehr voneinander unterscheiden könnte.

Denn diesmal sind wir an der Küste Frankreichs, nahe Bordeaux, in Adas Sommerhaus. Ada und ihr Mann, der bekannte Maler Leo Kwant, hatten es vor vielen Jahren erworben und aus dem verfallenen Häuschen eine beeindruckende Sommerresidenz gemacht. Die jährlichen Feste in La Vague waren legendär. Mittlerweile ist Leo verstorben. Und das Haus droht Opfer des Meeres zu werden. Schon länger weiß Ada, dass sie das Haus aufgeben muss, wenn der Küstenstreifen gerettet werden soll. Und sie macht ihren Frieden damit. Doch vorher möchte sie noch einmal ein Fest dort feiern, so wie damals. Sie lädt ihre Kinder ein, die sogar weit vor dem Termin anreisen. Doch dann brechen nach und nach alte Geheimnisse auf und rütteln an den Grundfesten der gesamten Familie.

Die Grundstimmung in diesem Buch ist einerseits leicht melancholisch, andererseits voller freudiger Erwartung. Doch das ändert sich schnell, je mehr man von der Familie Kwant erfährt und je mehr sich die Geheimnisse Bahn brechen, die Ada jahrzehntelang für sich behalten hat. Ihre drei Töchter finden mit ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten unstimmige Details oder werden durch Einflüsse von außen dazu verleitet, in der Familiengeschichte zu graben. Während der Leser Stück für Stück einen Überblick bekommt, welche Unstimmigkeiten es in der Familiengeschichte gibt und ein Geheimnis nach dem anderen aufdeckt, bleibt den Schwestern vieles verborgen und sie sehen zunächst jeweils nur einen kleinen Teil des großen Ganzen. Doch dann merkt Ada, dass endlich ans Licht muss, was so viele Jahre verborgen war - Stück für Stück enthüllt sie das, was ihre Kinder damals nicht sahen oder nicht sehen wollten und rückt es in ein ganz neues Licht.

Als Fan von Familienromanen und Sagas habe ich Adas Töchter gern dabei begleitet, ihrer Familiengeschichte auf die Spur zu kommen. Die unterschiedlichen Blickwinkel und Lebenssituationen der Frauen haben dabei dazu geführt, dass das Buch und auch die Charaktere an Komplexität gewonnen haben. Während Stück für Stück die Fassade bröckelt, steht man als Leser fassungslos vor dem, was sich da auf einmal offenbart. Dabei spielt die Autorin auch mit moralischen Aspekten, mit der Zuweisung von Schuld, mit entschuldbaren oder auch unentschuldbaren Verhaltensweisen.

Dieses „Aufdröseln“ einer komplexen Familienstruktur war spannend, auch wenn das Buch meiner Meinung nach in der ersten Hälfte noch einige Längen aufwies. Dafür ging es dann in der zweiten Hälfte umso spannender weiter. Wer Familienromane mag und vielleicht auch ein Faible für Frankreichs Küste sowie das Thema Kunst hat, der kann mit diesem Roman nichts falsch machen.