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Sophie95

Bewertungen

Insgesamt 37 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2022
Ende in Sicht
Rönne, Ronja von

Ende in Sicht


ausgezeichnet

Wichtiges Thema in Romanform
Ende in Sicht behandelt kein leichtes Thema. Depression, Tod, Selbstmord, Trauer - all diese Themen werden von Ronja von Rönne aufgegriffen.

Bereits das Cover hat mich neugierig gemacht, da es in durch das Schneckenhaus als einziges Bild schlicht gehalten wurde. Was mit gefallen hat ist, dass das Schneckenhaus auch innerhalb des Textes immer wieder als bildliches Element aufgegriffen wird. Ronja von Rönne hat einen sehr lockeren Schreibstil, der sich leicht und angenehm lesen lässt. Beide Charaktere, Juli und Hella werden detailliert und liebevoll beschrieben, in all ihren Eigenheiten. Was mir beim Tiefgang in der Chrakterisierung der Protagonisten gefallen hat, hat mir leider stellenweise in der Story selbst gefehlt. Ich hätte mir an manchen Stellen mehr Tiefgang gewünscht, mehr Einblicke in das Leben der beiden Frauen. An einigen Stellen wirkte da Buch dadurch ein wenig dahinplätschernd, obwohl die Thematik eigentlich so spannend ist.
Das Ende des Buches war für mich überraschend und hat mich wieder ein bisschen positiver gestimmt. Alles in allem ist Ende in Sicht ein einfach zu lesender, interessanter Roman, der mit dem Thema der Depression auf jeden Fall Aufmerksamkeit für dieses Thema schafft.

Bewertung vom 16.02.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Jede Familie hat Geheimnisse

Bereits der Klappentext des Buches hat mich interessiert: eine Großfamilie, die um den gemeinsamen Vater und Ehemann trauert. Ich war wahnsinnig gespannt, wie diese Geschichte umgesetzt wird. Und - meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen.
In Fatma Aydemirs "Dschinns" geht es um Hüseyin, der sich zu Beginn seiner Rente ein Haus in Istanbul gekauft hat, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Doch kurz nach dem Einzug, stirbt Hüseyin an einem Herzinfarkt. Im weiteren Verlauf des Buches geht es um nun um seine hinterlassene Familie. Jedem seiner Kinder und auch seiner Frau ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Das ist auch das, was mich am meisten an Fatma Aydemirs Roman überzeugt hat.
Mit Leichtigkeit schafft sie es, jedem von Hüseyins Kindern eine ganz eigene Sprache zu geben, widerzuspiegeln, wie sie ticken. Es wird schnell klar, dass jeder von ihnen, neben dem Tod des Vaters, mit seinen ganz eigenen Problemen kämpft und dass sich jeder irgendwie allein gelassen fühlt, innerhalb der Familie. Im ersten und letzten Kapitel wird in einer distanzierten Erzählform geschrieben, die einen wieder ein bisschen Abstand zur Geschichte bekommen lässt und einen sprachlos zurücklässt. Aydemir behandelt Themen, die in der Familie immer auftreten, aber nie zur Sprache kommen – Geheimnisse, Schweigen, das nicht über Probleme reden. Ein intensiver, spannender und wunderschöner Roman über die positiven und negativen Seiten des Lebens in einer Großfamilie und der Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit.

Bewertung vom 16.02.2022
Man vergisst nicht, wie man schwimmt
Huber, Christian

Man vergisst nicht, wie man schwimmt


sehr gut

"Ein Tag wie ein ganzes Leben"

Christian Hubers Roman "Man vergisst nicht wie man schwimmt" bildet tatsächlich nur einen einzigen Tag im Leben des 15-Jährigen Pascal, den alle nur Krüger nennen ab. Auf etwa 400 Seiten entführt Huber uns in den letzten Sommertag 1999. Wir erfahren von Pascals Leben, was ihn beschäftigt, interessiert, erfahren von seinen Ängsten und seinen geheimen Wünschen.
Vor allem sein Geheimnis, warum er nicht mehr schwimmen kann und warum ihn alle Krüger nennen, zieht sich wie ein roter Faden durchs Buch und wird erst am Ende aufgelöst.
In Hubers Roman geht es um Mut, Liebe, die Jugend, Drogen und die Vergänglichkeit des Lebens und den Sommer. Der leichte, eingängige Schreibstil, lässt einen die manchmal unerträgliche Hitze des Sommers spüren und die Melancholie am Sommerende, wenn man eigentlich gar nicht will, dass diese Zeit vorbei ist.

Bewertung vom 12.02.2022
Der Erinnerungsfälscher
Khider, Abbas

Der Erinnerungsfälscher


sehr gut

Kannst du deinen Erinnerungen trauen?

In Abbas Khiders Roman geht es um die Kraft unserer Erinnerungen, was sie für einen Menschen bedeuten und wie sehr man ihrer Richtigkeit vertrauen kann.

Der Roman handelt von Said Al-Wahid, der als junger Erwachsener aus dem Irak über mehrere Umwege nach Deutschland gelangt ist. Zu Beginn erfährt er vom Tod seiner Mutter und macht sich auf nach Bagdad zu fliegen. Diese Reise ist die Rahmenhandlung des Romans, in die einzelne Erinnerungsabschnitte aus Saids Leben thematisch passend eingeflochten werden. In Saids Leben ging es um Asylanträge, seine Flucht, Rassismus und das Leben in der Fremde. Said ist sich dessen bewusst, dass er einige seiner Erinnerungen nicht mehr richtig greifen kann, nicht mehr weiß, ob bestimmte Ereignisse seines Lebens wirklich so passiert sind, wie er sie erinnert. Doch da er sein "Mienenfeld der Erinnerung" nicht noch einmal betreten will, ist ihm diese Erkenntnis mehr als Recht. Als Leser kann man sich nur vorstellen, welche scherzhaften und präegenden Erlebnisse Said durchlebt hat und wieso er wohl allen Grund hat, diese zu verdrängen.

Khiders Schreibstil ist nüchtern, an einigen Stellen zynisch und leicht zu lesen, die Thematik des Romans, das Vergessen der eigenen Erinnerungen wird auch durch die Sprache immer wieder aufgregriffen. Mir gefällt die Subtilität der Thematik, die einen trotzdem mitnimmt. Said ist in der Fremde zu Hause, aber sein ehemaliges zu Hause ist ihm auch fremd. Khider gibt einen kurzen Einblick in das Leben eines Geflüchteten, der ganz von vorne anfangen muss und währenddessen lernt, mit seinen Erfahrungen umzugehen.

Bewertung vom 20.01.2022
Zusammenkunft
Brown, Natasha

Zusammenkunft


ausgezeichnet

Poetischer Rückblick

Natasha Browns Roman wirkt schmal mit seinen 113 Seiten. Dennoch ist dessen Inhalt nicht weniger wichtig.
Wir erfahren vom Leben einer jungen, schwarzen Frau, die in England lebt. Während das Grundgerüst des Buches ein einfaches Wochenende bei den Eltern ihres Freundes beschreibt, webt Natasha Brown immer wieder Erinnerungsschnipsel der Protagonistin in den Hauptbericht mit ein. So geht es um Sexismus am Arbeitsplatz, Rassismus, Kolonialisierung, Macht und die britische Gesellschaft.
Durch das ganze Buch zieht sich das Thema, dass die Protagonistin angekommen ist in der britischen Gesellschaft, jedoch nur nach außen hin. Im inneren fühlt sie sich immer noch nicht akzeptiert, ausgegrenzt vom Rest der weißen, britischen Mehrheitsgesellschaft.
Brown stellt schwerwiegende Fragen wie, Wieso überhaupt weiterleben, wenn die man sich nie richtig zugehörig fühlen wird? All diese Aspekte erforscht sie mit einem poetischen, bildlichen Schreibstil, der es schafft, kleine, unwichtig scheinende Momente detailliert zu beschreiben - ein Bild zu zeichnen.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, ich mag Browns lyrischen Schreibstil, der mit einem einfacheren, alltäglichen Schreibstil gepaart wird. Mir gefällt auch, dass sie Beispiele aus dem echten Leben aufgreift und den Text auf den Seiten nach Sinneseindrücken ordnet.
Der Roman ist kurzweilig, aber dennoch in seiner Themenvielfalt wichtig. Wer den Roman von Yrsa Daley-Ward "Alles, was passiert ist" gelesen hat und mochte, wird mit Natasha Brown genauso glücklich werden!

Bewertung vom 19.01.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


sehr gut

Wie geht man mit Verlusten um?
"War es möglich, dass hinter dem Wunsch jemanden zu beschützen, der Wunsch stand, jemanden zu besitzen?"

Es ist dieses Zitat aus dem Buch, dass sich wie ein roter Faden durch den Roman zieht. Nachdem Terence Cave seinen Sohn bei einem Unfall verliert und vor 15 Jahren bereits seine Frau verloren hat, ist seine Tochter Bryony alles was er noch hat. So spitzt sich die Handlung immer mehr zu, Terence Sorge um seine Tochter steigert sich immer weiter, er sieht überall Gefahren für sie.
Der Roman ist aus der Ich-Erzähler Perspektive geschrieben, aus der Sicht von Terence. Obwohl ich es gewöhnt bin, dass ich mich während des Lesens in den Erzähler hineinversetzen kann, fühle was er fühlt, ist das bei diesem Buch nicht der Fall. Ich hatte die ganze Zeit ein beklemmendes Gefühl während des Lesens, da man weiß, die Handlungen des Ich-Erzählers können nur falsch sein. Und letztendlich ist es auch das, was mich so fasziniert an diesem Buch.
Matt Haig schafft es durch seinen Schreibstil diese Grauzone, jemanden beschützen zu wollen, komplett auszureizen. Denn wie weit ist man bereit zu gehen, um einen geliebten Menschen zu schützen? Es geht um einen Vater, der akzeptieren muss, dass seine Tochter langsam beginnt eigenständig zu leben, ein Thema, dass sicher viele Eltern beschäftigt.
Ich mag es, wie Matt Haig mit Bildern, Namen und unterschwelligen Motiven spielt. So ist der Nachname des Protagonisten, Cave, sehr passend gewählt. Auch der Name der Tochter, der wohl eine zarte Blume beschreibt, als auch Terence Caves Job als Restaurateur, der alte Dinge wieder aufarbeitet, sind gut gewählt. Illusion und Realität werden durch Worte miteinander verwoben. Letztendlich geht es auch darum, wie man mit Verlusten umgeht, und was diese mit einem machen können.
Das Buch ist, anders als die Bücher von Matt Haig, kein gute Laune Buch, sondern hinterlässt einen eher nachdenklich und bedrückt. Es erschien in England jedoch auch schon 2008, also vor der „Mitternachtsbibliothek“ oder „Mach mal halblang“. Dennoch sind die von Haig bekannten psychologischen Aspekte immer wieder im Buch aufzufinden.

Der fürsorgliche Mr. Cave ist ein Roman der menschlichen Abgründe erforscht. Es ist sicher keine leichte gute Laune Lektüre, sondern ein schwerer, aber kurzer Roman, der einen durch das Thema und den Schreibstil fesselt, da man wissen will, wie weit Terence Cave noch geht. Wegen des bedrückenden Gefühls während des Lesens, gebe ich auch nur vier Sterne und weil, trotz des Mini-Twists gegen Ende, sich der Ausgang des Romans irgendwann abzeichnet.