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Havers
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Bewertungen

Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 21.05.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


sehr gut

Danny Ryan ist auf der Flucht Richtung Westen, begleitet von seinem Vater und seinem kleinen Söhnchen. Er hat die Nase voll, möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen, endlich ein friedliches Leben ohne Schießereien und Gang-Kämpfe führen, seinen Sohn aufwachsen sehen. Und so versucht er, sich vor der italienischen Mafia, dem FBI und der State Police in Sicherheit zu bringen und unter dem Radar zu bleiben. Zu dumm nur, dass zwei seiner loyalen Kumpel, die er im Schlepptau hat, das ganz anders sehen und aktiv werden, als sie herausfinden, dass Hollywood einen Film über die Ereignisse in Dogtown drehen. Als an ihnen Beteiligte sind sie der Meinung, ihnen würde ein Teil vom Kuchen zustehen, und so kommen sie aus der Deckung. Mit Folgen, die sie mit hätten vermeiden können, wenn sie sich ihre Aktion im Vorfeld überlegt hätten.

Mittelbände in Trilogien haben es üblicherweise schwer, und da ist Don Winslows „City of Dreams“ keine Ausnahme. Weder bietet er die Überraschungsmomente des Vorgängers „City on Fire“ noch den finalen Showdown, den wir im Abschlussband „City in Ruins“ wahrscheinlich erwarten dürfen, fährt eher mit angezogener Handbremse, auch wenn es natürlich zu den für dieses Genre typischen Auseinandersetzungen kommt. Dafür kriecht er tiefer in die Personen hinein, bringt uns selbst solche näher, die nicht im Zentrum des Geschehens stehen sondern nur Randfiguren sind.

Das wirkt alles durchdacht und souverän, kann es aber dennoch mit den großen Romanen aus Winslows Schaffen nicht aufnehmen, aber trotzdem sehe ich seinem angekündigten Abschied mit großem Bedauern entgegen. Seine Thriller werden mir fehlen.

Schlussbemerkung: Man sollte die Trilogie unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen, damit man die Ereignisse entsprechend einordnen kann.

Bewertung vom 21.05.2023
Liar / Eddie Flynn Bd.3
Cavanagh, Steve

Liar / Eddie Flynn Bd.3


sehr gut

Als Lenny Howell, ein alter Bekannter von Eddie Flynn, diesen um Hilfe bittet, zögert er zuerst. Aber da er die Qualen aus eigenem Erleben kennt, die ein Vater durchmacht, wenn die Tochter entführt wird, stimmt er letztendlich zu. Und das, obwohl er eigentlich andere Sorgen hat. Max Copeland, ein Anwalt ohne Moral, hat ihm eine Vorladung zustellen lassen. Offenbar hat er es auf Richter Ford, Eddies Freund und Mentor, abgesehen und will zu diesem Zweck einen alten Fall wieder aufrollen, in dem eine Frau verurteilt wurde, die einen Brand gelegt hat, bei dem ihr Baby ums Leben kam. Im Fall der entführten Tochter ist mittlerweile auch das FBI involviert und bereitet die Übergabe des Lösegelds vor. Zu dumm nur, dass Lenny zweigleisig fährt und seine eigenen Pläne hat, immer angetrieben von der Angst um das Leben seiner Tochter. Aber kann Eddie ihm trauen? Und welche Rolle soll er in diesem Fall spielen? Wer ist der „Lügner“, und wer sagt die Wahrheit?

Obwohl ich ein großer Fan von Steve Cavanaghs Eddie Flynn bin und das Buch mit dem Gold Dagger Award als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet wurde, ist dieser dritte Band im Vergleich meiner Meinung nach der schwächste der Reihe. Aber dennoch sollte man ihn gelesen haben, damit man die Hintergründe der persönlichen Beziehungen entsprechend einordnen kann. Warum also unerwartet schwach? Nun, zum einen mag es daran liegen, dass das Thema Kindesentführung bereits im ersten Band der Reihe abgehandelt wurde, zum anderen war die Handlung recht vorhersehbar und simpel gestrickt. Und die ausufernden Erläuterungen jeder Einlassung in der Gerichtsverhandlung nahmen immer wieder das Tempo aus der Story und sorgten bei mir mehrfach für Augenrollen. Erfreulich hingegen fand ich den ausführlichen Auftritt von Agent Harper, die Fans der Reihe aus den Nachfolgern bereits bekannt ist. Nun kennen wir auch die Anfänge dieser Freundschaft.

Trotz aller Kritik eine unterhaltsame Lektüre, die sich durch die Schlitzohrigkeit des Protagonisten wohltuend von vielen anderen Justizthrillern abhebt. Lesenswert!

Bewertung vom 21.05.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

In seinen Romanen greift T. C. Boyle immer wieder Themen auf, die gesellschaftlich relevant sind und uns alle angehen. So auch in „Blue Skies“, dem neuesten Werk aus seiner Feder, in dem er sich mit der Frage auseinandersetzt, wie Menschen im Angesicht einer ökologischen Katastrophe handeln.

Wird das Wissen darum und die Konfrontation mit deren Auswirkungen im Alltag das Verhalten beeinflussen, ja gar verändern? Vielleicht sogar bereits im Vorfeld? Ist doch nicht so, dass man sich mit einem Das-habe-ich-doch-nicht-gewusst herausreden könnte, oder?

Boyles Ausblick in eine nahe Zukunft ist pessimistisch. Florida ertrinkt in permanenten Regenfällen und dadurch verursachten Überschwemmungen, Kalifornien hingegen kämpft seit einigen Jahren mit außergewöhnlicher Hitze und nachfolgender Dürre. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Menschen registrieren zwar die Veränderungen und passen ihr tägliches Leben diesen an, unterlassen es aber, Verantwortung zu übernehmen, ihr Verhalten auf den Prüfstein zu stellen und zu korrigieren. Alles wie gehabt.

Verpackt in einen Familienroman klagt Boyle nicht an sondern beschreibt. Und das macht er eindringlich, wenngleich sich sein Anliegen, seine Botschaft auch hinter Zynismus und schwarzem Humor versteckt. Er hält uns einen Spiegel vor, appelliert an unser Verantwortungsgefühl, denn die Zeiten des blauen Himmels sind längst Vergangenheit.

Bewertung vom 20.05.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


sehr gut

Angesiedelt im Milieu der Videospiele-Entwickler, unterhaltsam und mit leichter Hand geschrieben, ohne mit zu vielen Details die Nicht-Gamer zu überfordern, versprüht dieser Roman über weite Strecken Optimismus.

Ein Roman, der Geschichten vom Leben erzählt, die so vielfältig wie dieses sind. Von Menschen, die sich finden und auch wieder verlieren. Von Freundschaft und einer tiefen Liebe, die aber so ganz anders ist, als man es von den üblichen Love-Storys kennt. Vom Verstehen und Missverständnissen, die oft aus der unterschiedlichen Herkunft resultieren. Von Erfolgen und dem Scheitern, das zwangsläufig neuen Projekten immanent ist. Von Neid und Groll, speziell dann, wenn sich eine Frau in einer Männerdomäne behaupten will. Von Entfremdung und Trennung. Vom Tod und der Wiederauferstehung. Von Wiedergeburt und Erlösung, denn anders als im realen Leben bieten die virtuellen Welten der Videospiele unzählige Chancen auf Neuanfänge, so dass selbst der Tod niemals das Ende ist.

Bewertung vom 16.05.2023
Falsche Freunde / Ein Fall für Commissario Morello Bd.3
Schorlau, Wolfgang;Caiolo, Claudio

Falsche Freunde / Ein Fall für Commissario Morello Bd.3


ausgezeichnet

Venedigs Zukunft sieht düster aus, und die Gründe dafür sind vielfältig, laufen aber immer auf den gleichen Punkt hinaus: Gier plus Paarung mit Blindheit, wie wir sie bei den Entscheidungen der Verantwortlichen für fragwürdige Projekte (Mose, die neue Rinne für Kreuzfahrtschiffe etc.) beobachten können, die die Lagunenstadt an den Rand des Abgrunds bringen. Dazu dann noch die endlosen Touristenströme, die jedes Jahr die Serenissima heimsuchen, Wohnraum verknappen, Mieten in die Höhe treiben, Ramschläden aus dem Boden schießen lassen und viele ihrer ehemaligen Bewohner so vertreiben. Brisante Themen, die auch in „Falsche Freunde“ Einzug gehalten haben.

Morello, der Sizilianer, der zu seinem eigenen Schutz nach Venedig zwangsversetzt wurde, sich aber bis zum heutigen Tag nichts sehnlicher wünscht, als in seine Heimat zurückzukehren. Sein Wunsch könnte in Erfüllung gehen, als der Vice Questore ihm die Rückkehr zusichert. Doch die Zusage hat einen Haken, denn sie gilt nur dann, wenn er den aktuellen Mordfall aufklärt und den Mörder dingfest macht. Mit seinem starken Team im Rücken sollte das kein Problem sein, zumal sie jetzt Unterstützung durch ein KI-Programm haben, das punktgenau geplante Verbrechen vorhersagen kann. Zu dumm nur, dass sich diese Künstliche Intelligenz auf banale Taschendiebstähle konzentriert, damit personelle Ressourcen binden und verhindern würde, dass sich Morellos Team um die wirklich wichtigen Verbrechen kümmern könnten. Aber der Commisario hat da so eine Idee…

Im aktuellen Fall geht es um den Mord an dem Buchhalter Paolo Salini, der bis zu seinem gewaltsamen Tod im Dienst einflussreicher Venezianer stand. Diese möchten mit Hilfe ausländischer Investoren Venedig in ein Luxusresort für die Superreichen verwandeln, wofür allerdings nicht nur die entsprechenden Immobilien zur Verfügung stehen müssen, sondern wieder einmal ein Eingriff in das fragile Ökosystem der Lagune durch den Bau einer direkten Unterwasser-Schnellbahn vom Flughafen in die Stadt geplant ist. Utopische Spinnereien eines Autorenpaares? Nein, denn die Pläne für die Sublagunare liegen bereits in der Schublade bei den Verantwortlichen, die den Ausverkauf Venedigs vorantreiben.

Wie immer orientiert sich auch dieser dritte Band der Krimireihe mit Commissario Morello an der Realität, beschreibt die Schönheit der Lagunenstadt, die durch geldgierige Politiker und Investoren hochgradig gefährdet ist.

Es ist die sehr gute Recherchearbeit, die diese informative und spannende Krimireihe, die ich uneingeschränkt empfehlen kann, auszeichnet. Aber das sind wir ja von diesem Autorenduo, hier insbesondere Wolfgang Schorlau, gewohnt. Und so warte ich wieder einmal gespannt auf den Nachfolgeband, in dem das Geheimnis um die besonderen Fähigkeiten von Morellos Kollegin Anna Klotze hoffentlich aufgedeckt wird.

Bewertung vom 14.05.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


gut

In den amerikanischen Kulturredaktionen wurde im vergangenen Jahr kaum ein anderes Buch so sehr gehypt wie „Go as a river“, Debüt der in Colorado lebenden Autorin Shelley Read, der unter dem Titel „So weit der Fluss uns trägt“ demnächst in deutscher Übersetzung erscheint.

Über einen Zeitraum von annähernd dreißig Jahren begleiten wir Victoria „Torie“ auf ihren verschlungenen Lebenswegen. Sie lebt außerhalb von Iola, einer Kleinstadt am Gunnison River in Colorado. Ihr Vater bewirtschaftet eine Pfirsichplantage, ihre Mutter, Tante und Cousin kamen bei einem Verkehrsunfall ums Leben als sie gerade einmal elf Jahre alt war. Seither führt sie den Haushalt, zu dem noch ihr Bruder Seth, ein aggressiver Trinker, und ihre Onkel, ein mürrischer Kriegsveteran im Rollstuhl, gehören. Ihr Leben ist eintönig, bestimmt von den täglichen Pflichten, bis sie Wilson Moon begegnet. Aber Indigene sind in Iola nicht gern gesehen, und so kann sie sich nur heimlich mit ihm treffen. Und so beginnt eine zarte Liebesgeschichte mit unausweichlichen Konsequenzen, die Tories Leben für immer verändern wird…

Spätestens der Vergleich mit „Der Gesang der Flusskrebse“ hätte mich misstrauisch stimmen sollen, denn schon dieses Buch konnte mich nicht überzeugen.

Keine Frage, die Landschaftsbeschreibungen sind gut gelungen, aber das ist auch schon fast alles, was „So weit der Fluss uns trägt“ zu bieten hat. Handlung gibt es kaum, und wenn doch, plätschert sie dahin wie der Gunnison River in seinem breiten Flussbett. Kein Wort über die dysfunktionale Familie und die traumatischen Auswirkungen des Unfalls auf die einzelnen Familienmitglieder. Das bleierne Schweigen, das über deren Zusammenleben liegt und zu keinem Zeitpunkt durchbrochen wird. Die Charakterisierung der Personen – und das betrifft ausnahmslos alle, selbst die Protagonistin – kratzt bestenfalls an der Oberfläche. Heimatliebe, Familie, Verlust, Rassismus, jede Menge Themen, die es wert gewesen wären, in die Tiefe zu gehen. Stattdessen langatmige und sich wiederholende Beschreibungen, die meine Geduld über die Maßen strapaziert haben.

Ein langatmig erzählter Roman, der außer jeder Menge verpasster Chancen und verschenktem Potenzial kaum etwas zu bieten hat. Schade.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2023
Die Macht der Wölfe / Melia und Vincent Bd.4
Eckert, Horst

Die Macht der Wölfe / Melia und Vincent Bd.4


sehr gut

„Die Macht der Wölfe“ beginnt relativ unspektakulär. Melia Adans Vater bittet sie um ein Treffen mit der Bundeskanzlerin, die ihre Hilfe benötigt. Diese ist Opfer einer Erpressung, denn ein von ihr verursachter Unfall mit Todesfolge droht ihr nun auf die Füße zu fallen. Um ihre politische Karriere nicht zu gefährden, hatte sie sich der Verantwortung nicht gestellt, sondern die Eltern des Opfers mit einem großen Geldbetrag zum Schweigen gebracht. Staatssekretär Bovert, den wir bereits aus den Vorgängerbänden kennen, hat Kenntnis von diesem Vorfall und möchte dies zum Vorteil eines rechtskonservativen Netzwerks (ebenfalls aus den Vorgängern bekannt) nutzen, das politische System im Land umbauen und die Macht übernehmen will. Vincent Veih hingegen hat es mit einem kniffligen Fall zu tun. Auf einer Großbaustelle wurde Leichenteile gefunden, aber leider ist es anhand der Teile nicht möglich, die Identität des Toten festzustellen. Und natürlich wird sich im Laufe der Ermittlungen zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fällen gibt. Stellt sich die Frage, wer der Puppenspieler im Hintergrund ist…

Kurze Kapitel aus wechselnden Perspektiven generieren nicht nur hohes Tempo, sondern halten auch das Interesse der Leser hoch. Keine Frage, Eckert schreibt spannende, realitätsnahe und thematisch brisante Politthriller, aber dass sowohl Melia als auch Vincent mit rechtskonservativen Vätern geschlagen sind…come on. Das ist dann doch schon etwas zu sehr gewollt. Was die Macht der Bilder sowie die politische Einflussnahme mit Hilfe der Medien angeht, das erleben wir tagtäglich, hier bleibt die Handlung nahe an der Realität, auch wenn ich mir hier einen differenzierteren Blick gewünscht hätte, gerade weil die Rollen von Gut und Böse zu offensichtlich verteilt sind. Und zu guter Letzt die Rollen, die Bovert, Osterkamp und Konsorten in dieser Reihe spielen. Das ist mittlerweile hinreichen bekannt, ebenso die Ziele, die sie haben. So ist auch dieser Fall lediglich eine Variation des Themas. Vielleicht sollte der Autor sie endlich aufs Abstellgleis schieben, um Platz für neue Handlungsimpulse zu schaffen.
(Bewertung 3,5 / aufgerundet auf 4 Sterne)

Bewertung vom 11.05.2023
Der letzte Sessellift
Irving, John

Der letzte Sessellift


gut

In „Der letzte Sessellift“ begleiten wir die Brewsters: Rachel Brewster, Skilehrerin, abwesende Mutter von Adam, in einer lebenslangen Beziehung mit Molly, später Ehefrau des Englischlehrers Elliot Barlow, der im Lauf der Zeit vom Mann zur Frau wird. Adam, der außereheliche Sohn Rachels, quasi elternlos, zeitlebens auf der Suche nach seinem Vater, aufgewachsen bei seiner Großmutter, die in ihm die Liebe zum geschriebenen Wort weckt. Dazu der demente Großvater plus weitere Familienmitglieder, die sich allesamt gesellschaftlichen Konventionen verweigern und deshalb zu Außenseitern abgestempelt werden.

Auch wenn John Irving sich, wie in all seinen Romanen zu unkonventionellen Lebensentwürfen bekennt und für Toleranz wirbt, bleibt er in seinen Beschreibungen distanziert, kratzt weitgehend an der Oberfläche und taucht nicht, wie wir es von ihm erwarten, in das Innerste der Personen ein. Dafür nervt er mit endlosen Wiederholungen (Alter, Beruf, Namen) und einem Drehbuch, dessen Sinn sich mir nicht erschließen konnte. Einzig die Auseinandersetzung bzw. das zu Recht Anprangern der amerikanischen Politik bietet neue Aspekte, hier insbesondere das Anprangern der Versäumnisse der Reagan-Ära. Aber auch das kann diesen Roman nicht retten.

Die Zeit ist reif. In einem Interview hat der mittlerweile 81jährige Autor geäußert, dass „Der letzte Sessellift“ sein letzter langer Roman sein wird. Und das ist auch gut so. Irving, aus dessen Feder so herausragende Werke wie „Owen Meany“ oder „Gottes Werk und Teufels Beitrag“, zwei Bücher, die seit gefühlten Ewigkeiten einen Spitzenplatz auf meiner Liste der Lieblingsbücher einnehmen, hat hier ein Werk abgeliefert, das sich zwar auf vertrautem Irving-Terrain bewegt und stellenweise durchaus unterhält, aber dennoch über weite Strecken ermüdend ist und den Erwartungen nicht gerecht wird, da es mit bekannten Versatzstücken arbeitet, die wir in seinen früheren Werken schon wesentlich besser gelesen haben.

Bewertung vom 04.05.2023
Neun Leben
Swanson, Peter

Neun Leben


sehr gut

Die Ähnlichkeiten mit Agatha Christies „And then there were none“ (1939) sind in Peter Swansons neuem Roman offensichtlich: Neun Menschen (zehn bei Christie), verteilt über die gesamten Vereinigten Staaten (eine Insel bei Christie) bekommen Post. Keine E-Mail oder WhatsApp, sondern ganz altmodisch per Brief eine identische Liste mit neun Namen zugeschickt, ihren eigenen eingeschlossen. Sie kennen sich nicht, sind sich nie begegnet, haben unterschiedliche Jobs, wohnen noch nicht einmal in der gleichen Gegend. Ein dummer Scherz? Ein Versehen? Oder doch einen Warnung? Die einen ignorieren die Liste, andere hingegen sind beunruhigt. Als der erste Tote auftaucht, beginnt Jessica Wilson, die FBI-Agentin, deren Name ebenfalls auf der Liste steht, zu ermitteln, denn offenbar ist dieser Tote lediglich der Anfang einer Serie. Denn mit jedem zusätzlichen Leichenfund ist allmählich ein Muster erkennbar. Aber wo ist die Verbindung? Die Zeit ist drängt, kann dem Mörder noch rechtzeitig Einhalt geboten werden?

„Neun Leben“ ist eine Verbeugung vor dem klassisch-traditionellen Krimis, die wir insbesondere von britischen Autoren/Autorinnen kennen, in denen die Frage nach dem Whodunit in Zentrum der Handlung steht. Aber Swanson baut hier noch einen sehr geschickten Kniff ein. Er lässt die möglichen Opfer in abwechselnden Kapiteln zu Wort kommen und thematisiert deren biografischen Hintergründe. Zum einen lernen wir dadurch die möglichen Opfer besser kennen, zum anderen ist wird das Interesse des Lesers/der Leserin auch auf das mögliche Tatmotiv gerichtet, das in einer der Biografien verborgen sein könnte. Und natürlich hält sich der Autor hierbei auch an die ungeschriebenen Gesetze der Klassiker. Es gibt von Beginn an klare Hinweise im Text, die beim aufmerksamen Lesen ins Auge fallen und mit fortschreitender Handlung entsprechend eingeordnet werden können, was allerdings nicht zu Lasten der Spannung geht.

Ein unterhaltsamer, lesenswerter Kriminalroman für all diejenigen, die es trotz der vielen Toten eher soft und unblutig mögen.

Bewertung vom 30.04.2023
Der Gärtner von Wimbledon
Crilly, Jane

Der Gärtner von Wimbledon


sehr gut

„Der Gärtner von Wimbledon“ ist die bittersüße Geschichte einer unerfüllten Liebe über Klassenschranken hinweg. Emotional und berührend, voller Gefühl, aber nie kitschig, sondern zurückhaltend formuliert. Und mit der gleichen Zurückhaltung werden auch die Klassengegensätze beschrieben, wobei die Andeutungen mehr als ausreichend sind, um sich eine eigene Vorstellung zu dem „Upstairs / Downstairs“ Leben in und um Blake Hall zu bilden. Eine kleine, feine Lektüre für zwischedurch.

Allerdings hege ich leise Zweifel daran, dass diese Geschichte einer unerfüllten Liebe tatsächlich von einer Engländerin geschrieben wurde, denn es gibt weder eine veröffentlichte bzw. geplante englische Originalausgabe noch englischsprachige Informationen zur Autorin, was mir doch einigermaßen seltsam erscheint. Sei’s drum…

Rose und Henry lernen sich 1938 auf dem Landsitz Blake Hall kennen, wo Henrys Vater nach dem Tod seiner Frau eine Stelle als Gärtner angenommen hat. Sie freunden sich an, auch wenn das von Rose‘ Familie nicht gerne gesehen wird, denn in der englischen Klassengesellschaft hat jeder seinen vorgegebene Platz in der Hierarchie. Doch die Standesunterschiede können nicht verhindern, dass zwischen den beiden eine zarte Freundschaft aufblüht. Das verbindende Element ist Rose‘ Leidenschaft für Tennis, ihr großer Traum, in Wimbledon ein Turnier zu gewinnen. Dafür trainiert sie täglich und wird von Henry unterstützt, der nicht nur den Trainingsplatz von Blake Hall tiptop in Ordnung hält, sondern auch als Balljunge fungiert und sogar als Trainingspartner in die Bresche springt, wenn sonst niemand verfügbar ist. Sie verlieben sich, träumen von einer gemeinsamen Zukunft, aber Henry ist sich der Konsequenzen durchaus bewusst, die es nach sich ziehen könnte, sollte Rose‘ Familie je von seinen Gefühlen erfahren. Sein Vater könnte seine Stelle verlieren und sie müssten Blake Hall verlassen.

Doch es ist der Zweite Weltkrieg, der das Leben auf dem Landsitz tiefgreifend verändert. Der Tennisplatz wird zum Kartoffelacker und Rose muss ihre Träume begraben, distanziert sich von Henry und verkehrt nunmehr nur noch mit ihresgleichen. Henry hingegen kümmert sich bis zu seiner Einberufung um die Pferde, doch an seinen Gefühlen für Rose ändert sich nichts. Als der Krieg vorbei ist, hat er keinen Ort mehr, zu dem er zurückkehren könnte und nimmt die Stelle als Gärtner in Wimbledon an. Ob es wohl zu einem Wiedersehen mit Rose kommen wird?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.