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LichtundSchatten

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Insgesamt 254 Bewertungen
Bewertung vom 04.09.2024
Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein
Sanders, Bernie

Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein


weniger gut

Wut ist kein guter Ratgeber und einseitige Sichtweisen schon gar nicht. Tatsächlich verdanken wir der Marktwirtschaft und dem freien Unternehmertum, den Erfindungen bzw. technischer Innovation einfach alles, insbesonderen den Schritt aus der Armut für viele.

Das Gute aber kritisch sehen, es sinnvoll zu reformieren, dafür fehlt Bernie Sanders die Kraft und die entspannt kluge Sichtweise. Er verharrt in Anklagen, die in einzelnen Bereichen ihre Berechtigung haben.

Ich empfehle stattdessen alle Bücher von Dr. Dr. Rainer Zitelmann.

Bewertung vom 04.09.2024
Sinnovate Your Life
Schwemmle, Martin;Thal, Klaudia

Sinnovate Your Life


sehr gut

Bücher, die mit Viktor Frankl eröffnen, wirken auf mich magisch anziehend. So auch hier, wo ein Mann, dessen Frau soeben gestorben ist, Sinn und Zuversicht von diesem österreichischen Neurologen und Psychiater erhält. Als einziger seiner Familie überlebte Viktor Frankl die Konzentrationslager der Nazis. Sein Lebens-Thema danach wurde, wie man Menschen auch in schwierigsten Lagen Hilfe und Zuspruch, neues Leben ermöglichen kann.

Es stimmt: „Wohlbefinden und Zufriedenheit sind eng mit dem Gefühl von Sinnhaftigkeit verbunden.“ Nach Frankl braucht man einen Gründung, um glücklich zu sein. Glück ist kein Zufall. Fehlt einem Individuum der Sinn, wird alles sinnlos. Sinn erfordert die eigene Verantwortung und den Willen, eine Haltung zu leben, um das Leben aktiv in die eigene Hand nehmen zu können.

Die Erwähnung des Club of Rome und die angedeutete Panik im Hinblick auf Klima haben mich etwas verstört (S. 42), sonst aber ist dieses Buch ein guter Kompass, um seine eigene Haltung zu prüfen und neuen Drive zu bekommen. Gefehlt haben mich auch vergleichende Hinweise auf Religionen, die oft allen Sinn-Versuchen zuwider laufen.

Bewertung vom 04.09.2024
Takt
Scherer, Martin

Takt


ausgezeichnet

Der ehemalige linke Ministerpräsident aus Thüreingen sprach es laut und deutlich aus, er redete von den braunen A…n, mit verzerrtem Gesicht. Höflichkeit und Taktgefühl fehlen den meisten Politikern, die Anwesenheit dieser Eigenschaften ist einer der Gründe für den Erfolg von Sahra Wagenknecht, die sich selten aus der Fassung bringen lässt. Sie ist höflich, wahrt also Distanz, und kann auch Momente der Nähe erzeugen, mithin sehr taktvoll sein.

Baldassare Castiglione (1478-1529) war ein italienischer Höfling, Diplomat und Schriftsteller , der vor allem für seinen Dialog Il libro del cortegiano (1528; Das Buch des Höflings) bekannt ist. Martin Scherer startet sein Buch mit den lesenswerten Gedanken aus diesem ersten Fundus eines Diplomaten. Der Höflichkeit kommt eine relativierende Funktion zu: „Sie vermittelt diskret zwischen Sichtweisen, Temperamenten, Hierarchien und ja, auch zwischen den Geschlechtern.“ Direkte Botschaften, offenes Kritisieren und Herabwürdigen, undenkbar im Spiel der Höflinge.

Aber in der deutschen Kleinstaaterei war es weit weg platziert, im Jenseits des Alltags und der Politik. „Ein übellauniger Protestantismus gibt bis heute den Rest.“ Dagegen tritt der ideale Hofmann auch heute als Virtuose der Selbstinszenierung auf, der seinem Dasein eine zweite Natur zu geben versteht.

Viele Kennzeichnungen in diesem Buch habe ich mir rausgeschrieben, sie sind atemberaubend und treffsicher: so pflegt der Taktvolle eine elastische Distanziertheit zu sich selbst! Die Frage bliebe, wo und wie er die Distanziertheit dann kompensiert.

Ich habe in diesem Buch falsche Verhaltensweisen erkannt, auch die deutsche Direktheit und mich köstlich über die Ideen und Vorteile des Taktes amüsiert. Wendet man das alles für die heutige Multikulti-Vielfalts-Ideologie an, dann wäre durchaus zu kritisieren, dass klare negative Adressierungen nicht mehr erlaubt sind, bei größter Gefahr für das eigene Leben und Handeln.

Höchste Toleranz bei notwendigem öffentlichen Opportunismus, dieses Gemisch kann in der heutigen Social-Media-Gesellschaft tödlich werden. Wenn die Glocke der Toleranz Diskussionen erstickt, werden Höflichkeit und Takt zum Problem.

Trotzdem, man braucht sie im Umgang mit anderen täglich, ungebremste Ehrlichkeit wäre ein Desaster ohne die Anreicherung mit taktvollem Gefühl. Wenn ich ehrlich sein darf, wirken einige Sätze des Buches etwas überspannt, man muss sie des öfteren lesen, sich auseinandersetzen, aber das ist nichts Falsches. Es ist höchst anregend. „Höflichkeit spielt. Höflichkeit schützt. Höflichkeit zivilisiert.“

„Alle Konventionen tendieren zum Faden.“ Trotzdem befrieden sie in einer heftigeren Welt und leider laufen sie oft auch läppisch ins Leere. Der Autor erwähnt die Mission Statements globaler Unternehmen, die sich chamäleonhaft zu den angesagten Werten wie Diversität, Inklusion und Gleichstellung bekennen, ohne die oft problematischen Produktangebote zu reflektieren. Die Liturgie der politischen Korrektheit überzieht zumindest die westliche Welt. „Fragwürdig scheint auch die zugrundeliegende Vorstellung, sämtliche menschlichen Verhältnisse könnten so figuriert werden, dass sie nicht mehr vieldeutig und ambivalent, sondern nur noch von vermeintlich guter, reiner und geordneter Art sind.“ Dieser Satz gefällt mir besonders gut: „Teilen nicht alle Ideologien diese militante Feinsäuberlichkeit miteinander?“ Und natürlich dieser Hinweis: „Muss, wer an ihr zu zweifeln wagt, sich nicht beinahe zwangsläufig von empörten Chören zum Feind erklären lassen?“

Wir bewegen uns im Buch auf den Menschen zu, der feinfühlig verstehen, andeuten und gekonnt reagieren kann: „Taktfähige Existenzen können mit einem Minimalismus im Ausdruck aufwarten, wo dem großen Rest nur der breite Pinsel zur Verfügung steht.“ Sie huldigen dem Gebot des Augenblicks und zeigen lieber das Signal einer gelassenen Co-Ahnungslosigkeit. Diese Menschen begehen keine Taktlosigkeiten, das Vulgäre wie oben vom linken Ministerpräsidenten formuliert, ist ihnen fremd.

„Höflichkeit ist Design, Takt ist Kunst.“ Bis zur Seite 105 durfte ich gespannt sein, um diese Differenzierung zu begreifen. Erst mit diesen beiden Elementen kann jede andere Person begriffen und nicht per se als Vollidiot eingestuft werden, nur so sind Unterhaltungen und Verstehen möglich. Der deutsche Hang nach Ehrlichkeit und Wahrheit steht dem oft entgegen und entfaltet in einer aktuellen Ideologie (Multikulti) seine kompromisslose, unhöfliche, taktlose Ausgrenzung.

Tatsächlich wurde meine Kritik beim Lesen (Hang zur Paraphrase) am Ende des Buches aufgegriffen und zurecht angeführt. Die Möglichkeit zur Würde erfordert das Wiederholen, die Einübung, um das innere Raubtier zu zähmen, ihm Grazie und Eleganz zu verleihen.

Bewertung vom 28.08.2024
Deutschland auf der schiefen Bahn
Sarrazin, Thilo

Deutschland auf der schiefen Bahn


ausgezeichnet

Am 23. August 2024 erschien in der NZZ ein Artikel mit der Überschrift: „Eine Wirtschaftsnation schafft sich selbst ab.“ Der Autor skizziert den Rückgang der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und die schleichende Deindustrialisierung, er wählt dafür die Überschrift eines früheren Buches von Thilo Sarrazin. In fast allen Punkten sind die vorhergesagten Entwicklungen wahr, in vielen Bereichen sogar noch dramatischer geworden.

Thilo Sarrazin erklärt in diesem neuen Buch alle aktuellen Probleme und vermittelt, wie man sie lösen könnte. Seine Fähigkeit, sachlich klar zu sehen und notwendige Maßnahmen zu skizzieren, war Jahrzehnte lang Grundlage seiner ehemaligen Partei. Sarrazin war ein höchst kompetenter Mitarbeiter, der im Stillen arbeitete und vor kurzem von dieser Partei ausgeschlossen wurde, weil er die Religion des Islam analysierte und ihre Probleme verdeutlichte. Niemand in der SPD wollte darauf hören - bis zum heutigen Tag, bis Solingen im August 2024.

Die Politik sollte nach Thilo Sarrazin heute Konzepte für das magische Viereck umsetzen, d.h. in der gleichzeitigen Sicherung von Rechtsstaat, Demokratie, Meinungsfreiheit und einer stabilen Friedensordnung. Er analysiert alle relevanten Felder, in denen Politik für eine Stabilität dieses Vierecks sorgen muss und macht konkrete Vorschläge. Nichts bleibt außen vor und die Sprache vermittelt verständliche Sachlichkeit mit nachvollziehbaren Umsetzungen.

„In jedem Fall ist deutlich geworden, dass ein naiver Pazifismus, wie er die deutsche Politik seit den Neunzigerjahren weitgehend parteiübergreifend erfasst hatte, unhistorisch ist uns sehr gefährlich werden kann.“ Deutschland hat hier jegliches Maß und die Mitte verloren, die für Staaten so wichtig ist. Ludwig Erhard hatte mit seinem Appell zum Maßhalten 1965 nach Sarrazin völlig recht, obwohl er damals verlacht wurde. „Wenig später bewirkte dann die erste westdeutsche Nachkriegsrezession jene Disziplinierung bei Staatsausgaben, Löhnen und Preisen, die seine Appelle nicht erreicht hatten.“

Auch demokratische, freiheitliche Gesellschaften müssen nicht so bleiben, ihr Bestand ist immer auch bedroht, z.B. von innen her durch die Macht der Parteien und zu lang agierende Regierungspolitiker, von außen z.B. durch Migration, Asyl und Parallel- bzw. Gegengesellschaften. Dies zu erkennen, ist der Kern dieses Buches und die Beschreibung der Bedrohungslagen. Die Zukunft Deutschlands ist offen, wobei das große, weit einladende Scheunentor für Zuwanderer aus fremden Kulturen mit dem Mythos der Vielfalt hell bestrahlt wird bzw. das größte Problem darstellt. Solange hier klare Lösungen abgelehnt werden, wird die tektonische Verschiebung bei der Wählergunst weitergehen, prognostiziert Thilo Sarrazin.

Thilos Sarrazin war für mich in allen seinen Büchern ein Gradmesser für Sachlichkeit und gelungene Analysen, ein kompetenter Zusammenfasser möglicher Lösungen, immer verständlich und klar formulierend. Auch heute noch würde ich mir wünschen, er wäre an verantwortlicher Stelle der Bundesregierung tätig oder würde zumindest noch verantwortliche Beamte und Staatsangestellte schulen. „Eine maßgebende Wende in der Asyl- und Einwanderungspolitik ist für mich eine zentrale Bedingung, um die Zukunft Europas, der EU und auch Deutschlands zu sichern.“

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2024
Erfahrungen für die Zukunft
Erhard, Ludwig

Erfahrungen für die Zukunft


ausgezeichnet

Ludwig Erhard war von 1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft und von 1963 bis 1966 der zweite Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Ganz wesentlich ist also das Wirtschaftswunder zurecht auf ihn zurückzuführen.

Dieser Satz hat sich bei mir eingeprägt: „Die CDU/CSU hat 20 Jahre lang in der Bundesrepublik Deutschland regiert, die SPD/FDP hat von 1969 an Macht ausgeübt.“ Sein Blick zurück vermittelt vor allem auch die Strategie der SPD, deren ausschweifende Macht in diesen Tagen wohl zu Ende geht.
Ludwig Erhard vermittelt in dieser Biografie eine Vorstellung von der Ablösung der Regierung Adenauer zu seiner Art, ein Land zu führen. Erhard unterstellt Adenauer für die Verwirklichung seiner Ideen (nicht für ihre demokratische Legitimation) Wertmaßstäbe, die zwischen Pragmatismus und Machiavellismus zu orten waren. Ein OB-Schlitzohr also aus Köln, mit allen politischen Raffinessen und Wassern gewaschen.

Man kann sich vorstellen, wie es zwischen diesen beiden Erfolgsmenschen knirschte, und doch scheint Adenauer klug genug gewesen zu sein, seinem Wirtschaftsminister freie Hand zu lassen. Erhard setzte Entscheidungen geräuschloser durch, „ohne dafür den ganzen Pomp einer aufgeblasenen Propaganda zu bemühen.“ Unter Erhard hatte das Kanzleramt 191 Beamte und Angestellte, mit Brandt und Schmidt wuchs diese Zahl um das Doppelte. Heute beschäftigt das Kanzleramt 900 Mitarbeiter, seit 2012 ist die Zahl der Mitarbeiter in der Regierung, also allen Ministerien, seit 2012 um 84 % gestiegen: Mehr als 30.000 Angestellte und Beamte arbeiten derzeit in den Bundesministerien und im Kanzleramt. 

Die Kritik von Erhard an Adenauer ist leise und muss vor diesem Hintergrund gesehen werden: man unterstellte Erhard damals, dass er die Macht eines Kanzlers nicht voll ausgenutzt hätte. Erhard aber sieht sich als Regierenden, nicht als Machtmenschen, vielmehr als jemand, der kluge Kompromisse sucht, um der Wirtschaft das zu ermöglichen, was sie benötigt: Freiheit in Eigenverantwortung.

„Am 15. Juli 1949 verabschiedete die CDU ihre Düsseldorfer Leitsätze, die in ihren wesentlichen Zügen das von mir vertretene Programm der Sozialen Marktwirtschaft umfassten.“ Erhard kappt hier sämtliche noch vorhandenen Bezüge zum Sozialismus, obwohl die Sozialpolitiker innerhalb der CDU hier später immer wieder Widerspruch anmeldeten.

Erhard war anfänglich parteilos und wurde von der Bevölkerung zu Beginn höher als Adenauer geschätzt. Die CDU warb zu Beginn mit dem Slogan: „Wenn Prof. Erhard der CDU sein Vertrauen schenkt, können auch Sie das tun.“

Die Ära Adenauer war auch eine Ära Erhard, sagte Strauß später und er hat völlig recht. Adenauer hatte damals allerdings nicht die Größe, den Könner Erhard ganz anzuerkennen. Er wollte ihn mit Macht als Nachfolger verhindern. Erhard sagt dazu in dieser Biografie über die Einstellung von Adenauer: „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.“

Die Sätze Erhards zielen bis in unsere heutige Zeit: „Die Sozialisten in SPD und FDP, bestärkt durch wirklichkeitsfremde Rigoristen, verfassungsfeindliche Radikale und anpasserische Mitläufer, haben mit ihrer massiven Anitautoritäts-Propaganda eine Bewegung in Gang gesetzt, der am Ende nur noch mit härtesten Machtmitteln gesteuert werden könnte.“

Es lohnt sich wirklich, Erhard in seinen eigenen Worten aufzulesen: klug, nicht wettschweifend, auf Lösungen konzentriert, leise, effektiv.

Bewertung vom 14.08.2024
Im Gespräch
Knipp, Kersten

Im Gespräch


gut

Gespräche, Wortwechsel, Austausch, Informationen … wir alle sprechen mit anderen, geben etwas und ziehen Gewinn aus Gesprächen. Mir gefallen monothematische philosophische Betrachtungen und mit diesem Buch bin ich tief eingetaucht in Gedanken, die wirklich bewegen, die in mir Selbst- und Streitgespräche ausgelöst haben. Mehr kann ein Buch nicht erreichen.

Welche Gespräche bei mir sind geblieben/bleiben und warum versanden die meisten in einer einseitigen Erzählweise? Menschen scheinen heute wenig Austausch zu haben, bei einer Begegnung erfährt man oft leider nur die andere Seite, monologisierend, mit unzähligen Wiederholungen gespickt. Mit der Frage, warum das so ist, bin ich an diesen Buch herangetreten bzw. haben eine Antwort erhofft.

„Die meisten Dialoge sind von eher überschaubarer Bedeutung, es muss nichts Bedeutsames aus ihnen erwachsen.“ Mit diesem Hinweis ist man beim Lesen zunächst einigermaßen beruhigt. Vielleicht auch enttäuscht, weil Dialogen wenig allgemeingültige Wirkkraft zugetraut wird.

Leben heißt Sprechen und Austauschen, immer wieder die Entdeckung, dass der andere Dinge ganz anders und aus Perspektiven sieht, die einem fremd bleiben. Und wie einfach Sprache die Adressaten durch Wiederholung verändert und totalitäre Denkweisen auf andere übergehen, auch Hass - es wird im Kapitel Das Schweigen zum Tode deutlich. Der unvermeidliche Kafka und das Dritte Reich werden angeführt.

Sprache besteht nicht nur aus Worten, sondern mündet z.B. in der Liebe zu Wortküssen, Gesten und Andeutungen, die Worte begleiten, verstärken und stimmungsvoll verändern, ein Konglomerat der Vieldeutigkeiten und Annäherungen, erlebbar vor allem in der Jugendzeit.

In Gesprächen abseits der Liebe, wenn es ums Urteilen geht, sollte man einiges aushalten lernen und Knigge hat noch immer völlig recht: „Lerne Widerspruch ertragen…sei nicht kindisch eingenommen von Deinen Meinungen.“ Alles wirkliche Leben ist Begegnung, sagte Buber und diese Begegnungen können auch in Büchern stattfinden, im einsamen Auf-lesen der Gedanken eines anderen. Dieser Aspekt hat mir gefehlt in diesem Buch, ebenso die eingangs geäußerte Hoffnung, eine Erklärung dafür zu bekommen, warum Gespräche meist Monologe bleiben. Zudem auch bei intelligentesten Personen die immer wieder feststellbare Tendenz, alles immer und immer wieder zu wiederholen, mir/uns immer das Gleiche zu erzählen.

Sich durch den Klang einer Sprache zu einem ganzen Studium bringen zu lassen, wie der Autor (Romanisch, Arabisch), es ist mir völlig fremd, sich so motivieren zu wollen. Deutsch ist die ausdrucksfähigste Sprache und das davon abgeleitete Englisch reicht mir schon, um zu erkennen, dass ich eine andere Sprache niemals verstehen werde, ein Leben reicht dafür nicht aus. „Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung sich auf Deutschland leider beschränkt.“ Bismarck hat auch heute noch völlig recht und gefährlich wird es, wenn aus dem Oberkommando Weltmoral die Trompeten der Klischees, jene der selbstlosen Zudringlichkeit erklingen.

Das Buch war für mich eher ein Geplapper zwischen eingefügten Zitaten berühmter Menschen, bin nach dem erstmaligen Lesen eher enttäuscht. Werde es aber in einem Jahr nochmals lesen.

"Ein Gespräch ist: kein Dauervortrag, keine Endloserzählung, nicht einseitig, nicht ermüdend. – Ein Gespräch hat Seltenheitswert." (Else Pannek) Meine besten Gespräche hatte ich mit Büchern. Warum nur sind gewinnbringende Gespräche mit anderen Menschen so selten? "Gehe nie aus einem Gespräch, ohne dem anderen die Gelegenheit zu geben, mit Dankbarkeit an dieses Gespräch zurückzudenken." (Knigge) Vermutlich sollte ich den Knigge wiederlesen!

Bewertung vom 14.08.2024
Elternjahre
Sprenger, Reinhard K.

Elternjahre


ausgezeichnet

Eines der klügsten Bücher zu diesem Thema überhaupt. Viele Kinder klagen heute ihre Eltern an und werden dazu auch von Therapeuten und der Öffentlichkeit ermuntert.

Leider stimmt diese Aussage im Zeitalter der Helikopter Eltern: Früher führten Eltern ihre Kinder zum Verstand, heute bringen Kinder ihre Eltern oft um diesen.

Wer davon betroffen ist und seine Kinder auch mental endlich ins Erwachsenen-Dasein entlassen möchte, liegt mit diesem Buch genau richtig.

Reinhard Sprenger spricht auf seine unnachahmliche Weise die drängenden Probleme an und löst sie auf. Ganz ohne psychtherapeutischen Krimskrams, gut verständlich.

Für jedes Kind ebenso empfehlenswert, denn auch Kinder werden demnächst Eltern und werden die Leiden von Erziehung erleben, die funktionieren kann, aber nicht muss.

Wenn sich Kinder in die Sackgassen von Opferrollen entwickeln, hilft auch dieses Buch weiter: "Böse Väter - kalte Mütter."

Bewertung vom 06.08.2024
Eine
Häußermann, Nikolai

Eine "solide Basis" für den islamischen Staat (eBook, PDF)


schlecht

Selten habe ich ein unverständlicheres Satz-Konvolut gelesen. Bis zum Ende verstehe ich nicht, was mir der Autor sagen will.

Ein Beispiel: "Die Aufgabe besteht nach wie vor und nun noch viel mehr darin, der "anderen Seite", d.h. der Umwelt des Menschen, einen Raum der Freiheit einzuräumen und zugleich diesen Raum der körperlichen und psychischen Befindlichkeiten kommunikativ einzuhegen - ohne mit dieser Einhegung zu exkludieren."

Immerhin, der Autor setzt auf die Zeit, wenn es wohl um den Islam geht und bezieht sich dabei auf Nathan den Weisen. Dass er seine Herkulesaufgabe der Toleranz irgendwann schafft und Abstand nimmt vom Alleinvertretungsanspruch seiner Ideologie? Wer weiß schon, was der Autor mit solchen Sätzen meint: "Abstrakter formuliert: eine Oszilation zwischen den unterschiedlichen Seiten auf der Basis einer (mystischen) Temporalisierung der Entscheidung für eine Identität."

Ein wichtiger Hinweis von Karl Popper ist hier relevant: "Jeder Intellektuelle hat eine ganz besondere Verantwortung. Er hatte das Privileg und die Gelegenheit zu studieren; dafür schuldet er seinen Mitmenschen, die Ergebnisse seiner Studien in der einfachsten und klarsten und verständlichsten Form darzustellen. Das Schlimmste – die Sünde wider den Heiligen Geist – ist, wenn die Intellektuellen versuchen, sich ihren Mitmenschen als große Propheten aufzuspielen und sie mit Orakeln der Philosophie zu beeindrucken. Wer es nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er es klar kann."

Bewertung vom 06.08.2024
Leben im Hotel
Löhndorf, Marion

Leben im Hotel


ausgezeichnet

Vor kurzem habe die Eigentümer-Darstellung vom Hotel Waldhaus Sils gelesen, 111 Jahre Geschichte und Geschichten zu einem unvernünftigem Familientraum, 344 Seiten, in edlem Leineneinband, der locker 111 Jahre und noch mehr aushält. Ein spannendes Buch, das ich zur Vertiefung dieses lesenswerten Essays von Frau Löhndorf empfehle. In dem Waldhaus Buch sehen wir die Mühen und Opfer, die Hoteleigentümer meist auf sich nehmen, um dem Gast ein kleines Paradies zu schaffen.

Gleichzeitig sehen wir in ihm ein sogenanntes Heritage Hotel, eines mit Geschichte also, ein Haus mit ererbter oder fortgeführter Vergangenheit. „Die Prognosen für die Zukunft (der Heritage Hotels) sind günstig. Die Reisenden wollen etwas über deren Innenleben wissen, das Personal, den Standort.“ Historische Orte also, die man bewohnen und Teil der bisherigen Heritage. „Ein altes Hotel ist eine Zeitmaschine.“

Wir begeben uns mit dem Buch von Marion Löhndorf von dieser Unternehmer- Mikro-Ebene des Waldhauses auf alle denkbaren Hotels und ihren Ausprägungen, weltweit gesehen, eine Analyse der Möglichkeiten, Chancen und Probleme vom Leben im Hotel, alles eher vom Gast aus gesehen, obwohl auch Hotelbauer gestreift werden, z.B. der Theaterdirektor in London, der sein Theater auch in das Hotel einfließen ließ, das Savoy in London. Insgesamt spannend und überraschend zu lesen, facettenreich und witzig, die Schichten der unterschiedlichen Besuchs-Motivationen offen legend.

Tatsächlich dachte ich auch wie Frau Löhndorf, das Hotel sei tot. Das genaue Gegenteil aber ist der Fall und hier erfahren wir warum. Das künstliche Stück Heimat ist harte Arbeit, von der Küche bis zum Zimmerservice, von der Rezeption bis zum Kofferträger. Alles soll mühelos erscheinen, erfrischend, urlaubsgemäß, ein kleiner Traum, eine Entspannungsstätte im Alltag, die man sich hart erarbeitet hat. Das Hotel ist ein Möglichkeitsraum, ein kuratierter Traum und oft ist man nicht sicher, ob die eigene Stimmung eincheckt oder die des Hotels in den Gast. Es wird wechselseitig sein und anders als man vermutet.

Wer heute in sogenannte Luxusherbergen wie z.B. im Schlosshotel Elmau eincheckt, erhält bei höchsten Preisen oft den Service auf Praktikantenebene, man sehnt sich nach dem eigenen Domizil und die engen Zimmer in Vals 7132 ohne Schränke sind eine einzige Zumutung. Wie wunderbar dagegen die wirklich persönliche Ansprache im Hotel Waldhaus in Sils Maria, im Engadin. Adorno war auch dort und hat nach Aussagen der Eigentümer das tägliche Konzert der hauseigenen Kurkapelle regelmäßig besucht.

Hotels sind für mich dann gut, wenn sie eine Bibliothek haben und mich mit ihrer Architektur oder dem Design nicht belästigen, sondern eine Harmonie mit der umgebenden Landschaft herstellen. Wenig auf dieser Erde ist schöner als das Fextal in Sils Maria, direkt hinter dem Waldhaus. Wenn ich mir vorstelle, dass Stuckrad Barre und Döpfner dort gewandert sind, wie im Buch „Noch wach“ beschrieben, verliert der Ort aber leider seinen Zauber.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.08.2024
Good News Tagesabreißkalender 2025 - Jeden Tag eine gute Nachricht
Kasper, Arnim

Good News Tagesabreißkalender 2025 - Jeden Tag eine gute Nachricht


ausgezeichnet

Nur schlechte Nachrichten sind in unserer Welt anscheinend gute Nachrichten. Der tägliche Blick in Fernsehen, Funk und Zeitungen, in soziale Medien bietet überwiegend Schlechtes, Negatives, Beleidigungen und Streit. Dagegen arbeitet dieser sinnvolle Kalender, um das Positive, die Errungenschaften der westlichen Welt zu erkennen und wieder zum Optimismus zurückzufinden.

3 Beispiele:
Es gibt kein Bienensterben, sondern einen Zuwachs von 47% bei den Bienenvölkern seit 1994.

Kaffeetrinker leben länger, drei bis fünf Tassen helfen gegen Krankheiten und die Risiken auf Schlaganfall und Herzinfarkt verringern sich.

Die Rentenhöhe in Österreich beträgt 89,8 % des früheren Einkommens. Deutschland zum Vergleich: 51,9%