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LichtundSchatten

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Insgesamt 212 Bewertungen
Bewertung vom 01.04.2024
'Mich wundert, dass ich so fröhlich bin' Johannes Mario Simmel - die Biografie
Graf-Grossmann, Claudia

'Mich wundert, dass ich so fröhlich bin' Johannes Mario Simmel - die Biografie


ausgezeichnet

Als Junge begegnete mir Johannes Mario Simmel zum ersten Mal, als ich alle Bände von Karl May in der örtlichen Bibliothek ausgelesen hatte. Obwohl ich ihn noch nicht mitnehmen sollte, tat ich es und wurde nicht enttäuscht. „Es muss nicht immer Kaviar sein“ oder „Lieb Vaterland magst ruhig sein“, so viele Titel habe ich verschlungen und ihre Botschaften aufgenommen. Die typischen Titelbilder, hier auf Seite 113 zu sehen, sind auch heute noch präsent in meiner eigenen Bibliothek. Ich lese immer wieder darin.

Diese Biografie von Simmel ist höchst lesenswert, spannend und vermittelt die Hintergründe zu einer Buch- und Ideenproduktion ohnegleichen. Simmel entwickelte seine Bücher vor Hintergründen (Halbjude, 2. Weltkrieg), die höchst nachvollziehbar sind, keineswegs Trivialliteratur, sondern menschlich und zielorientiert auf gegenseitiges Verständnis und Toleranz weisend. „Sein Werk lebt von couragierten Menschen, von Idealismus, Hingabe und Ausdauer. Und auch von der Hoffnung, selbst wenn diese sich immer wieder als illusorisch entpuppt.“

Bewertung vom 30.03.2024
Die Kommunistin
Mai, Klaus-Rüdiger

Die Kommunistin


sehr gut

Klaus-Rüdiger Mai gelingt eine höchst lesbare, spannende Annäherung an ein wundersames Phänomen unserer Zeit.

Rhetorik ist nahezu alles, was ein Politiker braucht. Davon hat Sahra eine ganze Menge. Sie bleibt immer ruhig und sachlich, überlegt und cool. Sie beleidigt selten und wenn, dann passt es (dümmste Regierung).

Sahra kommt im Mercedes, ausgeruht und in sich ruhend. Sie redet höchst populistisch und oft auch beleidigend direkt. Sie überzeugt und suggeriert, von Vielem das Meiste zu verstehen.

Kommunismus und Kapitalismus - heute kein Problem mehr, alles ist möglich. Sahra Wagenknecht schafft auch das, ihre Mitarbeiter hebeln ihr das tägliche Übel vom Hals und sie dirigiert.

Warum nicht - mir wäre sie 1000 mal lieber als alle Grünen und sonstigen Linken, die aktuell meinen, etwas beitragen zu müssen.

Eine pragmatische Kommunistin, die Kapital, Karosserien und Einnahmen schätzt und alles mit Worten hindeichselt, was andere nicht mal denken können.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.03.2024
Amelie
Schmidt, Felix

Amelie


weniger gut

Liebe hat viele Spielarten und große Altersunterschiede gehören dazu. Hier erlebt ein alternder Sonnyboy das Verlassenwerden. Man wundert sich nur, dass dieses Thema nicht stärker publizistisch begleitet wird, spielt doch der bedeutendste deutsche Intellektuelle, der sich gerne auch in sloternden Radlerhosen ablichten lässt, eine gewisse nun ja … Rolle.

Hübsch blondierte Unschuld verwirrt Männer soweit, dass deren Leben und Denken in Gefahr gerät. Mir wurde beim Lesen ganz schummrig und ich dachte, ja, kann man wirklich so unselbstständig liebEnd und ehrlich sein? Man kann!

Ob der Leser etwas lernt aus diesem Sammelsurium aus Selbstmitleid und Egomanie? Nicht alle Bücher müssen geschrieben werden!

Bewertung vom 29.03.2024
Die deutsche Russland-Illusion
Himmelreich, Jörg

Die deutsche Russland-Illusion


gut

Die Ukraine muss den Krieg unbedingt gewinnen, um den gefrässigen, despotischen Bär Russland zu zähmen. So lese ich dieses Buch.

Der Autor sieht einen immer währenden imperialen Expansionsdrang Russlands nach Europa und begründet dies u.a. mit dem mongolischen Denken/Verhalten aus der Vergangenheit. Um das zu verhindern, „…muss Deutschland alle Waffen, die die Ukraine benötigt und die ihr helfen, Russland zu besiegen, zur Verfügung stellen.“ Scholz verhalte sich bar jeder Verantwortung für die Ukraine, Deutschland und Europa.

Die Darstellung der mongolischen Überfälle und die danach folgenden Erpressungen/Ausbeutungen des Volkes als Charakter russischer Obrigkeitsmaßnahmen klingen nachvollziehbar. Auch die nicht vorhandene Trennung von Staat und Kirche. Russen wären mithin im asiatischen, obrigkeitshörigen Fatalismus gefangen. Anführer sollten hart bleiben, nach innen und außen. Man unterwirft sich diesen Despoten, weil man die Zwangsmaßnahmen fürchtet und agiert eher privat.

Der Autor entspricht damit einer Darstellung von Marx: „Der blutige Schlamm mongolischer Sklaverei und nicht die rüde Herrlichkeit der Normannenzeit war Moskaus Wiege, und das moderne Russland ist nur eine Metamorphose dieses mongolischen Moskaus.“ Leider hat dann die zentrale Idee von Marx, der Sozialismus, nichts zu einer Änderung beigetragen. Im Gegenteil, Stalin war noch härter und despotischer.
Die Gottgleichheit der Herrscher sei auch auf die nicht erfolgte Trennung von Staat und Kirche zurückzuführen.

Es geht für den Autor in die richtige Richtung, Deutschland „kriegstauglich“ zu machen. Man solle sich wirtschaftlich nicht von Autokraten abhängig machen! Also auch nicht von Saudi Arabien und Aserbaidschan?

Ich kann viele Argumente von JH nachvollziehen, sehe das russische Verhalten aber stärker durch ein Gefühl für die eigene Nation geprägt, die im Kampf gegen die Wurzeln (Mongolenherrschaft) und europäischer Skepsis agiert. Keine russische Hilfe für Europa (Siebenjähriger Krieg, Kampf gegen Napoleon, Rettung Preußens 1805-1815, Rettung Österreichs 1849, Rettung Frankreichs 1875, Friedfertigkeit Alexanders III., Haager Konferenzen, Kampf gegen Deutschland 1914-1917) hat die tief sitzende Angst vor den mongolischen Russen in ein Gegenteil verkehrt. Heute ist das Grenzland Ukraine der Zankapfel, in dem ein Anti-Russland geschaffen werden soll, ohne Russland jemals wirklich verstehen zu wollen.

Iwan Iljin sagte dazu (hellsichtig): „Sie werden den universellen russischen "Besen" in Zweige teilen, diese Zweige einen nach dem anderen brechen und damit das verblassende Feuer ihrer Zivilisation entfachen. Sie müssen Russland zerstückeln, um es durch die westliche Gleichung zu führen und es zu entfesseln und dadurch zu zerstören: ein Plan aus Hass und Machtgier. ... Um sich Russland in einem Zustand dieses anhaltenden Wahnsinns vorzustellen, reicht es aus, sich das Schicksal der "unabhängigen Ukraine" vorzustellen.“

Jörg Himmelreich formuliert solche Sätze: „Deutsche Russlandpolitik muss eine Strategie entwickeln. Eine Strategie entwickelt man, indem man ein Ziel definiert und dann die notwendigen Instrumente zu dessen Umsetzung bestimmt.“

Wenig mehr als das Denken von Marx kann ich darin erkennen, eine zu einseitige Skepsis in Richtung Russland. Eine Wertediskussion findet nicht statt. Wo befindet sich der Westen in Bezug auf die Kirche? Wo stehen in Europa die Familie und die Nation? Wie werden Grenzen definiert? Bietet die völlig Auflösung aller Werte in den Universalismus nicht gerade jenen Ansatzpunkt, den die russische orthodoxe Kirche noch lebt und heute durch Putin dem Westen vorhält?

Meines Erachtens geht es heute darum: Setzt sich ein westlich geprägter (woker) Universalismus durch oder eine in wenigen Regionen konzentrierte neue Großraumordnung (Russland, China) mit alternativen Gesellschafts- und Systemkonzepten? Der Westen scheint kompromisslos in seinem Anspruch und erfährt durch Putin ein klares Kontra. Die Konfliktlinie Ukraine ist dabei ein wichtiges Zeichen bzw. auch ein Zugang zum Meer, den Russland niemals aufgeben wird.

Dass Russland ein Islam-Problem hat, vor allem in seinen ehem. südlichen Vasallenstaaten, wer wollte es negieren? Putin hat dem Islam kompromisslose Härte gegenüber gezeigt und ich bin nicht sicher, ob die Anschläge 1999 auf Mietshäuser in Moskau tatsächlich, wie von Himmelreich angeführt, vom KGB inszeniert waren. Israel kämpft heute im Grunde einen seit Jahrzehnten dauernden Krieg gegen den Islam, der sich in Gestalt der Hamas kompromisslos und intoleranter denn je zeigt. Russland hat seine Erfahrungen und China ebenso, dem Westen muss aktuell durch Israel klar werden, welche Probleme dadurch entstehen werden. Tadschiken haben aktuell einen Anschlag in Moskau durchgeführt, eine Region, in dem der Islam verboten ist bzw. unter Kontrolle gehalten wird. Der islamische Staat in Syrien wurde dort von Putin besiegt, ein Hinweis auf die weitere Vorgehensweise in dieser Hinsicht.

Bewertung vom 25.03.2024
Basteln am Ich
Ahrbeck, Bernd

Basteln am Ich


ausgezeichnet

Das Foto eines Navy-Matrosen, der bei der Siegesfeier 1945 auf dem Times Square eine Krankenschwester küsst, kennt jeder. Nun soll es gehen: Wegen „Inklusivität“ und „Awareness“ entfernt das US-Veteranenministerium dieses wunderschöne Bild. „Es erstaunt, mit welcher Heftigkeit gekämpft wird, um eine neue moralische Ordnung durchzusetzen, und welche Strategien dafür verfolgt werden.“

Bernd Ahrbeck durchlüftet in diesem Buch die oft kindischen Verdrehungen der Wahrheit, denen wir aktuell ausgesetzt sind. Das unantastbar Gute legt sich über unsere Seelen und alles, was wir auszudrücken haben, umschlingt Ohren, Mund und Verhalten. Darüber wacht das Oberkommando Weltmoral mit einer intellektuellen Substanz, die einen frösteln lässt.

„Ein solcher Eifer setzt ein gehöriges Maß an Realitätsverkennung voraus.“ Das unantastbar Gute fordert seinen Preis, auch wenn dabei Existenzen zerstört werden und kollektive Angst entsteht. Diejenigen, die ausgrenzen, haben den höheren Deutungsanspruch. „Wer eine missliebige Meinung vertritt, habe eben jeden Schutzanspruch verloren.“

Dem neuen Machtstreben eines universell gleichen, autonom gestaltbaren Ich sind natürliche Grenzen gesetzt. Je mehr diese in der Wirklichkeit sichtbar werden, umso stärker tritt eine Cancel Culture an den Tag, die diskreditieren und vernichten will. Die Lehre des evident Guten sieht sich nicht als Ideologie, sondern als nicht hintertragbare Wahrheit. Und genau hier beginnen die Probleme.

Erziehung braucht Grenzen ebenso wie Staaten, die Freiheitsrechte garantieren können. Die grenzenlose, gute Welt ist ein Traum, der einer bleiben wird. „Wir ziehen Valium der Angst vor, daher stammt unsere Vorliebe für eine borderless world, eine Wiege für alte, verwöhnte Kinder.“ (R. Debray)

Minderheiten beanspruchen heute umfassende Vorrechte, aus ihren Ecken kommen die Definitionen des Humanen und Fortschrittlichen, alle sollen sich ihren Gefühlen unterwerfen. Auf der Strecke bleiben die Vernunft, die Suche nach Wahrheit und der Wille zur Aufklärung. Bernd Ahrbeck skizziert in diesem Buch eine fröstelnde Zeit, in der Haltungen wichtiger sind als Wissen, in der es darum geht, die Vorherrschaft der Weißen zu zerschlagen, den Kapitalismus gleich mit - und dann?

Die Bestandsaufnahme dieses Buches lässt frösteln und vermittelt die fatale Erkenntnis, dass Wissen heute nicht mehr schafft, sondern in Wünschen&Haltungen erstarrt, die vor die Aufklärung zurückgehen, bei Suggestion höchster Machbarkeits- und Erlösungsphantasien.

Bewertung vom 24.03.2024
Das kulturelle Erbe von Arzach

Das kulturelle Erbe von Arzach


ausgezeichnet

Die Republik Arzach, bis 2017 Republik Bergkarabach, war ein de-facto-Staat in Bergkarabach und Zentrum des Bergkarabachkonflikts. In diesem Buch erfahren wir die notwendigen Hintergründe und kulturellen Belange zu einer Region, die uns immer wieder in den Nachrichten begegnete.

„Die Situation hat sich mit der faktischen Kapitulation der Republik Arzach im Zuge einer gewaltsamen Übernahme am 20. September 2023 noch einmal verschärft.“ Die Region wurde am 1. Januar 2024 an Aserbaidschan übergeben, die Kulturgüter scheinen massiv gefährdet. Die Zivilbevölkerung der Region ergriff geschlossen die Flucht nach Armenien. Über 100.000 Menschen flohen in wenigen Tagen. Diese sind wohl überwiegend bei Freunden und Familien untergekommen. Aserbaidschan möchte Spuren der armenischen Geschichte als vermeintliche Fälschungen beseitigen, ein Konzept mitten aus dem System eines Islam, der für sich alleine die korrekte religiöse Sichtweise beansprucht.

Dieses Buch als Sammlung der Vorträge einer interdisziplinären Tagung (15.–19.7.2022 in Jerewan und Hermon/Vayots Dzor) gliedert sich in 5 Bereiche:

Kultur von Arzach und ihre Bewahrung
Geschichte und Theologie
Aktuelle Kriege und ihre Folgen
Region im globalen Kontext
Kulturelle Schätze von Arzach

Arzach steht für das Verhältnis der beiden monotheistischen Religionen Christentum und dem Islam ganz generell. Jeder möge die marginalisierten christlichen Bevölkerungszahlen von mehrheitlich muslimischen Staaten selbst erforschen. Toleranz, die wir in Europa anderen Religionen entgegenbringen, wird in islamischen Staaten wenig bis nicht gelebt. So sind in der einst ebenfalls von Armeniern bewohnten aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan Zeugnisse der armenischen Kultur wie Kirchen und Friedhöfe systematisch vernichtet worden, was durch Auswertung von Satellitenbildern belegbar ist.

„Die Zivilisation, die sich vor Tausenden von Jahren in der Region von Arzach zu entwickeln begann, ist nicht nur ein Wert für sich, sondern ein integraler Bestandteil der Weltgeschichte.“ (S 83) Bereits im ersten Jahrhundert kam das Christentum in diesen Teil der Welt, es wurde im 3 Jh. zur offiziellen Staatsreligion. Bis heute war dort eine christliche Kultur vorhanden, für die es keinen Grund gibt, sie aufzulösen, zumal Muslime bei uns in Europa Asyl finden und wir mit Aserbaidschan Handel treiben. Warum finden wir hier keine Hinweise oder diplomatische Vermittlungsbemühungen aus Wirtschaft und Politik?

Durch den von Aserbaidschan geführten Krieg in 2020 kamen 10 staatliche und 2 nicht staatliche Museen unter die Kontrolle Aserbaidschans, in denen ingesamt 20885 Exponate von nationaler Bedeutung aufbewahrt werden. Sie drohen komplett verlustig zu gehen, entsprechende Anfragen wurden von Aserbaidschan nicht beantwortet. Darüber hinaus werden christlich kulturelle Verhaltensweisen, Wissen und Bräuche dem Vergessen anheim gestellt. Arzach und seine gelebte Kultur vor Ort gehen ihrem Ende entgegen.

Hören wir etwas in den Medien, von Vertretern der deutschen Wirtschaft, Parteien oder vom Außenministerium? 100.000 Menschen einfach vertrieben. Wenig ist darüber zu lesen oder zu sehen, die Bilder lohnen wohl nicht und Gasgeschäfte mit Aserbaidschan scheinen wichtiger. Die Marginalisierung des Christentums schreitet auch in in Deutschland voran. So ist sogar die öffentliche Präsentation dieses Buches in Deutschland von Aserbaidschan verhindert worden.

Umso wichtiger sind die in diesem Buch versammelten Informationen, die mitten in einem aufgeklärten Europa ein treffendes Zeugnis darüber ablegen, wie wenig das Christentum und die Armenier hier noch interessieren. Hauptsache, man spielt die Europaleague im Fußball und kann dort gegen Baku antreten. Es ist mehr als traurig.

Bewertung vom 24.03.2024
Unsere neue beste Freundin, die Zukunft
Salcher, Andreas

Unsere neue beste Freundin, die Zukunft


ausgezeichnet

Ein Unterhaltung auf Augenhöhe zwischen Alt und Jung, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Theorie und Praxis. Andreas Salcher vermittelt Vertrauen ins eigene Leben, er regt an, die Fähigkeiten zu entwickeln, die man hat - und nicht jene, die man sich wünscht.

Es stimmt, gerade in turbulenten Zeiten ist es gut zu wissen, dass bestimmte Dinge gleich bleiben. Mit diesem Wissen lässt es sich leichter in einen Anfänger Modus überwechseln: „Wenn Dein Geist leer ist, dann ist er bereit für alles. Im Anfänger Mindset gibt es immer viele Möglichkeiten, aber im Experten-Mindset nur wenige.“ (S. Suzuki)

So beginnen wir im Zen-Buddhismus über den Klippen der Westküsten in Kalifornien und lernen, warum Reisen uns hilft, das Zeitempfinden zu verlangsamen, sonst würde das Leben gleichförmig blitzschnell dahin fließen. Reisen also, um das Zeitgefühl zu verjüngen und zu verstärken, ein guter Gedanke. Auch das ist zielführend: „Wenn Du dein Leben lang gelernt hast, im Augenblick zu leben, dann wirst Du auch im Angesicht des Todes genau wissen, was du tun musst.“

Hoher Sinn liegt oft im kind’schen Spiel, sagte schon Schiller und das Anfänger Mindset bedeutet nichts anderes, als immer offen zu sein für überraschende, gerne auch naive Vorstellungen von Neuem. Kinder sind nie fertig mit dem Lernen und dem Staunen. Dass Schüler von Andreas Salcher in Altenheime gehen und dementen Menschen zuhören, scheint als eine Zeitreise vor und zurück. „Die älteste und zweifellos größte Universität ist jene des Lebens.“

„Zelebrieren Sie Premieren in Ihrem Leben.“ Ein weiterer Satz in diesem Buch, das gespickt ist mit Hinweisen und Wendungen, die ermuntern und neu justieren, die schöpferisch zerstören, wieder aufbauen und die Möglichkeiten des Geistes weit ausloten.

Es stimmt, moderne Führung baut auf drei Prinzipien auf: Sinn, Zuversicht und Einflussmöglichkeit. Genau das wird in den Gedanken dieses Buches vermittelt, eine sehr gelungene Mischung, jenseits von richtig oder falsch, ein Ort von Kreativität, Menschlichkeit und Innovation, von Jetzt und Zukunft.

Bewertung vom 24.03.2024
Das Erbe des Tennos
Wagner, Wieland

Das Erbe des Tennos


ausgezeichnet

Japan ist eine ganz eigene Welt, uns vertraut von den Autos und Fotoapparaten, aber doch Galaxien entfernt, wenn wir an seine Monarchie denken. Wir wissen wenig von den Minderwertigkeitskomplexen den Amerikanern gegenüber und wie ein verlorener Krieg mit den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki auf die Menschen wirkten und wirken.

„Die USA und sind für viele Japaner das Hauptargument, warum sie es nicht für nötig halten, die eigene Geschichte kritisch zu hinterfragen.“ Sie sehen sich mit den Atombomben eher als Opfer des Krieges und nach wie vor als ein Land der Götter mit dem Kaiser im Zentrum.

Zerrissen zwischen alter Größe, dem verlorenen Krieg und dem Bemühen, den Tenno in die Jetzt-Zeit zu bringen vermittelt dieses Buch die Probleme und Anstrengungen, die Japan heute prägen, höchst spannend und mit umfangreichen Detailkenntnissen unterlegt.

Bewertung vom 24.03.2024
Wir müssen reden, bevor es zu spät ist
Eric, Yassir

Wir müssen reden, bevor es zu spät ist


ausgezeichnet

Yassir Eric konvertierte vom Islam zum Christentum und benennt die Fallstricke zwischen den monotheistischen Religionen. „Sehr viele von den Konvertiten (vom Islam zum Christentum) erzählen mir, dass sie im Christentum das Bild von einem liebenden Gott attraktiv finden und diesen Liebes- und Beziehungsaspekt im Islam vermissen.“

Das Buch versucht ingesamt Verständnis und Vertrauen zu wecken, es grenzt nicht aus, sondern ist aus einem liebenden Geist beseelt. Man erkennt die Unterschiede und kann so aktuelle Zusammenhänge, auch Trennendes, besser verstehen.

Ob es Muslimen gelingt, im Geist der Liebe auf andere Religionen zuzugehen? Ob sie sich für Frauenrechte, Homosexuelle etc. einsetzen? Das Buch gibt Hinweise, die man aber durch eigenes Studium der Grundlagenwerken ergänzen muss. Nur so ist ein vollständiges Bild möglich.

Yassir Eric benennt u.a. die Schwierigkeiten von Muslimen, über den Koran zu reden oder ihn gar zu kritisieren. Das Beispiel von Mahmoud Muhammad Taha wird angeführt. Wer das verinnerlicht, erkennt die Unmöglichkeit einer Kontextualisierung in die Jetzt-Zeit und versteht auch, warum es Khorchide mehr als schwer hat.

Bewertung vom 23.03.2024
Im Namen der Deutschen
Frei, Norbert

Im Namen der Deutschen


ausgezeichnet

Der Bundespräsident handelt indem er spricht. Der erste, Theodor Heuss, entwickelte, zusammen mit dem Kanzler Adenauer, jene Maßstäbe, die auch heute noch gelten für die Vergangenheitsbewältigung bzw. die Behandlung der Nazi-Diktatur. „Wir haben von den Dingen gewusst,“ sagte Heuss und meinte damit wohl eher jene Schicht der Politiker und höherer Beamter, die davon Kenntnis hatten, was Juden von 33-45 erleiden mussten.

Das präsidiale, gern genommene „Wir“ kann natürlich nicht für die gesamte Bevölkerung gelten und nicht allen BP’s war es vergönnt, alle Landsleute hinter sich zu bringen, wie es der volkstümliche Heuss und der weise Intellektuelle Richard von Weizsäcker konnten. Sie sind Anfangs- und Endpunkte einer Entwicklung, die sich als ein Weg von der Vergangenheitsbewältigung hin zur Erinnerungskultur skizzieren lässt.

Ich habe in diesem spannenden Buch viele Dinge gelernt, die mir bislang weniger bekannt waren, speziell auch im durchaus wetterwendischen Heuss, der mit nicht verhohlenem Ehrgeiz das Amt des ersten Bundespräsidenten anstrebte, obwohl er, wie vermutlich die meisten Politiker, das Gegenteil sagte.

Er schrieb in seinen ca. 100 Leitartikeln in der Rhein-Neckarzeitung ab 1945 bis 49 wenig über den Nationalsozialismus oder trat als zukunftsorientierter Kopf hervor. „Sein Metier blieb auch jetzt die historische Betrachtung, namentlich die demokratischen Traditionslinien im deutschen Südwesten.“ Heuss präsentierte sich als Stimme derer, die dem NS-Regime distanziert gegenüber standen. Den NS Verbrechern sollten seiner Meinung nach die Deutschen den Prozess machen, nicht die Alliierten, so positionierte sich Heuss als Redakteur der Rhein-Neckar-Zeitung damals.

„Erlöst und vernichtet in einem“, so brachte Heuss die deutsche Befindlichkeit bei Kriegsende auf den Punkt. Er hatte nach eigenem Bekunden ein kleines Präsidialamt, schrieb fast alles selber und sagte dies über sich: „Welches Glück, dass ich einmal Journalist gewesen bin, der außer über Mathematik und Musik so ziemlich über alle Dinge einmal zu schreiben hatte oder geschrieben hat.“

Wir kommen den Bundespräsidenten mit diesem sehr gut recherchierten Buch näher und können uns ein Bild von den Verstrickungen der damaligen Zeit machen.