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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 246 Bewertungen
Bewertung vom 06.08.2024
Leben im Hotel
Löhndorf, Marion

Leben im Hotel


ausgezeichnet

Vor kurzem habe die Eigentümer-Darstellung vom Hotel Waldhaus Sils gelesen, 111 Jahre Geschichte und Geschichten zu einem unvernünftigem Familientraum, 344 Seiten, in edlem Leineneinband, der locker 111 Jahre und noch mehr aushält. Ein spannendes Buch, das ich zur Vertiefung dieses lesenswerten Essays von Frau Löhndorf empfehle. In dem Waldhaus Buch sehen wir die Mühen und Opfer, die Hoteleigentümer meist auf sich nehmen, um dem Gast ein kleines Paradies zu schaffen.

Gleichzeitig sehen wir in ihm ein sogenanntes Heritage Hotel, eines mit Geschichte also, ein Haus mit ererbter oder fortgeführter Vergangenheit. „Die Prognosen für die Zukunft (der Heritage Hotels) sind günstig. Die Reisenden wollen etwas über deren Innenleben wissen, das Personal, den Standort.“ Historische Orte also, die man bewohnen und Teil der bisherigen Heritage. „Ein altes Hotel ist eine Zeitmaschine.“

Wir begeben uns mit dem Buch von Marion Löhndorf von dieser Unternehmer- Mikro-Ebene des Waldhauses auf alle denkbaren Hotels und ihren Ausprägungen, weltweit gesehen, eine Analyse der Möglichkeiten, Chancen und Probleme vom Leben im Hotel, alles eher vom Gast aus gesehen, obwohl auch Hotelbauer gestreift werden, z.B. der Theaterdirektor in London, der sein Theater auch in das Hotel einfließen ließ, das Savoy in London. Insgesamt spannend und überraschend zu lesen, facettenreich und witzig, die Schichten der unterschiedlichen Besuchs-Motivationen offen legend.

Tatsächlich dachte ich auch wie Frau Löhndorf, das Hotel sei tot. Das genaue Gegenteil aber ist der Fall und hier erfahren wir warum. Das künstliche Stück Heimat ist harte Arbeit, von der Küche bis zum Zimmerservice, von der Rezeption bis zum Kofferträger. Alles soll mühelos erscheinen, erfrischend, urlaubsgemäß, ein kleiner Traum, eine Entspannungsstätte im Alltag, die man sich hart erarbeitet hat. Das Hotel ist ein Möglichkeitsraum, ein kuratierter Traum und oft ist man nicht sicher, ob die eigene Stimmung eincheckt oder die des Hotels in den Gast. Es wird wechselseitig sein und anders als man vermutet.

Wer heute in sogenannte Luxusherbergen wie z.B. im Schlosshotel Elmau eincheckt, erhält bei höchsten Preisen oft den Service auf Praktikantenebene, man sehnt sich nach dem eigenen Domizil und die engen Zimmer in Vals 7132 ohne Schränke sind eine einzige Zumutung. Wie wunderbar dagegen die wirklich persönliche Ansprache im Hotel Waldhaus in Sils Maria, im Engadin. Adorno war auch dort und hat nach Aussagen der Eigentümer das tägliche Konzert der hauseigenen Kurkapelle regelmäßig besucht.

Hotels sind für mich dann gut, wenn sie eine Bibliothek haben und mich mit ihrer Architektur oder dem Design nicht belästigen, sondern eine Harmonie mit der umgebenden Landschaft herstellen. Wenig auf dieser Erde ist schöner als das Fextal in Sils Maria, direkt hinter dem Waldhaus. Wenn ich mir vorstelle, dass Stuckrad Barre und Döpfner dort gewandert sind, wie im Buch „Noch wach“ beschrieben, verliert der Ort aber leider seinen Zauber.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.08.2024
Good News Tagesabreißkalender 2025 - Jeden Tag eine gute Nachricht
Kasper, Arnim

Good News Tagesabreißkalender 2025 - Jeden Tag eine gute Nachricht


ausgezeichnet

Nur schlechte Nachrichten sind in unserer Welt anscheinend gute Nachrichten. Der tägliche Blick in Fernsehen, Funk und Zeitungen, in soziale Medien bietet überwiegend Schlechtes, Negatives, Beleidigungen und Streit. Dagegen arbeitet dieser sinnvolle Kalender, um das Positive, die Errungenschaften der westlichen Welt zu erkennen und wieder zum Optimismus zurückzufinden.

3 Beispiele:
Es gibt kein Bienensterben, sondern einen Zuwachs von 47% bei den Bienenvölkern seit 1994.

Kaffeetrinker leben länger, drei bis fünf Tassen helfen gegen Krankheiten und die Risiken auf Schlaganfall und Herzinfarkt verringern sich.

Die Rentenhöhe in Österreich beträgt 89,8 % des früheren Einkommens. Deutschland zum Vergleich: 51,9%

Bewertung vom 05.08.2024
Die Moralapostel
Söllner, Fritz

Die Moralapostel


ausgezeichnet

Moral ist eine Sammlung positiver Erzählungen von Menschenliebe und Gerechtigkeit. Die kann man leuchtend vor anderen jonglieren und Politiker kennen die ganze Klaviatur möglicher Tränendrüsensekrete. Man kann sie in den Sonntagspredigten den Leuten aufs Auge drücken, bis alle heulen und zum Klingelbeutel greifen. Dieser Beutel sind auch jene Kreuze, die Menschen auf Wahlzetteln machen, um ihr schlechtes Gewissen zu entlasten.

Fritz Söllner fächert sie alle auf, jene Erzählungen und Werte, die nichts sagen, aber gut ankommen. Alle wissen, dass es eine sozialistische, sogar eine stalinistische Moral gab und heute reden sie z.B. von einer missionierenden, feministischen Außenpolitik, der Klimaaußenpolitik, Wirtschaftswaffen etc. „Das Hauptkennzeichen der moralistischen Außenpolitik ist ihre Erfolglosigkeit“, fasst Fritz Söllner zusammen und erklärt, warum die Moralisierungsspirale trotz des Versagens aller Maßnahmen weiter gedreht wird, sogar noch schneller. Niemand darf die zugrunde liegenden Ziele in Frage stellen, Zweifel sind nicht erlaubt. Die Spirale erweitert sich permanent und fliegt immer höheren Zielen zu.

Der politische Moralismus setzt sich meist unrealistische Ziele und agiert nach diesem Plan: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Moral wird heute vor allem für die Sicherung von Natur und Umwelt eingesetzt, damit scheinen nahezu alle Maßnahmen durchsetzbar. „Am unmittelbar bedrohlichsten für die deutsche Volkswirtschaft ist die einseitige, gesinnungsethisch motivierte und betriebene Klima- und Energiepolitik.“ Mit diesem Paradepferd des politischen Moralismus ist die Moralspirale auf schnelldrehend gestellt worden, um auf der anderen Seite die Abwärtsspirale ebenso rasant nach unten zu drehen. Bürokratie, Dirigismus, Preissetzungsmechanismen und ordnungsrechtliche Vorgaben nehmen überhand und würgen unternehmerisches Tun ab.

Eine Ende wird wohl erst dann erreicht, wenn der Bürger den Bankrott schwarz auf weiß ausbaden muss, wenn er eine Rückkehr zu Vernunft und Verantwortung einfordert und dies in den Wahlen artikuliert, Moral und Vernunft müssen wieder zum Ausgleich gebracht werden. Das Motto: "Einst waren wir schlechter, heute sind wir besser als alle anderen" kann keine Maxime der Zukunft mehr sein.

Bewertung vom 05.08.2024
Witzirin Tagesabreißkalender 2025 - Diese Packung enthält: die lustigsten Witze für die tägliche Dosis Humor

Witzirin Tagesabreißkalender 2025 - Diese Packung enthält: die lustigsten Witze für die tägliche Dosis Humor


ausgezeichnet

Er gehört inzwischen zu unseren Standardkalendern und auch dieses Jahr haben die ersten Witze schon jene Lockerungen und Leichtigkeiten erzielt, die gute, absurde Ideen auslösen können. Wenigstens einmal am Tag sollte man herzhaft lachen und den Alltag auf die Schippe nehmen.

Zum Beispiel damit:

Zwei Mücken treffen sich an der Drehtür des Finanzamtes. Die eine ist gerade rausgekommen, die andere will hinein. "Den Weg kannst Du dir sparen, sagt die erste, die saugen selbst."

Bewertung vom 05.08.2024
Ungarn verstehen
Patzelt, Werner

Ungarn verstehen


ausgezeichnet

Es gibt viele Wege, sich Ungarn anzunähern, einer der besten ist es, die sog. Knabenlese zu verstehen bzw. die osmanische Besatzung und die daraus folgende Einstellung zum Islam zu begreifen. Islam und Kommunismus, Habsburger und viele anderen Herrscher sind in diesem Land durchgezogen und haben ihren Geschmack hinterlassen.

Ungarn ist heute mit diesen leidvollen Erlebnissen ein selbstständiges Land mit Sinn für das Eigene, die Kultur und Heimat. Wer das begreift und vom deutschen Wahn nach Wiedergutmachung absieht, entdeckt in diesem Buch jene Grundlagen, die wirklich relevant sind.

Prof. Patzelt eröffnet mit Vorstellungsbildern über Ungarn aus unterschiedlichsten Perspektiven. Aus dem 19. Jahrhundert stammt das: „Immer wieder von Barbaren überfallen, auch selbst von barbarischer Herkunft, pflege jenes Ungarnvolk ungeschliffene Sitten und eine bäurische, gehobenen Konversationsansprüchen nicht genügende Sprache.“ Bis heute wirkt dies fort und geht über in die bekannten EU-Streitigkeiten, die Ungarn zu einem Sonderfall machen.

Das Buch entwickelt die Geschichte, das Regierungssystem und die politische Ausrichtung des Orban-Landes in spannender, wenig professoraler, gut verständlicher Sprache, ein echter Erkenntnis- und Lese-Gewinn. Professor Patzelt ist ein ganz seltener Fall von Verständlichkeit, die sich verbal ebenso treffend äußert wie schriftlich.

Die Osmanen haben in Ungarn wenig kulturelle Spuren hinterlassen. „Den Osmanen kann es nämlich vor allem auf gesicherte Machtausübung und wirtschaftliche Ausbeutung an, nicht auf eine geistige Hegemonie oder religiöse Missionierung.“ Nur wenige Ungarn konvertierten zum Islam. Trotzdem wurden Knaben von osmanischen Herrschern entführt und in die Armee überführt bzw. zu fanatischen Kriegern erzogen.

Die Revolution 1848 und ein Gedicht von Sandor Petöfi (1823-1849) fasst die Grundlage auch des heutigen Ungarn gut zusammen, es vermittelt den Umgang mit allen Partnern oder Institutionen:

„Auf die Heimat ruft, Magyaren!
Zeit Ist’s, Euch zum Kampf zu scharen,
Wollt ihr frei sein oder Knechte?
Wählt! Es geht um Ehr und Rechte!
Schwören wir beim Gott der Ahnen:
Nimmermehr
Beugen wir uns den Tyrannen!
Nimmermehr!“

Sachlich alle Punkte ansprechend bringt das Buch am Ende acht Deutungsschlüssel, ohne jedoch eine Sichtweise zu prägen - ein Urteil soll sich der Leser selber bilden. Ich dachte mir, in welchem deutschen Bundesland heute die meisten Menschen leben wollen? Es ist jenes, in dem ein Ministerpräsident vor dem bunt geschmückten Narrenschiff warnte, das heute in Berlin regiert. Oft wurde es von linken Medien als CSU-Halbdiktatur oder simulierte Demokratie bezeichnet. Ein Vergleich mit Berlin liegt nahe lässt die Schwierigkeiten einer Bewertung erkennen.

Bewertung vom 13.06.2024
Nimm das Leben, wie es ist. Aber lass es nicht so.
Müntefering, Franz

Nimm das Leben, wie es ist. Aber lass es nicht so.


weniger gut

Nicht vergessen habe ich eine Diskussion bei Lanz um 2011, die Müntefering mit Prof. Udo Reiter, dem ehemaligen Intendanten des MDR, führte und ihm erklärte, dass ein Recht auf Sterben unmoralisch bzw. unchristlich sei. Udo Reiter hat sich kurz danach auf seiner Terrasse erschossen. Nicht wegen dieser Diskussion, sondern weil er ein Leben im Rollstuhl über so lange Jahre nicht weiter ertragen wollte.

Kommt Müntefering, der schneidend selbstbewusste Diskutierer, in seinem Buch über populistische Leerformeln hinaus, kann ich mir jetzt einen Reim auf seine Erkenntnisse machen, gar Hilfestellungen erwarten?

Hier einige seiner sogenannten Reime:

„Die Gedanken sind frei. Aber sie lösen keine Probleme. Das müssen wir Menschen selbst tun. Zusammen mit anderen. Dann kann Demokratie gelingen. Das kann in der Demokratie gelingen.“

„Wie es mit den Menschen weitergeht entscheiden faktisch Menschen"

„Nimm das Leben, wie es ist. Aber lass es nicht so.“

Müntefering postuliert als Ausgangspunkt sozialdemokratischen Denkens die Gleichwertigkeit aller Menschen, einer der maximal aufgeblasenen, nichtssagenden Wortballons. Er hätte meines Erachtens diese Gedanken von Enzensberger Ernst nehmen sollen, der die heutigen Probleme der SPD schon 1994 treffend beschrieben hat: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Die SPD scheint insgesamt nur noch aus Worthülsen zu bestehen, auf die man sich keinen richtigen Reim mehr machen kann. Immerhin, tief angelegte Beleidigungen konnte ich in diesem Buch nicht entdecken. Müntefering konnte schon immer Sprüche: "Milch und Honig werden nicht fließen. Gesundes Brot und ordentlicher Aufstrich werden aber da sein." Ich habe bei diesem Buch den Eindruck, es gibt auch wenig nahrhaftes, leicht verschimmeltes Brot.

Habe alle Bücher eines großen Politikers gelesen, die er in seinem Gartenhäuschen in Rhöndorf geschrieben hat. Statt Müntefering Konrad Adenauer, das kann ich nach diesem Werk nur jedem empfehlen. Konrad Adenauer hat immerhin selbst ein Brot entwickelt, das seine Kölner über den ersten Weltkrieg brachte.

"Ach die Gedanken!
Reime sind da,
aber die Gedanken,
die Gedanken!"
Christian Dietrich Grabbe,(1801 - 1836), deutscher Dramatiker

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Bewertung vom 11.06.2024
Das Jahrhundert der Toleranz
Precht, Richard David

Das Jahrhundert der Toleranz


weniger gut

Wir lesen in diesem Buch wunderbare, hochmoralische Sätze wie: „Das Leben eines Menschen ist gleich viel wert, egal welchen Geschlechts er ist, welche Hautfarbe er hat und wo auch immer in der Welt er lebt.“

Gleich darauf folgt die Anklage Richtung Abendland bzw. seiner eigenen Herkunft: „Und doch stufen wir, wenn Europa wichtiger ist als Afrika, implizit die Menschenwürde ab in Wir, die anderen und die ganz anderen.“

Aha, hier hätte ich eigentlich aufhören können mit dem Lesen, ging aber weiter und gab Precht noch einige Chancen. Nicht jeder hat Enzensberger gelesen oder die Rhetorik Frantz Fanons bzw. ihre Gegenaggression verstanden.

„In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Es ist grundsätzlich unmöglich zu definieren, was denn überhaupt "Gerechtigkeit" ist, sie herzustellen ist universell für alle Kulturen unmöglich. Aus diesem Grunde ist es hoch-notwenig, Europa werteorientiert zu definieren, die anderen Kulturen zu erfassen und die ganz anderen in ihren Differenzen zu verstehen.

Diese dramatischen Differenzen im Islam nimmt Precht nicht zur Kenntnis, er meint im Kapitel „Unzeitgemäße Feindbilder“ der Islam würde sich nicht als Gegenpol bzw. neuer Konkurrent eignen. „Vom vermeintlich gleichen Weltherrschaftswahn getrieben, trat im Deutungsmuster des Westens nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus in Osteuropa der Islam auf den Plan.“ Den von Huntington beschriebenen Kulturkampf sieht Precht nicht, weil „die islamische Welt bildete auch damals ein völlig zerstrittenes Ensemble und keine politisch und kriegerisch geschlossene Einheit.“

Vermutlich würde Precht, wenn er denn den Islam je gelesen und verstanden hätte, diesen auch kritisieren und seine überdauernde Einheit und Gefahr dann erkennen, wenn er diese Religion und Ideologie auf öffentlichen Plätzen endlich analysieren würde. Ob die von Precht postulierten Werte aus dem Oberkommando Weltmoral auf das Verhältnis zu Frauen passt, könnte er studieren in diesem Buch eines türkischen Verfassungsrechtler: "Frauen sind Eure Äcker", von Ilhan Arsel.

Wir alle schreiben ab und zu, besonders gut kann dies Precht. Das 21. Jahrhundert ist keine Zeit der Toleranz, sondern ein harter Kulturkampf zwischen völlig unterschiedlichen Erklärungsmustern der Menschenrechte. Toleranz im westlichen Sinne wird von der islamischen Welt unter dem dramatischen Vorbehalt der Scharia gesehen. Nichts verbindet die Kultur des Islam mit der des Christlichen Abendlandes, auch wenn Herr Precht weiter sucht, eine Erd-Charta, ein einheitliches Weltethos ist unmöglich.


Nach einigen Konflikten mit dem Mainstream sehe ich dieses Buch als Wunsch der Wiedereingliederung des großen Philosophen Precht in die richtige Denkweise wertegeleiteter Außenpolitik, die schon dann versagt, wenn Bergkarabach von Deutschland alleine gelassen wird, um Gas in Aserbaidschan zu kaufen. Was mir in vielen Büchern/Veröffentlichungen auffiel: Precht hat in der differenzierten Betrachtung von Religionen und dem unverrückbaren Standpunkt des Islam wenig verstanden und kann seine Folgen nicht erkennen. Auch hier sei Enzensberger empfohlen: „Die Schreckensmänner. Versuch über den radikalen Verlierer" (edition suhrkamp)

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.06.2024
Machtübernahme
Semsrott, Arne

Machtübernahme


schlecht

Gleich zu Beginn lesen wir, dass die beschriebenen Inhalte einer Machtübernahme durch Rechtsextremisten eine Art Storytelling darstellen: „Diese stellen keine Tatsachenbehauptungen dar, sondern skizzieren als Meinung und stilistisches Mittel einen möglichen Verlauf der Zukunft.“

Nun, wie sieht eine gute Zukunftsprojektion für den Autor aus: „Die Investigativ Recherche von Correctiv hat alles, was eine gute Geschichte braucht: Rechtsextremismus, Neonazis, Superreiche, AfD- und CDU Politiker*innen, darunter auch der Gründer der Backwerk-Kette und Investor von Hans im Glück.“ (S.164)

Aha, und wieviel darf heute noch von der Investigativ Recherche behauptet werden?

Semsrott reitet auf dem weißen Elefanten ganz weit oben durch die Gegend, den Elefanten sieht er nicht mehr, sehr wohl aber jene, die nichts über Migration sagen dürfen. Hier wird explizit Jens Späth von der CDU genannt, der nun kein Recht habe über Migration zu reden, geschweige denn etwas zu fordern.

Nun, wer erlebtes Wissen im Bereich von Kulturen hat, die Homosexuellen äußerst feindlich gegenüber stehen, dürfte durchaus sachliche Kenntnisse der Grundlagen dieser Religion aufweisen. Vielleicht auch darüber, wer im Iran ab 1979 vermehrt an Baukränen hing. Es war nicht nur Linke und Kommunisten, nein auch Menschen mit gleichgeschlechtlicher Präferenz.

Ganz besonders gefallen hat mir der Tipp 6. Kündigen: „Wenn Sie es sich leisten können, kündigen Sie ihren Job in einem Unternehmen und versuchen Sie, Ihre Zeit stattdessen in Demokratiearbeit zu investieren.“

Selten habe ich etwas gelesen, das absurder klang. Am Ende sollen die Unaussprechlichen im Trash TV landen, das sei aber ein langer Weg. Sie werden regieren und eine Katastrophe sein für u.a.: „Menschen, die von Armut betroffen sind; Menschen mit Behinderungen; Frauen; Grüne; Linke.“ Eine spannende Reihenfolge.

Zu Mannheim wäre das zu zitieren?: „Wenn öffentliche Räume offen bleiben, gewinnt die Demokratie.?“
Oder das: „Wenn wir es schaffen, nicht nur offene, sondern sichere Räume zu schaffen, kann daraus etwas Neues entstehen.“ Nun, Herr Semsrott, dann schaffen Sie mal schön, aber studieren Sie vorher bitte alle Religionen und Kulturen und ihre Lebensbräuche. Schneller als man denkt, sind dann innere Grenzen notwendig.

So stehen dem Klientel von Herrn Semsrott nun alle Möglichkeitsräume offen, um endlich Vielfalt und Hochmoral einfältigst umzusetzen. Wie Correctiv vorgeht, hat Herr Steinhöfel in seinem neuen Buch gut beschrieben. Höchst interessant, wie Herr Schraven Correctiv durch Kaffee und Immobilien finanziert.

0 von 15 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.06.2024
Bedrohtes Israel
Primor, Avi

Bedrohtes Israel


weniger gut

Er bezeichnet die Hamas als eine „Idee und historische Bewegung“ und kein Wort finde ich in diesem Buch über die Religion des Islam, keine Analyse, nichts. Stattdessen wird der aktuelle israelische Regierungschef auf die Anklagebank gesetzt und als Ursache der Probleme angesehen.

Zudem wird insinuiert, dass die unsäglichen Angriffe der unmenschlichen Hamas am 7.10.23 der Regierung Netanjahu bekannt gewesen waren, ihnen dieser Terror also gerade recht kam. Netanjahu wird Geiz und Korruption unterstellt, geradezu überschwänglich wird vom rosa Champagner berichtet, in dem das Paar Netanyahu schwimmen könne. Zudem habe er sich als aufstrebender Politiker immer wieder die Restaurant Rechnungen bezahlen lassen.

Man kann den Hamas Terror nur verstehen, wenn man die religiöse Dimension und die Herkunft des tödlichen Hasses mit großen Schaudern ergreift. Eine alleinige Analyse aus rechtsstaatlich, demokratischen, bilateralen, staatlichen Gründen muss zu kurz springen.

Was die Geschichte Israels betrifft, erfährt man nichts Neues. Dieses Buch wird allen Redakteuren und Politikern in Deutschland gefallen, die in Netanyahu den kommenden Diktator sehen. Darf sich die Judikative die Aufgabe der Legislative bemächtigen? Darum geht es im aktuellen Streit in Israel und nicht um die Abschaffung des Justizsystems.

Sie sollte es nicht, wäre die vernünftige Antwort überall, auch in Deutschland. Wo aber immer mehr Gesetze vom Obersten Gericht korrigiert oder geändert werden (können), fährt eine Regierung oft Schlingerkurs und die Judikative wird zum Gesetzgeber..

In einer Demokratie sollte die Regierung Gesetzgeber bleiben und nicht wie auch immer gewählte Richter, die ihre Mandate nicht vom Volk erhalten.

Dieses Buch hat mir keinesfalls gefallen. Irgendwo lese ich, in den Kibuzen würden nur Sozialisten leben, der Traum von Primor möglicherweise. In diesem Zusammenhang empfehle ich alle Bücher von Chaim Noll, der die Lage in Israel für mich nachvollziehbarer und sachlicher schildert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2024
Weltreise eines Kapitalisten
Zitelmann, Rainer

Weltreise eines Kapitalisten


ausgezeichnet

Wenn ich eines bedaure, dann, dass ich in meinem Leben nicht mehr Nachrichten von anderen Länder gehört habe. Der Kontrafunk mit Sitz in der Schweiz bietet heute Informationen immerhin zu drei Ländern, die zumindest von der Sprache her zusammengehören. Und doch gibt es dramatische Unterschiede, z.B. in Sachen direkte Demokratie, die bei uns in Deutschland nicht opportun ist, weil wir nicht dafür geeignet wären, so erinnere ich eine Aussage von Schäuble. Von Frankreich dagegen weiß ich so gut wie nichts, die Sprachbarriere verhindert einen guten Austausch von gegenseitigem Wissen, obwohl das Elsass so nahe ist.

Demokratie bedeutet nicht zu allem Ja sagen, sondern misstrauisch zu sein. Denn die meisten Politiker in Deutschland melden sich nur kurz vor Wahlen bei ihrem Volk, zwischendrin darf man sie nicht stören und muss den vereinigten Propagandamedien lauschen. Aber in der Schweiz ist das anders, dort ist das Volk der Souverän und kann falsche Entscheidungen auch während einer Legislaturperiode korrigieren. Offensichtlich führt dies zu einer höheren Zufriedenheit aller und zu besseren Entscheidungen. „Im Index der wirtschaftlichen Freiheit steht die Schweiz zwei von 176 Ländern, nur 0,1 Punkte hinter dem Spitzenreiter Singapur.“

Das erste Reiseziel von Rainer Zitelmann war also die Schweiz, das kapitalistischste Land der Welt. In Zürich unterhält er sich mit Liberalen/Libertären, um den aktuellen Einstellungen auf die Spur zu kommen. Dr. Dr. Rainer Zitelmann hat mit eigenen Geld in allen besuchten Ländern Umfragen zum Kapitalismus durchgeführt, also zur wirtschaftlichen Freiheit und welche Zügel ihr angelegt werden bzw. was die Menschen darüber denken. Nicht alle Menschen in der Schweiz sehen die Volksabstimmungen jedoch positiv, ihre Ziele und Inhalte werden ebenso von großen Medienhäusern, NGOs etc. beeinflusst und gedreht wie das bei uns der Fall ist.

Tatsächlich ist man auch in der Schweiz dem Kapitalismus gegenüber eher kritisch gestimmt. Das hat mich überrascht. Die süßen Verlockungen des Sozialismus als einem Cocktail aus Gerechtigkeit, Integration und Vielfalt ziehen überall Menschen in ihren Bann, merkwürdigerweise vor allem auch dann, wenn man vom Staat profitiert, in dem man z.B. als Beamter oder sonstiger Begünstigter (Arzt, Rechtsanwalt) relativ weit oben an der Einkommensskala steht. Hier greift bei vielen die so gut aussehende sozial anheimelnde Scheinheiligkeit bzw. das schlechte Gewissen, um den Armen etwas „zukommen zu lassen.“ Gerne auch rein verbal.

Das Buch bzw. die Reisen von Rainer Zitelmann haben mich fasziniert und viele Hintergründe aufgedeckt, die ich nicht kannte. Insgesamt eine sehr gelungene Mischung aus persönlichem Erleben und dem Kampf gegen das zuckerige, immer scheiternde Gift des Sozialismus. Es ist leicht heute das Scheitern kollektiver Systeme (verbal) kennenzulernen, und doch unternehmen wenige die Reise dorthin. Alle Bücher von Rainer Zitelmann eignen sich dafür bestens, er hat Verbindungen aufgedeckt, die einfach bestechen. Empirie und persönliche Gespräche, nur so entstehen Bilder, die verdeutlichen und klar machen, wer letzten Endes die Menschheit aus der Armut geführt hat und Menschen mehr motiviert als alle Gleichmachereien.

Zum Thema Russland: Rainer Zitelmann war Mitglied der Russisch Orthodoxen Kirche, ist aber mit dem Ukraine Krieg dort ausgetreten. Ich sehe das Thema nicht so schwarz-weiss und würde die Literatur von Iwan Iljin oder Alexander Dugin als Kontrast empfehlen. Wer die Russisch-Orthodoxe Kirche kennt, muss um die völlig andere Kultur wissen, die Russland prägt. Die Menschen dort wurden zweimal vom kollektiven Wahn überfallen und wehrten sich dagegen. Heute sitzen sie einem wie auch immer gearteten Staatslenker auf, der ihnen wichtige Dinge vorenthält. Trotzdem atmet die russische Seele anders, sie hat eine ganze eigene Kraft, die den Oberen oben sein lässt, im Übrigen aber tut was sie für richtig hält.

Global denkende Unternehmen und Präsidenten/Kanzler wollen einen unipolare Welt, in der sich alle Menschen gleich verhalten und entsprechend mit Produkten versorgt werden können. Die russische Seele lehnt das ab und fordert, dass jede Kultur, jeder Nation die Anerkennung ihrer eigenen Wahl und Traditionen hat. Man stellt sich in der Person von Putin (über 70% der Bevölkerung steht hinter ihm) der Diktatur finanzorientierter Eliten, dem Great Reset und der verfallenden Kultur des Westens entgegen. Jeder mag dazu den letzten Eurovision Song Contest anschauen.

Wichtigste Erkenntnis des Buches: „Niedrigere Steuern führen zu höherem Wachstum und im Ergebnis zu höheren Steuereinnahmen für den Staat.“

Leichte Kritik: a) Gewünscht hätte ich mir eine kurze Zusammenfassung der Reisen. b)Lifestyle/sexuelle Präferenzen oder die Anzahl der Freundinnen/Partnerinnen interessieren niemanden.

Sehr gut an Dr. Dr. Zitelmann ist, dass er den fairen Austausch mit Andersdenkenden sucht und findet. Z.B. „Zitelmann und Herrmann an der Uni Tübingen.“