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Benutzername: 
Sina
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

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sehr gut

Dystopie gegen Klicks

Ein verstörendes Video geht viral. Darin zu erkennen ist die seit kurzem vermisste sechzehnjährige Lena Palmer, wie sie von Männern mit Migrationshintergrund brutal missbraucht wird. Als BKA-Kommissarin Yasira Saad den Fall übernimmt, muss sie schon bald feststellen, dass sie mit den Ermittlungen auf der Stelle tritt. Jede brauchbare Spur verläuft sich im Sand und hinzu kommt auch noch eine neu gegründete rechtsextremistische Gruppe, welche das Video als Anlass für ihre eigenen rassistischen Zwecke nutzt.

Die im Buch aufgegriffenen Themen sind hochaktuell und werfen einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft. Der Umgang mit Social Media, sowie die Entwicklung von künstlicher Intelligenz werden hier auf eine beklemmende Art und Weise dargestellt.

Der lockere und handlungsorientierte Schreibstil, sowieso die eher kurzen Kapitel haben einen schnellen Einstieg in die Geschichte ermöglicht und sorgen für einen guten Lesefluss.

Leider konnten mich die Charaktere so gar nicht überzeugen. Das die Protagonistin Yasira Saad, eine Mutter in ihren vierzigern ihrer eigenen Teenager-Tochter gegenüber misogyne Gedanken hat ist mir übel aufgestoßen.
Ebenso wie ihre Annahme, dass der einzige männliche Kollege in ihrem Team, der nicht auf sie steht homosexuell sein muss.
Auch ihre Entscheidungen waren nicht wirklich nachvollziehbar. Diese wurden emotional und aus vagen Vermutungen heraus getroffen, wodurch sie unprofessionell und teilweise impulsiv wirkte… Eigenschaften, die eine Kommissarin sicher nicht haben sollte.
Die Nebencharaktere wirkten allesamt plakativ, eindimensional und klischeehaft.

Während die Handlung von Anfang bis Mitte im guten Tempo voranschreitet, wird vor allem das letzte Drittel zu schnell abgefertigt. Die Geschehnisse nehmen rasant an Fahrt auf und verlieren dabei an Glaubhaftigkeit.
Die gewalttätigen Beschreibungen am Ende wären meiner Meinung nach nicht nötig gewesen, da die gesamte Thematik ohnehin schockiert und zum Nachdenken anregt.
Das Ende bleibt zudem noch weitestgehend offen und lässt viele Fragen unbeantwortet.

Insgesamt ein ausbaufähiges Buch, welches ich trotz vieler kleiner Mängel im Großen und Ganzen gern gelesen habe und auch weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 18.09.2024
Mina und der Trau-dich-Zauber
Fleming, Lucy

Mina und der Trau-dich-Zauber


ausgezeichnet

Zauberhaft

Das kleine Blattmädchen Mina lebt mit ihren Eltern auf dem Ast einer alten Eiche und verbringt ihre Tage am liebsten mit ihren Freund*innen beim Spielen oder beim Kaffeeklatsch. Eines Tages jedoch nimmt sie eine Veränderung in ihrer Umgebung war: der Wind wird kühler, das Laub ist dabei sich zu verfärben, bis es nach und nach von den Zweigen fällt.
Ihre Eltern teilen der kleinen Mina mit, dass auch sie die Eiche bald verlassen müssen, doch Mina bleibt unerschütterlich in ihrem Willen, ihrem gewohnten Zuhause nicht den Rücken zu zukehren.

Die Geschichte der kleinen Mina ist simpel und dennoch absolut herzergreifend und wundervoll umgesetzt. Die Botschaft, sich der Angst vor dem Unbekannten zu stellen, wird auf eine einfühlsame und kindgerechte Art übermittelt. Minas Eltern gehen behutsam und empathisch mit ihr um - drängen sie nicht, setzen sie nicht unter Druck - sondern geben ihr die Zeit, die sie braucht, um sich der Veränderung in ihrem eigenen Tempo zu stellen.

Die Illustrationen sind traumhaft schön und sorgen nebenbei noch durch ihre Farbgestaltung für ordentlich Herbst-Feeling.

Bewertung vom 15.09.2024
Tage mit Milena
Burseg, Katrin

Tage mit Milena


gut

Trauma und Schuldgefühle

In „Tage mit Milena“ von Katrin Burseg begleiten wir die Protagonistin Annika nicht nur auf eine Reise nach Venedig, sondern auch in die Vergangenheit.
Als die junge Luzie den Schreibwarenladen der Mittfünfzigerin betritt, legt sich in dieser ein Schalter um. Das Mädchen hat etwas an sich, was in Annika alte Erinnerungen weckt und verdrängte Emotionen aufkommen lässt.

Im Vordergrund der Erzählung stehen wichtige politische Themen, unter anderem der Klimawandel. Leider wirkt es stellenweise fast mehr wie ein Sachbuch, da die geschichtlichen Hintergründe nicht immer fließend in die Geschehnisse der Handlung integriert werden, sondern eher ein Ereignis nach dem anderen abgestottert wird.

Die Charaktere wirken zudem recht unausgereift. Insbesondere Annika trifft oft impulsive und nicht nachvollziehbare Entscheidungen.
Die Handlung wirkt dadurch und durch zu viele glückliche Zufälle unglaubwürdig und künstlich.
Die meisten Nebencharaktere fungieren eher als Mittel zum Zweck und auch die Beziehungen untereinander wirken eher flach und unauthentisch.

Ein Buch mit einer Menge Potential, was mich leider nicht ganz abholen konnte. Ich würde dennoch eine Empfehlung für diejenigen aussprechen, die kleinere Makel verzeihen und sich für die Geschichte rund um die Hamburger Hafenstraße interessieren.

Bewertung vom 28.08.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


sehr gut

Identitätssuche

Lou lebt mit ihrem Ehemann Sergej und ihrer Tochter Rosa in Berlin. Mit dem Rest ihrer in Israel lebenden Verwandtschaft hat sie wenn überhaupt nur sporadisch Kontakt.
Als die Großtante Maya dann ihren 90. Geburtstag mit der gesamten Familie auf Gran Canaria feiern möchte, reist Lou zusammen mit Rosa und ihrer Mutter dort hin.

Was eigentlich ein erholsamer Urlaub werden sollte, ist wird für Lou immer mehr zur Belastungsprobe. Sie wird täglich mit Halbwahrheiten und unausgesprochenen Konflikten, sowie Vorurteilen seitens ihrer Familienmitgliedern konfrontiert. Dazu kommt noch die Frage nach ihrer religiösen Identität, die Lou sowohl für sich selbst, als auch für ihre junge Tochter einzuordnen versucht.

Der kurzweilige Roman von Olga Grjasnova wirft viele Themenschwerpunkte auf, kratzt jedoch lediglich an der Oberfläche und lässt einige Fragen offen.
Wer eine abgeschlossene Handlung mit klarem Anfang und Ende, ohne viel Raum für eigene Interpretationen bevorzugt, wird mit diesem Buch nicht auf seine/ihre Kosten kommen. Für Leser*innen, die sich gerne zum Nachdenken anregen lassen, würde ich eine klare Empfehlung aussprechen.

Bewertung vom 12.08.2024
Unser Buch der seltsamen Dinge
Godfrey, Jennie

Unser Buch der seltsamen Dinge


sehr gut

Coming-of-age zu Zeiten eines Serienkillers

Eine Kleinstadt in Yorkshire, England in den 1970er Jahren.
Die ganze Stadt verfolgt gebannt die Jagd der Polizei nach dem Ripper über die Medien. Darunter auch die Familie der 12-jährigen Miv. Zusammen mit ihrem Vater, ihrer Tante Jean und ihrer verstummten Mutter lebt Miv in einer ärmlichen Gegend der Kleinstadt. Da die Ermittlungen der Polizei keine Fortschritte bringen und der Yorkshire Ripper weiter sein Unwesen treibt, steht die Idee von einem Neuanfang in Südengland und den damit einhergehenden Umzug im Raum. Fest entschlossen dies mit aller Macht zu verhindern beschließt Miv zusammen mit ihrer besten Freundin Sharon die Suche nach dem Serienkiller in die eigenen Hände zu nehmen.
Während Sharon’s Interesse an diesem Vorhaben nach und nach schwindet, ist Miv nahezu wie besessen von der Idee, den Frauenmörder auf eigene Faust zu schnappen, jedoch nicht, ohne dabei verheerende Konsequenzen herbeizuführen…

Der flüssige Schreibstil von Autorin Jennie Godfrey macht es einem von Anfang an leicht Zugang zur Geschichte zu finden. Während es zu Beginn noch gemächlich zugeht, nimmt die Handlung im Laufe des Geschehens immer schneller an Fahrt auf. Thematisiert werden hierbei auch gesellschaftliche Probleme, die auch heutzutage leider noch nicht ganz beseitigt sind.
Dabei werden verschiedene Charaktere in Miv’s Umfeld betrachtet und teilweise auch das Geschehen direkt aus deren Perspektive geschildert.
Im Vordergrund der Geschichte stehen jedoch immer Werte wie Zusammenhalt, Freundschaft und Toleranz, was der teilweise schwer verdaulichen Thematik immer auch etwas Leichtigkeit zurückgibt.

Wer keinen Krimi erwartet, sondern einen einfühlsamen Coming-of-Age Roman über tiefgründige Beziehungen zwischen Menschen, die kaum unterschiedlicher sein könnten, wird dieses Buch mit Sicherheit mögen.
Von mir eine klare Empfehlung!

Bewertung vom 31.07.2024
Flieg, Hummelchen, flieg!
Beier, Judith;Imlau, Nora

Flieg, Hummelchen, flieg!


ausgezeichnet

Mutmacher Buch

Das Kinderbuch “Flieg, Hummelchen, flieg” von Autorin Nora Imlau, Bloggerin Judith Beier und Illustratorin Lisa Rammensee ist für Kinder ab 2 Jahren geeignet.

Die Geschichte begleitet das kleine Hummelchen, seine Eltern und die zwei älteren Schwestern durch die verschiedenen Jahreszeiten. Das Hummelchen muss während dieser Zeit aufgrund seiner chronischen Bauchschmerzen immer wieder ins Krankenhaus. Sehr einfühlsam wird hier das auf und ab vom Leidensweg chronischer Krankheiten dargestellt.
Das Buch vermittelt eine positive Botschaft und schürt Hoffnung in schweren Zeiten.
Die Herausforderungen, auf die das Hummelchen trifft werden von der gesamten Familie aufgefangen und zusammen durchgestanden. Werte wie familiärer Zusammenhalt, Durchhaltevermögen und Unterstützung stehen hier im Vordergrund.
Die Texte sind kurz und in Reimen gehalten, was sie besonders für kleine Kinder leicht zugänglich macht.

Ein einzigartiges und pädagogisch wertvolles Buch, sowohl fur Kinder, die selbst betroffen sind, als auch für gesunde Kinder, die selbst noch keine Berührungspunkte mit der Thematik haben.
Das Buch vermittelt Empathie und macht Mut. Die Zeichnungen sind niedlich, bunt und detailliert.

Bewertung vom 21.07.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Der Klappentext lässt darauf schließen, dass sich in diesem Buch alles um einen Vorfall in der Schule, ausgehend vom Sohn Luca dreht.
Pia und ihr Mann Jakob werden von der Klassenlehrerin des Siebenjährigen in die Schule bestellt. Diese eröffnet ihnen, dass es einen Vorfall sexueller Natur zwischen Luca und einer Mitschülerin gegeben haben soll, während diese sich in der Pause allein im Klassenzimmer aufgehalten haben.
Was genau passiert ist, wird ihnen jedoch nicht gesagt.
Während Jakob davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann und seinen Sohne den Rücken stärkt, wächst Pias Misstrauen.

Erzählt in zwei Zeitsträngen, erfährt man im Laufe der Geschichte nun auch von Pias eigener traumatischer Kindheit, welche einen Weg für das zerstörte Urvertrauen in andere Menschen und somit auch in ihr eigenes Kind ebnete.
Sie ist sicher, wenn Luca eine Dunkelheit in sich trägt, hat er diese von ihr.
Auf teilweise erschreckende und schockierende Art und Weise versucht sie mit immer mehr Nachdruck die Wahrheit aus Luca zu erzwingen.

Was mich an diesem Buch besonders fasziniert hat, ist, wie Jessica Lind unfassbar glaubhaft und einfühlsam die Dynamiken in zwei völlig unterschiedlichen Familien beschreibt. Die Spannungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern konnte man deutlich nachempfinden und wirkten absolut authentisch. Ebenso, wie die Erfahrungen in der eigenen Kindheit Pia und Jakob zu den Menschen gemacht haben, die sie im Erwachsenenalter sind.
Für mich nicht nur ein Buch für Eltern, sondern gerade durch die tiefgründige Aufarbeitung von Pias eigenen Erfahrungen für jeden, der sich für komplexe psychologische Familiengeschichten interessiert, eine absolute Empfehlung.

Bewertung vom 07.07.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Ida musste in ihrem jungen Leben bereits viel durchmachen. Nachdem ihre große Schwester Tilda sie schweren Herzens mit der alkoholkranken Mutter allein in dem „traurigsten Haus der Fröhlichstraße“ gelassen hat, um außerhalb der Kleinstadt zu studieren, setzt „Windstärke 17“ einige Jahre nach Caroline Wahls Debütroman „22 Bahnen“ an.

Überwältigt von tiefer Trauer, Schuldgefühlen und Wut und ohne einen richtigen Plan, wie es weitergehen soll, beschließt Ida, all ihre Halbseligkeiten in einen Koffer zu stopfen und das Weite zu suchen. Sie will weg. Einfach nur weg aus der jetzt menschenleeren Wohnung, in der sie zuvor noch mit ihrer nun verstorbenen Mutter gelebt hat.
Zwiegespalten begibt sich Ida auf den Weg zu Tilda und deren Familie, doch anstatt den Zug in Hamburg zu verlassen, verpasst sie erschöpft von schlaflosen Nächten ihren Halt und landet schlussendlich auf Rügen. Hier beginnt für sie eine Art Neustart.
Völlig überfordert und vom „Wutklumpen“ geplagt, stürzt sich Ida immer wieder in nicht ganz ungefährliche Situationen, um ihren Gedanken und Gefühlen zumindest zeitweise zu entfliehen.
Trotz der schwerverdaulichen Themen und düsteren Stimmung ist es zugleich eine Geschichte, die Hoffnung macht. Nach dem schweren Verlust findet Ida in Marianne und Knut zwei Menschen, die sie bedingungslos unterstützen und bei sich aufnehmen. Das Ehepaar bietet der psychisch labilen Ida den Rückhalt und die Sicherheit, die sie in ihrem bisherigen Leben aufgrund der Vernachlässigung durch die Mutter nur eingeschränkt durch die aufopferungsvolle Schwester erfahren hat.
Und dann ist da auch noch Leif, der - geplagt von seinen eigenen Dämonen - wieder Licht in Idas Alltag bringt.
Ein weiterer Schicksalsschlag lässt jedoch nicht lange auf sich warten und reißt Ida erneut den Boden unter den Füßen weg. Am Ende scheint sie dennoch gestärkt und trotz aller Widrigkeiten zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.

Caroline Wahl gelang es bereits in ihrem ersten Buch starke, authentische Charaktere zu erschaffen. Ida, die in „22 Bahnen“ noch ein Kind ist, durchlebt eine große Entwicklung und schürte damit bereits früh Neugier, wie es in „Windstärke 17“ mit ihr weitergeht.
Mit dem Nachfolger gelang es Wahl eine tiefberührende und emotionale Geschichte zu erschaffen. Ihr ganz eigener Erzähl- und Schreibstil bringen eine gezielt inszenierte Komik und Leichtigkeit mit sich, welche die schweren Themen abmildern und zugänglicher machen.

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es genau wie schon „22 Bahnen“ innerhalb kürzester Zeit durchgelesen. Für mich eine ganz klare Empfehlung!