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Bewertungen
Insgesamt 371 BewertungenBewertung vom 04.06.2024 | ||
Als Netflixserie sicher ok. Natürlich ist Emily Rudolf mit ihrem aktuellen Thriller "Die Auszeit" auf der Höhe der Zeit. Junge und erfolgreiche (aber in ihren Persönlichkeiten nachreifungsbedürftige) Menschen nehmen sich eine Auszeit (wer braucht nicht auch mal ne Pause?) in einem eigentlich recht teuren und abgelegenen Retreat in den Wäldern der Alpen. Schöne Umgebung, schöne Körper (deshalb wäre der Roman, würde er visuell als Netflix-Serie umgesetzt, sicher auch ganz gut funktionieren...). Der Besitzer des Retreats braucht dringend gute und öffentlichkeitswirksame Rückmeldungen von 'wichtigen' Menschen - was also liegt näher, als die Gruppe der Influencer:innen kostenlos retreaten zu lassen, und so als Gegenleistung geschäftsförderliche feeds auf den Socialmedia-Kanälen zu erhalten. Natürlich entwickelt sich alles anders als erwartet, jeder bringt seine Vorgeschichte mit, es gibt ein wenig Beziehungsdurcheinander und es gibt jemanden, den niemand auf dem Plan hatte, mit einem ganz eigenen Motiv. Schon auf den ersten Seiten ist klar - es ist ein Mord geschehen. Auf einer zweiten Zeitebene wird dann countdownartig erzählt, was vor dem Mord geschah... Eigentlich eine tolle Idee, aber vor lauter 'wer mit wem und wann und wie'-Beziehungsdurcheinander bleibt die Spannung ein wenig auf der Strecke. Aber durchaus unterhaltsam... |
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Bewertung vom 01.06.2024 | ||
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland Fesselnd. Und nicht nur das! Ein liebevoll gestaltetes Buchcover, fast schon im Stil der Zeit, in die die Handlung von Sarah Brooks Romans mit dem seltsamen Titel gelegt ist: "Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland". Mit Ödland ist dabei die 'verlassene Wildnis zwischen China und Russland' gemeint, welche der Transsibirien-Express im ausgehenden 19. Jahrhundert durchquert. Und 'vorsichtig reisen' sollte man, weil, wie stets auf Reisen, in der Begegnung mit dem Unbekannten und Ungewissen Gefahren drohen... So machen sich einige Reisende mit unterschiedlichsten Motiven auf den Weg durchs Ödland, beispielsweise, um Nachforschungen anzustellen, was bei der letzten Fahrt passiert ist. Die Figuren sind gut gezeichnet, es gibt einen kontinuierlichen Spannungsbogen und - was das Genialste ist - Seite für Seite dringen mehr und mehr fantastische Elemente in die Geschichte ein - Lovecraft lässt grüßen! Für mich ist die gesamte Geschichte ein Sinnbild dafür, wie die Menschheit versucht, die Natur unter Kontrolle zu bekommen und zu beherrschen, wie es dabei aber nicht gelingt, das Irrationale, das Unvorhersehbare zu elliminieren. Auch das Thema 'Diktatur vs Freiheit' drängt sich sinnbildlich auf. Je länger die Reise durch das Ödland dauerte, desto begeisterter war ich von dem Buch! |
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Bewertung vom 01.06.2024 | ||
Interessant. Den Dortmunder Tatortkommissar mal nicht auf dem Bildschirm sondern als Erzähler seines Lebens zu erleben. Zuweilen meint man, man halte eine Art Tagebuch von Jörg Hartmann in Händen, da erzählt er einfach so - auch ein wenig anekdotenhaft, aber stets sehr reflektiert und kritisch - aus seinem Leben. In seinem Buch "Der Lärm des Lebens", welches sich im übrigen sehr gut liest (auch Schauspieler können schreiben!), trifft die Leserschaft nicht einfach nur auf eine unverbundene Ansammlung von Lebensereignissen. Den zentralen Erzählstrang bildet Hartmanns Schauspielerkarriere - was nicht jede/n in dieser Ausführlichkeit interessieren dürfte - von seinen ersten Versuchen bis an die großen Bühnen. Auch die Zeit der Corona-Pandemie erhält ihren Raum, die Demenz des Vaters und schließlich noch das Lebensgefühl der Heimatregion. Ein kluges Buch, sehr persönlich erzählt! |
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Bewertung vom 28.05.2024 | ||
Gelungen. Man kann ruhig sagen: Wieder einmal hat Simone Meier - diesmal mit "Die Entflammten" - ein faszinierendes, literarisches Werk erschaffen. Die Story handelt auf zwei Zeitebenen, die sich zunehmend miteinander vermischen und ineinanderfließen (ohne dass der Leserschaft dabei die Orientierung verloren geht). Da ist die gegenwärtige Erzählebene, in der die Kunsthistorikerin Gina auf die Person aufmerksam wird, die maßgeblich zum posthumen Ruhm Vincent van Goghs beigetragen hat, wie sie sich auf dem Anwesen des Vaters, der sich nach seinem ersten Erfolg an seinem zweiten Roman versucht, an der Geschichte von Jo begeistert; Jo, die verheiratet ist mit dem Bruder von Vincent van Gogh; Und wie Gina dabei mehr und mehr in Jos Leben eintaucht. Die zweite Erzählebene dann die ausklingenden 1890-er Jahre und das Liebes- und Eheleben von Johana (Jo). Was das Besondere an dem Roman ist? Es geht um Menschen, die für die Kunst 'entflammt' sind und dafür über ihre eigenen Grenzen hinausgehen. Und genau das spiegelt sich auch sehr stimmig in Simone Meiers Schreibstil wider - getrieben, voraneilend, übersprudelnd, entfesselt, entflammt... Unbedingt lesenswert! |
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Bewertung vom 26.05.2024 | ||
Stimme der Angst / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.4 Nein. Das war nix. Das man bei den meisten Krimis keine literarischen Ansprüche stellen darf, das ist schon klar. Aber dieses neue 'Werk' "Stimme der Angst" aus Arno Strobels Mörderfinder-Reihe rund um den Düsseldorfer Fallanalytiker Max Bischoff und seinen Psychologenfreund aus Duisburg wirkt wie das vorläufige Ergebnis einer ersten Unterrichtsstunde in einem Schreibkurs für Anfänger. Die Handlung ist vorhersehbar und zudem wirkt sie ungeheuer konstruiert... um ehrlich zu sein wirkt der Thriller, wie wenn er unter Zeitdruckgeschrieben wäre, dann greift man wohl, weil einem im Moment nichts besseres/eigenes einfällt zurück auf Unmengen üblicher Klischees. Tja, vielleicht ist "Stimme der Angst" ja einfach nur das Resultat eines unter Veröffentlichungsdruck stehenden Bestsellerautors. Zudem einige Logikfehler. Das Schlimmste an diesem Thriller aber ist, dass der Autor seiner Leserschaft rein gar keine eigene Denkleistung zutraut und glaubt, alles mindestens zweifach erklären zu müssen. Und das finde ich persönlich 'tödlich'... |
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Bewertung vom 19.05.2024 | ||
Netter Versuch. Liest man den Klappentext zu Dominika Meindls Erstling "Selbe Stadt, anderer Planet", erwartet man eine zeitkritisch-humorvolle Geschichte. Was der Autorin in Ansätzen auch recht gut gelingt. Doch zuweilen hat man als Leser das Gefühl, dass die Autorin sich rund um ihre Grundidee ein wenig verläuft. So taucht das Grundmotiv der 'Verdopplung' nicht nur im Nachbau des Örtchens Hallstadt im Salzkammergut durch die Chinesen auf sonder auch in Personae der Zwillingsschwestern auf: Die Ärztin Johanna, die nach Hallstadt kommt unddie väterliche Praxis übernimmt und die im Ort verbliebene Schreinerin Doris, die sich gerne nocheinmal verlieben könnte. Und da ist der chinesische Regierungsberater Ren, der auf Österreicherfahrung zurückgreifen kann und den Auftrag hat, Hallstadt für das Imitat zu studieren. Alles nett erzählt und gut lesbar, durchaus amüsant; ein bisschen über die Schattenseiten des Tourismus, ein wenig über das Dorfgefüge, Einwohner-Krankengeschichten, Landschaftsbilder... aber am Ende bleibt der Eindruck eines zwar netten Puzzles, bei dem aber der eine oder andere Stein fehlt, der alles gut miteinander verknüpft. |
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Bewertung vom 14.05.2024 | ||
Mäßig. Zwar hochgelobt ("Ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann."), aber für mich eine schwer zugängliche Aneinanderreihung von Erinnerungs-Fragmenten und Zustandsbeschreibungen; zudem wechselt immer wieder recht unvermittelt die zeitliche Erzählebene. Was Julja Lindhof in Ihrem neuen Roman "Krummes Holz" allerdings sehr gut gelingt, ist eine äußerst bedrückende Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit zu kreieren. So hat man das Gefühl, auf dem abgelegenen Gehöft 'Krummes Holz' am Ende der Welt angkommen zu sein und noch die letzten, verbliebenen Aspekte einer vergangenen Ära erspüren zu können. Hart muss es zugegangen sein, beim Leben und Arbeiten auf dem Hof, was der zurückgekehrte 19-jährige Jirka förmlich noch aus jedem Ritz des Gemäuers heraus spürt. Der kalte und gewalttätige Vater, die demente Großmutter, das ablehnende Schweigen der Schwester... Allein Leander, der Sohn des letzten Verwalters, zeigt ein wenig Nähe. Eine Kindheit, in der zuweilen mehr Liebe von Nichtfamilienmitgliedern wie Verwalter und Saisonarbeitern zu bekommen war. Und obwohl es heiß ist in dem geschilderten Sommer, läuft es einem beim Lesen kalt den Rücken hinunter. Überhaupt kein Wohlfühlbuch - aber das ist ja Gott sei Dank auch nicht der Anspruch von Literatur. Vielleicht kommt ja der Tag, an dem ich mich ein zweites Mal an diesen herausfordernden Roman heranwagen werde. |
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Bewertung vom 14.05.2024 | ||
100 Prozent Befindlichkeit. Und das meine ich absolut positiv. Nach ihrem hochgelobten Erstling nun der Nachfolger "Windstärke 17". By the way - nett, wie Caroline Wahl immer wieder kleine Querverweise zu ihrem ersten Buch herstellt - insbesondere die Zahl 22. Und überhaupt scheinen Zahlen eine große Rolle zu spielen, um die Kontrolle über das Leben zurückzugewinnen, der Wunsch nach Sicherheit und Berechenbarkeit als Kontrapunkt zu einer enttäuschenden Welt. Symbolisch hier auch die Atemtechnik 4-7-8. Caroline Wahl erzählt die tragische und hochemotionale Geschichte von Ida, die nach einem Kurztripp nach Prag in die Wohnung zurückkehrt und ihre Mutter dort tot vorfindet - Suizid bei Depression und Alkoholabhängigkeit. Sie kann sich nicht überwinden, an der Beerdigung teilzunehmen und statt zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg zu fahren und sich dort emotionalen Support zu holen, reist sie mit dem Zug und Minimalausstattung nach Rügen. Natürlich hat sie eine Menge zu verarbeiten uns weiß auch, dass Weglaufen wenig hilfreich ist. Aber sie braucht diesen Abstand und auch die Menschen, die sie auf Rügen trifft, um sich dem traumatischen Ereignis zu stellen. Aufgenommen bei einem älteren Ehepaar und v.a. auch die Freundschaft mit dem DJ Leif, helfen Ida, sich langsam zu öffnen und schließlich dem Leben und der Liebe wieder zu vertrauen. Ein großartiges Buch über Verluste, die nicht sein dürfen, über das Nicht-Wahrhabenwollen, über Schuld, über Trauer, Fürsorge und Freundschaft. |
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Bewertung vom 07.05.2024 | ||
Ein Ani halt. Der mich aber nicht ganz so sehr überzeugen konnte wie die Vorgänger rund um Tabor Süden und Fariza Nasri. Eines jedoch kann ich mit Gewissheit sagen: Auch in seinem aktuellen Roman "Lichtjahre im Dunkel" entpuppt sich Friedrich Ani als ein 'wahrer Meister der Hoffnungslosigkeit'. Die Auswahl der Figuren mit ihren Lebens-Geschichten und 'gestorbenen' Lebens-Perspektiven, die Handlungsorte mit all ihrer Düsternis (abgeranzte Kneipen); Schicksale, die sich begegnen. Ausgangspunkt ist der von seiner Frau vermisste Zeitschriftenhändler Leo Ahorn. Die Ehefrau wendet sich nicht an die Polizei sondern an Expolizist und Privatdetektiv Tabor Süden, der in seiner gewohnt ruhigen und intuitiven Art die Recherchen aufnimmt und der Trostlosigkeit der Ehe immer mehr auf die Spur kommt. Als ein Toter entdeckt wird, kommt dann auch Oberkommissarin Fariza Nasri mit ins Spiel. Seite für Seite erschließen sich neue Zusammenhänge, bei denen man als Leser:in zunächst den Zusammenhang sucht, der sich dann aber zum Schluß hin findet. Nach meinem Geschmack hat Friedrich Ani ein wenig zu sehr darauf gesetzt, aus einem Nebeneinander an Geschichten schlussendlich eine ganze in sich schlüssige Story werden zu lassen. Aber all das wird entschädigt durchs Anis Sprache, durch seine Weltbeschreibungen... Wie er die Menschen in der Kneipe beschreibt: "... die Augen wässrig und träge, der kahle Kopf eine einzige Anklage gegen die Massaker des Alters...). Und wie Ani schon auf den ersten Seiten auf den Punkt bringt, worum es eigentlich geht im Buch: Um eine Vermissung (welch eine geniale Wortneuschöpfung) in einer Welt ohne Nähe. |
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Bewertung vom 06.05.2024 | ||
Da steckt einiges drin. "Der rechte Pfad" von Astrid Sozio ist ein seltsames Buch, welches den Leserinnen und Lesern durchaus einiges abverlangt, vor allem aber Geduld. Es gab Momente im Buch, die hab ich ziemlich genial gefunden, dann aber wieder dachte ich, da 'plätschert' etwas Runtererzähltes so einfach vor sich hin. Und ein wenig verwirrend ist es auch, die Zeitsprünge und auch die Charaktere in sich. Nach 25 Jahren kehrt Benjamin zurück in das Dorf seiner Kindheit, Welsum im Sauerland, trifft dort auf seinen Vater, der ihn aber am liebsten wieder weg hätte, auf fundamentalistisch verknöcherte Dorfstrukturen mit eindeutiger Neigung zur extrem rechten politischen Seite, und natürlich auf seine eigene Vergangenheit in dem Dorf und die ganzen alten Geschichten. Immer wieder hat Benjamin die Absicht, das Dorf zu verlassen, um in seinem Leben in der Großstadt Ordnung zu schaffen, hat ihn doch seine Partnerin aktuell verlassen und er muss die Wohnung räumen. Aber ständig ist was mit dem Zug, als wenn das Dorf Benjamin nicht ziehen lassen wollte... fast ein wenig 'kafkaesk'... und genau das sind die Momente, wo das Buch lohnt! |
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