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Benutzername: 
Lila Lula
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2018
Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms
Feurer, Melissa C.

Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms


ausgezeichnet

Ein Land in Europa, einige hundert Jahre in der Zukunft. Ein autoritäres Regime. Und Leute, die damit nicht einverstanden sind. Ganz neu ist das Konzept von Melissa C. Feurers Romanreihe „Fischerkinder“ nicht, doch es birgt einen interessanten Aspekt, der so nur in wenigen Dystopien beleuchtet wird: Das Thema Religion. In ihrem Land der Zukunft ist die nämlich verboten, wer glaubt muss in den Untergrund gehen und mit Verfolgung rechnen. Und genau dort hinein rutscht ein junges Mädchen, dass vorher staatskonform war und nun einen neuen Platz in der Gesellschaft suchen muss.

Mira ist 17 und auf der Flucht – warum, das werden Leser des ersten Bandes bereits wissen. Kurz gesagt: Ihre Glaubensgemeinschaft, die Fischerkinder, sind aufgeflogen und Mitgliedern solcher „konspirativer Kleinstgruppen“ drohen harte Strafen. Mit von der Partie ist ihr Nicht-Freund-oder-vielleicht-doch Chas, später schließen sich der Gruppe noch andere an. Gemeinsam wollen sie in die Hauptstadt um Miras Freund-oder-doch-nicht Filip, der ihnen überhaupt erst die Flucht ermöglicht hat, aus dem Gefängnis zu befreien. Soweit, so gut.

Da es sich bei „Die Fischerkinder – Im Auge des Sturms“ um den zweiten Band einer Reihe handelt hätte ich wahrscheinlich den ersten Band vorher lesen sollen. Habe ich aber nicht. Stattdessen habe ich einfach versucht, so einzusteigen und das hat erstaunlicher Weise auch einigermaßen geklappt. Es sei dazu gesagt, dass ich das Buch in einer Lovelybooks Leserunde lesen durfte. Wenn also einiges überhaupt nicht klar war konnte ich mich dorthin wenden und wurde schnell aufgeklärt. Vermutlich hätte das Lesen des Buches aber auch ohne die Rückfragen geklappt.
Der Einstieg in die Geschichte ist sehr plötzlich, man braucht einen Moment um sich zurecht zu finden. Das Buch schließt ziemlich zeitnah an seinen Vorgängerband an, wenn man die Bücher also hintereinander weg liest macht es wahrscheinlich richtig Spaß.

Sprachlich hat mir dieses Buch gut gefallen! Ich hatte bereits ein anderes Buch der Autorin, „Die Ausreisser“ gelesen, und dort hatte mich vor allem die Wortwahl der Charaktere sehr gestört. Hier war das aber überhaupt nicht der Fall! Man fühlt sich sofort in der Geschichte wohl, versinkt in der neuen Welt und kann bald an nicht anderes mehr denken.

Auch das Cover ist recht ansprechend, allerdings wäre es nett gewesen, wenn z.B. die Schrift innerhalb des Rings geblieben wäre. Insgesamt ist es aber gelungen.

Eine Sache, die mich während des Lesens sehr beschäftigt hat, war der Titel. Aufgrund der Kombination von Titel und Cover hätte ich mit einem High Fantasy Roman mit vielen „naturgewaltigen“ Elementen gerechnet. Das stimmt nun so aber überhaupt nicht. „Im Auge des Sturms“ kann außerdem für einen Stillstand mitten in einem „Drama“ stehen. War hier aber auch nicht der Fall. Der „Sturm“ braut sich ja im Verlauf des Romans ja gerade erst langsam zusammen. Was will uns der Titel also sagen? Er klingt in meinen Ohren etwas abgedroschen und hat, wie bereits angeführt, leider nur sehr wenig mit dem Buch zu tun. (Ich hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass ein Element des Romans den Titel irgendwie erklärt aber nada.)
Von der Autorin habe ich im Übrigen erfahren, dass der Arbeitstitel „Die geheime Stadt“ lautete. Das hätte auf jeden Fall besser gepasst.

Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen und ich werde mir, sobald wieder Platz auf der Wunschliste ist, auch den ersten Band besorgen und ihn lesen. Empfehlen kann ich „Die Fischerkinder – Im Auge des Sturms“ zwar, jedoch möchte ich jedem geneigten Leser ans Herz legen, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu konsumieren. So macht es dann wahrscheinlich auch (noch) mehr Spaß!

Bewertung vom 29.09.2018
Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
Schwenke, Philipp

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste


sehr gut

Wie viele Kinder hatte auch mich einst das Karl May Fieber gepackt. Während meine Mitschüler im Skilager Party machten habe ich in den wenigen Tagen dort alle Winnetou-Bände verschlungen und hatte auch das Glück, das Karl May Fest in Radebeul besuchen zu dürfen - ein unvergessliches Erlebnis. Nun also ein Buch über den Karl May hinter den Bücher, bei dem mir sofort klar war: Das muss ich lesen!

Der Roman begleitet den gealterten Karl May auf seiner ersten Orientreise und beschreibt dabei seine, mehr oder weniger, aufregenden Abenteuer, seine Gedankenwelt und nicht zuletzt seinen Alltag - die ständige Korrespondenz um seine Aufenthalte zu belegen, die Geisterbeschwörung zusammen mit seinen Freunden und auch das Verhältnis zu seiner Frau Emma. Die Geschichte springt dabei zwischen der Reise und der Zeit danach, zurück in Radebeul, hin und her, weil die beiden Stränge (natürlich) miteinander verwoben sind und so wird immer mehr ein abstruses Bild enthüllt, eine Fata Mayana.

Karl May, wie er hier erscheint, hat viele Facetten. Auf der einen Seite ist es ein liebenswerter Alter, mit dem man Mitleid hat und dessen Gedanken zu Gott, der Welt und dem Frieden vielleicht gar nicht so verkehrt sind. Und dann ist da der andere Karl May, der sich nicht von der Vorstellung von Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand lösen kann. Der sich selbst für diese Männer hält und fest davon überzeugt ist, die Reisen der Romanhelden tatsächlich selbst durchlebt zu haben. Der sich so einfach von anderen beeinflussen lässt und jede gut eingeredete Meinung übernimmt. Der vollkommen von sich selbst eingenommen ist. Zwei vollkommen unterschiedliche Charaktere in einer Person - ein Wahnsinniger?

Dieses Jekyll und Hyde Prinzip ist vermutlich einer der Gründe, warum mich das Buch hin und her gerissen zurückgelassen hat. Den einen Karl hat man gern, der andere ist mir so vollkommen unsympathisch das ich die Sticheleien seiner Frau nur allzu gut verstehen kann. Im Verlauf des Buchs verfährt sich die Geschichte immer mehr, es wird fast unangenehm, mitzulesen, weil man nicht weiß, was echt ist und was nicht und weil man auch einiges nicht echt haben möchte. Selbst nach dem Klimax zieht sich diese Spannung fort und lässt mich mit einem gewissen Unwohlsein zurück, so als ob sich selbst die Sachen um mich herum nicht mehr greifen lassen würden.

Eindeutig also: Es handelt sich um ein schriftstellerisches Meisterwerk, denn der Leser ist am Ende bewegt! Über den Inhalt jedoch lässt sich streiten. Wähernd Karl May selbst sich damit rühmte, seine Bücher auch ohne "unsittliche Inhalte" gut verkaufen zu können scheint Phillip Schwenke an seinen eigenen Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu zweifeln - jedoch wird immer Distanz gewahrt, so dass das Lesen nicht zu einer gänzlich unangenehmen Erfahrung ausartet.

Insgesamt bin ich mir mit einer Empfehlung bezüglich dieses Buches nicht sicher. Ich habe bei weitem nicht alle seine Werke gelesen und dabei eher die Wildwest-Geschichten als die Orienterzählungen weshalb das Buch für mich vermutlich nur halb so amüsant war wie es hätte sein können. Einiges habe ich über den Mann Karl May dazugelernt, vor allem seine Beziehung zum Spirituellen, die im Buch immer wieder thematisiert wird, hat mich überrascht und auch beeindruckt.

Man kann festhalten: Das Buch ist etwas Besonderes. Dem Leser sei eine Reisewarnung ausgesprochen, da sich unterwegs die Fata Mayanen häufen und am Ende besteht die Gefahr, dass man selbst Schwierigkeiten bekommt, Wirklichkeit und Gedachtes auseinander zu halten. Auf jeden Fall wird jedoch jeder Leser, wie auch May, verändert von dessen Reise zurück kommen.

Bewertung vom 21.09.2018
Ruth und Billy Graham
Nüesch, Hanspeter

Ruth und Billy Graham


ausgezeichnet

Dieser Rezension muss ich vermutlich eines ganz klar voraus stellen: Bevor ich dieses Buch gelesen habe, hatte ich keine Ahnung, wer Billy Graham ist. Das muss für viele unvorstellbar sein, denn schließlich war sein Wirken in den letzten hundert Jahren kaum zu übersehen. Allerdings möge man auch bedenken, dass ich zu dem Zeitpunkt, als Billy Graham aus dem öffentlichen Dienst zurück trat, eingeschult wurde. Ich bin die Generation danach, die keine Ahnung hat und erst durch Bücher dieses Phänomen erleben kann.

Mit das im Kopf versteht man vielleicht, wie sehr mich dieses Buch begeistert hat. Auch wenn es ironisch klingt war es für mich revolutionär – auch wenn es die Strömung seit bald 70 Jahren gibt. Ich wurde durch dieses Buch nicht missioniert, aber die Einblicke, die Hanspeter Nüesch in seine und Billy Grahams Sichtweise des Glaubens gewährt haben mich tief berührt und vieles davon lässt sich auch auf mein eigenes Leben anwenden. Aber worum genau geht es in diesem Buch?

Anhand der Bibliographie und der zitierten Werke in „Ruth und Billy Graham – Das Vermächtnis eines Ehepaars“ lässt sich nur erahnen, wie viele Bücher bereits über dieses Thema geschrieben wurden. Warum also das Rad neu erfinden? Der Autor hat das ambitionierte Ziel, nicht nur das Leben der beiden einzelnen Personen, sondern ihr gemeinsames Wirken zu beschreiben und gleichzeitig die Wichtigkeit dieser Zusammenarbeit hervor zu heben. Gleichzeitig teilt er das Buch in 11 Abschnitte, die die unterschiedlichen Aspekte des Wirkens der Grahams beleuchten. Spannend für mich war dabei, dass er auch versucht, eine Verbindung zu unserem heutigen Leben herzustellen. Welche Rolle spielen Ruth und Billy Graham im 21. Jahrhundert?

Das Buch ist sehr unterhaltsam und gleichzeitig fundiert geschrieben. Statt einem belehrenden Textblock ähnelt es mehr einer Geschichte, die mit Anekdoten, Zitaten, Berichten von eigenen Begegnungen mit Graham und Bildern angereichert ist, so dass einem beim Lesen absolut nicht langweilig wird. Die Abschnitte liefern viele Impulse für das eigene Glaubensleben und regen zum Nachdenken an. An vielen Stellen sind die Beiden absolute Vorbilder, wobei trotzdem Raum für eigene kritische Gedanken bleibt.

Interessant an diesem Werk fand ich vor allem seine Ehrlichkeit – Nüesch macht Ruth und Billy Graham nicht zu unfehlbaren Heiligen sondern zeigt sie als Menschen mit Macken und Fehlern. Auch kritische Stimmen werden nicht ausgeblendet, verschiedene theologische Denkweisen erhalten, neben den Ansichten der Grahams, ihren Raum und am Ende inspiriert ihre Haltung Andersdenkenden gegenüber: Man begegnet sich mit Respekt. Dass selbst katholische Würdenträger ihre Arbeit wertgeschätzt haben zeigt, dass es sich hier nicht um eine evangelikale sondern um eine allgemein christliche Mission handelt(e).

Was bleibt also als Fazit? Ich kann das Buch nur jedem empfehlen - egal ob mit oder ohne Vorwissen über das Leben der Grahams. (Raum für eigene, tiefere Nachforschungen bleibt so oder so.) Es ist, trotz allem, erfrischend und regt dazu an, den eigenen Glauben noch einmal neu zu betrachten. Ich kann nicht jede der Aussagen mit „Ja und Amen“ unterschreiben

Bewertung vom 21.07.2018
Die Jahre der Leichtigkeit / Familie Cazalet Bd.1
Howard, Elizabeth Jane

Die Jahre der Leichtigkeit / Familie Cazalet Bd.1


ausgezeichnet

In ihrem Roman beschreibt Elisabeth Jane Howard sehr eindrücklich die Sommer der Jahre 1937/38 der Familie Cazalet. Dabei ist ihr Schreibstil sehr episodisch, man wandert mal von hier nach da, lernt unterschiedliche Charaktere und unterschiedliche Blickwinkel kennen. Rhetorisch sehr gut gefallen hat mir der Wechsel der Perspektive innerhalb einer Szene, so dass man die Gedanken unterschiedlicher Figuren über die gleiche Situation kennenlernt.

Figuren allgemein - alle Mitglieder der Familie sind sehr eigen und wirken, zumindest auf mich, wie echte Menschen und nicht wie die platten Charaktere, die man in manch anderen Büchern trifft. Sie alle haben eine Geschichte, Geheimnisse und widersprüchliche Gefühle, die sich nur schwer unter einen Hut bringen lassen. Neben einigen absolut unsympathischen Figuren gibt es auch die, die einem sehr ans Herz wachsen, so dass am Ende die Frage nach dem Lieblingscharakter nur schwer zu beantworten ist.

Am Besten gefällt mir jedoch die inhaltliche Vielfalt - Taboothemen, über die sonst (selbst heute) nur selten gesprochen wird, die unterschiedlichen Einstellungen zum Krieg und so weiter und so fort. Auch wenn die knapp 600 Seiten zuerst ein wenig viel wirken mögen sind sie in keinster Weise langweilig und man möchte das Buch eigentlich gar nicht aus der Hand legen. Großes Kompliment an die Autorin und eine dicke Empfehlung an alle, die mit dem Gedanken spielen, dieses Buch selbst zu lesen!