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MR

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 30.12.2021
Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)
Steinfeld, Mimi

Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)


gut

#chaos

Als Cressis Mutter - eher weniger überraschend - stirbt, erbt sie einen alten Hund und ein seit Jahren leerstehendes Bistro.
Zwischen Therapiestunden, einigen ungewollten Mitbewohner:innen und Take-Away-Essen vom Asiaimbiss versucht Cressi, ihr chaotisches Leben in den Griff zu bekommen.

Der Klappentext klingt total witzig, chaotisch und sympathisch - das Buch an sich konnte diese Punkte für mich leider nur stellenweise erfüllen. Cressi fand ich als Protagonistin zwar grundsätzlich sympathisch, ihre Einstellung und Handlungen waren für mich aber oft unverständlich.
Cressis Familie und die anderen Protagonist:innen konnten mich leider auch nicht so mitreißen wie erhofft.

Der Schreibstil der Autorin war flüssig, modern und angenehm zu lesen. Die Kapitel sind nicht zu lang und auch das Buch an sich liest sich schnell.

Bewertung vom 14.09.2021
Die andere Tochter
Golch, Dinah Marte

Die andere Tochter


sehr gut

Verschwommen

Antonia Petzold entrümpelt die Wohnung Verstorbener, wenn sich die Angehörigen nicht damit befassen wollen. Bei einem ihrer Arbeitsaufträge werden durch einen Unfall ihre Augen so sehr verletzt, dass sie eine Gewebespende bekommt. Doch mit der Rückkehr ihres Sehvermögens kommen auch seltsame Träume in ihr Leben und Toni beginnt, nach der Spenderin zu suchen.

Vom ersten Moment an hat mich die Geschichte völlig gefesselt. Alle Wendungen, Geheimnisse und Enthüllungen - so abrupt und verrückt sie im ersten Moment auch schienen - fügen sich natürlich in die Geschichte ein und lassen die Lesenden nur so durch die Seiten fliegen. Dieser Roman verbindet scheinbar gegensätzliche Themen miteinander und schafft es, dabei nicht belehrend zu sein.
Der Schreibstil ist einfach aber fesselnd und auch, wenn ich mit keinem/keiner der Protagonist:innen so richtig warm geworden bin, konnte ich nicht aufhören zu lesen.

Bewertung vom 30.08.2021
Das geheime Leben des Albert Entwistle
Cain, Matt

Das geheime Leben des Albert Entwistle


ausgezeichnet

Ausbruch

Als der introvertierte Postbote Albert kurz vor der Pensionierung steht und dann auch noch seine Katze stirbt, beginnt er, seine bisherige Lebensweise zu hinterfragen und damit, sich für sich selbst und die Menschen um ihn herum zu öffnen.

Matt Cain erzählt in diesem Roman die wundervolle Geschichte eines Mannes, der aus sich herausbricht und durch sein wahres Ich sein Leben komplett auf den Kopf stellt.
Albert ist mir als Protagonist so sehr ans Herz gewachsen, wie bisher keine:r vor ihm dieses Jahr. Seine Reise zu seinem wahren Ich, all die Freund:innen, die er getroffen hat und diese wundervolle Liebesgeschichte zwischen ihm und George waren wie ein Ausflug aus dem Alltag.
Die Erfahrungen, die homosexuelle Menschen rund um die 1960er machen mussten, werden sehr einfühlsam und doch nachdrücklich in die Geschichte eingefügt und regen zum Nach- und Überdenken an.

Der Roman liest sich sehr angenehm und ich bin mir sicher, dass sich viele Lesende in Albert wiedererkennen werden.

Bewertung vom 10.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

Erschreckend realistisch


Tilde Ahrens liegt im Sterben, als sie ihre Enkelin Hanna darum bittet, die Familie zusammenzuhalten und auf ihre Schwester aufzupassen. Gar nicht so einfach für die politisch eher links orientierte Hanna, da ihr Schwager mit seiner nationalistischen Partei gerade das Kanzleramt anstrebt.
Aus verschiedenen Blickwinkeln erleben die Lesenden die nächsten 18 Monate nach Hannas Versprechen und verfolgen, wie politische Vorstellungen und egoistische Einstellungen aufeinander prallen.

Sarah Höflich schafft mit diesem Roman ein unglaubliches Debüt. Die Figuren bringen eine angenehme Charaktertiefe mit und der Schreibstil fesselt, ohne reißerisch zu sein. Die von der Autorin gezeichnete Zukunft scheint unrealistisch und doch erschreckend nah und die Handlung ist oft so detailliert, dass Lesende vergessen können, dass das, was sie lesen, keine geschichtliche Nacherzählung sondern erschreckend realistische Fiktion ist.

Bewertung vom 30.06.2021
Betreff: Falls ich sterbe
Setterwall, Carolina

Betreff: Falls ich sterbe


gut

Schwierig

Carolina erzählt in zwei gegenläufigen Erzählsträngen von ihrer Gegenwart und der gemeinsamen (Anfangs-)Zeit mit ihrem Partner Aksel bis sich die beiden Zeitstränge an dem Tag treffen, an dem Tag Carolina Aksel tot im Bett auffindet.

Das erste Wort, das mir zu diesem autofiktionalen Roman einfällt, ist "schwierig". Das behandelte Thema - Trauer und der Umgang mit Verlust - ist schwierig, die Beziehung von Carolina und Aksel ist schwierig und auch meine Meinung zu diesem Buch ist schwierig zu beschreiben.

Die Erzählung ist sehr ehrlich und dabei doch recht nüchtern. Carolina schildert Aksel in direkter Rede wie sie ihr Leben, mit ihm und später ohne ihn, erlebt und was sie bewegt. Sie reflektiert sachlich die gemeinsame Beziehung und teilt ihre Ängste und Sorgen um den gemeinsamen Sohn.

Der Schreibstil ist einnehmend und trotzdem manchmal schwierig zu verstehen durch die distanzierte Erzählweise und ohne direkte Trennung von Erzählung und gesprochenem Dialog. Die komplizierte Beziehung zwischen Aksel und Carolina hat mich oft in Unverständnis zurückgelassen. Carolinas Reflexion fand ich aber sehr gut.
Ohne je selbst einen so schweren Verlust erlitten zu haben, finde ich die Darstellung von Carolinas Trauer gut nachvollziehbar und ehrlich geschildert, ohne dabei zu emotional zu sein.

Was meine Meinung zu diesem Roman aber so schwer zu fassen macht, ist der Titel. Die titelgebende Mail wird außer im Moment des Erhalts nicht wieder thematisiert. Ich hatte während des Lesens immer noch darauf gewartet und mich gefragt, ob durch sie vor allem Aksel noch die Chance bekommt, sich zu erklären.

Betreff: Falls ich sterbe ist ein ehrlicher, schonungsloser und reflektierter Roman über Trauer, den Umgang mit ihr und ihrer Entwicklung über die Jahre.

Bewertung vom 14.05.2021
Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
Green, John

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?


ausgezeichnet

Das Anthropozän leicht gemacht

Im aktuellen Zeitalter, dem Anthropozän, geschehen täglich Dinge, die das Leben auf der Erde, oder auch die Erde selbst, grundlegend verändern. Man kann sich darüber Gedanken machen, was das für die Menscheit und die Erde bedeutet. Muss man aber nicht. Aber falls doch, was haben dann die QWERTY-Tastatur oder Straphylococcus aureus mit allem zu tun?

In seinem ersten Sachbuch versucht John Green den Lesenden, und sich selbst, komplexe Zusammenhänge in kurzen Essays anschaulich zu erklären: Auf gewohnt angenehme und flüssige Schreibweise und ungewohnt persönlich deckt der Autor Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen ab und liefert spannendes geschichtliches Wissen in gut verständlicher Sprache. Neben viel Humor geht die Ernsthaftigkeit der Themen nicht verloren und inspiriert zum Nachdenken und Recherchieren.

Wie vermutliche viele verbinde ich John Green mit dramatischen Geschichten wie "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". Daher war ich sehr gespannt auf dieses Sachbuch. Tatsächlich hatte ich, trotz des bunten, "lauten" Covers, ein eher trockenes Buch erwartet - wurde aber vom absoluten Gegenteil überzeugt. John Green vermittelt unglaublich viel Wissen auf persönliche, witzige und offene Weise.
Ich gebe "Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?" fünf Sterne.

Bewertung vom 21.04.2021
Der Junge, der das Universum verschlang
Dalton, Trent

Der Junge, der das Universum verschlang


ausgezeichnet

Eli Bell ist 11 Jahre alt und lebt mit seinem Bruder Gus, der seit sechs Jahren nicht mehr gesprochen hat, seiner Mutter und deren Freund, der für einen vermeintlichen Wohltäter der Stadt mit Drogen dealt, in einem australischen Vorort. Sein Babysitter ist ein verurteilter Mörder.
Als seine Familie auseinander gerissen wird beginnt für Eli eine Zeit der Trauer, der Rache, des Mutes und des Erwachsen-werdens in einer Welt, in der Gut und Böse ganz nah beieinander liegen.

Trent Dalton erzählt in diesem lose auf seinem Leben basierenden Roman die Geschichte eines Jungen, der in seinem Aufwachsen mehr Leid und Gewalt erlebte, als andere in ihrem ganzen Leben.
Der Schreibstil war etwas ungewohnt - mal lange, komplexe Sätze und detaillierte Beschreibungen, dann kurze, knappe Sätze wie Notizen - passt aber unglaublich gut zu diesem Roman. Die Ausarbeitung der Charaktere ist durchdacht, die Handlung manchmal sprunghaft schnell und das Ergebnis ist ein Roman über das Erwachsen werden, das Lieben, die Wut und der Glaube daran, dass irgendwo in oder um uns alles geplant zufällig einen Sinn ergibt.

Bewertung vom 10.02.2021
Unter Wasser Nacht
Hauff, Kristina

Unter Wasser Nacht


sehr gut

Unter der Oberfläche

Zwei befreundete Familien leben gemeinsam auf einem Grundstück und könnten gegensätzlicher nicht sein. Auf der einen Seite Sophie und Thies, die vor knapp einem Jahr ihren Sohn verloren haben. Auf der anderen Seite Inga und Bodo voller Glück mit ihren beiden Kindern. Und dann taucht plötzlich eine Fremde im Ort auf, die alle in ihren Bann zieht.

Durch die verschiedenen Erzählperspektiven kann man sich gut in die Protagonisten einfühlen und erkennt, dass unter jeder Oberfläche viel mehr liegt, als man ahnt. Nicht nur die Trauer der Eltern um ihren Sohn sondern auch die Hilflosigkeit dem Partner gegenüber wird ehrlich dargestellt. Doch auch das scheinbar perfekte Familienbild von Inga und Bodo ist nicht das, was es vorgibt zu sein.

Kristina Hauff erzählt eine tiefgründige Geschichte voller Trauer, Einsamkeit, Missverständnisse und Liebe.
Spannend fand ich vor allem die Dynamik, die durch die Perspektivwechsel entstand. Ich hätte mir allerdings auch Kapitel aus Bodos Sicht gewünscht, sein Charakter kam meiner Meinung nach leider zu kurz.

Ein Roman für alle, die gern mitfühlen, ein bisschen miträtseln und vor allem ein Buch nicht mehr aus der Hand legen wollen!