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Rosenfreund
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Tostedt

Bewertungen

Insgesamt 98 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2022
Das rätselhafte Universum
Bohnet, Ilja;Naumann, Thomas

Das rätselhafte Universum


sehr gut

Was macht unsere Welt aus?
Als Laie habe ich mir erhofft, an die fundamentalen Fragen der modernen Wissenschaft herangeführt zu werden. Darüber hinaus hat mich das sehr farbenfrohe Cover, das eine Explosion aus der Tiefe in allen möglichen Schattierungen darstellt, motiviert. Soll es vielleicht den Urknall symbolisieren?
Da es sich um ein Sachbuch handelt, ist es wichtig, dass es gut strukturiert ist. Wir finden 2 Teile vor. Teil 1 beinhaltet das Weltbild der Physik, wo auch ein historischer Rückgriff auf die Zeit um 1900 erfolgt. Das Werk stellt in kurzen Abschnitten Theorien und Erklärungen dar, die vom Laien sowohl inhaltlich als auch sprachlich nur bei äußerster Konzentration erfasst werden können. Es gibt manchmal Schaubilder zum besseren Verständnis, jedoch hätte ich mir wesentlich mehr davon gewünscht. Das Wissen wird sehr komprimiert dargestellt und hat mich des öfteren überfordert. Allerdings sind die Zusammenfassungen am Ende eines Teilkapitels sehr hilfreich. Zudem gibt es sehr viele Fachbegriffe, die ich dann zusätzlich googeln musste, was natürlich Zeit und Motivation kostet.
Der zweite Teil mit dem Titel “Die sieben Welträtsel heute” ist in 7 wesentlich verständlichere Kapitel eingeteilt. Auch hier liefern die Autoren sehr kenntnisreich Detailwissen ab. Besonders gut hat mir Kapitel 4 “Was ist der Ursprung des Lebens” gefallen. Natürlich wird auch auf die Frage eingegangen, ob wir allein im Weltall sind. Es werden Gedankenspiele aufgestellt, Antwort und Fragen versucht zu geben, um das Universum mit all seinen Rätzeln zu entschlüsseln.
Viele Leser werden sicherlich den ersten Teil teilweise überspringen, da er zu schwer verständlich ist. Der zweite Teil ist eingängiger vom Inhalt her, weniger theoretisch.
Generell hat mich das Werk aber interessiert, denn es liefert spannende wissenschaftliche Theorien zum besseren Verständnis der Komplexität des Universums. Aber es wird dem Anspruch für jedermann verständlich zu sein, nicht gerecht.

Bewertung vom 01.03.2022
Der dreizehnte Mann / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.2
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Der dreizehnte Mann / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Wer ist schuldig ?
Hurra! Mein erster Justiz-Krimi! Dazu noch einer mit Bezug auf das Kentler – Experiment, hier genannt “Granther- Experiment”, also ein wahrer Fall, der mir bisher unbekannt war und mich sehr schockiert hat.
Das Cover gefällt mir gut. Es wirkt nüchtern und faktenbezogen, mit dem Titel in schreiendem rot.
Der Berliner Anwalt Rocco Eberhardt soll 2 Freunde in diesem komplizierten Fall vertreten, in dem es um staatlich tolerierten Kindesmissbrauch geht. Dass Berliner Jugendämter bewusst männliche Pflegekinder aus Problemfamilien an pädophile Männer noch bis 2003 vermittelt haben, gedeckt durch die Politik. Sie sollten dort Wärme und Zuneigung erfahren, eventueller Missbrauch wurde einkalkuliert.
Jörg Grünwald, eines der als Kind missbrauchten Opfer, wird, nach Einschaltung von Eberhard, tot aufgefunden. Auch das Leben von Timo Krampe, Grünwalds Freund, scheint in Gefahr zu sein. Verstrickungen in höchste politische Ebenen werden aufgedeckt.
Der Kandidat für den Posten des Regierenden Bürgermeisters, ehemals zuständig für die Vermittlung der späteren Opfer an ihre Täter, steht plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit.
Der Schreibstil, faktenbezogen und nüchtern, hat mich in seinen Bann gezogen. Der Spannungsaufbau ist sehr gelungen, zumal Abwechslung durch kurze Sequenzen und wechselnde Schauplätze bewusst initiiert wird.
Die beiden Autoren führen uns gekonnt hinter die Kulissen des deutschen Justizsystems. Mit dem Gerichtsprozess wird ein Höhepunkt erreicht, und es kommt zu einer völlig überraschenden Wendung.
Die Protagonisten sind in ihrem Berufsfeld realistisch und detailliert dargestellt. Auch der Rechtsmediziner Justus Jarmer, muss aktiv werden, denn es wird eine Wasserleiche gefunden. Hier wird der Bezug zu Tsokos, Professor für Rechtsmedizin, und Florian Schwietzer, Strafverteidiger, deutlich. Ihre faktenbezogenen Kenntnisse machen das Werk so realistisch und fesseln den Leser mit seiner außergewöhnlichen Atmosphäre.
Das Werk ist mit seinem unfassbaren Hintergrund sehr gelungen, hat also Informationsgehalt, macht sehr nachdenklich und wütend.
Es ist rundum gelungen und empfehlenswert

Bewertung vom 26.02.2022
Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4
Raabe, Marc

Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4


ausgezeichnet

Wo ist Viola?
Dieser letzte Thriller um Tom Babylon, dem LKA – Ermittler, lässt die Auflösung des Rätsels um Viola seine Schwester, vermuten.
Anhand des Titels vermutet man bereits, worum es in diesem Werk gehen wird.
Auch stimmt einen das dunkle, mystische Cover mit der feuerroten Feder auf eine spannende Handlung ein. Ähnlich düster ist das Cover von ” Zimmer 19”, Tom Babylons zweiten Fall, nur, dass die Feder im Zentrum schwarz ist, Hintergrund rötlich - schwarz. Es war hilfreich, “Zimmer 19” gelesen zu haben, denn etliche Charaktere treten dort bereits auf. Aufgrund der Vielzahl an Personen und, der Rückblenden und der Zeitsprünge muss man sich beim Lesen konzentrieren, besonders, da der Thriller 618 Seiten hat!
Tom Babylon, der von der Suche nach seiner Schwester förmlich getrieben wird, und seine Kollegin Sita Johanus sind sehr differenziert gezeichnet. Sitas Vertrauen in Tom wird auf eine harte Probe gestellt, deshalb hat sie ja mich als Figur besonders begeistert.
Tom Babylon entdeckt ein Foto seiner vermissten Schwester als erwachsene Frau im Keller seines Vaters, der kurz danach ums Leben kommt. Wo ist Viola und ist Toms ehemaliger Mentor der Mörder und Entführer? Der befindet sich jedoch weit weg in einer psychiatrischen Anstalt.
dieser Thriller lässt sich recht flüssig lesen es gibt kaum aufwendige hypotaktische Satzkonstruktionen. Orte und Personen sind sehr gut beschrieben. Die Handlung ist gut durchdacht und lässt den Leser in einen Moloch Eintauchen. Von Anfang bis Ende war ich geflasht und kann jedem Liebhaber von Thrillern dieses Werk empfehlen.
5Punkte

Bewertung vom 13.02.2022
Unser wirkliches Leben
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


ausgezeichnet

Eine komplizierte Beziehung
Das Cover ist schemenhaft und sehr einfach gehalten. Nur die Farben rot, schwarz und blau sind vorhanden, und die Gesichter sind anonymisiert. Es gefällt mir nicht besonders, soll aber wohl zum Titel passen.
In diesem Roman geht es um die 25-jährige Anna, die in London eine teure Gesangsausbildung zur Opernsängerin absolviert. Sie konkurriert mit vermögenden Kommilitoninnen, die nicht, wie sie, nebenbei arbeiten müssen. Mir gefällt Crimps Einblick in die Welt der Oper, die von einem Kampf um Erfolg und Anerkennung geprägt ist. Sehr realistisch wird auch Annas Wohnsituation beschrieben, in einem möblierten Zimmer, bei schrecklichen Vermietern. Dabei steht die anonyme Großstadt London im Fokus. Anna lernt Max in einer Bar kennen, wo sie abends Jazz singt. In ihrer schwierigen Lebenssituation wird er zu ihrem Rettungsanker, sie verliebt sich in ihn und macht sich zu große Hoffnungen, denn die gelegentlichen Treffen in sehr teuren Lokalen, der Sex in seiner Luxuswohnung, sind für ihn kein Grund für eine stabile, feste Bindung, denn er lebt in Scheidung, arbeitet sehr viel, auch oft im Ausland, und ist physisch und psychisch deswegen ausgelaugt. Er kommt, meiner Meinung nach, in Annas Sicht zu negativ rüber, denn er gibt ihr viel Geld, damit sie nicht mehr arbeiten muss, und bezahlt ihr eine kleine Wohnung. Max meint, dass sich das Studium lohnen muss, sie hingegen interpretiert es als Hinweis zum Aufhören. Anna gerät in eine Schaffenskrise und verliert ihre Stimme. Sie wirft dem 38-jährigen Max vor, nicht zu ihr zu stehen, dadurch kommt es zum Eklat. Allerdings gibt es ein unvorhersehbares, teils offenes Ende, was mir sehr gut gefallen hat.
Crimp schafft Protagonisten, die nicht immer sympathisch sind, somit muss sich der Leser mit ihnen auseinandersetzen. Annas Freundin, Laurie, ist ausgeflippt und beherrschend. Anna selbst ist naiv, emotional und teilweise unreif. Sie versucht, komplett der Mensch zu sein, den Max in ihr sehen will, während dieser unnahbar, aber liebevoll und verständnisvoll rüberkommt. Dieses und die intensive, realistische Sprache, die mit mitreißenden Metaphern durchsetzt ist, dazu die knappen Dialoge, hat mich berührt. Das Werk ist sehr gut konstruiert, ich habe oft Lesepausen zum Nachdenken gemacht und habe mit Interesse die Entwicklung der komplizierten und intensiven Beziehung verfolgt. Ich kann es nur empfehlen, daher 5 Punkte.

Bewertung vom 13.02.2022
Die Gezeiten gehören uns
Vida, Vendela

Die Gezeiten gehören uns


ausgezeichnet

Very young rich girls in Frisco.
Das Cover mit der stilisierten Küstenlandschaft hat mir gut gefallen.
Die Originalfassung wurde in amerikanischem Englisch geschrieben, und wir tauchen in die Welt der privilegierten Reichen in Sea Cliff, hoch über dem Pazifik, einem Villenvorort von San Francisco, ein. Dort wird der Grundstückswert nach der Aussicht bemessen.
Die Protagonistinnen, zwischen 13 und 14 Jahre alt, gehen auf eine Mädchenprivatschule und haben allgemeingültige Probleme mit dem Erwachsenwerden, jedoch stellt die Autorin typisch amerikanische Verhaltensweisen der “upper class” heraus, nämlich, dass Reichtum, Schein und Sein, Snobismus und Privilegien alles sind. So werden auch die beiden Freundinnen, Eulabee, deren Mutter als Einzige in diesem Viertel arbeitet, und die Millionenerbin, Maria Fabiola, kontrastiv nebeneinandergestellt. Maria ist körperlich frühreif, und, gemäß dem amerikanischen Schönheitswahn, tut sie alles, um zu gefallen, und kann fast jeden mit ihrer Schönheit beeindrucken. Sie leidet unter “Gefallsucht”, möchte auf die Titelseiten der Zeitungen kommen und berühmt werden.
Sie will Eulabee und ihre anderen Freundinnen ausnutzen, indem Sie diese zu Falschaussagen bei der Polizei animiert.
Eulabee hingegen, die nicht in eine Gelddynastie hineingeboren wurde, ist intelligent und kritisch. Deshalb lässt sie sich als Einzige nicht manipulieren, muss jedoch mit Mobbing, Verrat und Ausschluss aus der Peergroup fertig werden. Da sie sich deshalb in einem Ausnahmezustand befindet, gerät sie in die Fänge eines älteren, sehr reichen, Jungen, der sie mit Alkohol gefügig macht. Das hat keinerlei Konsequenzen für ihn, über sie wird jedoch noch schlimmer hergezogen.
Nach einem weiteren Vorfall, der sowohl Maria als auch Eulabee betrifft, wird nur Eulabee der Schule verwiesen. Auch für Maria hat ihr schlimmes Fehlverhalten keinerlei Konsequenzen. Money in a richmans’s world! Auf der staatlichen Schule findet Eulabee dann arbeitsame und solide Freund*innen. Dem Leser wird deutlich, dass Wahrheit und Lüge ein weiteres zentrales Problem ist.
Der Roman ist spannend geschrieben, liest sich leicht und nimmt nach dem ersten Drittel so richtig an Fahrt auf. Die Übersetzung ist geglückt, obwohl mir einige deutsche Termini unklar waren.
Gut gefallen hat mir, dass Eulabee und Maria F. sich mit 50 Jahren zufällig wiedertreffen. Ihr jeweiliger Lebensweg wird beschrieben.
Generell hat mir nicht so gut gefallen, dass Jungen und Mädchen zu stereotyp dargestellt werden. Aber trotzdem noch 5 Punkte

Bewertung vom 23.01.2022
Zusammenkunft
Brown, Natasha

Zusammenkunft


ausgezeichnet

Aufstiegsschwierigkeiten in der britischen Klassengesellschaft
Das Cover mit den runden, grünen Buchsbaumkugeln und dem übergroßen Titel in schreiendem rosa fällt sofort ins Auge und könnte ein Nachobenkommen durch eine schmale Schnittstelle symbolisieren. Auf jeden Fall kann es auf abstrakte Weise “wachmachen”.
Dieser Roman erzählt von der namenlosen schwarzen afrobritischen Protagonistin, die an ihrer Karriere und somit an ihrem sozialen Aufstieg bis zur Erschöpfung und Selbstaufgabe gearbeitet hat. Überall ist sie mit Rassismus, sozialen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten in der postkolonialen britischen Gesellschaft, die Profit aus Kolonisierung und Sklaverei gezogen hat konfrontiert. Sexismus beherrscht ihr Leben und die “feindliche Umgebung” am Arbeitsplatz lässt sie verzweifeln, denn ihr Aufstieg in die Londoner Hochfinanz wird von erzkonservativen Mitbürgern durch “affirmative action”, also der Förderung von Diversität, erklärt. Ihr vernichtendes Streben nach Anerkennung bekommt einen Knick, als bei ihr eine schlimme Krankheit diagnostiziert wird, und sie desillusioniert zurücklässt. Sie gerät in eine Krise der Selbstidentifikation, will aber die Kontrolle über lebensnotwendige medizinische Eingriffe hinterfragen.
Die “Zusammenkunft” bezieht sich auf eine Einladung zu einer Geburtstagsparty auf den ererbten Familienlandsitz ihres reichen, weißen Freundes. Dort wird sie einmal mehr mit der britischen Klassengesellschaft konfrontiert, denn das weiße Establishment mit dem “alten” Geld beherrscht das Leben in England.
Zu Natasha Browns Werk mit möglicherweise autobiografischen Zügen, gehört, neben der soziospezifischen Anklage, die dort, nebenbei bemerkt, durchaus auch auf weiße Kinder aus der Unterschicht zutreffen könnte, eine sprachlich herausragende Aufbereitung. Ihr Schreibstil ist nicht linear narrativ, sondern spiegelt den seelischen Ausnahmezustand der Protagonistin wider, indem sie, wie in einem Bewusstwerdungsstrom, einzelne ihrer Gedankenblitze darbietet. Sie erinnert mich an die “Molly Bloom” von James Joyce. Diese moderne Erzähltechnik ist aber nicht jedermanns Geschmack. Auf etwas mehr als hundert Seiten wird in komprimierter Form die Problematik aufgerollt. Das Werk liest sich schnell, regt stark zum Nachdenken an, erfordert also geistige Mitarbeit. Von daher ist ein großer Erfolg in der britischen Mittelschicht zu erklären. Als Englandkenner konnte ich ihre Anklage gut nachvollziehen, jedoch bezweifle ich einen sehr großen Erfolg in Deutschland, eher in den USA.
Ich kann eine gute Leseempfehlung abgeben.

Bewertung vom 06.11.2021
Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2
Bennett, S J

Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2


ausgezeichnet

Morde im Palast der Queen
Wie auch schon das Cover des ersten Bandes dieser Cosy Crime Serie (alles in rosa gehalten), sticht das strahlend blaue Cover ins Auge. Man weiß sofort, um wen es sich handelt, denn die Queen trägt meistens einfarbige Ensembles vom Hut bis zum Mantel. Der kleine Corgy darf natürlich nicht fehlen. Der Titel gefällt mir nicht besonders gut, aber ein verkaufsfördernder Effekt ist sicherlich einkalkuliert, denn das Kopfkino der Interessenten wird in Gang gesetzt.
Auf dem Hintergrund des nahenden Brexits und der US-amerikanischen Wahlen, ist die Queen “not amused”. Hinzu kommt, dass sie ein verschwundenes Bild bei einer Ausstellung entdeckt, an dem sie aus sentimentalen Gründen sehr hängt. Es ist eher unbedeutend, aber zeigt “Die Britannia” in strahlenden Farben. Die Queen kennt alle ihre 7000 Gemälde ziemlich genau. Somit ist sie sich sicher, dass es sich nicht um eine Kopie handelt. Wie auch schon in Band 1, setzt sie ihre Privatsekretärin Rozie auf die Aufklärung an, denn sie selbst agiert nur im Hintergrund, zieht die Fäden, überlässt die offizielle Detektivarbeit aber den dafür verantwortlichen Polizisten oder Angestellten. Die Handlung wird vielschichtiger, als die Leiche der Haushälterin am Pool des Palastes gefunden wird. Es kommt zu einem weiteren Mord, Drohbriefe und Mobbing unter den Palastangestellten kommen ans Licht, ebenso wie langjähriger Diebstahl.
Die Queen ist sehr sympathisch gezeichnet, und es gefällt mir gut, dass man häufig an Ihren Gedankengängen teilhaben kann. Besonders ist auch ihr Ehemann, Prinz Philip (2016 lebte er ja noch), dargestellt, der mich mit seinen komischen Bemerkungen und seiner ruppigen Art zum Lachen gebracht hat. Aber auch Prinz Charles und einige Höflinge werden leicht, aber mit Sympathie, verspottet.
Vieles wirkt skurril: die Queen seufzt zum Beispiel über die Fledermäuse im Palast und klettert trotz morscher Knie in einem großen Kleiderschrank. Also kommt der britische Humor nicht zu kurz. Alles ist in einem herrlich flüssigen Stil erzählt, sehr unterhaltsam, wobei mich das gut recherchierte Leben am Hofe noch mehr interessiert hat als der Krimifaktor, obwohl es viel Action gibt.
Ein kurzweiliges Buch, welches ich meinen Freunden sehr gerne zu Weihnachten schenken werde. Ein großes Lob auch für den guten Übersetzer.

Bewertung vom 31.10.2021
Grace
Lynch, Paul

Grace


ausgezeichnet

Kampf ums Überleben
Wir sind im Jahre 1845, dem Jahr der großen Hungersnot in Irland, ausgelöst durch die Kartoffelfäule, denn Kartoffeln sind das Hauptnahrungsmittel der armen Bevölkerung. Mindestens 1 Million Menschen verhungern. Ein bis zwei Millionen wandern aus. Das düstere Cover führt geschickt in diese Misere ein.
Auf diesem Hintergrund schneidet Grace Coleys Mutter ihrer 14-jährigen Tochter die Haare ab, steckt sie in Männerbekleidung und zwingt sie, das Haus zu verlassen, um auf Wanderschaft durch Irland zu gehen, da sie alle ihre Kinder nicht mehr ernähren könne. Als Junge sei sie geschützter.
Auf ihrer Odyssee begegnet sie Tausenden Bettlern und Arbeitssuchenden und muss erleben, wie sie der Überlebenskampf Grenzen und Regeln überschreiten lässt. Sie stielt und wird bestohlen, ist am Rande ihrer Willenskraft und lebt wie ein Tier. Wenn es ihr besonders schlecht geht, “redet” sie mit ihrem 12-jährigen Bruder Colly, der zwar nur in ihrem Kopf existiert, ihr jedoch in ihrer Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit Trost spendet und Tipps gibt. Besonders hat mich die Hartherzigkeit der wohlhabenden Leute schockiert. Lynch klagt diese geschickt unterschwellig an!” Grace durchlebt die Hölle, arbeitet in sehr unterschiedlichen Jobs und wandelt sich körperlich zur Frau.
Als die Grenze zwischen Mensch und Tier schwindet, liefert der Autor seitenlange Monologe, basierend auf direkten Assoziationen, die ihre kraftlosen Gedanken verdeutlichen und ihren entglittenen Seelenzustand sehr gekonnt beschreiben. Danach folgen 4 schwarze Seiten, die wohl den Tod symbolisieren sollen, jedoch überlebt Grace auch diese Krise.
Lynchs Erzählweise ist unglaublich intensiv, düster und wuchtig, mit ganz eigenem Rhythmus. Die Atmosphäre wir bestimmt durch Aberglauben und Anspielungen auf irische Mythen und Sagen, die teilweise in den Anmerkungen erläutert werden. Wir werden also in eine ganz andere Welt katapultiert, und auch die detailliert beschriebene Grace mit ihrem Nachgrübeln über die Seele und den Sinn des Lebens finde ich sehr authentisch. Bart, ein Weggefährte und Colly werden sympathisch als kritische Denker dargestellt.
Am Ende des Werkes ist Grace fast 19. Ihr geistiger Ausnahmezustand wird gekonnt auf 4 Seiten beschrieben und gesteht dem Leser eine eigene Interpretation zu.
Das Werk hat mich tief beeindruckt und erschüttert, andererseits hat es mich mit einer sehr speziell dargestellten Thematik konfrontiert, meine Kenntnisse über das Irland der damaligen Zeit vertieft und mich dazu animiert, mehr über dieses mystische Land und seine Geschichte zu erfahren.
Man muss sich auf diesen Roman einlassen, denn er ist keine seichte Urlaubslektüre. Er regt stark zum Nachdenken an und kann nur kritischen Personen empfohlen werden, die eine gewisse Affinität Irland gegenüber zeigen. Meine Erwartungen wurden voll getroffen!
Der Übersetzerin ist eine Meisterleistung geglückt, indem sie das typisch Irische hervorkehren konnte

Bewertung vom 24.10.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


ausgezeichnet

David versus Goliath
Das tolle Cover mit den in Naturtönen gehaltenen Afrikafarben stimmt einen perfekt ein auf die Handlung in “Wie schön wir waren”, die uns in ein kleines fiktives afrikanisches Dorf führt, wo die Menschen mit dem Ahnenkult in einer hierarchischen, patriarchalischen Gesellschaft leben. Nach der Schule erlernen die Jungen mit 12 Jahren das Jagen, während die Mädchen von ihren Müttern in die Hausarbeit eingeführt werden. Die Vorbereitung auf ein Dasein als Ehefrau und Mutter ab circa 17 Jahren ist dringend notwendig, und alle Mädchen versuchen schon früh, sich einen potentiellen Ehemann zu sichern. Alle, bis auf Thula, die wissensdurstig und durchsetzungsfähig ist und es schafft, unterstützt durch eine amerikanische Menschenrechtsorganisation, sich gegen die Firma Pexton durchzusetzen, denn das Land, die Luft und das Wasser des Dorfes sind verseucht durch den amerikanischen Ölkonzern Pexton, der, mit Genehmigung der korrupten Regierung, Erdöl in der Gegend des Dorfes fördert, ohne Rücksicht auf die Bewohner. Der Dorfälteste wurde von dem Großkonzern gekauft. Es scheint ihm aufgrund seiner Privilegien egal zu sein, dass die Bewohner seines Dorfes, die unterdrückt und ausgebeutet werden, viele Tote zu beklagen haben. Sie glauben naiv an ihre Rechte und das Gute im Menschen, lernen im Verlauf der Handlung jedoch, sich zu wehren.
Die einzelnen Dorfbewohner sind sehr detailliert gezeichnet und die einzelnen Kapitel werden aus der Sicht unterschiedlicher Personen dargestellt, wodurch man viel über den Alltag im Dorf und die Gebräuche erfährt. Es gibt viele Unterbrechungen im Erzählfluss, Rückblenden und kurze Vorausschauen. Es wird mehrfach von einem brutalen Massaker an vielen Dorfbewohnern berichtet, die Hintergründe werden aber erst später dargelegt. Dadurch wird die Spannung erhöht, und der Leser bleibt tief betroffen zurück, unterstützt durch die kraftvolle, sehr intensive Sprache der Autorin, die es geschickt schafft, das brutale Vorgehen der Starken gegen die Schwachen darzulegen. Andererseits lässt sie die Dorfbewohner oft in einer poetischen, metaphorischen Sprache ihre Gefühle ausdrücken. Dieser sprachlich und inhaltlich gekonnte Ansatz lässt einen die Mentalität der Dorfbewohner besser verstehen.
Kosawa steht natürlich exemplarisch für die sehr aktuelle Umweltproblematik und die Unterdrückung und Ausnutzung von Schwachen in Afrika und anderen unterentwickelten Regionen.
Das Buch hat mich stark gefesselt und meine Erwartungen voll erfüllt.

Bewertung vom 03.10.2021
Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3
Tsokos, Michael

Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3


ausgezeichnet

Anonyme Leichenteile
Durch eine Fernsehsendung bin ich auf Michael Tsokos und seine Werke aufmerksam geworden. Somit ist “Abgetrennt” mein erster Tsokos -Thriller, aber auch ohne Kenntnis der zwei Vorläuferbände kann man sich gut in die Geschichte einfühlen und lernt gleich zu Beginn alle wichtigen Charaktere kennen. Besonders gut hat mir der Rechtsmediziner Dr. Paul Herzfeld gefallen, der sehr authentisch rüberkommt, gepflegte Sprache verwendet und voller Akribie in seiner Arbeit aufgeht. Sehr detailliert werden Obduktionen beschrieben, die aber immer so formuliert werden, dass man sie als Laie auch problemlos verstehen kann. Das Ganze ist in die sehr spannende Handlung eines Thrillers integriert. Der aufreibende Arbeitsalltag eines Rechtsmediziners wird umso bedeutsamer, da Michael Tsokos, Professor für Rechtsmedizin und international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Forensik, in seinem Nachwort erklärt, dass die Handlung auf wahren Begebenheiten beruht, die meist genauso abgelaufen sind.
Die kurzen Kapitel und die wunderbar leichte und flüssige Sprache des Autors ließen mich durch die Seiten fliegen, dabei werden parallel stattfindende Ereignisse in aufeinander folgenden Abschnitten beschrieben und mit Zeit- und Ortsangaben versehen.
Der abgetrennte Arm, der auf dem Cover abgebildet ist, führt in die Kieler Rechtsmedizin, und die Recherchen finden in der Kieler Umgebung und sogar, zum Schluss, in Bad Segeberg bei den, von mir sehr geliebten, Karl May Festspielen statt.
Auch das Cover fasziniert mich. Es evoziert eine düstere und geheimnisvolle Atmosphäre mit dem Männerarm und der haptischen Narbe. Es erzeugt Neugier, denn man fragt sich, was wohl abgetrennt wurde, und liest dann den Klappentext.
Eine klare Kaufempfehlung für die Leser, die das Besondere lieben, denn die Mischung aus spannendem Thriller und interessantem Rechtsmedizineralltag ist prima geglückt.
Sicherlich werde ich die Vorläuferbände noch lesen, wie auch alle zukünftigen Tsokos- Fans.