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booklooker2
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Neuburg an der Donau

Bewertungen

Insgesamt 36 Bewertungen
Bewertung vom 04.07.2021
Der Brand
Krien, Daniela

Der Brand


ausgezeichnet

Bei Rahel und Peter brennt es an allen Ecken und Enden. Zunächst brennt die Ferienalm in Bayern ab, in die sich als Paar aus Dresden zurückziehen wollten, um in Pandemiezeiten Ruhe und Abgeschiedenheit zu finden. Rahel hofft dabei, ihre fast 30jährige, gerade in körperlicher Nähe leblos gewordene Ehe , wieder in andere Bahnen zu lenken. Doch diese Pläne werden vereitelt, eine gute Bekannte bittet sie, den in die Jahre gekommenen Hof in Brandenburg für einige Wochen zu hüten, da ihr Mann nach einem Schlaganfall in Reha ist und sie ihn begleiten möchte.
Der Zeitpunkt ist günstig, Rahel und Peter kennen sich aus, haben dort lange Jahre auch mit ihren Kindern die Ferien verbracht und sind den Eigentümern sehr verbunden.
Doch diesmal sind sie allein dort und auf sich allein gestellt. Während das Haus- und Tierehüten kaum Probleme macht und Peter dabei richtiggehend aufblüht, kreist Rahel um sich und die Eheprobleme. Sie möchte auch sexuell wieder wahrgenommen werden, doch Peter, ein Literaturdozent, der sich mehr und mehr in sich selbst zurückgezogen hat, fühlt sich von ihr verraten. Bei Problemen mit einer Studentin an seiner Uni hat sie dies als eher unwichtig abgetan, ohne zu ahnen , wie sehr Peter in den sozialen Medien angegriffen wird.
Wie also wieder zu Nähe gelangen ? Das vorsichtige Taktieren wird auf die Probe gestellt, als die Tochter samt Enkeln für ein Wochenende in die Idylle aus Landhaus und See dazustößt. Auch bei ihr brennt es in der Beziehung, sie hofft auf Unterstützung durch ihre Eltern. Wie in einem Kammerspiel, werden alte Wunden aufgerissen , werden aber auch überdacht und teilweise zum ersten Mal richtig gedeutet. Rahel steht sich als Psychotherapeutin manchmal selbst im Weg, Peter muss die Mauern einreißen, die er selbst um sich errichtet hat....
Das klingt jetzt zwar ernst, ist von Daniela Krien aber unglaublich gut geschrieben. Ich konnte mich sehr gut in die Figuren einfühlen, altersmäßig nicht weit weg von mir auch viel Nachfühlen und Bejahen. Viele Sätze sind wunderbar formuliert und beschreiben klar Gefühle und Situationen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und bringt es auch in eine Beziehung ein, manches spült sich erst spät nach oben und wird auch dann erst verstanden. Das Buch liest sich flüssig und in einem Rutsch durch die 270 Seiten, wirkt aber mindestens genau so lange nach.
Nach " Die Liebe im Ernstfall" ist Daniele Krien wieder ein äußerst spannendes und liebenswertes Buch mit Tiefgang gelungen. 5 Punkte !

Bewertung vom 06.06.2021
Nordwestzorn / Soko St. Peter-Ording Bd.2
Jensen, Svea

Nordwestzorn / Soko St. Peter-Ording Bd.2


gut

Nach dem gelungenen ersten Fall dieser neuen Reihe , wird Anna Wagner endgültig aus Bayern an die Nordsee versetzt, um eine neue Vermisstenabteilung dort aufzubauen. Sie sucht sich aus den Cold Cases der letzten Jahrzehnte einen Fall aus, der sie wieder nach ST. Peter-Ording und in den Kreis um den dortigen Dienststellenleiter Hendrik Norberg bringt. Den Fall selbst gab es tatsächlich mal, ein Junge veschwindet ohne jede Spur aus einem Ferienheim, taucht nie wieder auf. In diesem Fall wurden damals der Heimleiter und ein paar Freunde von ihm verdächtigt. Die Autorin verdeutlicht eindrucksvoll, welche Schäden das bei Verdächtigen, die auf aufgrund von Beweismängeln letztlich freigesprochen werden, für das ganze weitere Leben hervorruft.
Da der frühere Hauptverdächtige wieder nach SPO zurückgekehrt ist, hat das eingespielte Team Wagner/Norberg die Chance, den Fall komplett aufzurollen und mit allen damaligen Verdächtigen und Ermittlern zu sprechen. Schnell zeigt sich, dass die Ermittlungen wohl nicht besonders intensiv geführt wurden, was Annas Verdacht erregt....
So spannend sich der Plot anhört, so wenig hat die Autorin für mich daraus gemacht. Nach dem längeren Vorspiel des Wiedersehens mit Norberg samt seinem Haushalt, beginnen relativ langatmige Einzelgespräche mit allen möglichen Bewohnern vor Ort und persönliche Querelen mit früheren Ermittlern. Da ich den ersten Teil der Krimireihe gelesen habe - den zweiten Teil kann man durchaus ohne dessen Kenntnis lesen - , habe ich mir einfach mehr erwartet . Bis gut zur Mitte war es eher zäh, dann gibt es einen kleinen Pusch in der Handlung, aber auch danach passiert nicht wirklich viel und man ahnt bereits in der ersten Hälfte, was damals wohl passiert ist.
Was ich poistiv anmerke, ist der leicht lesbare Stil mit symphatischen Ermittlern, das künftige Paar Wagner/Noarberg ist zumindest mal bei "Du" angekommen. Es ist ein Krimi, der durchaus ein paar nette Stunden schenkt und nicht zu brutal ist, eignet sich vor allem unter dem Prädikat " Heimatkrimi" im Urlaub an der Nordsee.

Bewertung vom 09.05.2021
Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7
Eyssen, Remy

Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7


ausgezeichnet

Es gibt ja schon sechs Vorgängerbände um den Gerichtsmediziner Leon Ritter und seine Lebensgefährtin Isabelle Morell. Doch gerade in diesem Krimi konnte ich keinerlei Abnutzung entdecken. Wieder handelt es sich um einen extrem spannenden Fall, der leider durch die aktuellen Fälle von Kinderpornografie nicht zu weit hergezogen ist. Das beschauliche Levandou wird durch einen extrem grausamen Fall eines Kindermordes erschüttert, dem weitere Entdeckungen folgen. Darin scheinen auch höhere Kreise verwickelt zu sein, ein Kollege von Leon steht im Verdacht, aber auch der künftige Bischof des Bezirks ( mit starker Anlehnung an einen bekannten deutschen Bischof.. ) hat Dreck am Stecken . Leon ist zu erschüttert über diese Morde als dass er sich aus den Ermittlungen raus halten könnte und recherchiert kenntnisreich mit.
Daneben gibt der neue Freund seiner "Leihtochter" Lilou Rätsel auf . Obwohl er extrem suspekt erscheint, klammert sich Lilou an ihn und überwirft sich mit ihrer Mutter. Auch hier habe ich mit der weiteren Entwicklung mitgefiebert.
Dzu kommt natürlich die wunderbare Atmosphäre in Südfrankreich, man spürt förmlich das Licht und den Rosé beim gemeinsamen Boule-Spiel. Monsieur Eyssen, machen Sie bitte weiter so !

Bewertung vom 16.04.2021
Der Schneeleopard
Tesson, Sylvain

Der Schneeleopard


gut

Sylvain Tesson ist in diesem Buch der Ich-Erzähler: sein Freund Vincent Munier ist leidenschaftlicher Tierbeobachter und Fotograf. Geduldig wartet er Stunden und Tage, um die Natur einzufangen, seltene Tiere vor die Kamera zu bekommen. Besonders hat es ihm der fast ausgestorbene Schneeleopard angetan, der in Tibet noch vereinzelt vorkommt und dessen genauer Rückzugsort auch nicht benannt werden soll. Munier läd Tesson ein, dorthin mitzukommen samt Muniers Verlobter sowie Leo, einen Philosophen und gleichzeitig Adjutant Muniers, der für die Logistik zuständig ist. Tesson beschreibt seine Teilnahme selbst eher verwundert, denn er kann aufgrund seiner kaputten Wirbelsäule nichts tragen, ist kein guter Fotograf, auch kein erfahrener Spurenleser, kurz, eher Ballast. Diese "Viererbande" macht sich nach Tibet auf und Tesson beschreibt in vielen Kapiteln Menschen , Tiere und Lebensweisen, die er dort kennenlernt. Zum Höhepunkt der Reise wird tatsächlich die Begegnung mit dem Schneeleoparden, den sie auch beim Reißen seiner Beute und der Bevorratung antreffen.
Tesson beschreibt alles in poetischen, doch manchmal schwabulierenden Sätzen, er verliert sich oft in philosophen Gedankengängen: " Schließlich die Technik von Munier: überall die Nachklänge der Anfangspartitur aufspüren, die Wölfe grüßen, die Kraniche fotografieren, mi der Kamers die Scherben der von der Evolution zersprengten Ursprungsmaterie einsammeln. Jedes Tier ein Funkeln der verlorenen Quelle.", Letztlich besteht für ihn der Gewinn dieser Reise in seinen Betrachtungen : " Ich hatte gelernt, dass die Geduld eine höchste Tugend war, die eleganteste und meistvergessene. Sie half dabei, die Welt zu lieben, statt sie verändern zu wollen... die Geduld war die Verneigung des Menschen vor dem Gegebenen."
Mir hat diese Geschichte leider nicht so viel gegeben, es war teilweise auch mühsam, diesen philosphischen Gedanken immer zu folgen, evtl. bin ich auch nicht intellektuell genug... es passiert mir einfach zu wenig.
Und was sagt der Schneeleopard dazu: "Er gähnte. So viel zur Wirkung des Menschen auf den tibetischen Leoparden. Er kehrte uns den Rücken zu, streckte sich und verschwand. " D´accord.

Bewertung vom 20.03.2021
Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1
Jensen, Svea

Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1


sehr gut

An der Nordseeküste......ist mir automatisch eingefallen, als ich das Buch ausgelesen hatte. Viel Lokalkolorit und das macht eindeutig den Charme des Krimis aus und warum ich auch eine Leseempfehlung gebe. Als Südlicht lese ich gerne was von "da droben" und spüre förmlich das Meer und die Luft. Auch die Krimihandlung selbst war interessant. Eine junge Umweltaktivistin, Mitglied einer reichen Hoteliersfamilie, wird vermisst. Die aus Bayern in den Norden versetzte Polizistin Anna Wagner darf eine neue Vermisstenstelle in Kiel aufbauen und ermittelt gleich in ihrem ersten Fall in St. Peter-Ording, oder - wie ich gelernt habe - in SPO. Dort trifft sie auf die Kollegen der örtlichen Schutzpolizei und findet vor allem im örtlichen Dienststellenleiter Norberg einen fachlich erfahrenen Ermittler. Manchmal verirrt sich das Buch für mich ein bissl in romantische Pilcher-Szenen, wird das nun was mit Anna und Norberg und dessen kompliziertem Privatleben ? Aber auf jeden Fall leicht zu lesen und auch spannend, ich würde auch eine Fortsetzung begrüßen.

Bewertung vom 28.02.2021
Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1
Abel, Susanne

Stay away from Gretchen / Gretchen Bd.1


ausgezeichnet

Total überwältigt
Eines gleich vorweg: dieses Buch liegt bei mir schon jetzt weit vorne beim Buch des Jahres !
"Stay away from Gretchen": zusammen mit dem unscheinbaren Cover dachte ich erst an einen einfachen Liebesroman. Doch hinter diesem Satz liegt hier eine Tragödie: denn dieser Satz steht nach dem 2. Weltkrieg und der Besatzung eines Teils Deutschlands auf dem Handbuch der amerikanischen GIs ganz weit vorne: verbünde dich nicht mit den deutschen Mädchen und Frauen, die sind vor kurzem noch Hitler hinterhergelaufen.... und hier geht es tatsächlich um eine Greta.
Diese Geschichte dieser Greta beginnt bereits 1939 in Preußisch Eylau, im östlichen Teil Deutschlands, die Familie besteht aus Ludwig und Guste, Tochter Emma und den Enkelinnen Greta und Fine. Der Schwiegersohn Otto, ein glühender Nazi verliert sich im Krieg , die Restfamilie flüchtet nach Heidelberg. Dort wird das Ende des Kreiges in beengten Verhältnissen in großer Not erwartet. Ein Lichtblick ist der schwarze GI Robert, genannt Bobby, der die Familie großzügig unterstützt. Trotz "stay away from Gretchen" werden Bobby und Greta ein Liebespaar mit Folgen ....
2015: 65 Jahre später steht Greta vor ihrem 85. Gebrtstag, eine alleinlebende, gutsituierte Frau, ihr Sohn Tom ein flotter, gutaussehender Womanizer und "anchorman" eines Kölner Fernsehsenders, der sich kaum um seine Mutter kümmert.
Doch dann bricht alles gleichzeitig auf Tom herein: die Arbeit stresst und bei seiner Mutter wird Demenz festgestellt, die schnell voranschreitet und die Vergangenheit freilegt. Tom wusste von nichts, seine Mutter war ihm mit ihren ständigen Depressionen fremd. Doch jetzt erfährt er Dinge, die ihn als Topjournalisten nicht ruhen lassen, er recherchiert, findet Fotos, Briefe , alles gut versteckt. Immer tiefer gräbt er in ihrer Vergangenheit und will die Antwort herausfinden: was wurde aus Bobby und seiner Halbschwester?
Schon lange hat mich kein Buch mehr so berührt, wie die Geschichte von Greta und ihrem kleinen Anhang. Wenn auch erfunden, steht sie für viele Schicksale in der damaligen Zeit und mir war auch nicht beewusst, wie viele "brown babies " es gab und wie schwer ihr Weg damals für sie und die Mütter war.
Greta trifft es besonders hart, nur durch konstantes Verdrängen kann sie weiterleben.
Die Geschichte funktioniert auch deshalb so gut, weil beide Zeitschienen sich erzählerisch abwechseln und gegenseitig vorantreiben. Das ist aber auch das kleine Manko des Buches, manchmal will es zu viel, wenn teilweise die Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg mit den Flüchtlingen aus Syrien verglichen werden, die Existenzbedrohung einer alleinerziehenden Mutter damals ( amtlicher Vormund !) mit dem Stress der alleinerziehenden Jenny verglichen wird usw. Da verzettelt sich die Autorin ein bisschen, zu komplex für ein Buch. Manchmal gibt es auch Fäden, die nicht weitergespronnen werden, was wird z.B. am Ende aus Greta und Bobby? Oder den vorher genannten Flüchtlingen aus Syrien ? Doch das sind Kleinigkeiten , die die wichtige Botschaft des Buches nicht schmälern können. Gut geschrieben, modern und auch witzig vor allem im neuzeitlichen Teil, herausragend.
Von mir eine absolute Leseempfehlung !