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Ingrid von buchsichten.de
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Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 328 Bewertungen
Bewertung vom 01.03.2024
Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Die Graphic Novel
Levithan, David

Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Die Graphic Novel


sehr gut

Das Buch „Every Day – Die Graphic Novel“ ist die illustrierte Adaption des Bestsellerromans „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ von David Levithan. Dion MBD (MBD= Mehaga Bangun Djayasaputra) ist ein indonesischer Künstler, der die Geschichte in Zeichnungen umgesetzt hat. Martina Tichy hat ebenso wie beim zugrundeliegenden Roman die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch übernommen.

Weil die Geschichte wesentlich durch die Gedankenwelt der Hauptfigur A geprägt ist, hat der Autor den Text für die Ausgabe als Graphic Novel angepasst. Beim Lesen wurde mir erst später als im Roman bewusst, dass A jeden Tag seinen Körper wechselt, aber es ist dennoch deutlich zu erkennen. Im weiteren Verlauf sind einige Tage allerdings nur kurz mit ein, zwei Illustrationen angedeutet. Der Text ist auf Dialoge und Mails beschränkt, die vom Roman übernommen wurden, daher liest sich das grafische Buch deutlich schneller.

Die Illustrationen verdeutlichen durch entsprechende Farben die Stimmungslage von A am jeweiligen Tag. Anhand der gezeichneten Gesichter lassen sich die Gefühle der jeweiligen Person ablesen. Dion MBD hat seinen eigenen Illustrationsstil entwickelt, der sich durch die Verwendung weicher Konturen auszeichnet.

„Letztendlich sind wir dem Universum egal“ ist ein fesselnder Roman mit einer faszinierenden Themenstellung. Wer Graphic Novels mag und/oder beim Betrachten nicht gerne langen Textpassagen liest, der ist hier richtig. Aber wer sich gerne tiefer in die Gedankenwelt des Protagonisten A vertiefen möchte, sollte den Roman lesen, der zeitgleich in einer Neuauflage erscheint und erst später die grafische Umsetzung.

Bewertung vom 23.02.2024
Tahara
Bergmann, Emanuel

Tahara


ausgezeichnet

Emanuel Bergmann schreibt in seinem Roman „Tahara“ von der verstörenden Beziehung zwischen dem bekannten Filmkritiker Marcel Klein aus Berlin und der geheimnisumwitterten Französin Héloïse Becker. Der Titel spielt auf den vielbeachteten Artikel an, den Marcel am Anfang seiner Karriere über das Ritual der Beerdigung seines Vaters geschrieben hat. Tahara ist hebräisch und bezeichnet die Totenwäsche, die nach bestimmten Abläufen erfolgt.

Der knapp fünfzigjährige Marcel Klein ist zu den Internationalen Filmfestspielen in Cannes angereist. Im Bistro des Hotel begegnet er Héloïse zum ersten Mal, als diese nach einem freien Platz sucht. Marcel findet Héloïse attraktiv und Héloïse findet Marcel und seinen Beruf faszinierend. Doch es kommt zum Streit, so wie später immer wieder. Dennoch können sie auch in den nächsten Tagen nicht voneinander lassen. Beide haben etwas zu verbergen. In der gemeinsam verbrachten Zeit glänzen nicht nur ihre guten Seiten.

Der Autor nimmt den Lesenden mit in die Welt des Films, die er aus eigener Erfahrung sehr gut kennt, weil er für Filmstudios und Produktionsfirmen journalistisch tätig gewesen ist. Der Protagonist gehört zu einer international besetzten Gruppe, die sich rund um den Globus zu den jeweils stattfindenden Filmfestspielen trifft. Es ist eine schillerndes Universum voller Stars und Sternchen. In der Geschichte erklärt Marcel der Französin, worauf er bei seinen Interviews achtet, vermutlich lässt Emanuel Bergmann hier sein Wissen einfließen. Er schaut darauf, wie Journalisten ihre Informationen gewinnen, indem er Marcel über die Arbeitsweise seiner Kollegen berichten lässt. Ich fand die Einblicke in die Filmindustrie interessant, die Emanuel Bergmann mir beim Lesen gewährte.

Immer mehr erzählt der Autor auch aus der Vergangenheit von Marcel und. Was ich erfuhr, machte mir die beiden nicht unbedingt sympathischer, aber es zeigte mir Gründe dafür auf, warum die Hauptfiguren versuchen, sich in Cannes auf verschiedene Weisen zu berauschen. Mit ihren Streitigkeiten rühren sie an wunde Punkte, aber gerade dadurch fühlen sie sich herausgefordert. Emanuel Bergmann treibt die sich entwickelnde Liebe auf eine Spitze zu, um dann mit einer Wendung aufzuwarten, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet.

Emanuel Bergmann schaut in seinem Roman „Tahara“ auf die glitzernde Welt des Films. Mit sarkastischen Unterton treibt er den Filmkritiker Marcel in eine Krise. Gleichzeitig beginnt der Journalist mit der Französin Héloïse eine geheimnisumwitterte Liebesbeziehung, die unabsehbar voller positiver, aber auch negativer Emotionen ist. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diesen bewegenden Roman.

Bewertung vom 23.02.2024
Leuchtfeuer
Shapiro, Dani

Leuchtfeuer


ausgezeichnet

In ihrem Roman „Leuchtfeuer“ erzählt die US-Amerikanerin Dani Shapiro von dem Unfall der 17-jährigen Sarah und dem 15-jährigen Theo Wilf, der ihr Leben im Sommer des Jahr 1985 nachwirkend verändert. Das Unglück geschieht vor dem Haus der Eltern in der Vorstadt von New York City. Der Vater ist Arzt und eilt zu Hilfe, wobei er spontan handelt, was vermutlich unbedachte Konsequenzen nach sich zieht. Die Familie versucht zum Alltag zurückzukehren, doch jeder von ihnen weiß um seine Schuld, die nie vergehen wird.

Die Geschichte ist nicht chronologisch erzählt, sondern wechselt zwischen den Jahren 1985, 2010, 1999, 2020 und 2014. Am Ende des Buchs gibt es ein Kapitel im Jahr 1970, als die Familie Wilf in ihr Haus in der Vorstadt einzieht. Erst viele Jahre später bekommen sie mit der Familie Shenkman neue Nachbarn im gegenüberliegenden Haus. Sie ahnen beim Einzug noch nicht, wie sich ihre Lebenswege eines Tages kreuzen werden, denn als bei der Nachbarin am Ende des Jahrs 1999 die Wehen einsetzen, eilt Dr. Wilf ihr zur Hilfe. Er wird für den Sohn Waldo zum Geburtshelfer. Zu ihm wird er einige Jahre später eine besondere Beziehung entwickeln. Etwa ein Jahrzehnt später wird das Schicksal die beiden Nachbarsfamilien noch weiter miteinander verknüpfen.

Keines der Mitglieder der Familie Wilf kann den Unfall vergessen, obwohl die Eltern von Sarah und Theo versuchen, ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Sarah studiert Film und Englisch und hat als Produzentin Erfolg. Sie heiratet und bekommt Zwillinge, doch innerlich ist sie nicht ausgeglichen. Sie drängt dazu, körperlichen Schmerz zu erfahren und verbirgt ihr Verlangen vor ihrer Familie. Theo bricht als Jugendlicher aus dem behüteten Elternhaus aus, verschwindet heimlich und begibt sich auf die Suche nach dem, was ihn erfüllen könnte. Seine Eltern freuen sich darüber, dass er sich nach einer Selbstfindungsphase als Koch selbständig macht.

Die Eltern von Waldo sind erfolgreich in ihren Berufen. Waldos Vater bietet seinem Sohn all das, was er sich als Kind gewünscht hat. Er kann nicht verstehen, dass Waldo in Bezug auf Beziehungen viel empfindsamer ist als er selbst und ein großes Faible für Astronomie entwickelt. Waldo weiß alles über den Weltraum, Planeten und Sterne. Er besitzt eine Observatoriums-App. Die Beschäftigung mit der Software schafft für ihn einen gedanklichen Rückzugsort vor den Ansprüchen, die seine Eltern und die Schule an ihn stellen.

Das Springen zwischen den verschiedenen Handlungszeitpunkten gestaltet den Roman interessant. Was unmittelbar nach dem Unfall passierte, hält die Autorin noch viele Seiten lang zurück. Es geschieht noch eine weiteres tragisches Ereignis, bei dem Dani Shapiro ebenfalls die Szene stückchenweise abwickelt, was nochmals zu einer Steigerung der latent vorhandenen Spannung führte. Die Erzählung berührt deshalb besonders, weil sie von Familien erzählt, wie es sie überall geben könnte und in die man sich als Lesende(r) gut einfühlen kann.

Dani Shapiro zeigt in ihrem Roman „Leuchtfeuer“, wie Entscheidungen zu ungeahnt weitreichenden Folgen führen können. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese faszinierende, bewegende Geschichte, die nachhallt.

Bewertung vom 21.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


ausgezeichnet

„Krummes Holz“ von Julja Linhof ist ein Roman voller dunkler Erinnerungen dreier junger Menschen auf einem alten Gehöft, das irgendwo im Ländlichen im Dreieck zwischen Unna, Werl und Iserlohn liegt. Gleichzeitig haben die Protagonist(inn)en die Hoffnung auf eine aussichtsreichere Zukunft nicht aufgegeben. Der Titel ist gleichnamig mit der Zufahrt zum Hof, nimmt nach Aussage der Autorin aber auch Bezug zu einem berühmten Zitat von Immanuel Kant. Der Philosoph unterstellte dem Menschen, dass dieser wider seines Verstands, nicht immer das Gute tut. In der Geschichte, die in den 1980er Jahren spielt, agieren einige Figuren zum Leidwesen anderer gefühlskalt.

Einer der drei Protagonisten ist der Ich-Erzähler Georg, der so wie sein Vater heißt. Er ist 19 Jahre alt und kehrt in den Sommerferien nach fünf Jahren im weit entfernten Internat auf das Gehöft zurück. Der letzte Hofverwalter, der sudetendeutsche Vater des weiteren Protagonisten Leander, hat ihm den Rufnamen Jirka gegeben, was in seiner Muttersprache gleichbedeutend mit Georg ist und von den anderen Hofbewohner übernommen wurde. Seine Mutter verstarb, als er noch klein war.

Während der Jahre auf dem Internat haben sich Jirkas Vater, seine Schwester Malene und Leander um das Anwesen gekümmert. Leander ist einige Jahre älter und hauptberuflich Krankenpfleger in der nahen Heilanstalt. Nach Abschluss der Schule hat Malene eine auswärtige landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, währenddessen sie nur am Wochenende heimkehrte. Dennoch gesteht der Vater ihr den Hof als Erbe nicht zu, aber auch nicht seinem Sohn. Als Jirka heimkehrt, fehlt der Vater unerklärt.

Jirkas Gefühle sind gemischt, als er nach Hause kommt. Nach vielen Jahren ohne persönlichen Kontakt zu denen seinen daheim, ist er sich nicht sicher, welche Stimmung ihn erwartet. Zuhause ist niemand ans Telefon gegangen, als er versucht hat, seinen Besuch anzukündigen. Er wird mit Zurückhaltung empfangen. Malene und Leander auf der einen Seite und Jirka als ungebetener Gast scheinen abzuwarten, wer den ersten Schritt aufeinander zu macht. Zwischen ihnen sind die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Jahre auf dem Hof fast greifbar und Ungesagtes zu spüren.

Mit jeder Beobachtung, die Jirka in seinem Umfeld macht, kehren unerwünschte Erinnerungen an seine Kindheit wieder. Der Vater hat nicht nur schwere Arbeit geleistet, sondern auch mit Strenge und Härte durchgegriffen, teils unter Gewaltanwendung, um seine Ansichten durchzusetzen. Jirka suchte Geborgenheit und reagierte auf kleinste Zuneigungsbekundungen. Später versucht er zu deuten, ob es Liebe war und immer noch ist. Nicht nur für Jirka, sondern auch für mich als Leserin war das Miteinander von Leander und Malene schwierig einzuschätzen. Ich fragte mich beim Lesen, ob mehr als Sympathie und Wohlwollen zwischen den beiden liegt. Nach früheren Geschehnissen, die der Protagonist stückchenweise mit dem Lesenden teilt, ist das Verhältnis von Jirka zu Leander angespannt. Von Malene schlägt Jirka Unwillen entgegen. Von Beginn an macht sie ihm deutlich, dass sie nicht bereit ist, ihn auf ihre Kosten zu beherbergen. Nur durch seine Hartnäckigkeit, auf dem Gehöft zu bleiben, kann er Vertrauen gewinnen.

Julja Linhof erzählt im eigenen Sprachstil mit schönen, poetisch anmutenden Umschreibungen in ihrem Debütroman „Krummes Holz“ von der Suche dreier junger Menschen, deren Kindheit von Kaltherzigkeit geprägt war. Sie streben nach einer Verankerung im Leben, die ihnen Sinn gibt und ihr Herz wärmt. Für diesen auf die zwischenmenschlichen Beziehungen fokussierenden Roman vergebe ich sehr gerne eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 17.02.2024
Die Spiele
Schmidt, Stephan

Die Spiele


sehr gut

Kurz bevor 2021 in Shanghai die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2032 stattfindet, wird der fiktive mosambikanische IOC-Funktionär Charles Murandi tot in seinem Hotelzimmer vor Ort aufgefunden. In seinem Kriminalroman „Die Spiele“ beschreibt Stephan Schmidt, der als Stephan Thome bereits einige literarische Romane veröffentlich hat, die beschwerliche Suche nach dem Mörder.

Der deutsche Journalist Thomas Gärtner wird von der chinesischen Kriminalpolizei für die Tat verhaftet wird. Lange bleibt unklar, ob er es wirklich war. Ein Video des Hotels zeigt, wie er aus dem Zimmer des Opfers kommt und dabei Dokumente bei sich trägt. Aber Gärtner war stark angetrunken und leidet unter Gedächtnisverlust. Das Deutsche Konsulat schaltet sich ein und schickt die Konsularbeamtin Lena Hechfellner, die Gärtner seit vielen Jahren kennt. Sie verbirgt etwas, was lange nicht bekannt ist, wodurch auch sie als Mörderin in Frage kommt. Ein weiterer Journalist profitiert durch die Berichterstattung von der Verhaftung Gärtners. Vielleicht hat er deshalb den Funktionär umgebracht oder es war jemand ganz anderes aus dem korrupten Umfeld des Opfers.

Der Kriminalroman beginnt mit einem Prolog, der im Jahr 1994 in Mosambik spielt und mir als Leserin den Vorteil gegenüber einigen Figuren in der Erzählung gab, dass ich nun wusste, dass der Verhaftete und der Ermordete einander kannten. Gleichzeitig weist die Einleitung mit dem Thema der Madgermanes auf ein wenig bekanntes Kapitel der deutschen Geschichte hin. Stephan Schmidt schreibt als allwissender Erzähler und so konnte ich all den feinen Nuancen in den zwischenmenschlichen Aktionen nachspüren. Bewusst lässt er seine Figuren, meistens aus Berechnung, bestimmte Tatsachen zurückhalten. Während sich die Handlung in der Gegenwart über mehrere Tage kontinuierlich weiterentwickelt, schiebt der Autor Kapitel ein, die einige Tage vor dem Mord oder mehrere Jahre in der Vergangenheit spielen und mit und mit dazu beitragen, die Hintergründe aufzuklären, wie es zu der Tat kommen konnte. Sie dienen aber auch dazu, den Charakter der Protagonisten vertieft darzustellen.

Dank guter Recherche und seiner eigenen Erfahrungen gelingt es Stephan Schmidt das mir ungewohnte Verhalten der Chinesen zu anderen Staaten und den Umgang untereinander treffend darzustellen. Während Presse, Konsulat und chinesische Kriminalpolizei sich am Mordfall abarbeiten, lässt der Autor aufgrund der Vergabe der Olympischen Spiele die deutsche Bundeskanzlerin in Begleitung weiterer Politiker in China einfliegen. Obwohl die Figuren alle seiner Fantasie entspringen, sind Ähnlichkeiten zu bekannten Persönlichkeiten erkennbar.

Im Cover des Buchs spiegelt sich die Vielfalt Chinas wider, eine Welt, die voller Gegensätzlichkeiten zu sein scheint. Korruptes Verhalten als Mittel der Wahl unter Einsatz von Manipulationen, Erpressungen und Drohungen findet sich in der Handlung zuhauf und ändert im Handumdrehen das Machtgefüge. Seit langem praktiziert China eine restriktive Bevölkerungspolitik, die in den letzten Jahren gelockert wurde. Dennoch bleiben, oft aus früheren Zeiten, unerwünschte Kinder, deren Schicksal Stephan Schmidt anhand einer handelnden Figur aufgreift. Gerne hätte ich noch mehr über das alltägliche Leben in Shanghai gelesen.

Der literarische Kriminalroman „Die Spiele“ von Stephan Schmidt ist facettenreich im Spiel um Macht und Anerkennung, das nachvollziehbar beschrieben ist. Die Spannung ergibt sich aus der Anzahl potenzieller Täter und ist bis zum Ende hin latent vorhanden. Keine der Protagonist(inn)en wurde mir sympathisch, weil jede und jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Wer Krimis mit politischem Hintergrund mag, ist bei diesem Buch als Lektüre richtig.

Bewertung vom 15.02.2024
Die Königin
Conrad, Sebastian

Die Königin


ausgezeichnet

Im Buch „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“ erzählt der Historiker Sebastian Conrad die aufregende Geschichte der Büste der Nofretete, der Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton, die im 14. Jahrhundert vor Christus lebte. Das Kunstwerk aus Kalkstein und Gips wurde 1912 gefunden und mit weiteren Exponaten der ägyptischen Fundstätte Tell el Amarna nach Berlin gebracht, wo sie nach dem Herrichten von Räumlichkeiten im Neuen Museum 1924 dem Publikum präsentiert wurde. Nach wechselnden Aufenthalten an anderen Orten ist sie seit 2009 dort wieder ausgestellt. Auch ich habe sie dort bereits bewundert.
Der Autor hinterfragt, wieso die Schönheit der Nofretete einen Zeitraum von weit mehr als über dreitausend Jahre überdauern konnte, wobei Schönheit bekanntlich nicht objektiv ist. Noch dazu entfaltet sich ihre Ausstrahlung an den verschiedensten Orten auf der Welt, der von verschiedenen Gruppierungen weltweit interpretiert wird. Die Büste zeigt beispielhaft, wie die Globalisierung Einfluss auf die kulturellen Normen der Welt nimmt. Sebastian Conrad erzählt vom Fund des Kunstwerks ebenso wie über die Besitzansprüche und die Ausstellung, aber auch vom Leben der Nofretete in ihrer Zeit. Die Ergebnisse seiner Recherchen werden vom Autor fachkundig dargeboten und sind flüssig lesbar.
Das Buch wird durch 32 Tafeln in drei Einschüben und 23 Abbildungen im Text aufgewertet. Außerdem bietet eine Karte auf der Innenseite der vorderen Klappe, auf der Ägypten um 1350 vor Christus abgebildet ist, und eine weitere auf der hinteren Klappe, auf der das heutige Ägypten mit den wichtigsten geschichtlich relevanten Stätten wiedergegeben wird, Orientierung beim Lesen. Auf über achtzig Seiten finden sich am Ende des Buchs Anmerkungen zu den Seiten, ein Quellen und Literaturverzeichnis, Bildnachweis und Personenregister. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für dieses beeindruckende Buch an alle, die an ägyptischer Geschichte interessiert sind.

Bewertung vom 13.02.2024
Weltalltage
Fürstenberg, Paula

Weltalltage


ausgezeichnet

Im ihrem Roman „Weltalltage“ lässt Paula Fürstenberg eine unbenannte Du-Erzählerin, im Folgenden von mir als Freundin bezeichnet, die Geschichte der langjährigen Freundschaft mit ihrem besten Freund Max erzählen. Die enge Beziehung kommt an einen Punkt, bei dem sich die darin eingenommenen Rollen wesentlich verändert haben. Die Du-Form wird über die gesamte Geschichte hinweg beibehalten und spiegelt die inneren Konflikte der Freundin wider, sozusagen in einem nicht endenden Dialog mit sich selbst. Weltalltage nennt die Freundin die Tage, an denen ihr Körper von Kindheit an scheinbar über den Dingen schwebt. Die Schrift auf dem Titel verdeutlicht, wie schwankend die Welt sich für die Freundin an solchen Tagen verstellt. Max ist ihr am Rand eine Stütze, doch als er krank wird, kommt die von ihm gebotene Strebe in Schräglage.

Die Freundin und Max kennen sich seit der siebten Klasse. Beide sind nun Anfang Dreißig, ohne feste Partnerschaft und teilen sich eine Wohnung. Max hat eine Festanstellung als Architekt. Als Redaktionsassistentin erhält die Freundin den Auftrag, Max zu porträtieren, doch das Ergebnis ist umfasst viel mehr Seiten als gewünscht. Dadurch kommt sie auf die Idee, aus dem Geschriebenen einen Roman zu gestalten. Sie kündigt ihren Job, aber es fällt ihr schwer, einen Anfang für ihre Geschichte zu finden. Eines Tages teilt Max ihr mit, dass er im Krankenhaus behandelt werden soll. Im Nachhinein wird ihr bewusst, dass sich Max über längere Zeit verändert hat. Sie war stets die chronisch Kranke, der Max bestimmte Hilfeleistungen anbot. Nun beginnt die Freundin zu grübeln, ob ihre Worte und ihr Tun für eine Heilung nützlich sind.

Aus der Suche nach einem Anfang für die Geschichte von Max wird eine Suche nach der passenden Sprache. Das Engagement der Protagonistin als Schriftstellerin bringt Max zum Nachdenken und plötzlich steht die berechtigte Frage im Raum, wem eine zu veröffentlichende Lebensgeschichte gehört. Für die Freundin ist es wichtig, dass ihre Welt Ordnung und Struktur hat, was vor dem Schreiben nicht Halt macht. Daher besteht der Roman aus ausgeführten Listenpunkten. Mal ist es das Alphabet, mal sind es Zahlen, aber auch Monate und Jahre oder ein aufgeworfenes Thema, die die Abschnitte der jeweils abzuarbeitenden Liste bilden.

Die eigenwillige Kunstform funktioniert im Roman par excellence! Paula Fürstenberg fokussiert ihre Protagonistin, die im gleichen Alter ist wie sie selbst, immer wieder auf wichtige Themen und schneidet dabei so manches Auffällige an, manchmal mit dem Finger auf der Wunde, auch mal mit ironischer Ergebenheit. Eigene Erfahrungen und Beobachtungen fand ich bestätigt. Dabei fragte ich mich, in weit die Autorin eigene Erlebnisse einfließen lässt, weil sie sehr einfühlsam, nachvollziehbar und wahrhaftig schreibt. Immer wieder zitiert sie Persönlichkeiten. Ein Literaturverzeichnis befindet sich am Ende des Buchs.

Die Krankheit von Max wird für beide Protagonisten unfassbar und stellt ihre Freundschaft auf eine harte Bewährungsprobe. Anhand von Rückblicken versucht die Freundin das Verhältnis zu klären. Sozusagen als Bonus findet sich auf der Innenseite des hinteren Einbands eine Abrechnung. Erst die Probleme in der Freundschaft bieten der Freundin die Chance, die gewohnte Routine zu verlassen, sich im vorsichtigen Rahmen über ärztliche Verbote hinwegzusetzen und dabei neue Möglichkeiten für sich und ihren Körper zu erkunden. Empfindsame Lesende sollten wissen, dass in der Geschichte neben Symptomen des Schwindels, unter anderem auch Depression und Endometriose thematisiert werden.

Das Denken an die Vergangenheit führt die Freundin in den Osten Deutschlands, das Studium in den Westen, wodurch sich in ihre Erinnerungen Überlegungen zur gesellschaftspolitischen Lage mischen. Die Großmutter von Max, die im Ostenlebt, ist sich sicher, dass die deutschen Verhältnisse zum Ableben einiger Familienmitglieder beigetragen haben. Diese interessante These wird im Laufe der Erzählung geklärt.

Gerne vergebe ich für den sichtbar außergewöhnlich gestalteten, tiefgründig geschriebenen und mich begeisternden Roman „Weltalltage“ von Paula Fürstenberg eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2024
So was wie Freunde
Osborne, Bella

So was wie Freunde


ausgezeichnet

Die englische Autorin Bella Osborne ist bekannt für ihr romantischen Komödien, doch mit ihrem Roman „So was wie Freunde“ betritt sie Neuland und schreibt über die Freundschaft zweier besonderer Menschen, die verschiedenen Generationen angehören. Der 16-jährige Tom und die 72-jährige Maggie sind vereint im gemeinsamen Kampf zum Erhalt der von ihnen genutzten Bibliothek.
Tom geht noch zur Schule. Sein Vater ist nie über den Tod seiner Frau vor einigen Jahren hinweggekommen und wendet sich zunehmend dem Alkohol zu. Er hofft darauf, dass sein Sohn bald eine Ausbildung beginnt, damit er zum Haushaltsbudget beitragen kann. Aber Tom möchte später studieren, deshalb kommt es immer wieder zum Streit mit seinem Vater. Am liebsten bleibt er unscheinbar, um keine Aufmerksamkeit auf seine Person zu ziehen. Er hält sich von Gleichaltrigen fern, denn er spielt nicht in deren Beliebtheitsliga, was auch daran liegt, dass er sich keine Markenkleidung leisten kann und im Haus der Familie kaum Geborgenheit zu finden ist. Über die Sucht seines Vater möchte er mit niemandem sprechen. Darum beginnt er in die örtliche Bibliothek zu gehen, die er früher mit seiner Mutter besucht hat. Dort hofft er auch, eine Mitschülerin zu treffen, für die er schwärmt. Tom erzählt in der Ich-Form, wodurch er mir seine Gefühle im besonderen Maß nahebringen konnte.
Maggie lebt seit dem Tod ihres Ehemanns allein, etwas außerhalb des Orts, auf einem kleinen Bauernhof, auf dem sie Hühner und ein paar Schafe hält sowie einen Gemüsegarten bewirtschaftet. Die Arbeit lenkt die Rentnerin von ihrer Einsamkeit ab. Samstags fährt sie zur Bücherei, denn dann trifft sich ihr Buchclub. Später wurde mir beim Lesen durch einige Gedanken von ihr deutlich, dass sie ein Geheimnis verbirgt, dass weit in ihre Vergangenheit hineinreicht. Die Autorin wechselt in den Kapiteln zwischen dem Fokus auf Tom und Maggie, wobei sie über ihre ältere Protagonistin als auktoriale Erzählerin schreibt.
Bei Toms erstem Besuch in der Bibliothek begegnet er Maggie. Auf dem Heimweg wird Maggie von einem Unbekannten die Handtasche entrissen und Tom kommt ihr zu Hilfe. Nachdem die beiden die Hürde des persönlichen Kennenlernens genommen haben, entwickelt sich ein unverfänglicher Umgang miteinander. Ausgehend vom Austausch von Banalitäten, über das Finden interessanter Themen, die schließlich zu tiefergehenden Gesprächen führen, entwickelt sich die Freundschaft zwischen Tom und Maggie rasch weiter und das Vertrauen zueinander wächst. Maggie scheut sich mit ihrer offenen und ehrlichen Art nicht, gewisse Probleme mit Tom anzusprechen. Sie finden gemeinsam für ihre Beziehung ein passendes Arrangement. Bei einem Büchereibesuche erfahren die beiden von der anstehenden Schließung. Mit ihren Ideen tragen sie zu dem Versuch bei, die Einstellung der Ausleihe zu verhindern.
Bella Osborne hat ihre Figuren liebevoll gestaltet. Tom hat bestimmte Vorstellungen über seine Zukunft. Gegenüber gleichaltrigen Mädchen ist er schüchtern und allgemein manchmal linkisch. Er entwickelt eine Vorliebe für Liebesromane. Die Autorin zeigt ihn als Jugendlichen mit den für sein Alter typischen Problemen auf dem Weg der Selbstfindung mit dem Vergleich von sich selbst zu anderen. Maggie hält er hilfsbedürftiger als sie tatsächlich ist, denn sie zeigt ihm, dass sie sich mittels Kampfkunst und Yoga fit hält. Sie versteht viel von der Schafzucht und nutzt auf ihrem Land einen Traktor sowie ein Quad. Durch ihr aktives Leben steigt sie in der Achtung von Tom. Aber ihr Geheimnis steht wie ein dunkler Schatten über ihrer Freundschaft. Hinzu kommen einige bemerkenswerte Nebenfiguren wie beispielsweise eine besorgte Bibliothekarin und eine charmante Mitschülerin von Tom. Der Vater von Tom wird in seinen Handlungen als Alkoholiker nachvollziehbar und realistisch beschrieben.
Maggie Osborn zeigt in ihrem Roman „So was wie Freunde“ wie vielfältig Freundschaft sein kann. Der 16-jährige Tom und die 72-jährige Maggie teilen viele heitere und bekümmernde Momente und schenken einander Zuwendung und Verständnis. Bücher erhalten in der Geschichte eine besondere Rolle, denn sie bringen Menschen zueinander. Die Autorin spricht auch schwierige Themen an, zu denen sie vorstellbare Lösungen bietet, wodurch ich mich beim Lesen wohlfühlte und sehr gerne eine Empfehlung für das Buch vergebe.

Bewertung vom 30.01.2024
Wo Milch und Honig fließen
Zhang, C Pam

Wo Milch und Honig fließen


sehr gut

Der Roman „Wo Milch und Honig fließen“ von C Pam Zhang spielt in einer unweiten Zukunft, in der die Welt von Smog überzogen ist und dadurch Tiere und Pflanzen aussterben. Ein Mungoproteinmehl hält die Menschheit am Leben. Die 29-jährige, unbenannte Protagonistin ist Köchin, wurde in Kalifornien geboren und hat in Europa versucht, ihre Kochkünste zu verfeinern. Weil die USA inzwischen ihre Grenzen geschlossen hat kann sie nicht zurück in ihre Heimat. Als ihr Beruf nicht mehr benötigt wird, bewirbt sie sich um eine Stellung bei einer Forschungsgemeinschaft, deren Laboratorien sich in einem hohen Berg in Italien befinden, wo gelegentlich noch die Sonne scheint.

Sie erhält den Job, doch zunächst bleibt ihr Arbeitgeber ihr fern, um sie zu prüfen. Bevor sie ihn persönlich kennenlernt, begegnet sie seiner 22-jährigen Tochter Aida. Während die Köchin chinesische Wurzeln hat, ist die Mutter von Aida aus Korea. Die von ihr zu kochenden Gerichte werden immer eigenwilliger, die Zutaten dafür erhält sie aus den Laboratorien. Hatte sie zunächst für die Gäste unsichtbar zu bleiben, verlangt ihr Arbeitgeber schließlich ein besonderes Rollenspiel von ihr. Sie spielt mit, weil sie dafür reichlich entlohnt wird und sich erhofft, auf diese Weise die Krise bestmöglich zu überleben.

Die Autorin schrieb den Roman während der Pandemie. Ich denke, dass sie sich dadurch besonders gut in ihre Hauptfigur hineinversetzen konnte, der zunächst durch die Klimakrise alltägliche Dinge entzogen wurden und sie nach Antritt ihrer Stellung eine ungeahnte Fülle an Nahrungsmitteln zur Verfügung hatte. Die Köchin begegnet auf dem Berg einer ausgewählten Gesellschaft, die von ihrem Arbeitgeber mit Köstlichkeiten versorgt wird, damit die Einzelnen in das Unternehmen investieren.

C Pam Zhang scheinen die wohlschmeckendsten Gerichte, die sie aufführt, nicht auszugehen. Aber ebenso, wie ich beim Lesen Appetit bekam, verschwand dieser wieder in Anbetracht der Menge und der Eigenwilligkeit. Es ist mehr als genug, aber das Bild steht für die ungerechte Verteilung von Nahrung in der Welt. Weiter und weiter dreht sich die Spirale der Befriedigung der Gelüste und macht auch nicht vor der Köchin halt. Der Arbeitgeber nutzt seine Macht dazu aus, seine Angestellte seinem Willen unterzuordnen. Die Autorin spielt mit Klischees über Asiatinnen und verweist dabei auf Ansichten, wie sie oft unreflektiert verwendet werden.

Die Freundschaft der Köchin mit Aida wird zu einem gegenseitigen Entdecken weiterer Gelüste. Die Autorin zeigt die Unendlichkeit von Begierde und wieweit manche für eine Befriedigung bereit sind, zu gehen. Der Roman endete meiner Meinung nach etwas abrupt und mit einem unerklärten Geschehen. Aus dem Prolog ergab sich bereits, dass die Köchin die Geschichte aus der Retrospektive erzählt, dadurch war mir von Beginn an bewusst, dass sie die Krise überleben würde. Der Schluss erzählt im Überflug das, was sie bis zu ihrer Gegenwart als Dozentin erlebt hat, ohne weitere Schwelgereien.

C Pam Zhang hat mit „Wo Milch und Honig fließen“ einen Roman geschrieben, bei dem in mehrerlei Hinsicht das Verlangen und der Genuss im Vordergrund stehen. In einer nahen zukünftigen Welt, bei der alles Leben gefährdet erscheint, gibt es einige Gutbetuchte, die sich ihren Lebensstandard sichern möchten. Doch die habgierige Gesellschaft ist anfällig. Eine unbenannte Köchin, die sich selbst als mittelmäßig ansieht, zeigt ein Gerechtigkeitsempfinden, das sich für ihr Umfeld störend auswirkt. Gerne empfehle ich das Buch an diejenigen, die sich lesend der Lust am Essen und anderem widmen möchten.

Bewertung vom 30.01.2024
Einfach lieben / Glückstöchter Bd.2
Schuster, Stephanie

Einfach lieben / Glückstöchter Bd.2


ausgezeichnet

Im Roman „Einfach lieben“, dem zweiten Band der Serie „Glückstöchter“ von Stephanie Schuster finden beide Protagonistinnen die Liebe ihres Lebens, wobei sich auch der Wunsch auf Nachwuchs einstellt. Wie im ersten Teil spielt die Handlung erneut auf zwei Zeitebenen. Einerseits folgte ich der geborenen Baronesse Anna von Quast von 1911 bis 1918, andererseits las ich davon, was Eva 1977 und in dem darauffolgenden Jahr erlebt.
Anna hat für sich entschieden, dass sie sich allein auf der Staffelalm oberhalb des Kochelsees, von manchen auch Tonkaalm genannt, zurechtfinden wird. Ihre Familie hat vor dem Tod der Mutter einige Sommer dort verbracht. Die Kenntnisse über Botanik, die sie sich bei der Arbeit mit ihrem Vater auf dem familieneigenen Gut angeeignet hat, kommen ihr täglich zugute. Außerdem beschäftigt sie sich weiterhin mit Töpferei, was ihr einen Ausgleich zu der harten Arbeit bietet, die der Boden rund um die Alm abverlangt. Ihr größtes Glück erfährt sie, als ihre Liebe erwidert wird und diese ihre Einsamkeit beendet.
Die Kapitel wechseln regelmäßig zwischen Anna und Eva. Die Pharmaziestudentin Eva lebt in einer Wohngemeinschaft, deren Bewohner(innen) meist harmonieren. Aber ein gemeinsames Erlebnis mit ihren beiden besten Freunden hat nachteilige Folgen und sie fürchtet sich vor weiteren möglichen Konsequenzen. Innerhalb der wenigen Monate, in denen Eva im Mittelpunkt der Geschichte steht, ändert sich ihr Leben in einigen Punkten, wobei sie es nicht verhindern kann, bestimmte Dinge zur Entscheidung in andere Hände geben zu müssen. Gekonnt bindet Stephanie Schuster auf beiden Zeitebenen geschichtlichen Fakten in die Erzählung ein, teilweise beeinflussen sie das Handeln der Protagonistinnen. Passend fügt sie auch kulturelle Aspekte ein, die die Story beleben.
Die Autorin beschreibt im Roman zahlreiche Möglichkeiten, mit der Natur umzugehen. Dank eigener Erfahrungen, aber auch durch gute Recherche gelingt ihre eine authentische Darstellung. Die Befriedigung, die sich daraus ergibt, wenn man Erfolg hat, mit natürlichen Mitteln zu wirtschaften, ist sowohl bei Anna wie auch bei Eva deutlich zu spüren. Stephanie Schuster verschweigt aber auch nicht, dass es Rückschläge gibt, weil die Naturgewalten nicht planbar sind. Das Unerwartete verpackt sie in dramatische Geschehnisse und baut kleine Cliffhanger ein, die dafür sorgen, dass man rasch weiterlesen möchte. Die Geschichte mit ihren vielen liebevoll dargestellten Details im Umgang mit Flora und Fauna zeigt, wie lange es bereits eine nachhaltige Entwicklung gibt.
Obwohl Eva immer noch damit hadert, adoptiert worden zu sein, sucht sie den Kontakt zu ihrem Elternhaus. Insgesamt wirkte sie auf mich inzwischen geerdeter in ihrem Leben als noch im ersten Band, auch wenn ihr die beste Freundin an ihrer Seite sehr fehlt. Sie wirkt gefestigt in ihren Ansichten und akzeptiert andere Meinungen. Sowohl Anna wie auch Eva konnten meine Sympathie gewinnen. Zum Ende hin findet auch der Prolog des ersten Bands eine Einordnung. Die Verbindung zwischen den beiden Hauptfiguren wird eingehend erklärt und erfährt zuletzt noch eine unerwartete Wendung.
Mit dem Band „Einfach lieben“ bringt Stephanie Schuster ihre „Glückstöchter“-Dilogie zu einem geeigneten Abschluss. Der von den beiden Protagonistinnen während der 1910er beziehungsweise 1970er Jahre gewählte Weg der Verbundenheit zur Natur ist berührend. Das Buch wird durch einige Illustrationen der Autorin verschönert. Für alle Leser des ersten Band ist der zweite Teil ein Muss. Gerne vergebe ich aber auch eine Leseempfehlung an Leser(innen) historischer Romane, die „Einfach leben“ nicht gelesen haben.