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Krimisofa.com

Bewertungen

Insgesamt 69 Bewertungen
Bewertung vom 30.01.2018
Das Mädchen aus Brooklyn
Musso, Guillaume

Das Mädchen aus Brooklyn


sehr gut

Einzelbewertung:

Plot: 4/5
Atmosphäre: 3/5
Charaktere: 4/5
Spannung: 4/5
Showdown: 2/5

Guillaume Musso ist kein ausgewiesener Thriller-Autor, generell dürfte ihm das Thriller-Genre eher fremd sein, wenn man den Klappentexten seiner anderen Bücher Glauben schenkt. Es wirkt eher so, als wäre er ein klassischer Storyteller. „Das Mädchen aus Brooklyn“ ist auch kein klassischer Thriller, auch wenn es sehr lange so aussieht und die Protagonisten in der Geschichte auch so agieren. Es war mein erster Musso und ich bin auf dieses Buch gestoßen, weil ich in diversen Blogs immer wieder darüber gestolpert bin, obwohl ich weder ein großer Blogleser, noch großartig in der Bloggerszene vernetzt bin. Irgendwann habe ich mir das Buch dann besorgt – und wurde nicht enttäuscht.

Einer der oben genannten Protagonisten ist Raphaël, mit einem Trema über dem E. Raphaël ist 48 und erfolgreicher Krimi-Autor. Er hat einen Sohn aus erster Ehe, der noch sehr jung ist und kaum noch sprechen kann. Er hat Anna in einem Krankenhaus kennengelernt, in dem die 25-Jährige als Assistenzärztin arbeitet. Raphaël liebt sie scheinbar abgöttisch, obwohl sie sich noch gar nicht lange kennen – oder vielleicht gerade deshalb. Für sie würde er die Welt auf den Kopf stellen, was er auch tut, als sie verschwindet. Hilfe bekommt er dabei von Marc. Marc ist 60 und war Polizist, bis ihn ein Querschläger außer Gefecht gesetzt hat und er seinen Beruf quittieren musste. Abgesehen davon holt ihn die Vergangenheit über seine Frau und seine Tochter immer wieder ein, weshalb er Medikamente nimmt. Er ist froh, Marc unterstützen zu können und freut sich, wiedermal ermitteln zu dürfen.

Man wird ohne viel Vorgeplänkel in die Geschichte geworfen, auch wenn die Geschichte so richtig erst nach etwa 150 Seiten beginnt – das klingt komisch, aber man wird es verstehen, wenn man das Buch liest. Das bedeutet nicht, dass es bis dahin langweilig ist – eher das Gegenteil ist der Fall. Anfangs ist es ziemlich rasant, es passiert viel. Dann wird es ruhiger und die Geschichte entfaltet sich richtig und wird immer größer – und sie wird verdammt groß; größer als man anfangs denkt. Am Rande der Handlung bekommt man die Nominierung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten für die US-Wahl 2016 statt, was hochaktuell ist, wo man aber auch künstlerische Freiheiten bemerkt, die sich Musso genommen hat. Neben Raphaël und Marc, deren Stränge sich abwechseln, bekommt man immer wieder die Geschichten anderer, in der Geschichte wichtiger, Charaktere erzählt – das ist nicht nur interessant, sondern verleiht der Geschichte eine zusätzliche Spannung.

So gut die Geschichte ist, so schlecht ist allerdings deren Ende. Hier merkt man am besten, dass Musso das Thriller-Genre eher fremd ist, denn der Showdown ist quasi nicht vorhanden und generell kann man den Eindruck gewinnen, dass die Geschichte nicht ganz zu Ende erzählt wird – für eine Fortsetzung lässt Musso aber zu wenig offen. Die Wendung am Ende ist mir auch etwas zu overplayed, die wirkt etwas gezwungen.

Tl;dr: „Das Mädchen aus Brooklyn“ ist ein Thriller, der größer ist als man anfangs glaubt, der den Leser stets bei Stange hält und der irrsinnig spannend zu lesen ist. Mit interessanten Charakteren und einem Schuss Politik. Das Ende ist allerdings sehr schwach und wirkt in Teilen gezwungen.

Bewertung vom 22.01.2018
Böses Kind
Krist, Martin

Böses Kind


sehr gut

Einzelbewertung:

Plot: 3/5
Atmosphäre: 2/5
Charaktere: 4/5
Spannung: 4/5
Showdown: 5/5
---
Martin Krist schreibt so einiges. In verschiedensten Genres und unter mehreren Pseudonymem – Martin Krist ist eines davon, denn eigentlich heißt der Autor Marcel Feige; als Feige Thriller zu schreiben kommt aber vermutlich nicht so gut. Mein erstes Buch von ihm war „Drecksspiel“, in dem der Ex-Polizist David Gross den Protagonisten mimt. „Böses Kind“ ist der Auftakt zu einer Serie rund um Henry Frei und schlägt in eine ähnliche Kerbe.

Henry Frei ist Neurotiker. Bei ihm muss immer alles am rechten Ort sein, Chaos kann er nicht ausstehen. Frei lebt in einer intakten Familie, was in diesem Genre meiner Meinung nach viel zu selten vorkommt. Meistens sind Ermittler geschieden, haben den Kontakt zu ihren Kindern verloren oder sind depressiv – nicht bei Frei. Er liebt seine Frau wie am ersten Tag und kümmert sich rührend um seine Kinder. Vor allem um seinen Sohn, der das Asperger-Syndrom hat; mit ihm spielt er gerne über lange Distanzen Schach – jeden Tag nur einen Zug! – und verliert regelmäßig.
Seine Kollegin Louisa Albers hat hingegen ein Faible für Karotten und ist in letzter Zeit alles andere als ausgeschlafen, denn sie ist gerade Mutter geworden und das Neugeborene hält sie vor allem nachts auf Trab.

Es ist ein schönes Gespann, das Krist hier geschaffen hat. Die zwei Ermittler Frei und Albers ergänzen sich prima – Frei, der systematisch denkende und Albers, die Intuitive. Dann ist da noch der Halbvietnamese Phan Cha Lee, der von allen nur Charlie genannt wird und der seine Sätze gerne mit „Chê – verdammt“ beginnt – er ist erst vor wenigen Wochen zur Truppe gestoßen und daher noch etwas grün hinter den Ohren, spielt in dem Roman aber auch eine untergeordnete Rolle.

Der Strang rund um die Ermittler wechselt sich mit dem um Suse ab. Suse vermisst ihre Tochter Jacqueline und deren Hund. Sie arbeitet Teilzeit in einem Supermarkt, weil sie das Geld dringend benötigt – ihr Ex-Mann weigert sich, Unterhalt zu zahlen. Zwischendurch gibt es immer wieder Kapitel mit dem Titel „Intermezzo“; hier erlebt man ein Opfer, das festgehalten wird und man beginnt bald zu ahnen, um wen es sich dabei handelt.

Es ist ein flotter Thriller, den Krist hier geschrieben hat, ich bin selten so schnell durch ein Buch geflogen, was auch daran liegt, dass die Geschichte am Anfang fast nur aus Dialogen besteht, die nur durch kurze Absätze unterbrochen werden – fast erinnert es an ein Theaterstück in Buchform. Dadurch, dass der Leser so durch die Geschichte gejagt wird und diese zu einem Gutteil fast nur aus Dialogen besteht, fällt es der Atmosphäre schwer, sich zu entfalten. Erst im letzten Drittel bekommt man etwas Atmosphäre, hier wird die Geschichte ruhiger, aber auch spannender. Teilweise wird die Spannung aber auch etwas zu künstlich hochgehalten. Übrigens spielt das Wort „Allana", das am Cover steht, eine größere Rolle als man anfangs denkt; so richtig manifest wird es vermutlich aber erst im zweiten Teil der Serie, der am 21. Mai erscheint.

Tl;dr: „Böses Kind“ von Martin Krist ist ein rasanter Thriller mit einem gut gezeichneten Ermittlerteam, durch den der Leser aufgrund der Dialoglastigkeit geradezu durchgejagt wird, was vor allem in der ersten Hälfte zulasten der Atmosphäre geht. Teilweise wird die Spannung auch etwas zu künstlich hochgehalten.

Bewertung vom 15.01.2018
Die Rivalin
Robotham, Michael

Die Rivalin


ausgezeichnet

Michael Robotham zählt zu meinen Lieblingsautoren. „Dein Wille geschehe“ war sein erstes Buch, das ich gelesen habe, und obwohl ich anfangs dachte, dass der Titel auf christlichen Fundamentalismus schließen lässt (tut er nicht), war ich danach Feuer und Flamme für Robotham; weil sein Schreibstil schnörkellos und seine Bildsprache unübertroffen ist – ganz zu schweigen von seinem Humor, der der britischen Schule folgt. Aber ich finde auch nicht alles von ihm unumwunden gut; ich mag die Romane rund um Victor Ruiz weit weniger als die, in denen Joe O‘Laughlin im Mittelpunkt steht. „Der Informant“ fand ich großteils einfach nur langweilig, obwohl er angeblich auf wahre Begebenheiten fundiert – Fanboy bin ich also eher keiner. Erst in den letzten Jahren hat sich Robotham aus seinem Ruiz-/O‘Laughlin-Universum heraus getraut, und das war auch für den Leser eine ganz neue Erfahrung; „Um Leben und Tod“ hat mich mehr ergriffen, als seine anderen Bücher – und sein aktuelles Werk ließ mich zeitweise fassungslos zurück.

Agatha ist Regalauffüllerin in einem Supermarkt, ihr Chef mag sie nicht, aber das beruht auf Gegenseitigkeit. Die Kasse darf sie nicht bedienen und den Job wird sie in absehbarer Zeit verlieren, denn sie ist Schwanger und ihr Chef hat ihr bereits gesagt, dass das der Fall sein wird. In ihrer Freizeit beobachtet sie gerne andere Menschen, zum Beispiel Meghan, die ebenfalls Schwanger ist. Agatha weiß einiges über sie; was sie gerne isst, was ihr Mann arbeitet, wie ihre Kinder heißen, wo sie wohnt, wie der Grundriss des Hauses aussieht. Das klingt, als wäre sie eine Stalkerin und genau genommen ist sie das auch – aber das ist nur die Spitze des Eisberges.
Meghans Erzählstrang, der sich mit dem Agathas abwechselt, erzählt die Geschichte der zweiten Schwangeren in „Die Rivalin". Meghan wird bald entbinden, und auch, wenn ihr Mann, der Sportjournalist Jack, sich anfangs nicht auf das „Uups-Kind“ gefreut hat, weil die beiden schon zwei Kinder haben und kein Drittes mehr wollten, freut er sich jetzt kurz vor der Niederkunft doch. Meghan betreibt einen Mama-Blog über ihr Leben, ihre zwei Kinder und ihre Schwangerschaft.

Beide Stränge, sowohl der von Agatha, als auch der von Meghan, berichten aus der ersten Person in der Gegenwart, wobei man als Leser schnell merkt, dass Agathas wesentlich wichtiger und – aus meiner subjektiven Wahrnehmung – auch interessanter ist. Meghans wirkt eher als Mittel zum Zweck und man findet darin Vorkommnisse, die man – überspitzt formuliert – in jedem dritten Buch findet. Agatha hat hingegen eine bewegende Geschichte, die nach und nach erzählt wird und man bekommt als Leser Mitgefühl mit ihr und kann ihr Handeln bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen – irgendwann beginnt man sie allerdings zu hassen.

Die Geschichte besteht aus zwei Teilen, wobei der erste, der westlichen flotter und spannender erzählt wird, nur als Einleitung zur eigentlichen Geschichte dient, aber enorm wichtig ist, damit man das Buch in seiner Gesamtheit versteht. Immer wieder streut Robotham, vor allem im ersten Teil der Geschichte, One-Liner ein, die mich mitten in einem ernsten Kontext laut auflachen ließen. Der zweite Teil der Geschichte ist wesentlich ernsthafter gehalten und lebt von der Spannung und der Atmosphäre. Beide Teile sind von Verzweiflung geprägt. Das einzige, was man der Geschichte vorwerfen kann, ist, dass sie grob vorhersehbar ist – meiner Meinung nach ist das bei dieser Art von Geschichte aber sekundär, denn sie ist so gut konstruiert und recherchiert, dass man dieses Buch nicht nur gerne liest, sondern auch gar nicht mehr aus der Hand legen will – das kling abgedroschen und ist es auch, war bei mir aber tatsächlich so.

Tl;dr: „Die Rivalin“ von Michael Robotham ist ein irrsinnig packender und spannungsgeladener Thriller, der zwei Geschichten von zwei schwangeren Frauen erzählt, gut recherchiert und noch besser konstruiert ist. Dass das Buch grob vorhersehbar ist, macht den Lesespaß nicht ärmer.

Bewertung vom 10.01.2018
Ist Fat Bob schon tot?
Dobyns, Stephen

Ist Fat Bob schon tot?


weniger gut

Stephen Dobyns hat schon so einiges geschrieben, denn er ist schon lange auf dieser Welt. Früher hat er studiert, bis er mit dem Master of Fine Arts abgeschlossen hat. Er hat also einen Uniabschluss für schöne Künste. Damit hat er unter anderem Lyrik und auch Sachbücher publiziert. Aber auch etliche Krimis – so wie sein aktuelles Buch „Ist Fat Bob schon tot?“. Die Schönheit kann man diesem Buch objektiv nicht absprechen – subjektiv aber sehr wohl.

Wie oben beschrieben wohnt Connor Raposo einem Unfall bei. Connor war früher Lehrer, dann im Casino als Automatenbeaufsichtiger tätig und heute ist er Mitte 20 und „auf der Schattenseite der Legalität“, wie es im Buch schön beschrieben wird, beschäftigt – denn er treibt gemeinsam mit seinem Onkel Didi, dem sonderbaren Vaughn und Eartha, die ständig oben ohne herumrennt, Spenden für diverse Hilfsorganisationen ein. Diese Hilfsorganisationen nennen sich „Waisenkinder im Weltall“ oder „Rettet Beagles vor der Nikotinsucht“ – und ja, diese Organisationen existieren natürlich nicht wirklich, wie man an den Namen erahnen kann. Allerdings gefällt mir dieser Aspekt tatsächlich ziemlich gut, denn das Geschäftsmodell könnte bei Leuten, die an Chemtrails, die Lügenpresse und Reptiloiden glauben, tatsächlich funktionieren – reich wird man damit allerdings vermutlich nicht ... naja, vielleicht doch.

Dann gibt es noch die zwei Detektives Benny Vikström und Manny Streeter. Der eine ist vom Leben, aber insbesondere von Vikström, enttäuscht, und Vikström wird ständig gefragt, ob er einer dieser skandinavischen Ermittler sei. Doch eines haben beide gemeinsam – sie hassen sich und gönnen sich nichts. Streeter weiß, dass Vikström Höhenangst hat und gängelt ihn damit – und Vikström isst gerne mal ein Eis vor Streeters Augen, weil er weiß, dass Streeter mit seiner Figur keines Essen sollte, es aber doch gerne würde. Beide fahren also eher die subtile Schiene. Das ist eine Zeit lang witzig, irgendwann nervt es aber. Genau wie die Tatsache, dass sich Streeter den Namen eines Zeugen nicht merken kann und ihn ständig Poppaloppa statt Papalardo nennt. Der Humor ist irrsinnig repetitiv, obwohl wir alle wissen, dass ein Scherz höchstens zwei mal funktioniert.

Apropos „Wir“, denn die Erzählweise ist tatsächlich interessant: Der Autor nimmt den Leser an die Hand und schreibt Dinge wie „Wenn wir X sehen, dann erkennen wir, dass Y zu der Zeit gar nicht an Ort A war, aber das weiß X natürlich nicht“. Das ist auch subjektiv gesehen schön geschrieben, wenn die Schreibweise nicht so langatmig und das Erzähltempo nicht das einer sterbenden Katz wäre. Ich habe irgendwann angefangen, Absätze zu überspringen, weil ich sie aufgrund diverser ausschweifender Beschreibungen einfach nicht relevant fand; Dobyns verliert sich viel zu sehr in unwichtige Details. Ich verstehe, dass das durchaus einen literarischen Mehrwert hat und ich habe auch Dobyns' Weltgewandtheit erkannt, die zwischendurch aufblitzt, aber – ach, es ist einfach nicht meine Vorstellung eines guten Buches. Und jetzt werde ich mich einem anderen, hoffentlich unterhaltsameren, Buch widmen.

Tl;dr: „Ist Fat Bob schon tot?“ hat eine kuriose Story mit teilweise spannenden Charakteren, brilliert aber großteils mit einer langweiligen und zu ausufernden Erzählweise. Humor ist zwar vorhanden, wiederholt sich aber immer wieder, so dass die Scherze irgendwann zu nerven beginnen.

Bewertung vom 01.01.2018
Das Apartment
Grey, S. L.

Das Apartment


gut

Einzelbewertung

Plot: 3/5
Atmosphäre: 5/5
Charaktere: 2/5
Spannung: 3/5
Showdown: 2/5

Tl;dr: „Das Apartment“ von S.L. Grey hat eine interessante Geschichte mit einer dichten Atmosphäre, die sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht – allerdings lässt das Ende einige Fragen offen und Teile der Geschichte wirken etwas zufällig. Die ganze Rezension gibt es auf meinem Blog.

Bewertung vom 28.12.2017
Angstmörder / Nicholas Meller Bd.1
Stassen, Lorenz

Angstmörder / Nicholas Meller Bd.1


sehr gut

Einzelbewertung

Plot: 4/5
Atmosphäre: 4/5
Charaktere: 3/5
Spannung: 4/5
Showdown: 4/5
---
Behinderten Menschen kommt oft der Charme eines Autounfalls zu – sie werden mit Mitleid angestarrt. Dabei wollen Menschen mit Behinderung nur eines sein: Menschen. Gleichberechtigt und barrierefrei behandelt, ohne mit schräg gehaltenen Kopf angesehen zu werden. Nur so kann Inklusion langfristig gewährleistet werden. In Lorenz Stassens Thrillerdebüt nimmt das Thema Behinderung einen breiten Raum ein – aber davon abgesehen ist „Angstmörder“ auch ein verdammt gutes Buch.

Nicholas Meller ist ein mäßig erfolgreicher Strafverteidiger, der mehr schlecht als recht über die Runden kommt. In erster Linie vertritt er vor Gericht osteuropäische Autoschieber, die er auch nur vertreten darf, weil sie von anderen – erfolgreicheren – Anwaltskanzleien zu ihm geschickt werden. Dabei ist Meller ein Vorzeigerusse. Als Kind kam er von Sibirien nach Deutschland und hat sich dann perfekt in die deutsche Gesellschaft integriert. Andere Russen, dessen Kontakt der klaustrophobe Meller bis auf wenige Ausnahmen vermeidet, werden in der Geschichte als schlecht integriert, mit einem Hang zur Kriminalität, dargestellt. Neben der bildhübschen Referendarin Nina bekommt er auch seinen ersten Mordfall und betritt damit völliges Neuland – auch bei Nina. Denn mit deren angeborener Behinderung kommt er anfangs so gar nicht, aber immerhin besser als andere Russen in der Geschichte, klar. Doch Nina ist selbstbewusst und tough und weist Meller darauf hin, wenn er sich ihr gegenüber tollpatschig verhält – etwa wenn sie Umzugskartons zusammenbasteln soll. Sie macht es eben auf ihre Weise und behält dabei ihren Stolz.

In einem anderen Strang lernt man Christine kennen. Sie ist vor kurzem von Nordhorn nach Köln gezogen, weil sie von ihrem Freund im Internet bloßgestellt wurde und sie dringend einen Tapetenwechsel benötigte. Christine ist Krankenschwester in der Ausbildung zur Intensivpflegerin. Außerdem bekommen wir, anfangs vage, später intensiver, Einsichten in das Handeln des Täters. Besonders Letzteres fand ich irrsinnig interessant. Aber auch wie Stassen das Behindertenthema behandelt, finde ich sehr spannend; vor allem, weil man Menschen mit einer so speziellen Behinderung nur selten in Thrillern begegnet, überhaupt mit der Detailverliebtheit, mit der sich der Autor am Thema abarbeitet. Generell ist die Geschichte ausgezeichnet recherchiert, das merkt man vor allem bei den zahlreichen und sehr speziellen Themen, die in der Geschichte vorkommen. Ich kann sagen, dass sie ausgezeichnet recherchiert sind, weil ich mich mit einem der Themen zufällig auskenne und davon ausgehe, dass die anderen Themen ähnlich gut recherchiert sind.

Insgesamt macht „Angstmörder“ von der ersten bis zur letzten Seite Spaß, auch wenn Stassen mir beim Täter ein paar Stereotypen zu viel eingebaut hat, aber das kann man angesichts der restlichen Geschichte verschmerzen. „Angstmörder“ ist ein Justizthriller, ohne trocken zu sein; ein Thriller, der das Rad zwar nicht neu erfindet, aber die besten bekannten Elemente des Genres her nimmt, sie zusammensetzt und daraus einen überdurchschnittlich guten Thriller bildet.

Tl;dr: „Angstmörder“ ist ein exzellent recherchierter und packender Thriller, der zwar das Rad nicht neu erfindet, aber durch die Aufbringung des Behindertenthemas, das breiten Raum einnimmt, doch ein Stück weit outstanding ist.

Bewertung vom 18.12.2017
Flugangst 7A
Fitzek, Sebastian

Flugangst 7A


sehr gut

Einzelbewertung:

Plot: 3/5
Atmosphäre: 5/5
Charaktere: 2/5
Spannung: 5/5
Showdown: 3/5

Rezension:

Was ist schlimmer als Flugangst? Eine Flugzeugentführung. Aber wenn man diese auch noch selbst initieren muss und dafür einen ehemaligen Patienten wieder „umdrehen“, also zum Ursprung seines Traumas bringen muss, ist der Gipfel der Grausamkeit erreicht, oder? Mitnichten, denn wenn man das nicht macht, wird die schwangere Tochter getötet. Damit ist das Dilemma perfekt. Mats widerfährt genau das. Mats ist Psychiater mit Flugangst. Er hat nicht nur einen, sondern gleich vier Sitze gebucht, weil er vor seinem Flug akribisch zum Thema Flugrisiken recherchiert hat und genau weiß, welcher Sitz in einem Flugzeug zu welcher Flugphase am sichersten ist. Mit ihm an Bord ist seine ehemalige Patientin Kaja, die einst ein traumatisches Erlebnis hatte und kurz vor dem Suizid stand; heute ist sie Purserin, also die ranghöchste Flugbegleiterin. Sie war einer von Mats‘ größten Erfolgen, denn er hat sie erfolgreich geheilt – was er jetzt wieder rückgängig machen soll. Wie es der Zufall will ist sie mit an Bord des Fluges.

Mit der Idee zu „Flugangst 7a“ hat sich Fitzek wiedermal selbst übertroffen, denn dieses Gedankenspiel, das Fitzek zu Papier gebracht hat und über fünf Ecken geht, ist brillant. Es hat mich sehr stark an Cody McFadyens „Todeskünstler“ erinnert, welches mindestens genau so sadistisch ist, nur dass Fitzek es wesentlich perfider anlegt – und ja, „Flugangst 7a“ ist für meine Begriffe noch härter als „AchtNacht“ und „Die Blutschule“, was für einige Fitzek-Fans ein Problem sein könnte. Ich hingegen finde die Entwicklung, die Fitzek genommen hat, enorm, und spätestens seit „AchtNacht“ kann ich mich sehr für Fitzek begeistern.

Die Fakten, die man im Buch findet, sollen übrigens alle wahr sein. Anfangs jene zu den Flugrisiken, die Flugangst de facto lächerlich machen und später jene Fakten zur Rinderhaltung, die mich kurz mal schlucken ließen, weil sie ziemlich heftig sind.

Trotzdem ist nicht alles an „Flugangst 7a“ gut, auch wenn die Geschichte durch und durch unterhaltsam ist. Denn leider lassen die Charaktere jegliche Tiefe vermissen. Bei Nele weiß man zwar, dass sie sehr jung ist, Aids hat, ihrem Vater einiges vorwirft und von ihrem Ex gestalkt wird – das war es dann aber auch schon. Und bei den restlichen Charakteren ist es nicht viel besser. Dazu kommt, dass die Auflösung am Ende eine geradezu wissenschaftliche Komplexität an den Tag legt, so dass ich sie nicht zweifelsfrei wiedergeben könnte; abgesehen davon, dass mir in der Geschichte viel zu viele Zufälle passieren und am Ende nicht erklärt wird, wie sich Dieses und Jenes in die Geschichte fügt.

Tl;dr: „Flugangst 7a“ ist ein durch und durch unterhaltsamer Psychothriller, der vermutlich eines von Sebastian Fitzeks härtesten Büchern ist; mit einer brillanten Idee, aber einigen Defiziten bei den Charakteren, der Auflösung und der Plausibilität.

Bewertung vom 04.12.2017
Die Kinder
Dorn, Wulf

Die Kinder


sehr gut

Einzelbewertung

Plot: 4/5
Atmosphäre: 5/5
Charaktere: 3/5
Spannung: 4/5
Showdown: 3/5

Manche Menschen glauben, ihnen gehe es schlecht, dabei bedenken sie nur selten, dass es Menschen gibt, denen es bedeutend schlechter geht. Menschen, die täglich vor dem Krieg flüchten oder nichts zu essen haben – oder beides. Menschen, die ihre Kinder arbeiten schicken müssen oder viel schlimmeres mit ihnen tun, um mit dem Geld, das sie dafür bekommen, überleben zu können. Aber das ist nur eines von vielen Themen, die Wulf Dorn in „Die Kinder“ anspricht.

Es hat eine Zeit gedauert, bis ich mich in dem neuesten Thriller von Wulf Dorn zurechtgefunden habe, denn man begegnet anfangs einigen Charakteren. So wie den oben beschriebenen Patrick, oder dem Psychiater Robert Winter, oder Kommissar Bennell. Sie alle haben eines gemein: Sie alle sind nur Nebendarsteller. Hauptfigur ist Laura Schrader, die sich in der Psychiatrie nach und nach dem Kern ihrer und damit Dorns Geschichte nähert. Laura begegnet man zwar schon recht früh, als Hauptfigur kristallisiert sie sich aber erst später heraus. In der Geschichte, die sie erzählt, gibt es wiederum eine ganz andere Hauptfigur, nämlich ihre Nichte Mia, die eigentlich ein aufgewecktes Mädchen ist, seit einem Vorfall aber nicht mehr spricht und damit ihre Mutter Su und Laura in immer größere Sorgen stürzt. Zwischen der Hauptgeschichte findet man immer wieder Kapitel mit Kurzgeschichten, die mit der Hauptgeschichte scheinbar nichts zu tun haben, außer, dass in jeder dieser Geschichten Kinder im Mittelpunkt stehen. Jede dieser Geschichten hat einen wahren Hintergrund, wie Dorn in einem Vorwort schreibt und sich damit wesentlich geschickter anstellt als andere Autoren, die ich in letzter Zeit rezensiert habe.

Man könnte in den Plot so viel hineininterpretieren, weil Dorn einige Themen behandelt. Unter anderem übt er Kritik an der Werbeindustrie und zeigt auf, in welch Überfluss die westliche Welt lebt. Aber auch die tägliche Reizüberflutung, derer wir ausgesetzt werden oder der wir uns bewusst aussetzen, weil wir nichts verpassen wollen, kritisiert er. Wulf will damit auf ein bestimmtes Thema hinweisen, überspitzt es aber bewusst. Welches Thema das ist, wird an dieser Stelle allerdings nicht verraten. Insgesamt ist „Die Kinder“ ein wunderbares, aber auch ziemlich gruseliges Buch. Man kommt nie wirklich dahinter, wie die Geschichte enden wird, weshalb der Spannungsbogen ständig vorhanden ist und man endlich wissen will, was hier vor sich geht. Psychothriller trifft es gut, wenn man „Die Kinder“ einem Genre zuordnen müsste, aber ich würde das Buch auch ein Stück weit im Horror-Genre verorten.

Das Buch ist mit 320 Seiten recht schlank ausgefallen, die Kapitel der Hauptgeschichte haben plusminus 20 Seiten und beginnen durchgehend auf den Seiten mit ungeraden Seitenzahlen, weshalb es öfter passiert, dass die Seite davor unbeschrieben ist. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Geschichte aufgrund von Widmungen, Zitaten und dem Vorwort erst auf Seite dreizehn beginnt, hat die Geschichte keine 300 Seiten, was schon sehr dürftig ist. Dennoch wird man ziemlich gut unterhalten und kann das Buch nur schwer aus der Hand legen; Leerläufe sucht man nämlich vergebens.

Tl;dr: „Die Kinder“ von Wulf Dorn ist ein packender, atmosphärischer und gruseliger Psychothriller mit einem Schuss Horror, der Gesellschaftskritik übt und uns darüber nachdenken lässt, wie wir eigentlich leben. Zwar ist er mit unter dreihundert Seiten recht schlank, dafür wird er aber auch nicht langweilig.

Bewertung vom 27.11.2017
Der Sinn des Todes / Karen Pirie Bd.4
McDermid, Val

Der Sinn des Todes / Karen Pirie Bd.4


sehr gut

Eigentlich wollte ich es mir abgewöhnen, Bücher nur wegen des Covers oder des Titels zu ordern, weil ich davon schon viel zu oft enttäuscht wurde. Aber der Titel „Der Sinn des Todes“ hatte etwas, das mich ansprach – und das Cover sieht obendrein atemberaubend gut aus. Die Marketingabteilung des Verlags hatte also wieder herausragende Arbeit geleistet, um das aktuelle Buch von Val McDermid – eine mir, trotz über 30 publizierter Bücher, davor völlig unbekannte Autorin – zu bewerben. Und es klappte, denn der Inhalt riss mich anfangs so gar nicht vom Hocker. Es sei noch dazugesagt, dass dies der vierte Teil der Karen-Pirie-Reihe ist; es ist aber völlig unerheblich, ob man die drei davor gelesen hat.

Karen Pirie ist Detective Chief Inspector in der Historic Cases Unit der Schottland Polizei. Sie bearbeitet, ähnlich ihrem dänischen Kollegen Carl Mørck aus der Reihe von Jussi Adler-Olsen, Fälle, die nie aufgeklärt wurden, aber durch neue Erkenntnisse wieder tagesaktuell werden. Karen Pirie ist ein ziemlich tougher Charakter, der sich vor allem von ihrem Chef nicht unterkriegen lässt und ihm stets in eindrucksvoller Manier Paroli bietet. Seit dem Tod ihres Lebensgefährten und Kollegen Phil leidet sie an Schlafstörungen, weshalb sie gerne mitten in der Nacht spazieren geht bis sie müde wird und ins Bett fällt. Durch den Tod von Phil ist nur noch Jason in der Historic Cases Unit übrig, mit dem Karen die Fälle bearbeitet. Jason ist zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber dafür sehr liebenswürdig. Er ist Anfang 20 und damit weit über zehn Jahre jünger als Karen – und er ist verdammt unsicher, was sein Auftreten betrifft.

Wie oben geschrieben, hat mich „Der Sinn des Todes“ anfangs nicht vom Hocker gerissen, weil der Aufbau der Geschichte ziemlich träge ist und der Erzählstil ähnlich langsam – für Leute, die auf rasante Pageturner stehen, ist das hier vermutlich das Falsche. Für Leute, die auf Tiefgang stehen, ist „Der Sinn des Todes“ dafür umso mehr etwas, denn Karens Stimmung, die immer noch vom Tod ihres Lebensgefährten geprägt ist, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und verleiht ihr eine düstere, ja fast schwermütige Atmosphäre, die etwas hat, was den Leser mitnimmt. Ich muss sagen, dass ich innerhalb der ersten hundert Seiten auch an einen Abbruch des Buches gedacht habe, weil ich ebenfalls lieber rasantere Bücher lese. Aber dann habe ich mir gesagt „Du kennst diese Autorin nicht, lass dich darauf ein“ - und danach wurde es tatsächlich besser, spannender und vielschichtiger; und ich bereute nicht, weitergelesen zu haben, denn später untersucht Pirie nicht nur einen Fall, sondern gleich drei; und handelt bei zwei von dreien oft nicht ganz legal, sondern eher mit dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ - was auch den Originaltitel „Out of Bounds" erklärt.

Außerdem wird McDermid auch politisch und damit sogar tagesaktuell, denn sie behandelt die Flüchtlingskrise und das Asylthema ziemlich realitätsnah mit praktischen Beispielen, was mir in diesem Kontext außerordentlich gut gefallen hat. Gerade bei diesen Szenen hatte ich oft Gänsehaut, weil sie sehr rührend und menschlich erzählt werden – eine Menschlichkeit, die man in der Realität im Alltag oft vermisst.

„Der Sinn des Todes“ ist sicher nicht mein Buchhighlight des Jahres, weil es vom Plot her einfach nur more of the same ist, aber der Erzählstil, diese ruhige Erzählweise hat etwas außergewöhnliches.. Etwas, das auch zum Nachdenken anregt. Übers Leben, über Nächstenliebe und über ein gutes Miteinander. Und letzten Endes bin ich wirklich heilfroh, es (zu Ende) gelesen zu haben.

Bewertung für den Showdown entfällt mangels Showdown.

Tl;dr: „Der Sinn des Todes“ ist ein Krimi, dessen Handlung sich langsam aufbaut und ein gemächliches Tempo hat, gleichzeitig aber nie langweilig wird und wichtige gesellschaftliche und politische Themen anspricht. Ein Buch mit dem gewissen Etwas.

Bewertung vom 20.11.2017
Das Scherbenhaus
Kliem, Susanne

Das Scherbenhaus


ausgezeichnet

„Das Scherbenhaus“ ist ein hervorragender Thriller mit einer irrsinnig packenden Geschichte und sehr gut herausgearbeiteten Charakteren. Die Atmosphäre ist so dicht, dass sie einem nach dem rasanten Beginn durch die Handlung trägt. Einziges Manko ist die Vorhersehbarkeit. Mehr Rezensionen gibt's Krimisofa.com! (da die ganze Rezension zu lange ist, gibt es an dieser Stelle nur die Zusammenfassung).