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Schmuckguggerin
Wohnort: 
Hainburg

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2022
Findelmädchen
Bernstein, Lilly

Findelmädchen


ausgezeichnet

Das Buch führt uns zurück in die Zeit von Dezember 1954 bis Januar 1956.
Helga und ihr Bruder Jürgen sind durch Adoption nach Frankreich zu Claire und Albert gekommen, die sie bei der Suche nach ihren leiblichen Eltern unterstützen. Wir durch ein Wunder wird ihr Vater gefunden und die beiden reisen mit dem Zug nach Köln, und erkennen ihn auf dem Bahnsteig sofort wieder.
Der Vater war lange in russischer Kriegsgefangenschaft, doch von der Mutter fehlt jede Spur. Endlich wieder zusammen können sie in ihrem ehemaligen Haus wohnen, allerdings gibt es dort auch noch Meta, die strenge Schwester der Mutter und Fanny, mit der Helga schnell eine vertraute Beziehung aufbaut.
Der Vater findet in einem Büdchen eine neue Existenz und Jürgen kann bei Ford anfangen zu arbeiten. Helgas größter Wunsch ist es, ein Gymnasium zu besuchen. Das erlaubt ihr Vater ihr mit Unterstützung von Meta nicht, meldet sie vielmehr auf einer Haushaltsschule an. Ausgehend von dieser Schule muss Helga ein Praktikum machen und das ausgerechnet in einem Waisenhaus. Sie erlebt dort schreckliche Situationen, die sie allesamt an ihre eigene Zeit in einer solchen Einrichtung erinnern. Sie hat die Kraft, gegen viele der vorherrschenden Gepflogenheiten aufzubegehren und kümmert sich dabei sehr intensiv um ein „Besatzerkind“.
Nachdem sie das Waisenhaus verlassen muss, arbeitet sie ohne Wissen ihres Vaters beim Westdeutschen Rundfunk. Hier kann sie mit Hilfe ihrer kraftvollen Art im Rundfunk nachhaltige Botschaften senden.
Natürlich verläuft das Leben für Helga und Jürgen nicht ohne eigene Probleme, was ihr Verhältnis zum jeweils anderen Geschlecht anbelangt. Helga erlebt Enttäuschungen und macht eine sehr bittere Erfahrung, die in dieser Zeit sicher nicht nur ihr vorbehalten war.
Hieraus schöpft sie Kräfte, um ihre Forderungen an das Leben publik zu machen.
Die Autorin benutzt eine angenehm lesbare Sprache, in der es leicht fällt, zu den Protagonist/innen eine intensive Beziehung aufzubauen.
Das Buch hat mich sehr bewegt, denn es berichtet von einer Zeit, in der das persönliche Leben derer, die den Krieg überlebt hatten, noch fassungslos schwer war und eine enorme Kraft erforderte, um neue Anfänge zu wagen.
Ich empfehle das Buch all jenen, die sich einmal in die Zeit der 50er Jahre begeben wollen und bin sicher, sie werden meine Begeisterung für den Text teilen.

Bewertung vom 14.08.2022
Isarrauschen
Hillebrand, Diana

Isarrauschen


ausgezeichnet

Es sind Kurzgeschichten, die irgendwo anfangen und genauso unvermittelt irgendwo enden. Genau das ist in Diana Hillebrands Münchner Kurzgeschichten so.
Wir lesen von skurrilsten Situationen, etwa wenn ein Obdachloser Führungen unter seiner tollen Brücke anbietet, oder wenn zwei Leute, die ihren Sonntag in Ruhe verbringen möchten, plötzlich Besuch bekommen und sich anschließend fragen, wer von von Beiden die Besucherin zuvor gekannt hat.
Es gibt das Paar, das sehr kleinschrittig die Urlaubskoffer packt, um am Ende, ja was wohl?
Jede der Kurzgeschichten fesselt auf eine bestimmte Weise und fordert das Interesse der Lesenden um auch den Ausstieg aus dem Text mitzuerleben.
Ich habe das Buch als sehr unterhaltsam empfunden und war nicht frei davon, an manchem Ende einer Geschichte zu schmunzeln.
Die Menschen, von denen Diana Hillebrand schreibt, sind Junge, Alte, Zugezogene, Einheimische, Suchende und Findende – eben ganz alltägliche Münchner/innen.
Ich kann das Buch sehr empfehlen, denn man kann beim Lesen auf eine angenehme Art den Alltag einmal so ganz vergessen.

Bewertung vom 10.08.2022
verloren & gefunden (eBook, ePUB)
Melzer, Ulrike

verloren & gefunden (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In dem Buch „Verloren & gefunden“ mit dem Untertitel „Trotzdem ein Liebesgedicht“ von Ulrike Melzer finden wir Lyrik, Prosa und Gemälde der Künstlerin. Gerade in diesem Zusammenspiel besteht eine der Besonderheiten ihres Buches.
Beginnend mit einem Prolog zwischen „Ich“ und „Du“ schließen sich die Kapitel „Stadt“, „Ruine“, „Wüste“, „Garten“ und „Meer“ an und werden von dem Epilog von „Du“ und „Ich“ abgeschlossen.
In den einzelnen Kapiteln geht die Autorin immer wieder der Frage nach „Liebe“, mit den verschiedensten Ausdrucksmöglichkeiten und in unterschiedlichen Kontexten, nach. Sie formuliert dies teilweise in der Hervorhebung von Gegensätzen, von Abgrenzungen der Geschlechter im alltäglichen Zusammenleben, stellt aber die Liebe als ein menschliches Streben dar.
Ich habe das Buch gerne, aber mit vielen Unterbrechungen gelesen. Immer wieder habe ich mir Zeiten des Nachdenkens eingeräumt, mir die Gemälde intensiv angesehen und dadurch erst bemerkt, was alles in diesem Buch steckt.
Das Buch kann ich all jenen empfehlen, die sich genug Zeit nehmen können, zu genießen und zu verweilen.

Bewertung vom 01.08.2022
Die Aufrechte
Crönert, Claudius

Die Aufrechte


ausgezeichnet

Felicitas von Reznicek ist „Die Aufrechte“ in Claudius Crönerts gleichnamigem Roman und war im deutschen Widerstand.
Wir lesen in diesem Buch nahezu alles, was es an Schwierigkeiten ab dem 30.Januar 1933 für Menschen wie Fee gegeben hat.
Da ist die Sorge um die Eltern, weil die Mutter jüdischer Abstammung ist, die Auseinandersetzung mit dem Halbbruder und dem Bruder, der Partei gegenüber und nicht zuletzt besteht die Ungewissheit über die eigenen Zukunft.
Fee unterstützt den Vater, der Komponist ist und versucht gleichzeitig ihre Tätigkeit als Journalistin in ihrem Sinn auszuüben.
Um nicht zu rasch entscheidende Fehler zu begehen, muss sie sicher sein, wen sie als „Freund“ oder „Feind“ einschätzen kann, denn man braucht einander um wichtige Entscheidungen zu treffen.
Auch die Liebe schützt nicht davor, unvorsichtige Schritte zu gehen. Lieben und lügen sind oft notwendige Helfer, um sich in einem Dilemma zu positionieren.
Das Buch ist absolut fesselnd! Ich habe es mit großer Nähe zu Felicitas von Reznicek gelesen. All das Schwere dieser Zeit und die dennoch hoffnungsvolle Nähe Gleichgesinnter und ihre Bereitschaft, neue Risiken einzugehen haben das Leseerlebnis noch vervielfältigt.
Das Buch sollte in keinem Geschichtsunterricht fehlen!
Von mir eine eindeutige Leseempfehlung!