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Benutzername: 
Magda
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 210 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2024
Das größte Rätsel aller Zeiten (eBook, ePUB)
Burr, Samuel

Das größte Rätsel aller Zeiten (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: 1979 und 1991 geht es um Pippa Allsbrook und in der Gegenwart um ihren 25jährigen Ziehsohn Clayton Stumper.
Prolog: Pippa findet auf der Türschwelle eine Hutschachtel mit einem Baby darin.
Die Gemeinschaft der Rätselmacher wird 1979 in einem Pub gegründet. Einige Jahre später stellt Pippa ihr Familienanwesen Creighton Hall der Gemeinschaft zur Verfügung. Sie zieht mit sieben Herren, der Haushälterin Angel und der Taxifahrerin Nancy Stone in Creighton Hall ein. Vor allem Hector bedeutet die Gemeinschaft sehr viel, bevor er Pippa kennengelernt hatte, war an einem Tiefpunkt seines Lebens und obdachlos.
Alle Mitglieder, bis auf die Haushälterin, verbringen die meiste Zeit damit, Rätsel zu erstellen, so ist zum Beispiel Hector Puzzle-Illustrator, Earl Meister der Labyrinthe, Derek Codebrecher und Pippa Kreuzworträtselautorin. In der Anfangszeit geht es der Gemeinschaft finanziell nicht gut, doch im Laufe der Jahre werden die Rätselmacher immer bekannter, und schon bald können sie es sich in Creighton Hall richtig gut gehen lassen.
In jedem Kapitel gibt es ein Rätsel, bei dem die LeserInnen mitraten können. Doch das größte Rätsel hat Clayton zu lösen. Er will wissen, wer seine Eltern sind. Pippa sagt ihm das nicht einfach geradeheraus, schließlich ist sie eine gewiefte Rätselmacherin, nein, er muss Schritt für Schritt herausfinden, wo er herkommt.
Im Alter von fünfundzwanzig Jahren verlässt Clayton Creighton Hall und fährt nach London. Die erste Station seiner Rätsel-Reise ist Nancy Stone, die die Gemeinschaft vor vielen Jahren verlassen hatte.
Clayton braucht Hilfe bei der Lösung der Aufgaben, die Pippa ihm gestellt hatte, denn er ist „nur“ der Schriftführer der Gemeinschaft und der einzige, der sich kaum für Rätsel interessiert. Auf der Suche nach seiner Herkunft lernt er viele Menschen kennen und verliebt sich. Letztendlich führt seine Reise ihn bis nach Amsterdam.
Ganz besonders schön fand ich die Episode mit Cilla, die Clayton in einem Londoner Park kennenlernt. Cilla wird am nächsten Tag achtzig Jahre alt und muss den Tag ganz allein feiern – was Clayton natürlich verhindert! Clayton wird bewusst, wie gut er es in der Gemeinschaft der Rätselmacher getroffen hatte. Einsam hat er sich nie gefühlt, er war immer von herzlichen und ihm wohlgesinnten Menschen umgeben.
Ein Wohlfühlbuch über die Kraft der Freundschaft. Gleichgesinnte leben zusammen auf einem wunderschönen Anwesen, jeder widmet sich seinem liebsten Zeitvertreib und genießt das Zusammenleben mit Freunden. Es hat mir Spaß gemacht zu versuchen, die Rätsel zu lösen, und ich war gespannt, was es mit Claytons Herkunft auf sich hat. Von mir eine Leseempfehlung für alle, die gern Rätsel lösen und sich auf eine Reise durch London begeben möchten.

Bewertung vom 29.08.2024
Und dahinter das Meer
Spence-Ash, Laura

Und dahinter das Meer


ausgezeichnet

Und dahinter das Meer ist die Geschichte von zwei Familien, von denen eine in Boston und die andere in London lebt.
London, 1940: Um ihre elfjährige Tochter Bea vor Bombardierungen zu schützen, beschließen Millie und Reg, sie zu einer Gastfamilie nach Amerika zu schicken. In Boston wird Bea sehr herzlich bei den Gregorys aufgenommen. Von Anfang an versteht sie sich sehr gut mit den beiden Söhnen William und Gerald. Nancy Gregory hatte sich immer eine Tochter gewünscht und überschüttet Bea mit Herzenswärme, Großzügigkeit und Güte. Schnell lebt Bea sich so gut bei den Gregorys ein, dass sie am liebsten für immer dableiben würde. Die schönste Zeit ihres Lebens verbringt sie im Ferienhaus der Gregorys in Maine.
Derweil wird sie von ihren Eltern schmerzlich vermisst, insbesondere ihre Mutter Millie kann sich nicht damit abfinden, dass Bea in Amerika so glücklich ist. Sobald der Krieg zu Ende ist, holt sie ihre mittlerweile 16jährige Tochter zurück nach London – und das, nachdem Bea sich in William verliebt und die beiden erste zarte Bande geknüpft hatten.
Der Roman erzählt die Geschichte von Bea und Millie und den Gregorys im Zeitraum von 1940 bis 1977 in kurzen Kapiteln, die aus der Sicht von acht Charakteren geschrieben sind: Bea, Millie, Nancy, William, Gerald, Rose, Reg und Ethan. Bea wird Grundschullehrerin und hat einige Liebesbeziehungen, die sie jedoch beendet, sobald von Heirat oder Kindern die Rede ist. Ihr Herz gehört William, der jedoch mittlerweile mit Rose verheiratet ist. Auch William kann Bea nicht vergessen. Glück findet er nur im Zusammensein mit seinen Kindern, im Job und in seiner Ehe findet er keine Erfüllung.
Wir erfahren viel über das Gefühlsleben von Millie und Nancy. Nancy ist eine wunderbare Frau, die Bea genauso innig liebt wie ihre Söhne und Enkelkinder. Millie wiederum hat einen schwierigen Charakter, es dauert Jahre, bis ihr Verhältnis zu Bea besser wird, sie ihre Eifersucht überwindet und akzeptiert, dass die Gregorys für Bea überlebenswichtig sind.
Mich hat der Debütroman von Laura Spence-Ash sehr berührt. Ich konnte Beas Zerrissenheit zwischen England und Amerika sehr gut nachvollziehen. Mein einziger Kritikpunkt ist die Schreibweise der direkten Rede. Ich fand die Schreibweise der Dialoge in kursiver Schrift ohne Leerzeilen störend und bevorzuge die herkömmliche Darstellung mit Anführungszeichen und Leerzeilen. Das Ende hat mir gut gefallen, es hat mich mit den tragischen Verlusten, die Bea im Laufe der Jahrzehnte ertragen musste, versöhnlich gestimmt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen wunderbaren und sehr atmosphärischen Familienroman.

Bewertung vom 28.08.2024
Zwei in einem Leben
Nicholls, David

Zwei in einem Leben


ausgezeichnet

Zwei in einem Leben ist das erste Buch, das ich von David Nicholls gelesen habe, ich freue mich sehr, ihn entdeckt zu haben. Der Schreibstil und die Geschichte haben mich gefesselt und begeistert.
Marnie, 38, arbeitet als selbständige Lektorin und hat nach dem Ende ihrer Ehe mit den Männern abgeschlossen. Sie verkriecht sich in ihrer Wohnung, arbeitet im Home Office und lässt das Leben an sich vorbeiziehen. Ihre Freundin Cleo, Mutter des 13jährigen Anthony, versucht sie wieder unter die Leute zu bringen und wünscht ihr nichts mehr als eine neue Beziehung.
Michael, 42, lebt getrennt von seiner Frau Nathalie. Er ist engagierter Erdkundelehrer und geht in seiner Freizeit gern wandern, am liebsten allein. Cleo ist seine Kollegin und gute Freundin.
Cleo organisiert eine mehrtägige Wanderung, zu der sie alle ihre Freunde und Freundinnen einlädt, die alleinstehend sind. Außer Marnie und Michael sind das Conrad und Tessa.
Tessa sagt kurzfristig ab, so dass sich Cleo mit ihrem Sohn Anthony, Marnie, Conrad und Michael auf den Weg macht. Entgegen Cleos Erwartungen versteht Marnie sich nach anfänglichen Startschwierigkeiten mit Michael viel besser als mit Conrad. Schon nach kurzer Zeit schrumpft die Wandergruppe von ursprünglich fünf auf zwei Personen – Marnie und Michael.
Auf ihren täglichen stundenlangen Wanderungen bei Wind und Wetter – meistens ist das Wetter schlecht – vertrauen sich Marnie und Michael einander an. Die Gesprächsthemen drehen sich um ihre früheren Beziehungen, Einsamkeit, Kinderlosigkeit oder - wie Marnie hinterher Conrad berichtet: Um die Liebe, das Leben und den Tod.
Michael berichtet Marnie von einem tragischen Erlebnis, das bei ihm Depressionen und Angstzustände ausgelöst hatte. Marnie erzählt über die fatale Entwicklung ihrer Ehe.
Die Kapitel Tag 1 – 10 sind abwechselnd aus Marnies und Michaels Sicht geschrieben. Bei einigen Passagen musste ich schmunzeln oder lachen, trotz der oft darin enthaltenen Tragik. In Marnie konnte ich mich gut hineinversetzen und konnte ihr Verhalten gut nachvollziehen. Michael und Marnie waren beide authentisch.
Sehr gern habe ich die Gespräche mit teilweise philosophischen Betrachtungen des Lebens verfolgt. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für diese berührende Liebesgeschichte.

Bewertung vom 27.08.2024
Ein mysteriöser Gast / Regency Grand Hotel Bd.2
Prose, Nita

Ein mysteriöser Gast / Regency Grand Hotel Bd.2


gut

Band 1 der Reihe „The Maid“ habe ich nicht gelesen, das Cover und der Hinweis darauf, dass The Maid ein New York Times-Bestseller war, haben mich auf das Buch aufmerksam gemacht. Leider musste ich erneut feststellen, dass Cosy Crime nicht wirklich mein Genre ist.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen – in der Gegenwart wird nach dem Mörder eines bekannten Krimiautors gesucht und in den Kapiteln, die mit „Früher“ überschrieben sind, erfahren wir, wie es dazu gekommen ist, dass Molly den ermordeten Autor kennt.
Molly Gray arbeitet seit einigen Jahren im Regency Grand Hotel, mittlerweile ist sie Chefzimmermädchen. Eines Tages kommt der bekannte Krimiautor J. D. Grimthorpe, ins Regency Grand, um vor der Presse und einigen seiner glühendsten Fans eine Ankündigung zu machen. Bevor er diese machen kann, bricht er tot zusammen.
Detective Stark ermittelt. Mrs. Stark kennt Molly bereits von einer anderen Ermittlung, in der Molly die Hauptverdächtige war. Auch diesmal sucht sie nach Indizien, um sie zu überführen. Doch die Liste der Verdächtigen ist lang: Neben den Hotelangestellten gibt es da noch Serena Sharpe, Mr. Grimthorpes persönliche Sekretärin und sein Fanclub namens LAMM – Liebhaberinnen anspruchsvoller Mysterien und Morde.
Molly erinnert sich an die Zeit, die sie gemeinsam mit ihrer Gran im Herrenhaus der Grimthorpes verbracht hatte. Gran war dort Dienstmädchen, und Molly begleitete sie oft zur Arbeit, die beide gern verrichteten. Schon damals machte es ihr Spaß, Silber zu polieren und Staub zu wischen. Nach getaner Arbeit durfte sie Große Erwartungen und andere Klassiker aus der umfangreichen Bibliothek lesen. Allerdings birgt die Bibliothek ein Geheimnis...
Molly hat ein Auge und ein Ohr für Details „Ich weiß, wie es klingt, wenn ein Regency-Grand-Teelöffel eine Regency-Grand-Teetasse streift. Dieser zarte, melodische Klang – Musik in meinen Ohren.“ Dank Mollys Talent und ihrer Auffassungsgabe wird Mr. Grimthorpes Mörder überführt.
Leider konnte mich der Cosy Crime nicht begeistern. Molly hatte was von Miss Marple, kam aber bei weitem nicht an sie heran. Die Geschichte hätte auch zu Zeiten von Miss Marple spielen können, da es wenig Hinweise auf die Gegenwart gab, das Internet wurde nur selten zu Rate gezogen, und die Pandemie wurde mit keinem Wort erwähnt. Ich hätte anhand der Handlung auch nicht sagen können, wo das Regency Grand steht, in Amerika oder Europa?
Für meinen Geschmack gab es auch zu viele Nebenhandlungen: Diebstähle im Hotel, Zickenkrieg unter den Zimmermädchen, Verkauf von Erstausgaben, Mollys Beziehung zu Juan und last but not least ihre familiären Verwicklungen.
Das Buch empfehle ich LeserInnen, die gerne Cosy Crime lesen und auch denen, die gerne Band 1 „The Maid“ gelesen haben.

Bewertung vom 20.08.2024
Vielleicht können wir glücklich sein
Hennig von Lange, Alexa

Vielleicht können wir glücklich sein


ausgezeichnet

Vielleicht können wir glücklich sein von Alexa Hennig von Lange ist der 3. Band der Heimkehr-Trilogie.
Die Trilogie ist an das Leben der Großmutter der Autorin angelehnt, die 130 Tonbandkassetten hinterlassen hatte. Auf diesen berichtet sie aus ihrer Jugend Ende der 1920er und 1930er Jahre, ihrer Zeit als Leiterin des nationalsozialistischen Frauenbildungsheims in Sandleben vor und während des Zweiten Weltkrieges und vor allem auch aus ihrer Zeit als Mutter von vier kleinen Kindern.
Band 3 spielt 1944/45. Klara hat sich schweren Herzens dazu entschlossen, die Leitung des Frauenbildungsheims an ihre frühere Schülerin Fritzchen abzugeben. Ihr Mann Gustav ist an Front, sie lebt mit ihren vier Kindern unweit ihrer früheren Wirkungsstätte. Ein14jähriges Pflichtjahrmädchen unterstützt sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Eines Tages wird bei einem der Kurkinder im Heim Diphterie diagnostiziert, eine Krankheit, die damals oft einen tödlichen Verlauf hatte.
Klaras Gedanken sind oft bei dem jüdischen Mädchen Tolla, das sie vor Kriegsbeginn dem Zugriff der Nazis entziehen wollte. Tolla schreibt ihr Postkarten aus Theresienstadt, und Klara macht sich große Vorwürfe, dass sie das Mädchen nicht retten konnte.
Kurz vor Kriegsende werden die umliegenden Orte vermehrt von den Alliierten bombardiert, das Lazarett ist überfüllt, russische Soldaten werden in Klaras Haus einquartiert. Auch der 14jährige Berti, den Klara von klein auf kennt, muss an die Front.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, in den Kapiteln wird abwechselnd Klaras und Isabells Geschichte erzählt. Isabell, Klaras Enkelin, und ihre Mutter Inge lösen den Haushalt der verstorbenen Klara auf. Dabei finden sie nicht nur die bereits erwähnten Tonbandkassetten, sondern auch Tagebücher, die Gustav geschrieben hatte. Auf den Tonbandaufnahmen finden sich auch Erinnerungen aus der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre. Ob daraus ein neuer Roman entsteht? Ich würde mich sehr freuen!
Der knapp sechs Jahre alte Georg-Friedrich ist mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Ein kluger kleiner Junge, der sich hingebungsvoll um seine Schwestern kümmert und der Mutter hilft, wo er kann.
Die Autorin hat das Leben als Mutter damals und heute (Isabell hat eine kleine Tochter) authentisch dargestellt. Ich mag es mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, den Krieg als Mutter mit vier kleinen Kindern zu erleben. Klara hatte es sogar geschafft, für die Kinder einen Weihnachtsmann und kleine Geschenke zu organisieren. Es wurde auch noch von ihr erwartet, dass sie den Posten der Frauenschaftsführerin übernimmt, nur eine hartnäckige und schlecht heilende Venenentzündung hatte sie davor bewahrt, diese Aufgabe zu übernehmen.
Ein wunderbarer Abschluss der Trilogie, die ich sehr gern gelesen habe und allen LeserInnen von historischen Romanen ans Herz legen möchte. Zum Schluss möchte ich noch Isabell zitieren, die einen Roman über das Leben ihrer Großmutter schreiben möchte: „Natürlich hatten sie in der Oberstufe über die Zeit des Nationalsozialismus gesprochen. Aber all das, was sie als Jugendliche erfahren hatten, war so schwer erfassbar gewesen. Alles war seltsam eindimensional und unwirklich geblieben, so dass sie in dieser dunklen Ära zwischen den Daten, Zahlen und Fakten die Menschen gar nicht mehr erkennen konnte. Sie wollte fühlen, wie es damals gewesen sein könnte.“ Mit der Trilogie hat die Autorin es geschafft: Ich konnte die damaligen Ereignisse fühlen.

Bewertung vom 19.08.2024
Das Opernhaus: Samtschwarz die Nacht / Die Dresden Reihe Bd.3
Stern, Anne

Das Opernhaus: Samtschwarz die Nacht / Die Dresden Reihe Bd.3


ausgezeichnet

Das Opernhaus - Samtschwarz die Nacht ist der Abschlussband der Dresden-Trilogie von Anne Stern.
1869 ist Elise ist 49 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Arzt Leopold Leitner und ihren beiden erwachsenen Kindern in Blasewitz. Ihre Adoptivtochter Netty ist Primaballerina an Königlichen Hoftheater. Der 19jährige Julius studiert Mathematik und Bauwesen, bei ihren Auftritten begleitet er seine Mutter am Klavier. Elises große Liebe, der Bühnenmaler Christian Hildebrand, lebt seit den Mai-Aufständen 1849 in Zürich.
In diesem Band steht die Liebesbeziehung von Elises Sohn und Rahel Cohn im Mittelpunkt. Rahel entstammt einer jüdischen Bankiersfamilie. Das junge Mädchen ist sehr belesen, sie würde gern wie Julius Mathematik studieren, doch Frauen sind im Königreich Sachsen nicht zum Studium zugelassen.
Obwohl die Leitners der Familie Cohn freundschaftlich verbunden sind, betrachten sie Julius‘ Beziehung zu einer Jüdin mit großer Sorge, der Antisemitismus ist in Sachsen sehr weit verbreitet.
Am 21. September fängt der Dachboden des Hoftheaters während der Proben zur Premierenfeier von La Sylphide aufgrund der Unachtsamkeit eines Handwerkers Feuer. Glücklicherweise können sich alle Darsteller und OpernmitarbeiterInnen vor dem Feuer retten. Schon bald wird ein Interimstheater aufgebaut und Gottfried Semper aus der Verbannung nach Dresden gerufen, um die Oper wiederaufzubauen. Auch Christian soll zurückkommen, um das Opernhaus in altem Glanz wiederauferstehen zu lassen.
Sehr ergreifend beschreibt Anne Stern die Gedanken und Gefühle der Garderobiere Bertha Heise, die sich nach dem verheerenden Brand voller Wehmut die Requisiten anschaut, die aus den Ruinen gerettet wurden: „verrußte, nach Rauch stinkende Stoffballen, Spitzenborten, Straußenfedern, Papierfächer, Seidenstrümpfe, Gürtel, Lederschuhe, Kopfschmuck, Hüte … All das quoll übel riechend und schwärzlich verfärbt aus den Kisten und war kaum wiederzuerkennen.“ (S. 252)
Ich habe mich sehr über das Wiedersehen mit Elise und Christian, aber auch mit den Nebenfiguren wie Elises Vater Georg Spielmann, ihre Schwester Barbara, Ernestine Hildebrand und Clementine Fuchs, Fanny Regensberg, und last but not least Bertha Heise gefreut.
Anne Stern hat den Brand in der Oper so authentisch beschrieben, dass ich mich mittendrin wähnte und an den Brand in der Kathedrale Notre-Dame vor fünf Jahren denken musste.
Schade, dass die Trilogie nun zu Ende ist, gerne hätte ich erfahren, wie es mit Rahel und Julius, Elise, Leopold und Christian, Netty und Niccolo weitergeht. Ich hatte mit der Semperoper-Trilogie wunderbare Lesestunden und habe viel über den Brand vom 21.09.1869, die Welt der Oper und Dresden erfahren. Von mir eine große Leseempfehlung für diese hervorragend recherchierte Reihe.

Bewertung vom 15.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


gut

Pi mal Daumen ist bereits das dritte Buch, das ich von der Autorin gelesen habe, aber leider nicht das beste. Meiner Meinung nach ist mathematisches Verständnis vonnöten, um die Geschichte zu verstehen.
Oscar ist 17 und studiert bereits Mathematik. Er lebt in seiner eigenen Welt und ist nicht an sozialen Kontakten interessiert – bis sich Moni Kosinsky seiner annimmt. Moni ist 53 und ist Oscars Kommilitonin. Unter den Studierenden fällt sie nicht nur aufgrund ihres Alters, sondern auch aufgrund ihres sexy Outfits auf wie ein bunter Vogel. Sie nimmt Oscar unter ihre Fittiche. Neben dem Studium hat Moni mehrere Jobs und kümmert sich außerdem um ihre drei Enkelkinder, Keanu, den Jüngsten nimmt sie sogar mit zu den Vorlesungen.
Oscars Idol ist der berühmte Mathematik-Professor Daniel Johannsen. Er unterrichtet an Oscars und Monis Uni und ist der Grund dafür, dass Oscar sich ausgerechnet für diese Universität entschieden hatte. Nachdem er Moni beim Kaffeetrinken mit dem Professor gesehen hat, nimmt er sie und ihre ganze Sippe unter die Lupe, sie wird zu seinem Forschungsprojekt.
Monis Familie wird als sehr proletenhaft und einfach dargestellt, alle Klischees werden bedient. Einzig mit Monis zwei Enkelsöhnen kann Oscar was anfangen, Quentin ist ein Mathe-Genie und in Justin verliebt er sich ein bisschen.
Apropos Klischees –das Buch ist voll davon. Zuerst habe ich mich noch amüsiert, doch nach und nach wurde mir die Geschichte zu unrealistisch und konstruiert. Das Buch gefällt mit Sicherheit LeserInnen, die was von Mathe verstehen, ein gewisses Grundverständnis wird vorausgesetzt. Das Ende habe ich nicht verstanden, mit Dimensionen und Pyramiden kann ich nichts anfangen, deswegen spreche ich nur eine bedingte Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 15.08.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


ausgezeichnet

Ein tiefsinniger psychologischer Familien-, Frauen und Beziehungsroman, der sich um die 57jährige Julia, ihre fast erwachsenen Kinder, ihren Mann Mark und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter Anita dreht.
Julia steht an einem Wendepunkt ihres Lebens, ihre 17jährige Tochter Alma steht kurz vor ihrem Highschool-Abschluss und ihr 24jähriger Sohn Ben verkündet, dass er Vater wird und vorher seine Freundin Sunny heiraten will.
Als Julia beim Einkaufen zufällig Helen, einer alten Bekannten, begegnet, denkt sie über die Zeit nach, als Ben ein kleiner Junge und Helen ihre beste Freundin war. Sie erinnert sich an das Ereignis, das dazu geführt hatte, dass sie den Kontakt zu Helen abbrechen musste.
Ben möchte unbedingt Julias Mutter Anita zu seiner Hochzeit einladen. Julia hat seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter. Da sie für ihren geliebten Sohn jedoch alles tun würde, überwindet sie sich und lädt Anita zu der Feier ein.
Julia und Mark führen eine harmonische Ehe. „Dass sie ihn fand, war das größte Geschenk in ihrem Leben. Eigentlich gleicht es einem Wunder, dass sie einander gefunden haben, dass sie einander ausgleichen und gemeinsam so viel durchgestanden haben.“ (S. 244). Doch dann passiert etwas, das zu einer Ehekrise führt.
Die Kapitel spielen abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit. Im Jetzt stürzt Julia sich in die Hochzeitsvorbereitungen, obwohl sie von ihrer zukünftigen Schwiegertochter zunächst nicht sehr begeistert ist.
Auch das Geheimnis um Julias selten anwesenden Vater wird enthüllt. Dieser ist aus ihrem Leben verschwunden, als sie elf Jahre alt war.
Der Familienroman hat mir sehr gut gefallen, Julias und Anitas Persönlichkeiten werden psychologisch durchleuchtet und offengelegt. Während des Lesens habe ich mit Julia gelitten, sie hatte eine traurige Kindheit mit einer Mutter, die wenig Zeit für sie hatte, und einem Vater, der nur sporadisch auftauchte und irgendwann ganz aus ihrem Leben verschwunden ist.
Der Roman endet mit Bens und Sunnys Hochzeit. Die Beschreibung von Julias Gefühlen ist sehr emotional, ich war zu Tränen gerührt. Die lange überfällige Aussprache von Mutter und Tochter fand ich großartig. Einen weiteren emotionalen Moment hatte ich am Ende bei der Zusammenfassung der Geschehnisse, die sich in den Jahren nach der Hochzeit ereignet haben. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen großartigen, hochemotionalen Familienroman.

Bewertung vom 14.08.2024
Der Honigmann
Huth, Peter

Der Honigmann


ausgezeichnet

Der Honigmann ist ein Roman über die Zerstörung einer Kleinstadtidylle, der mir sehr gut gefallen hat.
Tim und Fine mit Tochter Carla, Katja und Robert mit Nick und Justus sowie Albert und Louisa mit ihren drei Kindern wohnen in einer kleinen idyllischen Siedlung. Hinter den Gärten fließt der Fischbach, der auch Namensgeber des Ortes ist. Die Kinder sind im Grundschulalter und spielen miteinander bei regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Grillabenden. Sie besuchen die nahe gelegene Friedrichschule - „Hier und nirgendwo anders war Bullerbü.“
Neben der Schule hat ein kleiner Laden aufgemacht, in dem ein älterer Herr Honig in allen Variationen und Dekoartikel verkauft. Katjas und Roberts Sohn 10jähriger Sohn Justus hilft gern in dem Lädchen aus, da er sich sehr gut mit dem „Honigmann“ versteht.
Eines Tages stellt eine Mutter der Friedrichschule, die sich für Bienen und die Imkerei interessiert, Nachforschungen über den Honigmann an. Dabei kommt heraus, dass er vorbestraft ist und im Gefängnis war.
Fine erstellt eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Fischbach-Mütter“ für „alle Mütter, die sich von dem Honigmann bedroht fühlen. Wir müssen etwas tun. Bevor etwas geschieht! Bitte teilt, dass es diese Gruppe gibt.“ - Die Hetzjagd auf den Honigmann beginnt.
Neben den „Fischbach-Müttern“ und Vätern beteiligen sich noch viele andere Menschen an der Hetzkampagne: Der Dorfpolizist, der aus der Großstadt gekommen ist und daran gewöhnt ist, in Fischbach eine ruhige Kugel zu schieben, der Schuldirektor mit seiner Stellvertreterin und der Besitzer der Dorfkneipe.
Dann geschieht etwas, das zu einer 180-Grad-Wendung führt: Der Täter wird zum Opfer und Fine zur Angeklagten.
Der Autor gewährt tiefe Einblicke in die Psyche der drei Paare, ihre Gedanken und Handlungen. Der Honigmann selbst kommt nicht zu Wort, was mich aber nicht gestört hat.
Der Schreibstil ist relativ nüchtern, aber authentisch, ab der Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, da ich unbedingt erfahren wollte, wie die Geschichte endet. Der Epilog bildet einen schönen Abschluss. Wer Einblicke in die stetige Zerstörung einer Idylle bekommen möchte, wird an Der Honigmann seine/ihre Freude haben.

Bewertung vom 13.08.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Cascadia ist mein erstes Buch der Autorin. Der Originaltitel „Bear“ weist bereits daraufhin hin, dass ein Bär im Mittelpunkt der Geschichte steht.
Sam (28) und Elena (30) leben seit ihrer Geburt mit ihrer alleinerziehenden Mutter auf der San Juan Island. Die Mutter ist schwer krank und wird von ihren Töchtern gepflegt. Nur wegen ihr bleiben die beiden in dem kleinen, ärmlichen Häuschen auf der Insel, ihr Traum ist es, woanders ein neues Leben anzufangen.
Sam arbeitet auf der Fähre im Bistro und Elena im Golfclub. Während der Pandemie hatte nur Elena Geld verdienen können. Die medizinische Behandlung und die Medikamente für die Mutter verschlingen unheimlich viel Geld.
Eines Tages entdecken sie vor ihrem Haus einen Bären. Kurz davor hatte Sam gesehen, wie er an der Fähre entlang zur Insel geschwommen ist. Die beiden Schwestern reagieren völlig unterschiedlich – Sam bekommt Panik und ängstigt sich zu Tode, während Elena von dem wilden Tier fasziniert ist und seine Nähe sucht.
S. 107: „Sie hatte die ganze Woche daran gedacht, wie es gewesen war, ihm im Wald zu begegnen. Sein massiger Körper zwischen den Bäumen. Sein Blick. Sie hatte jeden Blutstropfen im Körper gespürt, als er sie ansah. … Sie hatte sich lebendig gefühlt – als wären der Bär und sie die einzigen Lebewesen auf der Welt.“
Sam setzt sich mit der Washingtoner Jagd- und Fischereibehörde in Verbindung und lässt sich über das richtige Verhalten im Umgang mit Bären beraten. Elena hingegen sucht nach dem Bären und lockt ihn mit Nahrungsmitteln an.
In Madeline von der Jagdbehörde und ihrem Nachbarn Danny findet Sam Verbündete in ihrem Vorgehen gegen den Bären.
Der Bär löst die erste heftige Auseinandersetzung zwischen den Schwestern in ihrem bis dahin sehr harmonischen Zusammenleben aus. Elena war für Sam immer ein Vorbild und bisher hatte Sam immer alles so gemacht, wie Elena es wollte.
Die Darstellung der konträren Verhaltensweisen der beiden Schwestern gegenüber dem Bären fand ich faszinierend. Unfassbar, welche Lawine der Bär mit seinem Auftauchen ausgelöst hatte. Geheimnisse kamen ans Licht, die dazu führten, dass Sams Träume, genauso wie die innige schwesterliche Beziehung, zerplatzt sind.
Das Ende hat mich sehr überrascht, damit habe ich nicht gerechnet. Den Schreibstil der Autorin mochte ich sehr. Aufgrund der im Buch vorherrschenden deprimierenden Atmosphäre ziehe ich einen Stern ab. Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, und ich empfehle es gern weiter.