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Bellis-Perennis
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Wien

Bewertungen

Insgesamt 920 Bewertungen
Bewertung vom 23.10.2024
Das Scheusal im Berg (eBook, ePUB)
Zingerle, Roland; Zingerle, Roland

Das Scheusal im Berg (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Roland Zingerle schickt in diesem 7. Band seiner Wörthersee-Krimi-Reihe seinen Privatdetektiv Heinz Sablatnig auf die zunächst eher langweilige Suche nach Bruno Bauer, einem jungen Mann, der von seiner Tante Ulrike Schuster und seinem Arbeitgeber vermisst wird. Eine Kreditkartenabrechnung deutet auf eine Zugfahrt nach Genua hin. Das will Frau Schuster nicht glauben, denn sie hält Bruno, der ein wenig eingeschränkt ist, für eine solche Aktion nicht schlau genug.

Erst als er herausfindet, dass Brunos Nachbarin ausgerechnet Vesna, Verkäuferin in jenem Gemüseladen ist, in dem zwei Tage zuvor bei einem Einbruch eine junge Polizistin mit ihrer Dienstwaffe erschossen worden ist, und in dem die Polizei unter den Steigen mit Salatköpfen Drogen gefunden hat, hat Heinz eine Hypothese, wie das zusammenpasst.

Während Sablatnig nach Bruno sucht bzw. seine Theorie der ermittelnden Chefinspektorin Sabine Oleschko unterbreitet, gerät der Bergsteiger Lukas Katolnig auf der Hochalmspitze in einen Schneesturm, stürzt ab und findet sich ziemlich derangiert in einer Kapelle wieder, die von Schwester Anna, einer Nonne bewohnt wird. Sie bewacht eine Höhle, in der einer alten Kärntner Sage nach, seit Jahrhunderten ein Scheusal, gefangen gehalten wird.

Neun Tage später kehrt Lukas in die Zivilisation zurück, wird wegen seiner Verletzungen und einer Amnesie im Krankenhaus behandelt. Bei dem Gespräch, zwischen Lukas und Heinz, das die Chefinspektorin eingefädelt hat, fällt wieder einmal ein bekannter Name: Vesna....

Meine Meinung:

Geschickt verknüpft Roland Zingerle diese alte Kärntner Sage mit dem Einbruch in das Gemüsegeschäft, das als Drogenumschlagplatz dient und dem Mord an der Polizistin. Dieser ungewöhnlicher Mix sorgt für zahlreiche Wendungen und Überraschungen.

Der Krimi ist vielschichtig und komplex. Das Motiv, dem alles zu Grunde liegt, hat schon Goethes Faust gewusst: „Nach Golde drängt, am Golde hängt, doch alles.“

Einzig die Auflösung zum Scheusal, dass im Stollen lauert, hätte ein wenig ausführlicher beschrieben werden können. Die Erklärung kann leicht überlesen werden, wenn man keine entsprechende Vorkenntnisse hat.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Kärnten-Krimi, bei dem der Wörthersee ausnahmsweise keine Rolle spielt, 5 Sterne.

Bewertung vom 23.10.2024
Cold Case Ötzi
Rohrer, Josef

Cold Case Ötzi


ausgezeichnet

Als ein deutsches Ehepaar am 19. September 1991 eine teilweise aus dem Gletschereis herausragende, mumifizierte Leiche auf dem Tisenjoch entdeckt hat, weiß noch niemand, welche Bedeutung dieser Fund haben wird. Es die als „Ötzi“ bekannte, mehr als 5.000 Jahre alte natürliche Mumie eines Mannes, die nach wie vor Rätsel aufgibt.

In diesem Buch beschreibt Josef Rohrer wie Alexander Horn, Oliver Peschel und Andreas Putzer, drei Experten aus den Bereichen Operative Fallanalyse, forensische Pathologie und hochalpine Archäologie, den 5.000 Jahre alten „Cold Case Ötzi“ mit wissenschaftlichen Methoden von heute untersuchen. Als „Schreibfräulein“ fungiert Autor, Journalist und Kurator zahlreicher Ausstellungen Josef Rohrer.

Die Experten, die sich für einige Tage auf eine Südtiroler Berghütte zurückgezogen haben, sortieren die zahlreichen Informationen und bekannte Fakten, versuchen die damaligen Lebensumstände an Hand von bekannten anderen archäologischen Funden zu rekonstruieren und entwerfen ein mögliches gesellschaftliches Umfeld des Toten. Manche ihrer Hypothesen verwerfen sie gleich wieder, andere werden näher betrachtet.

In folgenden acht Kapiteln werden sowohl die Vorgehensweise als auch die Schlüsse aus den Diskussionen erläutert:

Ockhams Rasiermesser
Ein Kupferbeil, 61 Tattoos
Ein mickriger Dolch und ein Comic
Zwei Pfeile und kein Bogen
Auf der Flucht. Aber weshalb?
Das Rätsel der Hopfenbuche
Schuss aus dem Hinterhalt
Ein Bild des Täters

Was genau die Experten herausgefunden haben und wie sie dabei im Detail vorgegangen sind, kann in diesem sehr interessanten Buch nachgelesen werden.

Meine Meinung:

Josef Rohrer hat hier eine fesselnde Zusammenfassung der Gespräche, Gedanken und Hypothesen dieser Expertenrunde geschrieben, die uns Laien einen Einblick in diese Fachgebiete gewährt.

Zur besseren Erläuterung sind manche Diskussionen im genauen Wortlaut aufgezeichnet. Zahlreiche Fotos der Region, von Ötzi und seiner Ausrüstung, Ausschnitte aus Landkarten, Skizzen und die Erklärungen wie der Tote aus der Kupferzeit seine Gegenstände gebraucht hat, ergänzen diese höchst interessante Spurensuche.

„Doch gerade weil dieser Cold Case nie ganz aufzuklären sein wird, bleibt er eine geile G’schicht.“ (Alexander Horn, operativer Fallanalyst)

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem faszinierendem Buch, das ein klein wenig Licht in diesen „very Cold Case“ bringt, 5 Sterne.

Bewertung vom 22.10.2024
Das Opern-Phantom (eBook, ePUB)
Friedlaender, Maren

Das Opern-Phantom (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nach „Rheingold“ und „Schweigen über Köln.“ dürfen wir KHK Therea Rosenthal nun abermals über die Schulter schauen. Diesmal bekommt sie es zunächst einmal mit einer Toten im Kölner Südpark zu tun. Es sieht aus, als hätte sich die Frau einen Goldenen Schuss gesetzt. Doch wie soll das gehen, wenn sie mit K.o.-Tropfen zugedröhnt ist? Als sie dann als Claudia Ruppert,Journalistin und Ehefrau des Kulturstaastsekretärs identifiziert wird und die Kriminaltechnik in einer klinisch sauberen Wohnung ihrer Arbeit nachgehen muss, keimt der Verdacht auf, dass hier eine unliebsame Journalistin aus dem Weg geräumt worden ist.

Auch der dezente Hinweis des Polizeirates, dass, hier mit Fingerspitzen ermittelt werden soll, ist ein Fingerzeig, dass es hier um mehr als „nur“ eine tote Journalistin geht.

War die Tote einem Skandal auf der Spur? Nur welchem? Die Liste der Möglichkeiten ist hier lang, doch als dann noch eine Mitarbeiterin des Bauamtes auf der ewigen Baustelle der Kölner Oper in einem Betonfundament eingegossen aufgefunden wird, ist klar, dass die Sanierung der Oper eine zentrale Rolle spielt.

Und was hat der Einbruch in das Haus von Felix Stroebel, dem Vorsitzenden des Vereines der Freunde der Kölner Oper, das eigentlich wie Fort Knox gesichert ist, zu tun?

Fragen über Fragen, die gekonnt und schlüssig beantwortet werden.

Meine Meinung:

Autorin Maren Friedlander hat hier einen fesselnden, feinsinnigen und an einigen Stellen auch schwarzhumorigen Krimi geschrieben.

Zentrales Thema ist die Sanierung des Kölner Opernhauses, ein Fass ohne Boden. Ich war im April 2024 ein paar Tage in Köln und durfte diese Baustelle unter den kundigen Erklärungen eines befreundeten Ehepaares aus Köln bewundern.

Denn, statt der veranschlagten 253 Mio sind bis August 2024 1,3 Mio Euro angefallen. Zum Vergleich ist die Elbphiharmonie, deren Baukosten durch jahrelange Verzögerungen auf 866 Mio gestiegen ist, schon ein richtiges Schnäppchen. Daher ist das geflügelte Wort „Aber eine Elphie kriegen wir nicht“, das sich durch den Krimi zieht, durchaus nachvollziehbar.

Und auch das zweite Zitat, das aus der Oper „Benventuto Cellini“, mit der das renovierte OPernhaus 2015 glanzvoll eröffnet werden hätte werden sollen „Das hat die Welt noch nicht gesehen“, mit dem sich die Politikprominenz häufig brüstet, passt perfekt, wenn auch im negativen Sinn.

Großbaustellen, die Zeit und Finanzierung sprengen, haben in der Stadt Köln ja eine lange Tradition. Man denke nur an den Kölner Dom, dessen Bau 1248 begonnen und erst 1880 fertiggestellt worden ist.

Doch zurück zum Krimi.

Die Charaktere sind authentisch und bodenständig dargestellt. KHK Theresa Rosenthal hat die Fünfzig überschritten, fühlt sich urlaubsreif und hätte, statt während der Osterfeiertage in Köln zu ermitteln, lieber ein paar Tage in der Sonne verbracht. Sie macht sich so allerhand Gedanken um die politische Weltlage, die sich durch die Pandemie und Russlands Einmarsch in die Ukraine sowie die eigenartige Veränderung der Gesellschaft in eine ungesunde Richtung entwickelt hat.

Die in vielen anderen Krimis oft erwähnten Rivalitäten zwischen den Mitarbeitern in der Dienststelle sind hier ausgespart. Rosenthal ist als Leitende Hauptkommissarin unumstritten und läuft, wenn sie im Umfeld der Politik ermitteln muss, zur Höchstform auf. Das muss auch „Mr. Netzwerk“ Bollinger erkennen, als er sie zuerst nur als „schmückendes Anhängsel“ von Clarissa von Hammerstadt wähnt. Doch mit ein, zwei wohl platzierten Sätzen, belehrt sie ihn eines Besseren.

„Irgendetwas war dran an der Floskel, jemandem falle das Gesicht herunter. Bollingers fiel. Er hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass die Verbindung zwischen Ruppert und Rehlinger bekannt war.“

Entzückend und erfrischend ist Rosenthals betagte Tante Clarissa von Hammerstedt, die den Freund der toten Journalistin mit folgenden Worten für ein paar Tage bei sich aufnimmt:

„Ach, der kleine Conte!“ rief Tante Clarissa begeistert. „Ein herrliche Bonvivant! Und so lustig!“
Farinesi hatte sich nicht mit seinem Grafentitel vorgestellt. Typisch alter Adel. Entweder, man wusste, wer sie waren, oder nicht. Wenn nicht, zählte man sowieso nicht. Sie kannte das von ihrer Familie. Ihre Mutter war genauso. Rosenthal erklärte die Situation, und dass der Bonvivant wahrscheinlich nicht in der besten Stimmung sei.

Mir hat dieser fesselnde Krimi sehr gut gefallen. Überall, wo die öffentliche Hand Großprojekt durchführt, treten ungewollt oder gewollte Planungsmängel zutage. Häufig sind hier Leute involviert, denen das Verschleudern von Steuergeld ziemlich egal ist. Sie verwenden solche Vorhaben um ihr Ego aufzupolieren und/oder einen ordentlichen finanziellen Gewinn daraus zu ziehen. Manchmal fällt ein solches Kartenhaus um Immobilienspekulationen, Korruption und Geldvernichtung in sich zusammen - leider viel zu selten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem flotten und fesselnden Krimi aus Köln 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 20.10.2024
FRANZ
Goiginger, Adrian;Müller, Walter

FRANZ


ausgezeichnet

Dieses Buch ist die Biografie von Franz Streitberger, dem Urgroßvater des Autors und Filmemachers Adrian Goiginger. Eine kurze Episode dieser Lebensgeschichte, ist die Basis für die Geschichte des deutsch-österreichischen Kinofilm „Der Fuchs“.

„I hob nix zum Dazöhn!“ ist der Standardsatz, den Urenkel Adrian von seinem Urgroßvater Franz häufig hört. Der wortkarge Mann ist 1917, also während des Ersten Weltkrieges geboren und in bitterer Armut auf einem kleinen Bergbauernhof im Salzburger Pinzgau aufgewachsen. Franz erinnert sich an den ständigen Hunger, das erste Paar Schuhe und daran, dass er 1928, wie Hunderte andere Kinder seiner Generation, auf fremden Höfen „in Deanst“ (also als billige Arbeitskräfte) gehen musste, um die eigene Familie zu entlasten.

Später verdingt er sich als Tagelöhner und tritt in das österreichische Bundesheer ein, das im Ständestaat attraktiver Arbeitgeber erscheint, denn man verspricht den Rekruten, eine Staatsanstellung nach drei Jahren beim Militär. Diese Jahre sollten drei lehrreiche werden, denn Franz erwirbt die Lenkerberechtigung zum Kraftradlenker. Kaum abgerüstet, muss er nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland in die Wehrmacht einrücken. 1941 heiratet er Susanne und verpasst kriegsbedingt die Geburt seines ersten Sohnes.

Über die Zeit in der Wehrmacht verliert der ohnehin wortkarge Mann noch weniger Worte. Auch der Episode mit dem Fuchs, widmet Franz Streitberger nur wenige Worte. Der Autor kann aus den wenigen Erzählungen, die fast nur Andeutungen sind, und den erhalten gebliebenen Feldpostbriefen, einige rekonstruieren. Doch die meisten Erinnerungen verschließt Franz Streitberger vor seiner Familie. Die Kriegsgefangenschaft im Rheinwiesenlager und die katastrophalen Zustände dort, sind Franz auch nur wenige Worte wert.

Im Dezember 1945 kehrt Franz Streitberger wieder in den Pinzgau zurück, findet später Arbeit bei der Eisenbahn, baut ein Haus und wird Vater von weiteren Kindern. Ab 2000 lebt er mit Ehefrau Susi, die 2002 stirbt, in einem Seniorenheim. Franz Streitberger stirbt 2017, knapp vor seinem 100. Geburtstag.

Meine Meinung:

Diese Biografie ist sehr gut gelungen! Adrian Goiginger beschreibt in 13 Kapiteln das Leben seines Urgroßvaters. Dazu hat er schon in seiner Jugend lange Gespräche mit dem wortkargen Mann geführt. Das scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Zwischen den Aufzeichnungen liegen zahlreiche Recherchen in diversen Archiven, um die Auslassungen und Leerstellen zu füllen. Einiges konnte gefunden und eingefügt werden, manches bleibt verborgen, weil sich Franz Streitberger dazu gar nicht äußern wollte.

Erstaunlich ist, dass zahlreiche Fotos aus dem Besitz von Franz Streitberger die Jahre überdauert haben, die eine authentische Ergänzung zum Text bilden. In meiner Familie gibt es kaum welche.

Adrian Goiginger schildert das Wesen seines Urgroßvaters liebevoll und voller Respekt. Schmunzeln musste ich, als Streitberger nachfragt, ob ein Film „eh was G’scheits is“. Für diese Generation zählt körperliche Arbeit mehr als Bürotätigkeiten, Film oder Literatur.

Das Buch ist in gediegener Form als Hardcover mit Lesebändchen im Salzburger Anton Pustet Verlage erschienen. Das Coverfoto zeigt den jungen Franz Streitberger bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Schrauben am Motorrad, diesmal die militärische Beiwagenmaschine.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Biografie, die Zeitgeschichte für uns erlebbar macht, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 18.10.2024
Fahren Sie sofort los!
Sichtermann, Barbara;Rose, Ingo

Fahren Sie sofort los!


ausgezeichnet

„Fahren Sie sofort los!“ Diese Worte wird Alexandra Kollontai (1872-1952) mehrmals in ihrem Leben hören, wenn ih die Verhaftung droht.

Zunächst wächst sie als Alexandra Michailowna Domontowitsch, Tochter eines russischen General ukrainischer Abstammung und einer finnischen Mutter, umgeben von zahlreichen Bediensteten in Sankt Petersburg auf. Das altkluge, wissbegierige Mädchen wird, wie damals üblich, von Hauslehrern unterrichtet. Sie erlebt das tödliche Attentat auf Zar Alexander II. (1881) durch die Narodnaja Wolja sowie die anschließenden Hinrichtungen der Attentäter, darunter Alexander Uljanow, Lenins Bruder, und Sofja Perowskaja.

Recht bald kommt sie mit dem revolutionären Gedanken in Kontakt und beschließt, als Sozialistin die Welt, und da vor allem das Los der Frauen, verändern zu wollen. Sie lässt Mann und Kind zurück und geht nach Zürich, um Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Wenig später muss sie aus Russland fliehen, weil ihr auf Grund ihrer Schriften und ihres Engagement für den Sozialismus und die Gleichberechtigung für die Frauen die Verhaftung droht. Nach mehreren Stationen in Deutschland und Frankreich landet sie in Skandinavien. Den Beginn des Ersten Weltkriegs und die Kriegsbegeisterung auch zahlreicher ihrer Freunde erlebt sie in Deutschland, wo sie als „feindliche Ausländerin“ interniert und dann nach Dänemark abgeschoben wird.

Obwohl sie bis 1915 den Menschewiki angehört, wechselt sie zu den Bolschewiki, kehrt 1917 nach Russland zurück, schließt sich den Revolutionären an. Wieder droht die Verhaftung, der sie nur knapp entgeht. Wenig später siegen die Bolschewiki unter Lenin und Kollontai wird im November 1917 Volkskommissarin (= Ministerin) für soziale Fürsorge. Damit ist sie Europas erste Ministerin.

Das Auf und Ab ihrer politischen Karriere setzt sich fort. Die spätere Annäherung an den Stalinismus schadet ihrem Ansehen im Ausland. Trotzdem ist sie als Botschafterin der UdSSR in Norwegen und Schweden.

Alexandra Kollontai lebte weitgehend selbstbestimmt und war mit ihren Ansichten und Forderungen ihrer Zeit weit voraus.

Bis heute gilt Alexendra Kollontai als einflussreiche Vorkämpferin für Frauenrechte und Vordenkerin für freie Liebe.
Ihre oft fundamentalistischen Ansichten bezüglich der Kollektivierung der Landwirtschaft und die Entlassung bzw. den Parteiausschluss von Personen, die nicht aus der Arbeiterklasse stammen, machen sie allerdings zu kontroversen Persönlichkeit.

Meine Meinung:

Das Autorenduo Barbara Sichtermann und Ingo Rose hat eine interessante Roman-Biografie über Alexandra Kollontau verfasst. Die Autoren beleuchten den Lebenslauf der Tochter aus gutem Hause und ihre Verwandlung zur Vorkämpferin für Frauenrechte.

Zahlreiche Auszüge aus Briefen, Zeitungsartikeln und Schriften der Kollontai geben gemeinsam mit einigen Fotos ein
beredtes Zeugnis der Verfechterin des Sozialismus ab. Die Hinwendung zum Stalinismus lässt sie allerdings in einem kontroversen Licht erscheinen.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser differenzierten Biografie der russischen Vorkämpferin für soziale Gerechtigkeit und Frauenemanzipation 5 Sterne.

Bewertung vom 18.10.2024
Warum Wein einst gesünder als Wasser war und wie Kartoffeln die Welt verändert haben
Dittlbacher, Fritz

Warum Wein einst gesünder als Wasser war und wie Kartoffeln die Welt verändert haben


gut

Gleich vorweg, von diesem Buch habe ich mir deutlich mehr erwartet als eine oberflächliche und kurze Betrachtung diverser Themen. Immerhin ist Autor Fritz Dittlbacher, Historiker und ORF-Journalist.

In folgenden sieben Kapiteln erzählt Dittlbacher mehr oder weniger bekannte Anekdoten und Schnurren aus der ganzen Welt:

Vom Essen und Trinken
Devices, Gadgets, Apps – die Geschichte der modernen Werkzeuge
Vom Menschen und seiner Welt – die Geschichte vom Anthropozän
Von Heidenfreuden und christlichen Feiertagen
Vom Zusammenleben – Geschichten von Gesellschaft und Staat
Failed states, Länder an der Kippe – und wie man es besser machen kann
Von Berühmtheiten und Bösewichtern

Meine Meinung:

Wenn man dieses Buch positiv bewerten will, so kann man einen durchaus humorvollen Streifzug durch die Geschichte erkennen. Bei kritischer Betrachtung muss man feststellen, dass hier zahlreiche Themen recht kurz und eher oberflächlich abgehandelt werden.

Leser, die sich für Geschichte und die österreichische im Besonderen interessieren, werden hier so gut wie nichts Neues entdecken.

Das Kapitel 6 („Failed states, Länder an der Kippe – und wie man es besser machen kann“) fällt ein wenig aus dem Rahmen, das es wenig Amüsantes zu bieten hat. Den Niedergang einiger Staaten wie Argentinien, Haiti, Türkei, Libanon, Taiwan sowie Israel und Gaza auf nur 10 (!) Seiten zu beschreiben, kann nur als sehr oberflächlich klassifiziert werden. Nicht immer liegt die Würze in der Kürze.

Fazit:

Dieser losen Ansammlung von mehr oder weniger Kuriosem und Amüsanten gebe ich 3 Sterne, denn an Geschichte Interessierte werden hier wenig Neues erfahren.

Bewertung vom 17.10.2024
Spiegelberg
Gasser, Christof

Spiegelberg


ausgezeichnet

Dieser dritte Krimi rund um die Journalistin Cora Johannis eröffnet einen tiefen Blick in die Abgründe der Schweizer Gesellschaft.

Worum geht’s?

Auf einer Veranstaltung in Solothurn treffen sich Cora Johannis und Françoise Gravier, die ehemalige Botschafterin Frankreichs, wieder. Wenig später erleidet Françoise einen schweren Unfall. Am Krankenbett ersucht sie Cora, sich um ihre Tochter Camille zu schützen. Das ist gar nicht so leicht, denn zahlreiche Un- und Zufälle scheinen Cora von ihrer Aufgabe abhalten zu wollen.

Doch niemand rechnet mit der Sturheit von Cora. Die Recherchen führen Cora Johannis ist eine längst vergangen geglaubte düstere Vergangenheit der Schweiz.

Meine Meinung:

Christof Gasser hat mit diesem Krimi nach „Schwarzbubenland“ und „Blutlauenen“ einen weiteren, bis zur letzten Seite fesselnden Krimi geschrieben. Wie immer ist die Handlung sehr komplex und Ermittler wie Leser wissen lange nichts oder nur wenig über die Zusammenhänge.

Obwohl ich historisch sehr interessiert bin, ist mir der Jura-Konflikt nicht wirklich geläufig. Da muss ich noch ein wenig recherchieren.

Autor Christof Gasser versteht es meisterlich, historische Ereignisse mit der Gegenwart zu verknüpfen. Auf zwei Zeitebenen begleiten wir Täter und Opfer sowie Nutznießer des Konfliktes.

Die Charaktere sind sehr gut und detailliert ausgearbeitet. Als Leser kann man den Figuren ihre Dialoge sowie Taten abnehmen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi, der bis zur letzten Seite fesselt, 5 Sterne.

Bewertung vom 16.10.2024
Tod auf Schloss Solitude
Fiess, Martina

Tod auf Schloss Solitude


sehr gut

Dieser achte Krimi rund um die Werbetexterin Bea Pelzer ist für mich der erste aus dieser Reihe. Schauplatz ist das zwischen 1763 und 1769 von Herzog Carl Eugen von Württemberg in Auftrag gegebene Schloss Solitude in Stuttgart.
Das Lustschloss ist gerne gebuchte Location für allerlei Festlichkeiten sowie Imagefilme und Werbefotos. So findet diesmal eine Veranstaltung der erfolgreichen Werbeagentur „Hohlbergs Reich“ inklusive Weinverkostung statt. Die Angestellten, darunter Texterin Bea Pelzer, Jeanette Wagenbach und Pauline Ulmer führen die Gäste in historischer Verkleidung durch das Schloss, als Pauline plötzlich fehlt. Wenig später wird sie ermordet im Garten aufgefunden.

Der Verdacht fällt recht bald auf den Rapper Dragan, dem Ex-Freund Paulines, mit dem sie erst am Vorabend einen veritablen Streit hatte. Doch Dragan scheint ein Motiv (Eifersucht), aber auch Alibi zu haben.

Als dann der Verdacht aufkommt, Pauline könnte das Opfer einer Verwechslung gewesen sein, weil sie und Bea in der Kostümierung einander sehr ähnlich sahen, beginnt Bea auf eigene Faust zu recherchieren und stößt dabei auf einige interessante Details, die eine ganz andere Sichtweise auf Paulines Tod werfen und Bea in große Gefahr bringen.

Meine Meinung:

Dieser Krimi hat mir recht gut gefallen, denn er gibt Einblick in die Welt der Werbebranche, die hart um den Etat ihrer Kunden kämpft. Die beiden Agenturchefs Hohlberg und Silber sind Todfeinde und ringen um lukrative Aufträge. Manchmal werden dazu auch unlautere Mittel, wie Diffamierung des Konkurrenten sowie Ausbeutung und sexuelle Übergriffe auf Mitarbeiterinnen verwendet.

Der Krimi selbst ist gut angelegt und das Lustschloss Solitude bietet mit seinem barocken Garten eine beeindruckende Kulisse. Sehr geschickt ist die Geschichte des Schlosses in das Geschehen eingeflochten, denn wir erfahren einiges darüber aus dem Mund von Bea, die als Franziska von Hohenheim verkleidet, die Teilnehmer des Events durch das Schloss führt. Dazu passt auch das Cover perfekt.

Es gibt mehrere Verdächtige, die alle ein passendes Motiv haben. Das ist zum einen Paulines Ex-Freund Dragan, aber auch Britta, die Freundin von Agenturchef Hohlberg, die das Testimonial für die nächste Werbekampagne für exquisite Schokolade sein soll. Blöderweise ist auch Pauline für diese Fotosession Modell gestanden und gefällt dem Auftraggeber besser, als die überschlanke Britta.

Die Auflösung erfolgt dann in einem Showdon, der Bea abermals ordentlich in die Bredouille bringt und ist wenig überraschend, da die Hinweise auf den Täter sehr subtil versteckt worden sind.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Stuttgart-Krimi 4 Sterne.

Bewertung vom 15.10.2024
Tod am Nussdorfer Wehr
Albich, Mina

Tod am Nussdorfer Wehr


ausgezeichnet

Manuel Lienhart, ein etwas in die Jahre gekommener Musiker, DJ und Frauensammler, fällt während einer rauschenden Party vom Balkon seiner Wohnung. Felix Grohsmann und Joe Kettler stellen sich die Frage nach Unfall, Suizid oder Fremdverschulden? Möglich ist alles, ist doch der Mann ziemlich alkoholisiert, sein Stern ist im Sinken und ganz so beliebt war er vor allem bei den Ehemännern seiner zahlreichen Freundinnen auch nicht.

Als dann ein Befund auftaucht, dass er an einem Gehirntumor gelitten haben soll, scheint sich die Waage Richtung Suizid zu neigen, obwohl kein Abschiedsbrief gefunden wird. Das erinnert Inspektor Grohsmann fatal an den Suizid seines Freundes vor 25 Jahren, der sich just von der in der Nähe befindlichen Schemerlbrücke am Nussdorfer Wehr gestürzt hat. Auch damals gab es keinen Abschiedsbrief und dessen Schwester ist noch heute auf Grohsmann wütend.

Je tiefer die Ermittler in das Leben des toten Musikers eintauchen, desto mehr Ungereimtheiten und Zweifel tauchen an der Selbstmordtheorie auf, zumal Nicky Witts aktueller Klient behauptet, Lienhart vom Balkon gestoßen zu haben. Blöderweise unterliegt die Beichte der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht. Kann Nicky ihren Klienten überzeugen, zur Polizei zu gehen?

Und hat der verschwundene Steuerberater Benning, der zahlreiche Bekannte (und damit Verdächtige) Lienharts bei ihren Steuerfragen berät, mit Lienharts Tod zu tun?

Als dann noch völlig unerwartet ein Testament auftaucht, werden die Karten nochmals neu gemischt.

Meine Meinung:

Dieser dritte Fall für Felix Grohsmann, Joe Kettler und Nicky Witt ist ein komplexer Krimi, bei dem wenig so ist, wie es scheint. Nur der Personalengpass und der ewig nörgelnde Vorgesetzte bei der Abteilung Leib und Leben sind echt. Die hohen Anforderungen lassen die einzelnen Teammitglieder gereizt und auch unvorsichtig agieren.

Wir Leser dürfen den einen oder anderen Blick in den Kopf des Täters machen, was aber zunächst einmal nicht wirklich weiter hilft. Der häufige Perspektivenwechsel lässt weder den Ermittlern noch den Lesern viel Zeit zum Verschnaufen.

Die Charaktere sind gut durchdacht und haben so ihre Ecken und Kanten. Gut gefällt mit Felix‘ Neffe, das Mathe-Genie, das neben dem Gymnasium schon auf die Uni geht. Ich hoffe, er darf ebenso bleiben wie seine Freundin, eine Super-Recognizerin. Die unbekümmerte und erfrischende Art der beiden jungen Menschen gefällt mir sehr gut.

Als Wienerin Iiebe ich Krimis, deren Schauplätze ich gut kenne. Erst unlängst bin ich mit einer Freundin zur Schemerlbrücke spaziert und habe in den, nach dem Hochwasser von Mitte September, wieder ruhig dahin fließenden Donaukanal geschaut.

Das Cover zeigt die Schemerlbrücke beim Nussdorfer Wehr. Die Brücke ist nach dem Wasserbautechniker und Architekt Joseph Maria Schemerl von Leythenbach (1754-1844) benannt.


Fazit:

Gerne gebe ich diesem flotten Krimi, der mit einer unerwarteten, aber schlüssigen Lösung aufwartet, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 14.10.2024
O du mein Österreich
Janacs, Christoph;Laher, Ludwig;Ruiss, Gerhard

O du mein Österreich


ausgezeichnet

Die Autoren Christoph Janacs, Ludwig Laher und Gerhard Ruiss gehen in diesem interessanten Buch dem Wesen eines patriotischen Hymnos generell, sowie dem der österreichischen Landeshymnen und der österreichischen Bundeshymne im Speziellen nach.

Österreich, ein Land, eine Nationalhymne, neun Bundesländer, doch nur acht haben eine Landeshymne - vom Burgenland bis Vorarlberg. Nur Wien hat keine.

Die Autoren gehen auf die jeweilige Herkunft von Text und Melodie sowie das Entstehungsjahr der Hymnen ein. Dabei betrachten sie kritisch, dass man nach wie vor, Werke von Komponisten und Textern, die der NS-Diktatur sehr nahe standen, spielt. Sie zu identitätsstiftendem Brauchtum hochstilisiert. Hat das mit dem falsch verstandenen Selbstbewusstsein und Föderalismus zu tun?

Doch nicht nur Texte aus der Zeit des NS-Unrechtsregimes werden nach wie vor gesungen. Ziemlich reaktionär sind jene Hymnen der Steiermark und Tirols, beide 1844 entstanden: Die Steirische Landeshymne träumt nach wie vor vom „Wendenland bis an das Bett der Sav“ sowie vom „Rebenland im Tal der Drav“ (beides heute Slowenien). Und jene von Tirol, die Andreas Hofer (1767-1810), der aus dem Passaiertal (heute Südtirol) stammt, verehrt, hat auch schon einen grauen Bart.

Der Text, der österreichischen Bundeshymne, der von Paula von Peradovic (1887-1951) stammt, ist sogar mehrmals Thema von Gerichtsverhandlungen gewesen. Darf man den Text einer Bundeshymne dem aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen? Oder muss/soll er gleich ganz neu geschrieben werden?

Damit könnte dem politische Gezerre um „Töchter und Söhne“, Vater-/Mutter- oder Heimatland, Brüder- oder Jubelchöre ein Ende bereitet werden. Die ungeübten und selten des (welcher Fassung auch immer) Textes sicheren Sängerinnen und Sänger stolperten dann auch nicht mehr über das „verrückte“ Versmaß.

Könnte die notgedrungen wortlose Hymne Spaniens (die verschiedenen Regionen konnten sich auf keinen gemeinsamen Text einigen) ein Vorbild sein?

Noch einmal zurück zu Wien:

Wien ist ja bekanntlich anders. Dennoch hat sich 2007 ein Politiker des BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) für eine eigene Wiener Hymne stark gemacht. Der Donauwalzer, den man gemeinhin als Wiener Hymne ansieht, gelte nicht (Man(n) kann dazu nicht marschieren). Passend zu Falcos 50. Geburtstag am 19. Februar 2007 wäre doch „Vienna Calling“ ein passendes Werk. Oder doch nicht? Das Ende vom Lied? Wien hat nach wie vor keine eigene Hymne. Geht sie irgendjemandem wirklich ab?

Fazit:

Gerne gebe ich dieser kurzweiligen Reise durch Österreichs Hymnen 5 Sterne.