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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2014
Einer da oben hasst mich
Seamon, Hollis

Einer da oben hasst mich


sehr gut

Richie steht kurz vor seinem 18.Geburtstag, doch ob er den von vielen Jugendlichen ersehnten Schritt in das Erwachsensein noch erleben wird, ist fraglich, denn Richie hat Krebs im Endstadium. Die letzten Wochen bis zu seinem Tod muss er in einem Hospiz verbringen, wo hauptsächlich alte und gebrechliche Menschen auf ihre letzte Reise warten - bis auf Sylvie. Sie ist erst 15 Jahre alt und Richies große Liebe. Gemeinsam treiben sie (sofern es ihre Kräfte zulassen) viel Unfug im Krankenhaus und schmieden Pläne für die Zukunft, falls ihr Immunsystem vielleicht doch noch die nötigen Kräfte für die Genesung mobilisieren kann oder die Wissenschaft einen bahnbrechenden Durchbruch schafft. Den grenzenlosen Optimismus von Sylvie kann der Protagonist allerdings nicht teilen, denn die Chancen für einen Junge mit dem EDOHM-Syndrom, was bedeutet, dass eine höhere Macht ihn in diese missliche Lage gewünscht hat, stehen denkbar schlecht.

Mir hat der Roman von Hollis Saemon sehr gut gefallen, weil der Alltag im Hospiz authentisch, aber nicht zu bedrückend dargestellt wurde. Man spürt deutlich, dass die Amerikanerin selbst (gezwungenermaßen durch die Pflege ihres Sohnes) einige Zeit in den Fluren und Zimmern solcher Einrichtungen verbracht hat und nicht nur wie unbeteiligte Besucher den bedrückenden Geruch nach Desinfektionsmitteln wahrnimmt.
Aus der Sicht eines Jungen geschrieben, dem manchmal schon die Kräfte zum Aufrichten im Bett fehlen und trotzdem nicht den Sinn für Ironie und Abgeklärtheit verlor, hat die Autorin dennoch ein starke Persönlichkeit gemacht. Aufgrund seines Schicksals lässt er sich nicht hängen, sondern genießt die Treffen mit seinem flippigen Onkel oder die Gespräche mit der hübschen Sylvie unendlich. Vollkommen in seine Gefühlswelt aufgenommen, habe ich mich zwar nicht gefühlt, weil er bei heiklen Themen gerne abwiegelt und sie unter den Teppich kehrt, aber durch seine kindliche Ader, die durch das Kuscheln mit seiner Sternendecke ein Gesicht bekommt und natürlich seine furchtbaren Begleiterscheinungen der Krankheit, war er mir sofort sympathisch! Der lockere Schreibstil vermitteln zudem den Eindruck, als würden wir die Geschichte aus erster Hand am Bett des Patienten hören.

Die Hoffnung, dass es auf der Hospiz-Station vielleicht ein kleines Wunder gibt und das Pärchen Hand in Hand die Medikamente absetzen kann, flackert vermutlich automatisch bei den Lesern in regelmäßigen Abständen auf, sodass wir bis zum Ende mitfiebern.
Ein regelrechter Stimmungskiller der Handlung ist allerdings Sylvies herrischer und ungehobelter Vater, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt und damit allen Beteiligten (inklusive den Lesern) die Laune vermiest. Klüger wäre hier in meinen Augen einen etwas weniger aufbrausenden Charakter dem schwächlichen Richie entgegenzusetzen, obwohl er sich ohne Frage wacker schlägt!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2014
Und plötzlich war der Wald so still
Eriksson Sandberg, Moa

Und plötzlich war der Wald so still


sehr gut

Im friedlichen Rydöbruk haben die Sommerferien begonnen und Hanna kann sich nichts schöneres vorstellen, als mit ihren besten Freundinnen Jonna und Sabina an dem idyllischen Badesee mitten im Wald zu spielen und sich in Fantasiewelten zu träumen. Als dann die Nachricht von einer verschwundene Mitschülerin durch das Dorf wandert, die immer sehr beliebt und selbstbewusst war und zeitgleich einige Änderungen in Hannas Leben zusammenkommen, gerät der Wald immer mehr zu einer Bedrohung und wird zu einem Symbol der Gefahr. Einziger Lichtblick in dieser seltsamen Zeit ist der neue Junge in der Klasse, der gebürtiger Pole ist und Hanna mit seiner schüchternen Art, sowie seinem Aussehen sofort verzaubert hat. Auch Sabina ist frisch verliebt, doch kann ein Sommer, der mit einer Entführung anfing wirklich gut enden?

Die Mädchen sind 12 Jahre alt und von ihrem Entwicklungsstand her doch so unterschiedlich. Jonna interessiert sich noch kein bisschen für das andere Geschlecht, und liebt es, am Nachmittag ein Eis zu essen oder sich für ein spannendes Experiment im Wald zu verkleiden. Sabina dagegen ist schon ziemlich früh eher reif und will sich nicht mehr an den kindlichen Spielen beteiligen, sondern am liebsten nur herumknutschen. Die Protagonistin steht sprichwörtlich genau zwischen den Stühlen, denn einerseits deutet noch vieles in ihrem Denken und Handeln auf das kleine Mädchen hin, was bei einem Alptraum auf den Schoß ihres Vaters krabbelt, andererseits legt sie die Unbekümmertheit von Kindertagen langsam ab und lernt, dass es noch andere Dinge im Leben gibt, die eigentlich den Erwachsenen vorbehalten waren, jedoch so herrlich verlockend sind. Den Zwischenweg von dem naiven Kind zur widerspenstigen Teenagerin hat die Autorin ganz toll dargestellt und die Erinnerung an eigene unbeschwerte Stunden in der stillen Natur mit Gleichaltrigen aufleben lassen, die mich beim Lesen sogar nostalgisch werden ließen.

Die schwedische Idylle war atmosphärisch prima aufgebaut und durch das Drama um die verschwundene Linda sogar unterschwellig gruselig angehaucht. Einen Krimi darf man keineswegs erwarten, aber der Verlag hat Moa Eriksson Sandbergs Werk schließlich auch in das Genre „Roman“ eingeordnet. Zu Beginn war ich durch den Sturm der Gefühle regelrecht schockverliebt in den sanften Schreibstil und den gelungenen Handlungsbogen, der mit jeder Zeile irgendwie die Hektik und den Technikwahn der heutigen Jugend vergessen lässt. Im letzten Viertel bekam meine Begeisterung dann allerdings einen kleinen Dämpfer, weil speziell das Eheleben von Hannas Eltern etwas gegen meinen Geschmack verlief und einiges insgesamt beinahe in der Schwebe blieb.

Hanna dient trotzdem als hervorragendes Paradebeispiel für Mädchen auf der ganzen Welt, die sich von ihren Müttern missverstanden, von den Vätern vernachlässigt fühlen und sich von den Freundinnen aus der Vergangenheit abnabeln wollen. Die junge Zielgruppe wird sicherlich noch begeisterter sein als ich und den Roman, der sich so leider erschreckend flott durchschmökert, gerne erneut zur Hand nehmen – natürlich am besten in Waldnähe.

Bewertung vom 09.07.2014
Raum
Donoghue, Emma

Raum


gut

Normalerweise lese ich ein Buch in höchstens 2-3 Tagen in einem Rutsch, wenn ich mich erst einmal dazu entschlossen habe. Bei „Raum“ war das anders, denn obwohl Emma Donoghues Werk in einigen Bücherforen große Wellen der Begeisterung ausgelöst hat und mich deshalb zum Kauf veranlasste, was bei mir die Wirkung aber eher wie ein müder Wasserlauf, der an die Kaimauern platschte und mich bis zum Schluss nicht richtig erreichte.

Die Autorin hat ein Buch aus der Sicht eines 5-jährigen Jungen geschrieben, der gemeinsam mit seiner verschleppten Mutter in einer schalldichten Gartenlaube leben musste und nur durch den Fernseher eine Ablenkung von seiner kleinen Welt bekommt. Mangels Kontakt zu der Außenwelt ist er nicht nur sprachlich, sondern auch in allen anderen Bereichen nicht altersgemäß entwickelt, wenngleich seine Mutter sich die größte Mühe gibt, um ihm eine gute Erziehung zu gewährleisten und Abwechslung in den tristen Alltag zu zaubern. Das „falsche Kinderdeutsch“ des Jungen hat es mir sehr schwer gemacht einen flüssigen Leserhythmus zu finden, zumal einige Beschreibungen gar nicht sofort das Gemeinte deutlich erklärten und damit den Zusammenhang vermissen ließen. Die ganze Situation war auch so schrecklich bedrückend und machte wütend, denn reine Fiktion war die Entführung speziell durch jüngste Ereignisse in den Medien nicht. Ich schwankte oft zwischen Mitgefühl für die beiden Protagonisten und purer Lesemüdigkeit, die durch die nervenden Dialoge von Mutter und Sohn hervorgerufen wurden. Das Stillen eines Kindes in dem Alter, was für Jack wichtigster Tagesordnungspunkt war, hat mich auch bis zum Schluss eher verstört und dafür gesorgt, dass ich eher Abstand zu dem Inhalt nahm.

Der Höhepunkt der Geschichte ließ gar nicht allzu lange auf sich warten und war auch ein Klimax, den ich als gelungen einordnen würde, allerdings den weiteren Verlauf in einem noch schwächeren Licht erscheinen ließ. Was eigentlich Erleichterung und Neugierde für die weitere Entwicklung der Protagonisten auslösen sollte, brachte bei mir leider nur Langeweile hervor. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, war es danach fast der abgehandelte Tagesablauf einer Fallstudie aus Arztakten, die wir Leser geduldig absitzen müssen. Würde „Raum“ auf einer wahren Begebenheit beruhen, hätte ich wahrscheinlich nicht so streng die Eintönigkeit kritisiert, aber hier dachte ich nur, warum man unbedingt die Seiten füllen muss, wenn doch nichts geschieht? Als dann auch noch der Junge ständig an dem verfaulten Zahn seiner Mutter zur Beruhigung lutschte, kam neben der Langeweile auch noch Ekel hinzu.

Menschen, die bei der Nachricht von einem weiteren unschuldigen Vergewaltigungs- oder Entführungsopfer im Fernsehen weinen müssen, würden Jack mit Sicherheit am liebsten sofort an die eigen Brust drücken – ich bin dagegen froh, dass ich das Buch zuschlagen und mich wieder erfreulicheren Büchern zuwenden kann.

Bewertung vom 09.07.2014
Versunkene Gräber / Joachim Vernau Bd.4
Herrmann, Elisabeth

Versunkene Gräber / Joachim Vernau Bd.4


sehr gut

Als Joachim Vernau während der Mittagspause von der polnischen Anwältin Zuzanna Makowska überrumpelt und auf seine Ex-Partnerin Marie-Luise angesprochen wird, klingeln bei ihm die Alarmglocken. Seit fast zwei Jahren hat er sich nicht mehr bei der Berlinerin gemeldet, doch nun soll sie gemeinsam mit einem Bekannten in einen heimtückischen Mordfall auf einem alten, polnischen Friedhof verwickelt sein und sich seitdem vor der Polizei verstecken. Vernau ist entsetzt und setzt alle Hebel in Bewegung, doch die Indizien verdichten sich und kurz hinter der Deutsch-Polnischen-Grenze gehen auch noch fast 70 Jahre nach Kriegsende die Geister der Hinterbliebenen um, welche nachts aus den versunkenen Gräbern steigen und die Lebenden um den Verstand bringen.

Als ich den Krimi gekauft habe, wusste ich nicht, dass der neue Herrmann der vierte Teil einer Reihe ist und treue Leser auf alte Bekannte treffen. Joachim Vernau war für mich also erst einmal ein Fremder, dessen Freundeskreis ebenso im Dunkeln lag wie der mysteriöse Todesfall in dem beschaulichen Zielona Góra. Mit dem Protagonistin bin ich dann aber ziemlich schnell warm geworden, da er vergangene Erlebnisse mit Marie-Lou & Co. im Geiste Revue passieren ließ und er trotz einer eher unrosigen beruflichen Lage ohne zu zögern für Menschen in Not alles stehen und liegen lässt. Auch sein weiblicher Gegenpart aus dem Nachbarland ist ein interessanter Charakter, da Zuzanna aus anfänglicher Skepsis ihrem Pflichtmandanten gegenüber doch noch zur eigentlich unwahrscheinlichen Unschuldsvermutung umschwenkt und Fehler mit weiblichem Charme ausbügelt.

Der Schreibstil der Autorin ist insgesamt wirklich frei jeder Kritik, da sie schnörkellos und dennoch treffend die wunderschöne, aber erst in den letzten Jahrzehnten vernachlässigte Region um das schlesische Weinanbaugebiet beschreibt und mir als völligem Weinlaien doch Lust auf ein Glas des edlen, vollmundigen Tropfen macht.
In kursiv gedruckten Zeilen lässt sich uns auch an den Liebesworten des ehemaligen Gutsherren Walther Hagen gerichtet an seine gute Rosa teilhaben, die das Leid der Hinterbliebenen auf beiden Seiten der Oder greifbar machen und den schwierigen Grad von Menschlichkeit gegenüber den Feinden und schlichter Überlebensangst völlig unparteiisch und ungeschönt projizieren. Das Thema einer möglichen legalen, aber schmerzlichen Rückführung von Vertriebenen in ihre Geburtsorte wird für meinen Geschmack behutsam und mit dem nötigen Wissensstand der Recherchen abgerundet, der Platz für die eigene Wertung lässt. Ein Nebencharakter sagte dazu recht passend: „Ihre moralische Empörung endet doch dort, wo der eigene Vorteil beginnt.“ (S.390) und deshalb gibt es hier wohl keine einheitlich richtige oder falsche Meinung, sondern nur persönliche Schicksale.
Einzig zu Beginn der Lektüre haben mich häufige Erzählperspektiven etwas aus der Bahn geworfen, da Elisabeth Herrmann auch hier besonders kunstvolle Einleitungen für die neuen Kapitel wählte, die Vernau Neulinge wie mich dann doch verwirrten.

Die versunkenen letzten Ruhestätten haben mich auch in den Krimi für zwei spannende Tage versinken lassen und gezeigt, dass im Krieg und in der Liebe vermeintlich alles erlaubt ist, aber nach Kriegsende vieles doch wieder aus der Gruft mit einem modrigen Geruch aufsteigt.

Bewertung vom 09.07.2014
Der Traum von Rapa Nui
Federico, Carla

Der Traum von Rapa Nui


ausgezeichnet

Als die 26-Jährige Katharina mal wieder für ihre Schwester auf deren kleine Kinder aufpassen muss und trotzdem nur Rüge und Undankbarkeit erntet, fragt sie sich niedergeschlagen, ob das Leben in Südamerika denn nie mehr für sie zu bieten hat. Eine Anzeige in der Zeitung mit einem Aufruf für eine fleißige Ehefrau und Stiefmutter klingt im ersten Moment ziemlich nüchtern, aber im Grunde genau nach der Flucht, die sich die junge Frau so lange gewünscht hat. Einziger Manko an der Sache ist, dass der vermeintliche Traummann auf der Osterinsel, viele Seestunden entfernt von Chile lebt und solch eine Reise im 19. Jahrhundert für eine Dame keine Freude bereithält. Katharina schießt ihre Zweifel in den Wind und macht sich auf den Weg in die Ungewissheit. Auf dem Meer macht sie Bekanntschaft mit dem attraktiven Aaron, der als Missionar die Ureinwohner der Osterinsel unterstützen und dort ein friedliches Miteinander für die chilenischen Schafhirten und ihnen noch unterdrückten Sklaven erschaffen will. An seiner Seite ist der mürrische Tane, doch Katharina hat nur Augen für Aaron.. Steht die Ehe mit dem Fremden aus der Zeitung unter einem guten Stern?

Zu dem neuen Roman von Carla Federico musste ich einfach greifen, weil mich die Kultur der Rapa Nui, allen voran die monumentalen Steinstatuen, die Moai genannt werden, sehr fasziniert. Die Autorin selbst scheint auch völlig vernarrt in dieses einst vergessene Stückchen Erde zu sein, denn in Katharinas Wissensdurst in Bezug auf ihre neue Heimat, hat sie vielleicht einen Teil von ihrer eigenen Neugierde einfließen lassen. Ihr Interesse als freundlich gemeinte Integration in die neue Kultur wird aber von den dort lebenden Chilenen rüde abgewiesen. Sie sehen Rapa Nui als ihr eigenes Land und stempeln die Ureinwohner mit ihren Ritualen als rückständig ab, was die Angst vor den temperamentvollen Männern und Frauen, die in eigener Sprache kommunizieren können, überdecken soll. Glücklicherweise sind nicht alle Bewohner so respektlos und rund um Aaron und Katharina entwickelt sich eine kleine Gegenwehr zu dem respektlosen Verhalten der Inselverwalter, doch die Qual loderte schon zu lange und ein unüberlegter Zug der Ureinwohner, die Tane zum Anführer erkoren, kann alles zerstören. Der ewige Kampf zwischen den Menschen, die dort täglich auf dem sandigen Boden um eine befriedigende Ernte kämpfen, hält sich insgesamt an die geschichtliche Abfolge und die schwelende Wut hat die Handlung immer weiter angespornt, weswegen Langeweile keine Chance hatte.

Dieser Roman hat meine Erwartungen tatsächlich übertroffen, denn Katharina, die zwischen den ehelichen Pflichten zu ihrem Angetrauten und der Leidenschaft zu dem Missionar steht, war eine starke Persönlichkeit, bei der sich trotz Herzschmerz nicht alles nur um sie drehte. Die Osterinsel hat mich für ihre Vergangenheit, die Flora und die Kultur eingenommen und die Autorin führte mich mit ihrem flüssigen Schreibstil durch die einmaligen Schauplätze. Schade war für meinen Geschmack nur, dass sie für uns Leser nicht das Geheimnis der Insel, beispielsweise der mysteriösen Schriftart oder der Statuen aus ihrer Sicht auflöste, denn das schwebt noch nach der Lektüre wie ein Fragezeichen über allem und hätte gerne einen fiktiven Schlusspunkt finden können. Nichtsdestotrotz war dieses Buch eins meiner Highlights dieses Jahres!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.06.2014
Schattendunkel / Obsidian Bd.1
Armentrout, Jennifer L.

Schattendunkel / Obsidian Bd.1


sehr gut

Nach dem tragischen Krebstod von Katys Vater beschließt ihre Mutter, alles hinter sich zu lassen und einen Neuanfang in einer Kleinstadt in West Virginia zu wagen. Für die unkomplizierte Protagonistin bedeutet der Umzug eine mittelschwere Katastrophe, denn in der schwierigen Zeit gaben ihr alleine ihr Buchblog und der nicht versiegende Strom an Büchersendungen Kraft und Freude. Momentan lässt allerdings die Internetverbindung auf sich warten und die Lieferungen muss nun auch an der örtlichen Poststelle abgeholt werden. Tapfer beschließt die 17-Jährige, das Beste aus der Situation zu machen und klingelt bei ihren Nachbarn, die laut ihrer Mutter im gleichen Alter sind, um nach dem Weg zum nächsten Supermarkt zu fragen. Ziemlich rüde wird sie von dem halbnackten, aber sehr attraktiven Hausherren Daemon abgewiesen und schwört den arroganten Schönling in Zukunft zu meiden. Dieser Plan geht allerdings gehörig in die Hose, denn dessen Zwillingsschwester Dee ist ganz anders und bald entwickelt sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen, die von dem großen Bruder jedoch mit allen Mitteln sabotiert wird. Was hat er nur hinter der harten Schale zu verbergen?

Katy war mir mit ihrer Leidenschaft für Bücher gleich nach der Leseprobe sympathisch, obwohl dieses Hobby im weiteren Verlauf der Handlung ziemlich in den Hintergrund rückte, da das „wahre“ Leben einfach unglaublich an Fahrt aufnimmt.
Nicht zuletzt durch die abweisende Art ihres Nachbarn, der unglücklicherweise auch noch die gleiche Schule besucht, gerät Katys eigentlich ausgeglichenes Gemüt gehörig ins Wanken. Es scheint fast so, als ob es die beiden nicht einmal für zwei Minuten ohne Gezanke aushalten können und bei jedem Aufeinandertreffen sich fast an die Gurgel gehen. Im Gegensatz zu den üblichen Abläufen in Liebesgeschichten, wo zwei schüchterne Personen umeinander herumschleichen, sucht man hier harmonische Momente bisweilen vergeblich, da diese seltenen Lichtblicke sofort im Keim von Daemons teils ungehobelten Art in den Boden gestampft werden. Interessant waren diese Schlagabtäusche schon zu lesen, denn das Knistern, was die beiden hinter wütend funkelnden Augen zu verbergen versuchen, strahlt wie ein Blitz aus jeder Zeile hervor. Nach spätestens der Hälfte hat mich das ewige Aufwärmen und Abkühlen der Gefühle dann aber genervt und ich hätte mir gewünscht, dass die fast Volljährigen etwas vernünftiger mit den Emotionen umgehen.

Das eigentliche Geheimnis bei „Obsidian“ wird dann für meinen Geschmack zu unspektakulär in einem vertraulichen Gespräch aufgedeckt, obwohl sich die Autorin mit ihrer gewählten Form der Fantasy-Wesen nicht verstecken muss. Einige Seiten zuvor wurde diese Spezies von Katy als „No-Go“ für die Unterhaltungsliteratur auserkoren und nun steckt sie selbst mittendrin in der Gemeinschaft von ihnen – ein lustiger Gag, der mich hellhörig werden ließ, sodass die Auflösung vielleicht auch deshalb zu lasch war. Die speziellen Fähigkeiten von Daemon, Dee & Co. müssen in einigen brenzligen Situationen auch zum Einsatz kommen, wodurch wir einen guten Vorgeschmack auf die weiteren Bände der Reihe bekamen, wenngleich die Logik nicht komplett wasserdicht war, aber dem Lesevergnügen tat dies keinen Abbruch.

Der nächste Teil ist schon für Ende November bei Carlsen vorgemerkt und wäre damit ein schöner Wunsch für das Weihnachtsfest, schließlich leuchtete Katy hin und wieder selbst wie eine Christbaumkugel (was aber nur Leser von „Obsidian“ verstehen werden und Nicht-Leser eventuell neugierig macht?). ;-)

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.05.2014
Half Bad - Das Dunkle in mir / Half Life Trilogie Bd.1
Green, Sally

Half Bad - Das Dunkle in mir / Half Life Trilogie Bd.1


sehr gut

Nathan ist in der Hexenwelt ein Sonderling, denn er wurde als Halbcode geboren und könnte somit möglicherweise für die Gemeinschaft der Magier gefährlich sein! Seine Mutter war eine weiße Hexe (die vom Rat der Zauberer als die gute Seite eingestuft werden), die gemeinsam mit dem mächtigsten schwarzen Hexer Marcus unfreiwillig ein Kind zeugte. Nathans Vater hat seinem Ruf als Bösewicht schon alle Ehre gemacht, denn er tötet andere Hexen und verspeist ihr Herz, um sich deren Gaben anzueignen. Der Rat vermutet, dass aus dem Protagonistin ein ebenso großes Ungeheuer werden könnte, weil er das gleiche Blut in sich trägt. Einerseits steigt die Angst vor dem Heranwachsenden mit den rebellischen Zügen täglich und andererseits wollen sie sich den Jungen zum Nutzen machen, denn er wäre ein grandioser Lockvogel, um Marcus zu fangen, der sein Kind noch nie zuvor sah. Bald ist Nathans 17.Geburtstag und damit der wichtigste Tag im Leben einer Hexe, die über Tod oder Leben entscheidet – wie wird sich das Schicksal in Nathans Fall entscheiden?

Die Autorin hat es geschafft, einen interessanten Fantasy-Plot zu konstruieren, welcher trotz der eher klassischen Spezies der Hexen einen kreativen und neuartigen Anstrich bekam. Der Einstieg ist mir auf Grund der ungewöhnlichen DU-Perspektive nicht leicht gefallen, sodass ich mich wie in einem schlechten Live-Streaming gefühlt habe, wovon Sally Green aber im nächsten Abschnitt schnell wieder abgelassen hat. Obwohl der Mittelteil im Schweizer Genf eine Kürzung vertragen hätte, bin ich durch den lebendigen Schreibstil durch die Kapitel wie auf einem Hexenbesen geflogen.

In dem ersten Band der Trilogie wird verhältnismäßig wenig gezaubert und nur vereinzelt auf außergewöhnliche Gaben hingewiesen, was aber auch daran liegt, dass eine Hexe erst mit dem 17.Geburtstag in der Lage ist selbst zu zaubern und Nathan nun mal erst am Schluss des Romans die magische Volljährigkeit erhält. Die Konzentration lag hier vor allem auf der Kritik an unangemessenen Vorurteilen gegenüber Andersartigen, die daraufhin automatisch in die verpönte Schublade gedrängt werden. Mit allerlei Schikanen hindert der Rat den Protagonisten daran sich und seine gute Seite zu beweisen, wodurch er diesen Teil seiner Persönlichkeit immer mehr verdrängt. Diese ziemlich offensichtliche Botschaft war geschickt verpackt und wird auch die jugendlichen Leser zum Nachdenken anregen, schließlich ist Nathan durch seine missliche Lage, die ihn sogar in einen Käfig verfrachtet, ein Charakter, dem das Mitleid trotz aggressiver Handlungsweisen zufliegt. Er ist der perfekte Anti-Held in einer von schönen, soften Vampiren dominierten Buchwelt und schürt die Erwartungen auf einen aktionreichen Nachfolger, der auch nicht vor teils brutalen Szenen zurückschreckt. Vielleicht werden sogar die Jungen dadurch mehr Spaß an der Lektüre haben als Mädchen.

Das Cover macht außerdem mit dem glänzenden silbernen Ton fast einen magischen Eindruck, was früher auch die Bedeutung der Farbe war. Ein rein schwarzes Cover mit dem roten Gesicht, wie es im Original der Fall ist, wäre zu offensichtlich und plump, weshalb der cbj-Verlag sich hier natürlich hervorragend am Inhalt orientiert hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.05.2014
Ein Kleid aus Staub / Callie LeRoux-Trilogie Bd.1
Zettel, Sarah

Ein Kleid aus Staub / Callie LeRoux-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Callie und ihre Mutter führen in Kansas ein kleines Hotel, doch seit der Himmel seine Pforten verschlossen und die Region schon für lange Zeit keinen erlösenden Regen gesehen hat, verwandelt sich die Gegend immer mehr in eine staubige Geisterstadt – ohne Hotelgäste und ohne Hoffnung. Für Callie ist diese Situation besonders schwer zu ertragen, da der Staub sie krank gemacht hat und ihr jeder Atemzug zur Qual wird. Ihre Mutter klammert sich aber an ein Versprechen, das ihr Liebster ihr vor über zehn Jahren gab und will bis zum bitteren Ende in der staubigen Einöde verharren. Als diese jedoch bei einem besonders schweren Sturm spurlos verschwindet und ein Mann voll weiser Aura Callie daraufhin einen wichtigen Hinweis auf ihre Herkunft offenbart, beschließt sie sich auf die Reise ihres Lebens zu begeben. Immer an ihrer Seite ist der Straßenjunge Jack, den sie zufällig traf – doch wem kann Callie trauen, wenn Hunger, Armut und rassistische Vorurteile auf die Vereinigten Staaten einprasseln?

Eigentlich wollte ich keine neuen Trilogien mehr anfangen zu lesen, weil wir mit fiesen Cliffhangern und langen Wartezeiten unnötig auf die Folter gespannt werden. Ich bin froh, dass ich bei „Ein Kleid aus Staub“ nochmal eine Ausnahme gemacht habe, zumal ein gemeiner Cliffhanger am Schluss gar nicht auf uns wartet, aber trotzdem die Vorfreude schürt.

Sarah Zettel ist es gelungen, dass ich mich selbst wieder wie ein 12-jähriges Mädchen gefühlt habe, was mit leuchtenden Augen innerhalb kürzester Zeit durch die verschiedenen Etappen à la „Alice im Wunderland“ gewandert ist. Die Autorin hat nämlich eine sehr verspielte und bunte Fantasy-Feen-Welt geschaffen, in der die Bösewichte sich hinter einer freundlichen Fassade verstecken und wir nur stückchenweise die wahren Absichten durchschauen. Nichtsdestotrotz wirkt die Handlung nicht zu weich und lieblich, da das Thema Rassenfeindlichkeit durch Callies schwarzen Vater und ihre daraus resultierende braune Hautfarbe nie in den Hintergrund gerät und somit sogar ein Stück Zeitgeschichte eingewebt wird.
Mit vielen teilweise auch lustigen Elementen wie den „Hoppers“, einer andersartigen Familie, die auf Durchreise bei Callie um Kost und Logis bittet, sowie Spannung mittels zahlreichen Verfolgungsjagden, einem Untoten auf Rachefeldzug und der Entwicklung der beiden Protagonisten wird es niemals langweilig im Auftakt der Trilogie.
Callies eigene übernatürliche Gabe, die durch die Weissagung im Staubsturm einen mystischen Rahmen bekommt, wird recht früh schon eingeführt und ist im ersten Moment eventuell kein großer Paukenschlag, aber bietet eindeutig noch Potenzial.
Ich denke, dass genau diese abgedrehte Mischung aus allerlei Magie und Zauberei mich besonders gefesselt hat, denn viele andere Romane aus diesem Genre trauen sich nicht die unterschiedlichen Spezies gemeinsam in ein Buch zu sperren - vielleicht auch aus Furcht, dass die fehlende Geradlinigkeit Grund für Kritik wird. Mit ihrem kurzweiligen und eingängigen Schreibstil aus der Ich-Perspektive, der für die empfohlene Altersklasse eher schnörkellos gestaltet wurde, balanciert Sarah Zettel aber den Trubel aus der Handlung in geordnete Bahnen!

Auf die Fortsetzung freue ich mich riesig und wünsche mir, dass Callie und Jack ihre mutige und sympathische Art gegen die „Wölfe im Schafspelz“ behaupten können. Sie stehen an der Schwelle zum Erwachsenwerden und sind durch ihre schwierige Vergangenheit bodenständig und dankbar – frei von dem Einfluss der Technik und der neumodischen Verlockungen, was ein weiterer Pluspunkt zum Lesespaß war.

„Ein Kleid aus Gold“ wird voraussichtlich im März 2015 erscheinen und ich bin gespannt, ob der zweite Teil auch so gut wie dieser Roman wird!

Bewertung vom 17.04.2014
Schwarzer Sand / Soul Beach Bd.2
Harrison, Kate

Schwarzer Sand / Soul Beach Bd.2


sehr gut

„Du bist echt noch jung Alice. So läuft das nicht auf der Welt. Nicht alle Geschichten haben ein Happy End.“ (S.221)

Und nicht alle Fortsetzungen können nahtlos an den Vorgänger anknüpfen, doch Kate Harrison hat mich mühelos wieder an den virtuellen Strand der verstorbenen Seelen katapultiert und den Sog gelungen verstärkt.

Am „Soul Beach“ ist nach Tritis Erlösung wieder Normalität eingekehrt und alle Bewohner genießen die stetigen Sonnenstrahlen und ihr Dasein in völliger Eintracht. Javier, der in der kleinen Inderin eine Art Schwesterersatz gesehen hatte, findet in Greta eine Ablenkung von dem Trennungsschmerz und öffnet sich Alice gegenüber mehr über seine Vergangenheit, die alles andere als rosig war. Als Megans ehemalige Mitbewohner zu einer Parade nach Barcelona reisen wollen, sieht Alice darin die Gelegenheit um Javiers Mordfall aufzuklären und ebenfalls in die spanische Sonne zu fliegen. Meggie wird sie in dieser Zeit kaum vermissen, denn ein neuer (männlicher) Bewohner am Strand nimmt ihre ganze Aufmerksamkeit in Beschlag. Neben dem Tatendrang endlich Javiers Tod zu sühnen, begleitet die Protagonistin aber auch die Angst vor Meggies Mörder, denn sie ist sich ziemlich sicher, dass der Feind sich als Freund verkleidet und immer in ihrer Nähe ist.

Der zweite Teil „Schwarzer Sand“ gefällt mir in der Gesamtheit fast noch besser als der Auftakt der Trilogie, weil die ständige unsichtbare Gefahr durch den Mörder oder die Mörderin stärker herausgearbeitet wurde und im Trubel der belebten spanischen Straßen einen Höhepunkt erreicht. Die Einschübe aus der Gedankenwelt des Mörders werden zudem immer bedrohlicher und sind ein zusätzlicher Adrenalinkick.
Wer glaubt nach dem Mittelteil schon den „Bösen“ auf dem sprichwörtlichen Silbertablett serviert zu bekommen, wird zwangsläufig enttäuscht werden, aber die Autorin legt viele Fährten, die uns am Schluss doch eine gewisse Sicherheit bei der Täterfrage geben. Sahara, Meggies beste Freundin, die allerdings kurz vor dem tragischen Tod im Streit auseinandergingen, sowie Lewis, Alice guter Kumpel mit nerdigen Phasen und Zoe, welche die Leiche von der jungen Frau fand, stehen alle im Fokus und im regelmäßigen Wechsel schwankt man als Leser zwischen Gewissheit und völliger Ungewissheit – die Motive hätte Jeder und doch Niemand.

Viel und oft am Soul Beach hält sich Alice wegen einem verhängten Computerverbot von ihrer Mutter nicht auf, was ein bisschen schade ist, aber auch positive Seiten hat, da die Protagonistin wieder mehr am realen Leben teilhat und nicht von Danny, ihrer großen aber toten Liebe, schwärmen kann.

Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt und vergebe 4,5 Sterne für einen Roman, der sich nicht auf den Lorbeeren des Auftakts ausruht und weit mehr als ein schnöder Lückenbüßer für das hoffentlich spannende Finale ist.