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Nina [libromanie.de]
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Medienstudentin :: 20something :: verschlingt alles, was aus Buchstaben besteht und schreibt darüber

Bewertungen

Insgesamt 115 Bewertungen
Bewertung vom 26.10.2009
Dunkle Umarmung / Meridian Bd.1
Kizer, Amber

Dunkle Umarmung / Meridian Bd.1


ausgezeichnet

Schon seit ihrer Geburt ist der Tod der ständige Begleiter von Meridian. Jeder neue Morgen beginnt für sie mit dem Entsorgen von Tierkadavern, die sich in ihrem Zimmer, in ihrem Bett, manchmal sogar auf ihrem Kopfkissen sammeln. Mit der Zeit lernt sie, sich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass sie für den Tod der Kreaturen verantwortlich ist und auch die schlimmen Schmerzen, für welche die Ärzte keine Ursache finden, gehören bald schon zu ihrem Leben. Ein Leben als übernächtigte, ständig kränkelnde Einzelgängerin.
An ihrem 16. Geburtstag kommt es dann zur Katastrophe. Nachdem Meridian nur knapp einem Anschlag auf ihr Leben entkommen ist, bei dem mehrere junge Menschen sterben müssen, wird sie von jetzt auf gleich zu ihrer Tante Merry geschickt. Den Kontakt zu ihren Eltern und dem jüngeren Bruder muss sie zur Sicherheit aller sofort abbrechen.
Völlig verstört reist Meridian nach Revelation in Colorado und erfährt dort endlich von ihrem Schicksal: Meridian ist eine Fenestra, ein Wesen, das die Seelen von Verstorbenen in den Himmel geleitet. Riskant ist nur, dass mittlerweile auch menschliche Seelen ihren Weg durch Meridians Körper suchen und dieser den Anforderungen noch nicht gewachsen ist.
Mit Hilfe ihrer Tante und dem geheimnisvollen Tens soll Meridian lernen, ihre Fähigkeiten zu beherrschen, doch in der Gemeinde von Revelation häufen sich immer mehr seltsame Todesfälle und es entwickelt sich ein religiöser Fanatismus, der dem Dreiergespann sehr gefährlich werden soll…

Sowohl sprachlich als auch inhaltlich zieht »Meridian« den Leser gleich in seinen Bann. Nach einem kurzen Prolog, in dem man einen Abriss über Meridians Kindheit und Jugend erhält, geht es auch schon los. Rasanter hätte die Autorin den Einstieg in die Geschichte kaum gestalten können. Gemeinsam mit Meridian, die ihre Erlebnisse in eindringlicher, aber auch angenehm selbstironischer Weise schildert, steht man vor der großen Frage, was die Ursache für die überstürzte Flucht ist. Nach und nach erhält man Antworten und lernt nicht nur die Fenestrae kennen, sondern auch deren Gegenspieler, die Aternocti. Hier hat die Autorin einige sehr schöne, neue Ideen zu Papier gebracht, die sich wohltuend von den üblichen Verdächtigen der aktuellen Fantasy-Szene abheben.
Trotz der fantastischen Komponente wirkt der Roman aber auch sehr realistisch. Vor allem die Rolle der Dorfkirche und deren Einfluss auf die Menschen dort erinnern an die Zeiten der Hexenverbrennung und scheinen zwar unglaublich, aber irgendwie auch erschreckend möglich.
Besonderer Pluspunkt des Romans ist neben der spannenden Handlung und den runden und sympathischen Charakteren die Tatsache, dass er eine Bandbreite an Emotionen weckt - ob nun aufgrund der zarten Liebesgeschichte, die sich im Laufe der Zeit entwickelt, den Hassgefühlen, den man bestimmten Personen entgegenbringt, den teils sehr dramatischen Geschehnissen oder der Thematik an sich. Immerhin spielt der Tod eine große Rolle in dem Roman und so manches Ereignis geht ordentlich an die Nerven.
Obwohl die Grundstimmung entsprechend düster ist, gibt es aber auch zahlreiche warmherzige Szenen und durch die lebenskluge Tante lernt nicht nur Meridian einige nützliche Weisheiten, wie etwa, dass die Sonne eigentlich nie unter-, sondern immer aufgeht, nur eben für jemand anderen.
Im Verhältnis zum eher ruhigen Mittelteil macht das Ende zwar einen etwas überladenen Eindruck und manche Kapitel enden etwas abrupt, was für kurzzeitige Verwirrung sorgen kann. Insgesamt ist das Buch aber trotzdem ein fesselnder Auftakt zu einer Reihe, deren Fortsetzung für 2011 geplant ist. Doch keine Sorge, es erwartet Euch zum Glück kein böser Cliffhanger. Meridians erster Kampf ist in diesem Teil abgeschlossen, der Grundstein für die nächste Runde ist jedoch gelegt.
Nicht unerwähnt bleiben darf im Übrigen die wunderschöne Aufmachung des Buches, dessen flexibler Einband mit glänzenden Totenköpfen und Rosenranken versehen ist, die auch die Kapitelanfänge schmücken.

1 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2009
Lucian
Abedi, Isabel

Lucian


ausgezeichnet

«Es war ein zutiefst unheimliches Bild, aber ich hatte merkwürdigerweise keine Angst. Im Gegenteil, ich sah auf die fremde Gestalt unter der Laterne und fühlte, wie etwas in mir zur Ruhe kam.» (Seite 24)

Es beginnt an einem gewöhnlichen Mittwochabend. Ganz plötzlich verspürt Rebecca tief in ihrem Inneren einen zarten Riss und eine unaussprechliche Leere bleibt zurück. In der Nacht träumt sie das erste Mal von ihrem eigenen Tod, ein Albtraum, der fortan immer wiederkehrt.
In derselben Nacht sieht sie einen fremden Jungen vor ihrem Fenster stehen – Lucian, der sich an nichts und niemanden erinnern kann. Außer an Rebecca. Ihre Gedanken scheinen verknüpft, sie brauchen die Nähe des anderen und oft weiß Lucian Dinge aus Rebeccas Leben, die er eigentlich gar nicht wissen kann. Obwohl Lucian befürchtet, er könne eine Gefahr für Rebecca darstellen, können die beiden nicht voneinander lassen. Bis sie letztlich gewaltsam getrennt werden und bestürzt erkennen müssen, woher die Gefahr tatsächlich droht…

Bis dahin dauert es allerdings eine ganze Weile, denn der fantastische Teil des Buches webt sich zunächst eher als zartes Band durch die Geschichte. So zart, wie die auf dem Schutzumschlag abgebildete Feder vermuten lässt.
Zunächst einmal lernt man die Figuren näher kennen: Rebecca, ihre beste Freundin Suse, ihren (Ex)Freund Sebastian und ihre Mutter Janne, eine Psychologin, sowie deren Lebensgefährtin, die Künstlerin Spatz. All diese sind zu einem intensiven, emotionalen Geflecht verwoben, das im Laufe der Zeit einige Brisanz aufweist.
Lucian spielt dabei vorerst keine große Rolle. Er taucht immer nur am Rande auf, während andere Themen wie Freundschaft, erster Herzschmerz und familiäre Probleme im Vordergrund stehen. Doch nach und nach sondert sich Rebecca immer mehr ab, verzweifelt geradezu in ihrer Sehnsucht nach Lucian und ist schließlich gezwungen, ihr altes Leben komplett aufzugeben.

Der Verlag schreibt «Ein Zauberwerk über die Schönheit der Liebe». Ja, es geht um Liebe. Wunderschön beschriebene Liebe; nicht nur zwischen Rebecca und Lucian, sondern auch um die Liebe zwischen Eltern und Kindern, gute Freunden, gestohlene Liebe und die Liebe zur Literatur. So versprüht der Roman einerseits eine wohlige, warme Atmosphäre, die andererseits aber immer bedrohlicher wird. Die Gefühle der Personen sind dabei sehr eindringlich geschildert und auch wenn man ihr Verhalten nicht immer gutheißt, so kann man ihre Beweggründe doch nachempfinden.

Sprachlich ist der Roman, auch wenn er sicherlich auch gut von älteren Lesern gelesen werden kann, der Zielgruppe angepasst. Die Dialoge sind sehr jugendlich gehalten, es wird (gerne auch mal auf Englisch) geflucht, Liedtexte zitiert und Soaps umbenannt. Jugendliche Leseratten dürften sich entsprechend leicht in der Geschichte zurechtfinden.
Das fantastische Konstrukt, auf das die Handlung aufbaut, ist allerdings nicht ganz so leicht zu durchblicken. Zwar ist es gut durchdacht und gegen Ende laufen verschiedene Fäden zur großen Auflösung zusammen; vieles, was einem verdächtig vorkam, ist tatsächlich von Bedeutung, ohne dass man die genauen Zusammenhänge von alleine hätte erahnen können. Doch um diese zu verstehen, muss man sich Zeit nehmen und teilweise etwas um die Ecke denken. Hier hätte ich mir etwas mehr Klarheit gewünscht. Außerdem sind manche Geschehnisse des nicht-fantastischen Komplexes etwas unrealistisch.
Dank der tollen Idee, des flüssigen Schreibstils und der kantigen, mal mehr, mal weniger sympathischen Charaktere kann man darüber aber getrost hinwegsehen.

FAZIT: Empfehlung!

15 von 16 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.09.2009
In Todesangst
Barclay, Linwood

In Todesangst


gut

«Ich fühlte mich wie eine Maus im nächtlichen Wald, die sich fragt, wie viele Eulen in den Ästen über ihr sitzen.« (Seite 242)

Nach der Scheidung ihrer Eltern lebt die 17jährige Sydney Blake bei ihrer Mutter. Nur in den Sommerferien zieht sie kurzzeitig zu ihrem Vater Tim und nimmt in einem nahe gelegenen Hotel einen Ferienjob an.
Eines Abends kommt sie nach Feierabend jedoch nicht nach Hause. Zunächst denkt sich Tim nichts weiter, zumal er am Morgen einen kleinen Streit mit Sydney hatte und vermutet, sie wolle ihm nun eins auswischen. Doch die Stunden vergehen und Sydney lässt sich weder blicken, noch ist sie auf ihrem Handy erreichbar. Tim beschließt, im Hotel nach ihr zu fragen, aber dort will sich niemand an eine Mitarbeiterin namens Sydney erinnern können.
Warum hat sie ihren Vater angelogen? Und wo ist sie? Auf der Suche nach ihr gerät Tim nicht nur selbst in den Fokus der Ermittlungen, sondern bald schon in Lebensgefahr…

War ich von den beiden ersten Barclay-Thrillern «Ohne ein Wort« und «Dem Tode nah» noch restlos begeistert, so waren meine Erwartungen diesmal wohl etwas zu hoch.
Die Geschichte beginnt am Tag von Sydneys Verschwinden. Erzählt wird sie aus der Perspektive von Tim, einem Autohändler, der sogleich alles daran setzt, seine Tochter wieder zu finden. Doch trotz groß angelegter Suchaktion inklusive einer extra eingerichteten Website fehlt von Sydney jede Spur.

Neben Tims Sorgen werden am Anfang erst einmal ausgiebig seine Familien- und Arbeitsverhältnisse geschildert. Wer schon mal ein Buch von Linwood Barclay gelesen hat, weiß jedoch, dass selbst solche Ausführungen alles andere als langweilig sind, da alle auftretenden Personen irgendwie verdächtig scheinen und man eifrig nach möglichen Hinweisen sucht.
Einzig bei der Auflistung diverser Automodelle hätte sich der Autor etwas einschränken können, denn irgendwann drängt sich einem fast der Verdacht auf, er mache gezielte Werbung für bestimmte Automobilhersteller, was mit der Zeit etwas nervig ist. Ebenso wie die Tatsache, dass sämtliche Figuren jeden zweiten Satz mit «Tja» beginnen.

Nichtsdestotrotz fliegen die Seiten nur so dahin, denn Linwood Barclay ist ein Meister darin, seine ohnehin recht kurzen Kapitel mit fiesen Cliffhangern zu beenden, sodass man einfach weiter lesen muss. Immer wieder stellt man sich die Frage, ob Tim seine Tochter womöglich weniger gut kannte, als er dachte, und sie vielleicht einfach abgehauen ist. Aber warum findet die Polizei dann Blutspuren in ihrem Wagen?

Die Charaktere, allen voran Tim, sind zwar nicht sonderlich vielschichtig gezeichnet, aber es reicht aus, um ihre Geschichte gerne und gebannt zu verfolgen. Zumindest, bis sich die Dinge ab etwa der Hälfte plötzlich überschlagen und Tim vom besorgten Vater zum wahren Superhelden mutiert. Die Story wird nun immer abstruser und viel zu unglaubwürdig konstruiert.
Besonders der Handlungsstrang um Sydneys beste Freundin Patty wirkt völlig an den Haaren herbeigezogen und der barclay-typische Showdown ist unnötig und verwirrend. Irgendwann kommt man - bei der Vielzahl an Personen und deren verworrenen Beweggründen - gar nicht mehr dazu, gedanklich nachzuverfolgen, was denn nun überhaupt noch logisch ist und was nicht. Hier ist der Autor leider deutlich über das Ziel hinausgeschossen und lässt den von ihm sonst so verwöhnten Leser eher unzufrieden zurück.

FAZIT: Alles in allem ist «In Todesangst» zwar immer noch ein spannender Thriller voller überraschender Wendungen, manchmal sind diese aber gar zu überraschend, sodass das Buch insgesamt leider hinter seinen beiden Vorgängern zurück bleibt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2009
Zeit deines Lebens
Ahern, Cecelia

Zeit deines Lebens


sehr gut

«Was für den einen eine Lektion ist, ist für den anderen einfach nur eine Geschichte.» (Seite 357)

Für den Leser von «Zeit deines Lebens» beginnt die Geschichte an einem besinnlichen Weihnachtsmorgen, der durch den Fensterflug eines tiefgefrorenen Truthahns ein jähes Ende findet. Kurz darauf sitzt der Übeltäter, ein verloren wirkender Teenie, der im Folgenden nur «der Truthahnjunge« genannt wird, auf der Polizeiwache.
Während er dort auf seine Mutter wartet, erzählt ihm der wachhabende Officer die unglaubliche Geschichte von Lou Suffern, einem Geschäftsmann im mittleren Alter, der rücksichtslos und gefühlsblind durch sein Leben hetzt, am liebsten immer zeitgleich an zwei Orten wäre und erst mit Hilfe eines Obdachlosen, dem er aus einer Laune heraus einen Job in seiner Firma verschafft, seine ganz persönliche und doch eigentlich ziemlich allgemeingültige Lektion lernt.

In ihrem mittlerweile sechsten Roman verpackt Cecelia Ahern eine an sich simple Aussage in eine emotionsgeladene Geschichte, die innerhalb weniger Stunden weggeschmökert ist.
Und das, obwohl die Hauptfigur – zumindest zunächst – alles andere als sympathisch ist; betrügt Lou doch seine Frau und setzt – ohne Rücksicht auf Verluste - alles daran, seine Karriere mehr und mehr voranzutreiben. Dabei stößt er seiner Frau, den Kindern, Geschwistern und Eltern immer wieder rüde vor den Kopf und verletzt sie mit seinem egoistischen Handeln zutiefst. In diesen Momenten möchte man ihm als Leser eigentlich nur eine saftige Ohrfeige verpassen.
Andererseits gibt es aber auch Situationen, in denen er einem fast schon leid tun kann. Etwa wenn er sich in Zwickmühlen hineinmanövriert hat, aus denen er gar nicht entkommen kann, ohne dabei die falsche Entscheidung zu treffen.

Das Auftreten von Gabe, dem Obdachlosen, dem Lou spontan einen Kaffee ausgibt und später einen Arbeitsplatz in der Postverteilerstelle seines Unternehmens verschafft, öffnet Lou nicht nur die Augen und bringt dadurch eine Veränderung in dessen Leben, sondern gibt der Geschichte auch eine übersinnliche Komponente. Diese macht den Roman - in Kombination mit der teils vorwegnehmenden Erzählweise – fast schon zu einem modernen Märchen, auf das man sich einlassen muss, um es zu mögen. Wer eine durchweg realistische Geschichte lesen möchte, ist bei «Zeit deines Lebens» daher an der falschen Adresse.
Ebenso wie Leser, die mit ein bisschen Kitsch nicht viel anfangen können. Denn das Ende ist – so sehr es auch zu Tränen rührt – nahezu von Beginn an abzusehen und noch dazu reichlich dick aufgetragen.

Trotzdem hat mich das Buch nicht nur gut unterhalten, sondern auch ziemlich berührt. Marian Keyes sagte über die Geschichte sogar, dass sie «uns retten kann, wenn wir genau hinhören». Letztlich ist zwar schnell erraten, welches geheimnisvolle Geschenk, das im englischen Original sogar titelgebend ist, Lou von Gabe bekommt und phasenweise hebt Cecelia Ahern den Zeigefinger doch etwas arg hoch, aber trotz allem ist die Moral der Geschichte einfach so wahr, dass sie sich ganz tief in die Köpfe der Leser eingraben sollte. Denn wer sich diese zwar nicht neue, aber immens wichtige Erkenntnis wirklich zu Herzen nimmt, hat definitiv etwas gewonnen. Oder vielleicht auch geschenkt bekommen. Es kommt nur darauf an, was er daraus macht.

FAZIT: Ein gefühlvoller Roman, der sich nicht nur durch das überraschend rote Cover von seinen Vorgängern unterscheidet, sondern auch dadurch, dass man ihm die neu gewonnene Reife der Autorin deutlich anmerkt und in dem ausnahmsweise mal nicht ein Liebespaar im Vordergrund steht, so dass auch männliche Leser einen Versuch wagen könnten.

26 von 30 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2009
Mary Wickford
Colin, Fabrice

Mary Wickford


sehr gut

Amerika, 17. Jahrhundert: Mary ist Waise und in einem Kloster aufgewachsen, in dem sie zuletzt auch selbst unterrichtet hatte. Mit 17 Jahren muss sie den Ort ihrer Kindheit jedoch zurücklassen und sich in einer anderen Stadt eine neue Anstellung suchen.
So führt sie ihr Weg in das malerische Küstendörflein Old Haven, zu dem sie sogleich eine unerklärliche Anziehungskraft verspürt. Besonders ein bestimmter Baum kommt ihr merkwürdig vertraut vor. Kurzerhand beschließt sie, sich in Old Haven niederzulassen und nimmt eine Stelle beim örtlichen Pastor an.
Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer. Bald schon ist der jungen Frau die Inquisition auf den Fersen, allen voran der grausame Trevor Fear, der seinem Namen alle Ehre macht und schon unzählige vermeintliche Hexen auf den Scheiterhaufen gebracht hat.
Auch Mary scheint Vorfahren mit magischen Fähigkeiten zu haben. Was sonst könnte der Grund dafür sein, dass der allmächtige Imperator, Schreckensherrscher über Amerika, Mary um jeden Preis in seine Gewalt bringen will?

Gleich vorweg: Der Vergleich mit «Lycidas» vermittelt einen völlig falschen Eindruck von dem Buch, ist Marzis uralte Metropole doch wesentlich vielschichtiger und tiefgründiger als «Mary Wickford».
Davon abgesehen besticht auch Fabrice Colin durch sein mitreißendes Erzähltalent und einen grenzenlosen Ideenreichtum. Mechanische Katzen, Fluggeräte, seelenlose Drachen, Magier, Dämonen, Piraten, ein Volk, das unter der Erdoberfläche lebt und Unsterblichkeit verspricht… Im Hinblick auf sein Personal zieht der französische Autor sämtliche Register, fordert seinem Leser aber gleichzeitig auch einige Konzentration ab, damit dieser nicht den Überblick verliert. Dabei schont Colin seine Figuren auch nicht. Viele Szenen sind ausgesprochen grausam, blutig und brutal, die Grundstimmung ist düster bis gruselig.

Marys Erzählweise ist, obwohl sie in der Ich-Perspektive berichtet, trotz der schrecklichen Erlebnisse recht nüchtern und distanziert. Hält man sich vor Augen, dass sie mit einigem zeitlichen Abstand auf die damaligen Geschehnisse zurückblickt, ist das aber auch gut nachvollziehbar. Manchem Leser mag sie trotzdem etwas hölzern vorkommen und besonders facettenreich ist ihr Charakter tatsächlich nicht.
Überhaupt hätte sich der Autor mit einigen Dingen ruhig mehr Zeit lassen dürfen. Auch das Erzähltempo ist stellenweise zu rasant und wirkt gehetzt. (Auch wenn Mary nach gut der Hälfte der Geschichte immer noch nicht zaubern kann.) So passiert es, dass man wichtige Informationen schnell mal überliest.
Leider hat auch die Übersetzung so manch krummen Satz hervorgebracht und lässt z.B. «Soldaten aus dem Glied treten». Insgesamt ist der Erzählstil dennoch – auch trotz besonders hohem Adjektivanteil – flüssig zu lesen und die Seiten fliegen nur so dahin.
Und obwohl einige Personen anfangs merkwürdig und sprunghaft agieren, klärt sich - mit Ausnahme von wenigen kleineren Ungereimtheiten - zum Ende hin alles weitgehend zufrieden stellend auf und die Geschichte wirkt längst nicht so verworren, wie der erste Eindruck noch vermuten ließ.

FAZIT: Ein ungemein spannender Fantasy-Roman, aus dem man locker eine Trilogie hätte machen können. Was vielleicht auch besser gewesen wäre.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2009
Der 13. Brief / Lila Ziegler Bd.1
Klassen, Lucie

Der 13. Brief / Lila Ziegler Bd.1


weniger gut

Als Tochter eines Oberstaatsanwalts ist Lilas Karriere schon bis ins kleinste Detail durchdacht. Allerdings nicht von ihr selbst, denn die rotzfreche Lila, die aus Prinzip gegen alles ist, was ihre Eltern ihr vorgeben, hat andere Pläne: Statt wie erwartet ihr Jurastudium in Bielefeld anzutreten, bleibt sie auf dem Weg in ihr neues Zuhause einfach im Zug sitzen, fährt weiter bis nach Bochum und kommt dort bei Privatdetektiv Danner unter.

Während dessen gutmütiger Vermieter Molle Lila auch gleich einen Job als Kellnerin in seiner Wirtschaft anbietet, ist Ben Danner ein selbstverliebter, eigenbrötlerischer Macho, der Lila so schnell wie möglich wieder vor die Tür setzen will, um ungestört seinen aktuellen Fall ad acta legen zu können.
Als Sportlehrer getarnt versucht er zu klären, ob die 16jährige Eva sich tatsächlich selbst das Leben genommen hat oder ob jemand anderes für ihren Sturz aus dem 5. Stock des Schulturms verantwortlich war. Da er jedoch immer mehr auf der Stelle tritt, schleust er Lila als Schülerin in die ehemalige Klasse des toten Mädchens ein, wo sie ihren Mitschülern und besonders Evas Freundeskreis auf den Zahn fühlen soll.
Lila scheint in ihrem Element…

«Der 13. Brief» ist der erste Roman von Lucie Klassen (mittlerweile Flebbe) und hat sogleich den Friedrich-Glauser-Preis 2oo9 in der Sparte ‚Debüt’ eingeheimst. So ganz überzeugen konnte mich die Geschichte dennoch nicht.
Die Ausgangsposition – Lila undercover in der Schule – bietet zwar durchaus Raum für einen interessanten Plot und die dort angesiedelten Szenen vermitteln einen guten Eindruck der mittlerweile doch recht gewöhnungsbedürftigen Situation an unseren Schulen. Leider werden aufmerksame Leser aber nicht darum herumkommen festzustellen, dass auf dem Weg dahin die Grenzen der Realität und vor allem die des rechtlich Möglichen sehr weit ausgedehnt bis überschritten werden. Überhaupt gibt es einige Ungereimtheiten, die – sofern man darauf achtet – das Lesevergnügen deutlich trüben.

Auch zu den nicht immer nachvollziehbar handelnden Figuren findet man nicht gleich einen Draht. Vor allem Lilas rebellische Art wirkt zunächst aufgesetzt und eher wie der berühmte Sturm im Wasserglas. Mit der Zeit jedoch erfährt man mehr über sie und ihre Vergangenheit und ihr Charakter erhält mehr Tiefe. Auch wenn sie am Ende leider etwas zu sehr zur Superheldin mutiert und es eher unglaubwürdig ist, dass sie ohne weiteres sowohl als 16- als auch als 26Jährige durchgeht.

Letztlich hat mich auch der Ausgang des Kriminalfalls kaum überrascht. Größtenteils wurden meine recht frühen Vermutungen auch bestätigt.
Und trotzdem bin ich nicht abgeneigt, die kommende Fortsetzung zu lesen. Warum? Zum Teil aufgrund des flapsigen, humorvollen Erzählstils, aber auch – ja, trotz der anfänglichen Kritik – weil ich gerne wissen möchte, wie es mit Lila, Danner und Molle weitergeht. Der erste Fall des neuen Ermittlerduos ist zwar abgeschlossen, es bleiben aber dennoch genügend Fragen für die mindestens vier weiteren geplanten Teile offen.

FAZIT: Ein etwas holpriger Auftakt zu einer Reihe, der trotz der Mängel ein ordentliches Erzählpotential erkennen lässt.

Bewertung vom 19.08.2009
Teuflisches Genie
Jinks, Catherine

Teuflisches Genie


gut

Schon früh bewegt sich der junge Cadel aus Langeweile und Wissensdrang am Rande der Illegalität. Mal hackt er sich in fremde Computer ein, mal manipuliert er sämtliche Vorgänge in seiner Schule und versaut seinem kompletten Jahrgang das Abschlusszeugnis.
Als er nach mehreren übersprungenen Klassen mit gerade mal 14 Jahren seine Schullaufbahn beendet, bekommt er das Angebot, am AXIS-Institut zu studieren. Nach außen hin scheint dieses eine ganz normale Lehranstalt für Hochbegabte zu sein, doch statt der üblichen Studiengänge werden dort Kurse wie Täuschung, Infiltration und Lügen angeboten, Rechtswissenschaften werden nur gelehrt, damit die kriminellen Absolventen wissen, wie sie die geltenden Gesetze möglichst gerissen umgehen können.

Dank seiner enormen Intelligenz und seines jungenhaft unschuldigen Aussehens können seine Mitschüler Cadel in kaum einer Disziplin das Wasser reichen. Sein Vater, ein verurteilter Schwerverbrecher, hat jedenfalls große Pläne mit ihm: Cadel soll mit seiner Hilfe nichts Geringeres als die Weltherrschaft erreichen.
Als sich am Institut jedoch immer mehr mysteriöse Vorfälle häufen und Cadel beginnt, den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen, gerät seine eigene kleine Welt ziemlich ins Wanken…

Der Anfang des Buches wirkt kaum durchdacht und wird durch die Einführung unzähliger Nebenfiguren unnötig in Länge gezogen. Zum Glück kommt man dank der kurzen Kapitel und des einfachen Stils trotzdem relativ schnell voran und nach etwa 2oo Seiten verliert sich die anfängliche Oberflächlichkeit. Man entdeckt einen roten Faden und die Geschichte kommt in Fahrt, denn plötzlich weiß man von einem Moment auf den anderen nicht mehr, wem man nun trauen kann und wem nicht.

Hinzu kommt, dass auch Cadel einem mit der Zeit immer mehr ans Herz wächst. War der Junge zu Beginn noch ein kaltblütiger kleiner Mistkäfer, der allen nur Böses wollte, findet er sich bald selbst in der Opferrolle wieder und weckt beim Leser ungeahnte Sympathien. Aus seinem zunächst eindimensionalen Charakter wird eine runde Figur, deren Schicksal man gespannt verfolgt.
Abgesehen von seinen detailliert geschilderten Hackereien vielleicht, denn die dürften für Leser, die Cadels Begeisterung für Computer und Netzwerke nicht nachvollziehen können, weniger interessant sein. Vor allem, da öfters unklar auch ist, was technisch tatsächlich möglich ist und was in den Bereich der Fantasy gehört.

Gegen Ende baut der Roman allerdings wieder deutlich ab. Die Ereignisse überschlagen sich und die wiederholte Verwendung bestimmter Stilmittel lassen die Erzählung hektisch und wirr wirken, so dass man schnell den Überblick darüber verliert, wer nun was mit welcher Folge unternommen hat und wer mit wem in Verbindung steht.
Außerdem könnte so manchem Leser die Tatsache, dass eine (natürlich böse) Nebenfigur Adolf heißt, die noch dazu Führer genannt wird, sauer aufstoßen. Besonders, wenn der Plan der AXIS-Verbrecher darin besteht, «genetisch minderwertiges Material» zu vernichten, damit die Welt nur noch von ihnen, den besseren Menschen, bevölkert wird.

Die Aufmachung des Buches ist mit dem schwarz gefärbten Schnitt sicher ein Eyecatcher, allerdings kleben die Seiten oft unschön aneinander, so dass man beide Hände zum Umblättern braucht, was etwa für Während-des-Essens-lesen-Leser ziemlich unpraktisch ist.

FAZIT: Sieht man von den ersten und den letzten Seiten ab, hat man immerhin einen spannenden Mittelteil und eine interessante Hauptfigur, deren Geschichte in der Fortsetzung Teuflisches Team bereits weitererzählt wurde. Gleich im Anschluss lesen muss man diese aber eher nicht.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.08.2009
No & ich
Vigan, Delphine de

No & ich


sehr gut

Die 13jährige Lou gilt mit einem IQ von 160 als hochbegabt und hat bereits zwei Klassen übersprungen. In der Schule ist sie deswegen eine Außenseiterin, klein, schmächtig und für die älteren Mädchen gänzlich uninteressant.
Auch zu Hause hat Lou es nicht leicht. Seit dem Tod ihrer jüngeren Schwester lebt ihre Mutter in ihrer eigenen Welt und trotz der Bemühungen des Vaters, die Normalität so gut es geht zu wahren, ist das Familienleben der Bertignacs kaum noch als solches zu bezeichnen. Durch unzählige Experimente mit Alltagsgegenständen stillt Lou nicht nur ihren Wissensdurst, sondern verdrängt gleichzeitig auch ihren Schmerz.

Als sie für die Schule ein Referat über das Thema Obdachlosigkeit vorbereiten muss, lernt sie No kennen, die mit gerade mal 18 Jahren auf den Straßen von Paris lebt und täglich ums Überleben kämpfen muss, stets auf der Suche nach etwas Essbarem und einem trockenen und sicheren Schlafplatz.
Zunächst treffen sie sich nur aufgrund des Referats, aber bald entwickelt sich eine Freundschaft, fast schon eine Abhängigkeit zwischen den beiden und Lou beschließt, No wieder ins richtige Leben zurückzuführen. Ein Experiment mit positivem Ausgang?

«No & ich» wurde 2oo8 mit dem französischen Buchhändlerpreis ausgezeichnet und überzeugt vor allem durch seine starken Charaktere. Trotz der geringen Seitenzahl verleiht die Autorin ihren beiden tragischen Heldinnen eine enorme Tiefe und zieht den Leser damit gleich in ihren Bann. So manches Mal möchte man die beiden Mädchen gerne in den Arm nehmen, sie trösten und ihnen sagen, dass alles gut wird. Aber so einfach ist das nicht. Denn das Schicksal ist nicht immer gerecht. Das müssen Lou und No am eigenen Leib erfahren.

So erzählt Lou ihre Geschichte mal voller Hoffnung, mal zutiefst traurig, auf der einen Seite poetisch, auf der anderen wieder kindlich-amüsant. Sie lässt ihren übersprudelnden Gedanken freien Lauf und sprengt dabei sämtliche Grenzen der Grammatik. Statt einzelne Sätze mit einem Punkt zu beenden, werden sie lediglich durch Kommas getrennt und ziehen sich so über die halbe Seite. Wörtliche Rede wird ohne Anführungszeichen ebenfalls zwischen die Kommas gequetscht. Dieses Stilmittel vermittelt zwar eine klare Vorstellung davon, was in Lous Kopf vor sich geht, hemmt aber leider auch etwas den Lesefluss.
Zum schnellen Verschlingen ist das Buch aber ohnehin nicht geeignet. Dazu liegt schon das Thema zu schwer im Magen. Denn, wie kann es immer noch Menschen geben, die durch sämtliche Raster fallen und auf der Straße leben müssen? Eine unbequeme Vorstellung, die betroffen macht.

Zum Ende hin schwächelt die Erzählung allerdings etwas. Einerseits scheint der Abschluss genau richtig, andererseits bleibt aufgrund diverser Entwicklungen ein schaler Beigeschmack. Es macht eben einen Unterschied, ob man mit Sicherheitsnetz leiden kann oder nicht.

FAZIT: Eine bittersüße, eindringlich erzählte Geschichte, die durch das Ende aber etwas von ihrem Zauber verliert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.