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Herbstrose

Bewertungen

Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2023
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


sehr gut

Eine Künstlerin beweist sich
Frida Kahlo ist in der Mitte ihrer Jahre, als sie endlich den Durchbruch als Malerin und Künstlerin hat. Bisher stand sie als Ehefrau und Muse des bekannten mexikanischen Malers Diego Rivera stets in dessen Schatten, nun soll sie in einer bekannten New Yorker Galerie und danach in Paris eine eigene Ausstellung bekommen. Zum ersten Mal ist sie alleine, ohne Diego, unterwegs. Das ist künstlerisch ihre große Chance – und endlich hat sie auch die Möglichkeit, sich als selbständige Frau zu bewähren. Sie verliebt sich in den Fotografen Nickolas Muray und erlebt ein Chaos der Gefühle. Als er von ihr eine Entscheidung verlangt merkt sie, dass sie auch ihren Mann Diego immer noch liebt …
Caroline Bernard ist das Pseudonym der 1961 in Hamburg geborenen deutschen Schriftstellerin und Lektorin Tania Schlie, die auch unter einem weiteren Pseudonym Greta Hansen schreibt. Sie studierte Germanistik und Politikwissenschaften in Hamburg und Paris. Nach dem Abschluss arbeitete sie als Verlagslektorin. Sie veröffentlichte sowohl unter ihrem tatsächlichen Namen als auch unter den beiden Pseudonymen bereits zahlreiche Romane. Heute arbeitet Tania Schlie als freie Lektorin, Journalistin und Autorin. Sie hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Glückstadt an der Elbe.
Wer hat nicht schon von Frida Kahlo gehört, gelesen oder ihre Bilder betrachtet und sich dabei gedacht, wer war diese Frau? Sehr gut recherchiert und von der Autorin ohne zu beschönigen, aber dennoch gefühlvoll und empfindsam beschrieben, ist hier ein Ausschnitt aus dem Leben dieser Aufsehen erregenden, sinnlichen Frau und vielseitig begabten Künstlerin. Hin- und hergerissen zwischen Sympathie und Ablehnung werden wir hier mit einem Überschwang an Gefühlen konfrontiert. Wir erfahren, dass Frida Kahlo zeitlebens mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und von Schmerzen geplagt wurde. Ein verkürztes Bein, das nach überstandener Kinderlähmung zurück blieb, und etliche Brüche, die durch einen schweren Verkehrsunfall entstanden, versuchte sie stets zu verbergen – war aber dennoch voller Lebenslust.
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm flüssig, sodass sich das Buch schnell lesen lässt. Sie schafft es mühelos, die historischen Personen in eine lebendige Handlung einzubauen. Leider haben sich einige Längen und Wiederholungen eingeschlichen (Frida lässt gefühlt etwas zu oft ihre Röcke schwingen, erwähnt mehrfach ihren Unfall und stöhnt häufig über ihre Schmerzen), und etliche schwülstige Passagen könnten einem seichten Liebesroman entsprungen sein. Ein kurzes Nachwort der Autorin über das weitere Schicksal der Frida Kahlo und eine Auflistung der wichtigsten in New York und Paris ausgestellten Bilder runden die Geschichte gekonnt ab.
Fazit: Wer sich für das Leben und die Bilder von Frida Kahlo interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Bewertung vom 28.09.2023
Die Kinder des Don Arrigo
Sciapeconi, Ivan

Die Kinder des Don Arrigo


ausgezeichnet

Flucht ins Ungewisse
Natan ist 11 Jahre alt, als sein Vater nachts von den Braunhemden abgeholt wird. Es ist für Juden sehr gefährlich geworden in Berlin, deshalb versucht eine Organisation um Frau Recha Freier wenigstens die Kinder in Sicherheit zu bringen. In kleinen Gruppen geht’s mit dem Zug nach Wien, dann nach Graz und von dort auf einem LKW zur Grenze nach Jugoslawien, wo sie im Schneetreiben vergeblich auf einen Schleuser warten. Ein hilfsbereiter Bauer bringt sie über die Grenze ins nächste Polizeirevier, von wo aus man sie weiter nach Zagreb schickt. Aber auch dort tauchen bald die Häscher in den braunen Hemden auf. Mit falschen Papieren kommen die Kinder weiter nach Slowenien, wo sie in einem alten Schloss für etwa ein Jahr in Sicherheit sind. Danach geht‘s mit dem Zug weiter nach Italien, zunächst nach Modena und dann weiter in den kleinen Ort Nonantola, wo sie in der alten verlassenen Villa Emma Unterschlupf finden. Hier können sie bleiben und zur Ruhe kommen, obwohl ihr Ziel eigentlich Israel ist. Die Dorfgemeinschaft unter Pfarrer Don Arrigo tut alles, dass sich die Kinder wohlfühlen. Doch dann tauchen auch hier die ersten Nazi-Soldaten auf …
Der italienische Schriftsteller Ivan Sciapeconi, geb. 1969, ist Grundschullehrer und schrieb bisher Kinder- und Jugendbücher. Seine Begeisterung für Geschichte brachte ihn zur Recherche für seinen ersten Roman für Erwachsene „Die Kinder des Don Arrigo“ (2023). Der Autor lebt mit seiner Frau in Modena.
Seine akribischen Recherchen veranlassten Sciapeconi, diesen Roman nach einer wahren Geschichte zu schreiben. Der Protagonist und Erzähler des Geschehens, Natan, ein zu Beginn elfjähriger jüdischer Junge, ist eine ausgedachte Figur. Es sind hauptsächlich seine Gedanken, seine Gefühle, seine Erlebnisse und seine Ängste, die uns so berühren. Alle anderen Charaktere, auch die Betreuer der Gruppe, sind sehr authentisch und ihre Handlungsweisen gut nachvollziehbar. Der Schreibstil ist dabei eher ruhig gehalten. Der Roman ist eine Hommage an den Mut der vielen, teils unbekannten, Retter und an die Bevölkerung des Dorfes Nonantola, die die jüdischen Kinder vor den Nazis schützten und versteckten. Am Ende des Buches sind die 85 Namen der Kinder, Jugendlichen und ihrer Begleiter, die dort in der Villa Emma Unterschlupf fanden, aufgeführt. Im Nachwort des Autors berichtet er über das weitere Schicksal einiger Helfer, damit ihre Namen nie in Vergessenheit geraten werden.
Fazit: Roman nach einer wahren Geschichte über eine schier unglaubliche Flucht – ein Stück Zeitgeschichte. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 26.09.2023
Ein Fluss so rot und schwarz (eBook, ePUB)
Ryan, Anthony

Ein Fluss so rot und schwarz (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Erinnere dich nicht, sonst musst du sterben
Ein Mann erwacht auf einem Schiff und kann sich an nichts erinnern, er kennt nicht mal seinen Namen. Auf seinem Arm entdeckt er eine Tätowierung, »Huxley«. Mit ihm sind noch fünf weitere Menschen an Bord, alle ohne Erinnerung – und ein Toter. Das Schiff, ein militärisch ausgerüstetes Patrouillenboot, wird von einem Autopiloten gesteuert, auf den sie keinen Einfluss haben. Auf einem plötzlich aufleuchtenden Monitor erkennen sie, dass sie sich offenbar auf der Themse befinden. Im dichten Nebel hören sie vom Ufer her unmenschliche Schreie. Was ist hier nur geschehen? Welche Gefahren lauern auf sie? Da taucht in der Ferne die Themse-Sperre auf, die London vor Überflutung schützen soll. Über ein Satelliten-Telefon erhalten sie nun ihre Anweisungen und während die Schreie immer lauter werden, werden sie unaufhaltsam in ein zerstörtes London gesteuert …
Anthony Ryan, geb. 1970, ist ein schottischer Fantasy- und Science-Fiction-Autor. Er hat einen Abschluss in mittelalterlicher Geschichte und arbeitete als Forscher, bevor er 2013 mit dem Schreiben begann. Inzwischen schrieb er mehrere Serien und Kurzgeschichten, die auch in Deutsch erhältlich sind. Derzeit lebt er in London.
Der Autor präsentiert uns hier einen Horror-Thriller voller Action und Spannung. Schon der Anfang von „Ein Fluss so rot und schwarz“ fesselt und sofort setzt das Kopfkino ein, denn allein die Vorstellung dieser postapokalyptischen Welt ist beängstigend und verstörend. Ohne durchzuatmen fliegt man über die Seiten und hetzt in rasendem Tempo mit den Protagonisten den Fluss entlang. Fragen über die Hintergründe tun sich auf, und ganz allmählich werden die Vermutungen zur Gewissheit. Eine bedrohliche Situation jagt die nächste, ein kleiner Fehler bedeutet den sicheren Tod. Einige extrem brutale, ja ekelerregende Szenen verlangen vom Leser starke Nerven und der äußerst unerwartete, aber sehr passende, Schluss trägt auch nicht zur Beruhigung bei.
Fazit: Ein Horror-Schocker mit interessanten Charakteren, der Gänsehaut-Feeling garantiert.

Bewertung vom 19.09.2023
Die Formel der Hoffnung (eBook, ePUB)
Cullen, Lynn

Die Formel der Hoffnung (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Sieg der Wissenschaft über eine Geisel der Menschheit
In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und in den 1940er Jahren unter erschwerten Bedingungen ihr Medizinstudium in San Francisco abgeschlossen, hat es Dr. Dorothy Horstmann schwer, in der dominanten Männerwelt eine ihrer Ausbildung angemessene Stelle zu finden. Durch einen glücklichen Zufall, man hält sie für einen Mann, wird sie im Vanderbilt-Hospital in Nashville als Assistenzärztin angestellt. Dort wird sie hautnah mit dem Elend der weltweit grassierenden Polio-Pandemie konfrontiert, die überwiegend Kinder befällt und sie zeitlebens in den Rollstuhl oder gar in die Eiserne Lunge zwingt. Dorothy beschließt einen Impfstoff zu entwickeln, um diese heimtückische Krankheit zu besiegen. Dafür opfert sie ihre ganze Kraft und setzt dabei sogar ihr Leben und ihr privates Glück aufs Spiel …
Die US-amerikanische Schriftstellerin Lynn Cullen wuchs in Fort Wayne/Indiana in einer kinderreichen Familie auf. Nach dem Besuch der Indiana University in Bloomington und in Fort Wayne belegte sie Schreibkurse an der Georgia State University. Sie begann mit dem Schreiben von Kinderbüchern und veröffentlichte danach mehrere historische Romane, die in den USA zu Bestsellern wurden. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie in Atlanta.
Wie die Autorin im Nachwort ausführt, handelt es sich hier um einen Roman und nicht um eine Biografie. Das Leben der Dorothy Horstmann (1911-2001) wie es hier geschildert wird beruht auf dem, was sie aus Artikeln, Briefen, Büchern, Erzählungen und mündlichen Quellen zusammentragen konnte – die anderen Charaktere beruhen teils auf realen Vorbildern Dr. Jonas Edward Salk (1914-1995) und Dr. Albert Bruce Sabin (1906-1993), oder sie sind teils komplett erfunden. Jedenfalls könnte der Kampf gegen die Kinderlähmung so oder so ähnlich passiert sein. Man darf daher keine wissenschaftliche Abhandlung erwarten, sondern eine gefühlsbetonte Geschichte über 20 Jahre im Leben einer Ärztin und Wissenschaftlerin, die maßgeblich an der Entwicklung des Impfstoffes gegen Polio beteiligt war.
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, die Suche nach einem Impfstoff ist sehr spannend und auch für den medizinischen Laien gut verständlich beschrieben. Es wird klar hervorgehoben, dass wir Frau Dr. Dorothy Horstmann sehr viel zu verdanken haben, auch wenn die männliche Ärzteschaft letztendlich die Lorbeeren ihrer Arbeit einsammeln konnte. Eine Auflistung am Ende des Buches über die in der Geschichte handelnden Personen ist sehr hilfreich und trägt zum guten Verständnis bei.
Fazit: Spannender Roman über das Leben der Ärztin Dr. Dorothy Horstmann, ohne die es den Impfstoff gegen Polio nicht gegeben hätte. Interessant und sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 11.09.2023
Kleine Probleme (eBook, ePUB)
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme (eBook, ePUB)


sehr gut

Gedanken eines Chaoten
Seinen Beruf hatte er vor langer Zeit schon aufgegeben, nennt sich jetzt Schriftsteller und möchte sein Lebenswerk schreiben, der neunundvierzigjährige Lars Cornelius Messerschmitt. Er hat viele Pläne über die er ausgiebig nachdenkt, doch dabei ist es bisher immer geblieben. Sein Studium der Philosophie und Theaterwissenschaften brach er ab, arbeitete dann und wann beim Fernsehen und blieb dann, als die Kinder kamen, zu Hause, um sich dem Schreiben seines Lebenswerkes zu widmen. Seit einem halben Jahr ist er alleine, die Kinder sind bereits aus dem Haus und seine Lebensgefährtin Johanna hat sich eine Auszeit in Lissabon genommen. Heute, am 31. Dezember, wird sie zurück erwartet. Lars weiß, um sie nicht zu verlieren muss alles ordentlich sein, und hat deshalb eine ToDo-Liste erstellt, von der jedoch bis jetzt noch nichts abgearbeitet ist. Er gerät daher ordentlich in Stress als er sich dessen gewahr wird und versucht nun, in der kurzen noch verbleibenden Zeit alles zu erledigen. Die Wohnung ist vermüllt und verdreckt und sollte geputzt werden, ein Bett muss aufgebaut werden, die Steuererklärung ist noch nicht geschrieben und die Dachrinne noch nicht gereinigt – und zudem hat Johanna ihn am Telefon gebeten, einen Nudelsalat zuzubereiten. Doch Lars wäre kein Chaot, wenn das alles reibungslos klappen würde …
Nele Pollatschek, geb. 1988 in Berlin, ist eine deutsche Schriftstellerin, Publizistin und Journalistin. Sie studierte Englische Literatur und Philosophie in Heidelberg, Cambridge und Oxford, wo sie 2018 promovierte. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie bereits 2016, ein Sachbuch folgte 2020, bevor der Verlag Kiepenheuer & Witsch 2023 „Kleine Probleme“ herausbrachte. Nele Pollatschek erhielt einige Förderpreise und 2022 den Deutschen Reporterpreis. Sie schreibt für die Süddeutsche Zeitung und lebt im Odenwald und in Oxford.
Sehr emotional, beinahe philosophisch, und mit einem guten Schuss Humor beschreibt die Autorin eine alltägliche Geschichte, die jeden von uns irgendwie betrifft. Wer hat nicht schon anstehende Arbeiten vor sich hergeschoben und gehofft, es würde sich alles alleine erledigen? Eine ToDo-Liste kann sehr hilfreich sein, wenn man sie auch abarbeitet. Unser Held ist ein Chaot und bringt nichts auf die Reihe, aber seine Gedanken über Putzen und Hausarbeit sind einfach großartig, seine Pläne als Schriftsteller und seine Angewohnheit alles auf später zu verschieben und erst mal eine Zigarette zu rauchen sind einfach brillant.
Der Schreibstil der Autorin ist der Hektik des Geschehens wunderbar angepasst. Man ist während des ganzen Romans nur bei Lars, hört ihm zu und folgt seinen Gedankengängen, wodurch man emotional tief mit ihm verbunden ist. Die anderen Figuren lernt man nicht persönlich, sondern nur durch Lars Erinnerungen und Erzählungen kennen. Man leidet mit ihm wenn er alles, aber auch alles versucht, die anstehenden Aufgaben noch rechtzeitig vor Mitternacht zu erledigen. Doch zuvor muss er natürlich noch Kräfte sammeln, sich ausruhen und noch eine Zigarette rauchen, obwohl er es sich doch abgewöhnen wollte. Ob er es schafft, alles auf seiner Liste abzuhaken? Bis dahin erleben wir einige aufregende, aber auch vergnügliche Lesestunden und sagen dann ganz entspannt: „Frohes Neues Jahr“.
Fazit: Ein Roman, der gut unterhält und uns ermahnt, anstehende Aufgaben jetzt zu erledigen und nicht auf später zu verschieben. Meine Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.09.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


sehr gut

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Die 14jährige Billie lebt mit ihrer Mutter Marika in einem Wohnblock am Rande der Stadt. Geld ist knapp, besonders zum Monatsende, doch mit viel Liebe und Fantasie bringt Marika das Leben ihrer Tochter immer wieder zum Strahlen. In diesem Sommer wollten sie ans Meer, das Billie noch nie gesehen hat. Beide freuen sich schon sehr darauf – doch es sollte anders kommen. Unverhofft reist die ungarische Großmutter an, die sich wegen ihrer Krankheit von deutschen Ärzten behandeln lassen will, und nistet sich bei den Beiden ein. Es kommt zum Streit und durch einen tragischen Unglücksfall stirbt Marika, Großmutter erleidet einen Schwächeanfall und Billie kommt ins Heim. Doch sie ist eine Kämpfernatur, nimmt ihren ganzen Mut zusammen, haut ab und macht sich mit dem alten Nissan ihrer Mutter auf, um ihren Vater zu suchen. Eine Odyssee beginnt, denn sie weiß von ihrem Vater weder Name noch Wohnort. Wird sie ihn finden? …
Elena Fischer, geb. 1987, ist eine deutsche Buchautorin. Sie studierte in Mainz Komparatistik und Filmwissenschaft, absolvierte ein Fernstudium an der Autorenschule der Testmanufaktur. Ihr Debütroman „Paradise Garden“, der im August 2023 vom Diogenes Verlag veröffentlicht wurde, steht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2023, ist nominiert für den Debütpreis des 15. Harbour Front Literaturfestivals und ist bereits eine Woche nach Erscheinen ein SPIEGEL-Bestseller. Fischer lebt und arbeitet mit ihrer Familie in Mainz.
„Meine Mutter starb in diesem Sommer“, das ist er erste Satz in dieser Geschichte – und auch der letzte. Dazwischen erleben wir, einfühlsam und immer mitempfindend erzählt, neben einem spannenden Road-Movie eine liebevolle Mutter/Tochter Beziehung und ein vom Schicksal gebeuteltes Mädchen, das sich jedoch nie unterkriegen lässt. Traurige, zu Herzen gehende Momente wechseln mit heiteren, hoffnungsvollen Episoden. Wir nehmen Teil an Billies Entwicklung vom sorglosen Teenager zum verantwortungsbewussten, vorausdenkenden jungen Mädchen und begleiten sie auf ihrer scheinbar hoffnungslosen Suche nach ihrem Vater, ihrer Herkunft, ihren Wurzeln. Immer steht die Frage im Raum, was ist früher passiert, warum hat ihre Mutter ihren Vater verlassen? Alle Personen, auch die, die in Billies Leben nur eine geringe Rolle spielen, wirken sehr authentisch und ihre Handlungsweisen empfindet man meist als nachvollziehbar.
Aufgrund der zum Teil schon an Wunder grenzenden Zufälle und vieler märchenhaften Fügungen würde ich diesen Roman eher unter der Rubrik „Jugendliteratur“ einstufen. Dabei stört mich jedoch, und das ist mein einziger Kritikpunkt, dass die Autorin das 14jährige Mädchen mit dem Nissan ihrer verstorbenen Mutter alleine, ohne Fahrkenntnisse und ohne Führerschein, quer durch Deutschland fahren lässt. Billie fährt über Landstraßen, benutzt sogar die Autobahn, parkt auf öffentlichen Plätzen, erkundigt sich nach dem Weg und niemand, niemand der Erwachsenen fragt sie nach ihrem Alter bzw. wundert sich, warum sie alleine mit einem Auto unterwegs ist. Das geht m.E. gar nicht!
Fazit: Ein schöner Sommerroman, den ich, mit einem Kritikpunkt, sehr gerne weiter empfehle.

Bewertung vom 03.09.2023
Vom Himmel die Sterne (eBook, ePUB)
Walls, Jeannette

Vom Himmel die Sterne (eBook, ePUB)


sehr gut

Sallie setzt sich durch
Sallie Kincaid ist die Tochter des Duke, des mächtigsten Mannes von Claiborne County in Virginia. Ihre Mutter starb nach einem Streit mit dem Vater als Sallie fünf Jahre alt war. Sie ist acht, als sie mit ihrem dreijährigen Halbbruder einen schweren Unfall hat und daraufhin das herrschaftliche Anwesen verlassen muss. Fortan wächst sie bei Tante Faye auf, einer verarmten Schwester ihrer Mutter. Neun Jahre später kehrt sie zurück und erhält von ihrem Vater die Chance, als älteste Tochter ihren Platz in der Familie zurück zu erobern. Doch dann stirbt der Duke plötzlich und Sallie sollte sein Erbe antreten. Doch sie trifft auf harte Widerstände, nicht nur in der eigenen Familie, die ebenfalls Anspruch auf das Erbe erhebt, sondern auch bei den Bürgern der Stadt. Es ist die Zeit der Prohibition, es herrscht Lynchjustiz im Land und die Männer sind nicht gewillt, eine weibliche Herrin anzuerkennen. Doch mit ihrem scharfen Verstand und mit eisernem Willen sollte es ihr gelingen, sich als würdige Nachfolgerin ihres Vaters zu erweisen …
Jeannette Walls, geb. 1960 in Phoenix/Arizona, ist eine US-amerikanische Journalistin und Schriftstellerin. Sie studierte am Barnard College, arbeitete als Journalistin, schrieb Kolumnen und moderierte dreimal wöchentlich eine Live-Sendung des Morgenfernsehens. Seit der Veröffentlichung ihrer Autobiographie „Schloss aus Glas“ (2006) über ihre Kindheit, die sofort zum Bestseller wurde und ihr zu internationaler Bekanntheit verhalf, arbeitet sie hauptberuflich als Autorin. „Vom Himmel die Sterne“ (2023) ist ihr vierter Roman, an dem sie laut eigener Aussage sieben Jahre gearbeitet hat. Zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller John Taylor, lebt Jeannette Walls im ländlichen Virginia.
Mit „Vom Himmel die Sterne“ ist Jeannette Walls erneut ein überzeugender Roman gelungen. Es ist zwar keine Autobiographie, dennoch habe ich den Eindruck, dass sie auch hier sehr viel ihrer Liebe zu ihrem Vater („Schloss aus Glas“ 2006) verarbeitet hat. Die Geschichte spielt in Virginia/USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Prohibition etwa Mitte der 1930er Jahre und handelt von einer einflussreichen Familie, von Schwarzbrennern und von Intrigen, Rivalität und persönlichen Konflikten. Es wird gelebt, geliebt, gemordet und gestorben. Der Schreibstil ist wie gewohnt gradlinig, klar und sachlich, trotzdem jedoch von emotionaler Tiefe. Als Leserin sind die Gefühle ganz bei Sallie, die sich selbstbewusst und intelligent der brutalen Männerwelt widersetzt und für das Wohl aller kämpft.
Fazit: Ein gut geschriebener Roman über Probleme in der Familie, über Recht und Gerechtigkeit und über Rassismus, Gewalt und Brutalität und zugleich ein Sittengemälde der USA-Südstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wer die Geschichten von Jeannette Walls liebt, wird auch hier nicht enttäuscht werden.

Bewertung vom 11.08.2023
Perlenbach (eBook, ePUB)
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach (eBook, ePUB)


sehr gut

Hält Kinderfreundschaft für ein ganzes Leben?
Wilhelm ist der 9jährige Sohn einer armen Familie von Bauern und Schafzüchtern aus Wollseifen in der Eifel. Er erhält seine große Chance, als er einen Winter bei der Tuchfabrikanten-Familie Becker in Montjoie (Monschau) zur Gesellschaft ihres einzigen Sohnes Jacob, verbringen darf. Die beiden Jungen verstanden sich auf Anhieb und zusammen mit Luise, der Tochter des benachbarten Arztes, erlebten sie manch aufregendes Abenteuer. Die Freundschaft der dreien bleibt bis ins Erwachsenenalter bestehen, bis jeder seine eigenen Wege gehen muss:
Wilhelm absolviert eine Lehre in Beckers Tuchfabrik, wo er sich rasch hocharbeiten kann. Doch eine unbedachte Handlung führt dazu, dass er auf den elterlichen Hof, und somit wieder zurück in die Armut muss …
Jacob hat kein Interesse die Firma des Vaters zu übernehmen, er reist lieber und lässt es sich in Paris gut gehen. Dann verliebt er sich, eine Liebe die nicht sein darf und die sein ganzes weiteres Leben bestimmen wird …
Luise war schon als Kind davon besessen, es ihrem Vater gleich zu tun und Ärztin zu werden. Doch im 19. Jahrhundert war es Frauen noch verwehrt, eine Universität zu besuchen. Kann sie trotz aller Widerstände ihren Traum verwirklichen? …
Die Autorin Anna-Maria Caspari, geb. 1955 in Köln, ist Literaturübersetzerin und lebt in der nördlichen Eifel. Zu ihren Romanen wurde sie inspiriert, als sie die Geschichte des Dorfes Wollseifen erfuhr, dem seine Nähe zur Ordensburg Vogelsang, eines der größten Bauwerke des Nationalsozialismus, zum Verhängnis wurde.
Eine gründliche Recherche über die Menschen der damaligen Zeit und viel Einfühlungsvermögen in ihre Lebensweise zeichnet diesen Roman besonders aus. Wir erfahren neben den persönlichen Schicksalen viel Wissenswertes über den technischen Fortschritt, über Politik und Zeitgeschehen und über die Schwierigkeiten und Hindernisse, mit denen Frauen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu kämpfen hatten. Der Schreibstil der Autorin ist sehr flüssig, Beziehungen, Szenen und Landschaften sind lebendig und treffend erfasst. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, eingefügte Tagebucheintragungen einer beteiligten Person vermitteln interessante Einblicke zum Tagesgeschehen.
Fazit: Eine interessante Geschichte mit gut recherchiertem Hintergrund, die mir unterhaltsame und spannende Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 24.07.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

Unerwünscht …
Alex ist jetzt 22 Jahre alt. Bis auf ein paar Gelegenheitsjobs als Kellnerin hat sie in ihrem Leben noch nicht gearbeitet. Was sie brauchte, ließ sie mitgehen wo immer sich die Gelegenheit bot. Einen festen Wohnsitz hat sie nicht, sondern wohnte tage- bzw. nächteweise bei ihren zahlreichen Männerbekanntschaften, die sie beim „Abschied“ selbstverständlich auch beklaute. Jetzt ist August und Alex lebt seit zwei Wochen bei Simon, einem Mann in den Fünfzigern, in dessen Sommerhaus am Meer. Über ihr Vorleben weiß er nichts, so dass Alex sich Hoffnung auf eine dauerhafte Beziehung machen kann. Doch es sollte anders kommen. Als sie bei einer Party betrunken mit dem Ehemann der Gastgeberin flirtete war das für Simon der Anlass, sie am nächsten Tag in die Stadt zurück zu schicken. Doch dahin zurück kann Alex nicht, zu viele Betrogene warten dort. Sie muss unbedingt hier bleiben, denn am Ende der Woche, am Labor Day, gibt Simon eine Gartenparty und Alex hofft, sich dann mit Simon versöhnen zu können. Wird ihr das gelingen?
Emma Cline, geb. 1989, ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Sie wuchs in Kalifornien auf, studierte an der Columbia University in New York und lebt heute bei Los Angeles. Sie schreibt für einige Magazine und veröffentlicht Kurzgeschichten. Ihr erster Roman „The Girls“ erschien 2016 – „Die Einladung“ (The Guest) ist ihr zweiter Roman. Er erscheint 2023 bei Random-House. Für ihr schriftstellerisches Schaffen erhielt sie bereits einige Auszeichnungen.
Die Geschichte erinnerte mich zu Anfang sofort an den Film Pretty Woman mit Julia Roberts als Vivian – doch leider entwickelte sich das Geschehen ganz anders als ich vermutete. Während ich Vivian mochte, ist mir hier die Protagonistin zutiefst unsympathisch. Sie nützt jeden dem sie begegnet schamlos aus, beklaut sie zudem noch beim Abschied und wundert sich, dass kaum einer sie mag. Ein Aspekt, der mich beim Lesen des Buches ärgerlich und wütend machte, was ich aber selbstverständlich nicht in meine Bewertung einfließen lasse.
Der Schreibstil der Autorin und ihr Einfallsreichtum sind nämlich großartig, die Spannung steigt von Anfang an kontinuierlich und die psychische Stimmung der verschiedenen Personen ist gut ausgearbeitet. Trotz meiner Abneigung gegen Alex konnte ich ein gewisses Mitleid mit ihr nicht verhindern. Der Schluss der Geschichte ist etwas verwirrend, jedoch so clever gestaltet, dass jede/r Leserin/Leser das Ende für sich selbst interpretieren kann. Mehr möchte ich dazu nicht verraten.
Fazit: Interessant und durchaus lesenswert!

Bewertung vom 23.07.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe (eBook, ePUB)
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe (eBook, ePUB)


gut

Die Autorin: Doris Knecht wurde 1966 in Rankweil, Vorarlberg, geboren und lebt seit 1985 meist in Wien. Sie ist eine österreichische Schriftstellerin und Journalistin, die für diverse Zeitungen und Magazine Kolumnen schreibt. Gelegentlich tritt sie auch als DJ auf. Für ihre Werke erhielt sie einige Auszeichnungen und war mit ihrem ersten Roman „Gruber geht“ 2011 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Doris Knecht hat zwei Kinder, deren Heranwachsen sie in ihren Texten immer wieder thematisiert.
Meine Meinung: Ich muss gestehen, eine Rezension zu diesem Buch fällt mir schwer. Zunächst ist es für mich kein Roman, wie auf dem Titel vermerkt, sondern entspricht eher einer Biographie. Ob Doris Knecht hier über ihr eigenes Leben berichtet, ist nicht klar festzustellen. Jedenfalls lässt sie eine namenlose Frau mittleren Alters, Mutter von 18jährigen Zwillingen, in Ich-Form über ihr bisheriges Leben berichten. In kurzen Kapiteln, nicht unbedingt chronologisch, erzählt sie über ihre Kindheit und Jugend, über ihre Geschwister, über ihre eigenen Kinder und deren Aufwachsen und über ihren Hund. Dazwischen eingefügt sind einige Episoden über ihre Eltern, über Freunde und Freundinnen, über Wohnungswechsel und Umzug, über das Wetter und noch einiges mehr. Der Schreibstil ist zwar angenehm flüssig, dennoch kam bei mir ab und zu Langeweile auf, da eigentlich nichts Aufregendes und kaum Interessantes passiert.
Fazit: Ein ganz normales Leben mit Erinnerungen, wie sie wohl jede/r von uns hat. Ob man darüber schreiben muss?