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Lulu24

Bewertungen

Insgesamt 78 Bewertungen
Bewertung vom 27.12.2023
White Zero
Falk, Thilo

White Zero


gut

Mehr erwartet!
Thilo Falks Roman „White Zero“ startet in einem spannenden Szenario: Während die Geophysikerin Jana Hollmer in ihrem Vortrag die Folgen des herrschenden außergewöhnlich kalten Winters in Deutschland skizziert, bersten die Wände des Tagungsraumes und in der Kaserne bricht Chaos aus!

Nach diesen ersten Seiten wollte ich unbedingt weiterlesen, was die Ursachen waren und wie die erbarmungslose Kälte das Leben aller gefährdet, weil die Versorgung der Bevölkerung durch die zerstörte Infrastruktur nicht mehr gewährleistet werden kann … Aber die folgenden Ereignisse erinnerten mich mehr an den Corona-Winter in unfreiwilliger Isolation und Häuslichkeit: Alle Protagonisten sind in der Lage, weiter ihre Häuser zu beheizen und alles Lebensnotwendige scheint reibungslos zu funktionieren. Die Versorgung der Bevölkerung bricht nicht zusammen, von einzelnen Luxusproblemen wie dem begrenzten Angebot an geöffneten Restaurants mal abgesehen. Kein echtes Schreckensszenario, das die Solidarität unter den Menschen herausfordert und an seine Grenzen führt…

Als sich Jana Hollmer auf die Suche nach den Ursachen und deren Bekämpfung macht, nimmt die Spannung noch einmal etwas Fahrt auf, aber insgesamt habe ich mir mehr erwartet: mehr Spannung und mehr Beschreibung der Konsequenzen einer drohenden Eiszeit. Vielleicht ist dafür auch die Ausgangssituation zu gemäßigt gewählt: Winterliche Temperaturen bis zu-30° Celsius sind in unseren Breiten zwar ungewöhnlich, aber nicht wirklich lebensbedrohlich, denn unsere Nachbarn im hohen Norden wissen unter diesen klimatischen Bedingungen zu überleben… Wieso sollten wir Mitteleuropäer das nicht bewältigen?

So war dieser Roman angenehm zu lesen und führte mit einer moderaten Spannung durch die Geschichte, aber erfüllte m.E. nicht den Anspruch eines richtigen Klima-Thrillers. Schade!

Bewertung vom 10.12.2023
Die Unbestechliche
Welser, Maria von;Horbas, Waltraud

Die Unbestechliche


ausgezeichnet

Zeitgeschichte aus weiblicher Sicht
Im Mittelpunkt des Romans „Die Unbestechliche“ von Maria von Welser und Waltraud Horbas steht Alice Meißner, eine junge alleinerziehende Journalistin, die Ende der sechziger Jahre in der Lokalredaktion im kleinen Miesbach ihre journalistische Ausbildung absolviert, um dann nach München zu wechseln und dort -etwas unfreiwillig - vom Kulturressort in die Sportberichterstattung. Überall trifft sie auf eine männerdominierte Welt und muss stets die Balance zwischen Selbstbewusstsein und Anpassungsfähigkeit finden, um ihren Weg gehen zu können.

Für mich war es reizvoll, diese quasi biographische Geschichte zu lesen, die in einer Zeit spielt, in der meine Mutter noch ein Kind war: Von Studentenunruhen, kaltem Krieg, Ölkrise, deutschem Herbst und RAF habe ich zwar im Geschichtsunterricht gehört, aber dieses aus der Perspektive einer jungen Frau miterleben zu können, hat mir die Dinge viel nähergebracht. Auch die detailliert geschilderten Erfahrungen Alices mit ihren diversen Chefs – vom väterlich-strengen Lehrmeister Zeißler bis zum cholerischen Herrn Horst sowie ihre Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft waren interessant und meinen eigenen heutigen Erfahrungen überraschend ähnlich. Schließlich fand ich auch die Gedankengänge der jungen Frau zum Thema Wahrheit und Meinungsbildung sehr spannend. Daher eine rundum interessante Lektüre!

Bewertung vom 14.11.2023
Ein guter Plan ist die halbe Liebe
Schmölzl, Lydia

Ein guter Plan ist die halbe Liebe


weniger gut

Funke springt nicht über
Lydia Schmölzls neuer Liebesroman erzählt von Roxanne, einer Mittdreißigerin, die als Personalchefin beruflich erfolgreich und gut strukturiert ihr Leben meistert, und es sich zwischen drei Männern gemütlich eingerichtet hat: Ihr Ex-Mann Jonas steht für Handwerkliches und Reparaturen bereit, ihr Kumpel Max für gemütliche Abende und Gesellschaft nach Bedarf und schließlich Kollege Dorian für kleine Flirts am Arbeitsplatz. Erst ihr Besuch beim Gynäkologen bringt ihr Weltbild ins Wanken und angesichts ihrer abnehmenden Fruchtbarkeit breitet sich Panik aus. Also entwickelt sie mit den vertrauten Methoden aus dem Berufsleben eine Art Assessment-Center für die Auswahl des optimalen Kindsvaters.

Die Mischung aus selbst bewusster Karrierefrau, die langsam von FOMO erfasst wird und sich mit den vertrauten aber unkonventionellen Methoden aus ihrer Berufstätigkeit auf das Gebiet der Familienplanung begibt, verspricht eine amüsante Auseinandersetzung mit den verschiedenen Welten von Karriere und Baby-Bubble.

Leider springt der Funke bei mir aber nicht über: Die Protagonistin erscheint mir weder glaubwürdig noch sympathisch und für ihr fortgeschrittenes Alter einfach unreif. Selbst als Mittzwanzigerin vermag ich ihre Probleme nicht nachzuvollziehen und ertappe mich zunehmend bei dem Gedanken, dass sie einfach eine Mischung von egoman und dämlich ist. Auch der Wortwitz der ersten Seiten geht nach und nach verloren, und ich empfand die Lektüre zusehends als zäh und die Auflösung als unbefriedigend.

Bewertung vom 07.11.2023
Diagnose Lipödem?
Sprott, Caroline;Lipp, Anna-Theresa

Diagnose Lipödem?


gut

Echte Bodypositivity?
Dr. Anna-Theresa Lipp und Caroline Sprott haben zusammen dieses Buch über die Diagnose Lipödem geschrieben. Beide sind selbst von dieser Erkrankung
betroffen und nähern sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen:

Frau Dr. Lipp berichtet über konservative und operative Behandlungsmethoden sowie deren Chancen und Risiken. Sie erzählt aus ihrer Erfahrung als Lipödem-Chirurgin einiges über die Arzt-Patienten-Beziehung, die Vor- und Nachbereitung der Eingriffe, das Verhalten nach der Operation usw. Sie gibt den Frauen also die Informationen, nach denen zu fragen beim Arztbesuch vielleicht Zeit oder Mut fehlen.

Caroline Sprott ist Healthfluencerin und Kompressionsmodel. Sie schildert den Alltag mit der Kompression, gibt viele Tipps und vor allem viel Aufmunterung: Du bist nicht allein, Flachstrickheldin! Die Tipps finde ich sehr hilfreich und wertvoll. Die Ermunterung, sich von der Krankheit nicht entmutigen zu lassen, sinnvoll und notwendig. Dass die eigene Selbstwahrnehmung und Wertschätzung nicht vom Aussehen abhängen darf, sondern von ganz andernen Werten bestimmt werden sollte, ist eine grundsätzliche Weisheit, die allgemein nicht genug betont werden kann.

Doch genau an diesem Punkt habe ich ein Problem mit dem Buch: Caroline Sprott hat trotz ihrer Krankheit eine gute Figur und als Kooperationspartnerin von Kompressionsware-Herstellern eine große Auswahl an verschiedenen Kompressionsmodellen zur Verfügung. Beides setzt sie in professionell arrangierten Fotos perfekt in Szene. Meiner Meinung nach geht der Schuss nach hinten los und setzt die betroffenen Frauen letztlich genauso unter Druck wie die gesellschaftlich definierten Schönheitsideale!

Ich habe das Buch für zwei Freundinnen gekauft, die von dieser Krankheit betroffen sind und die infolge ihrer Krankheit deutlich größere Probleme mit ihrer Figur und ihren Proportionen haben. Außerdem fehlen ihnen die finanziellen Möglichkeiten, sich selbst Kompressionsware in den verschiedensten Farben passend zu einem üppig bestückten Kleiderschrank zu kaufen! Hier ist der Frust vorprogrammiert, wenn sie das Gefühl vermittelt bekommen, selbst das nicht umsetzen zu können, was ihnen eine andere Betroffene (vermeintlich in der gleichen Situation) rät. Das hier vermittelte Bild von angeblich bedingungsloser Body Positivity ist daher nicht glaubwürdig!! Schade!

Bewertung vom 07.11.2023
Alles Zufall im All?
Bertram, Erik;Wylezalek, Dominika

Alles Zufall im All?


ausgezeichnet

Verständlich und unterhaltsam!
Ja, dieses Buch ist anstrengend zu lesen, aber nur aufgrund seiner fürchterlich kleinen Schrift und der eng gesetzten Buchstaben! Inhaltlich ist es wirklich angenehm zu lesen, obwohl ich in Physik nie eine Leuchte war.
Doch von Anfang an: Die Autoren Erik Bertram und Dominika Wylezalek studierten gemeinsam Astrophysik und vermitteln in ihrem Buch „alles Zufall im All?“ Einblicke in die Arbeitsweise und die Ergebnisse der Weltraumforschung. Bertram ist dabei der theoretische Physiker, welcher viel über Computermodelle und deren Möglichkeiten und Grenzen erzählt, Wylazek ist die beobachtende Astronomin , die uns mit zu ihrem einsamen Beobachtungs-Nächten am Teleskop in der Atakama-Wüste nimmt. Beide Perspektiven ergänzen sich und fügen sich zu einem Bild, das uns die Unendlichkeit des Weltalls näherbringt und erläutert.
Nach Einblicken in diese faszinierende Wissenschaft und ihre unterschiedlichen Methoden in Kapitel 1 erfahren wir in Kapitel 2 viel über die Entstehung des Universums und die entscheidende Frage, wieso überhaupt etwas existiert und nicht nichts. In Kapitel 3 lernen wir viel über die Entwicklung der Galaxien, ihre Besonderheiten und Überlebenswahrscheinlichkeiten.
Obwohl sich dieses alles in unvorstellbaren Dimensionen von Raum und Zeit vollzieht, gelingt es den Autoren alles unterhaltsam und verständlich zu vermitteln. Anschauliche Illustrationen und witzige Vergleiche machen es dem Leser leicht, alles zu verstehen: von Galaxien, für dich sich selbst bei Ebay Kleinanzeigen kein Abnehmer findet, bis zu Galaxien, die sich wie ein zerknülltes Taschentuch entfalten. Um den Erzählfluss nicht auszubremsen, werden nicht nur weiterführende Literaturhinweise in den Anhang verbannt und hilfreiche Definitionen und Erläuterungen in separaten Textblöcken untergebracht, sondern auch noch die wichtigsten Inhalte am Ende jedes Kapitels noch einmal zusammengefasst, so dass man alles leicht noch mal nachlesen kann, wenn etwas nicht sofort im Gedächtnis hängen blieb.
Daher ein dickes Lob für dieses überraschend verständliche und unterhaltsame Lehrbuch er Astrophysik für Laien!

Bewertung vom 26.10.2023
Hundert Klassiker
Henssler, Steffen

Hundert Klassiker


ausgezeichnet

Grundlagenbuch
Steffen Henssler bietet mit seinen Hundert Klassikern ein Grundlagenbuch für Kochneulinge wie mich. Bislang habe ich mich hauptsächlich von Pasta, Reis und schnell Gegrilltem und Gebratenem ernährt, und die klassische Küche bei Muttern genossen. Doch das kann sich jetzt ändern!

Gut strukturiert führt mich Steffen Henssler durch die verschiedenen Gebiete der Kochkunst: Die Kapitel stellen Fleisch, Fisch & Meeresfrüchte, Pasta und Reis, Kartoffeln & Gemüse, Suppen & Eintöpfe, Salate, Eier & Brot, Desserts & Kuchen sowie Saucen, Fonds & Dressings vor. Zu Beginn steht immer eine Doppelseite mit den wichtigsten Informationen, und jedes Rezept findet sich auch übersichtlich auf einer Doppelseite: links der Text, rechts ein tolles Foto! Außerdem gibt es Hinweise auf typische Anfängerfehler und wertvolle Tipps, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. So weiß ich jetzt, dass ich mir den vermeintlich überflüssigen Schritt, das Gemüse durch ein Sieb zu streichen eben nicht schenken sollte, wenn ich ein schönes Ergebnis haben möchte.
Ab sofort kann Muttern also bei mir zum Essen kommen und staunen, dass ich auch auf dem Gebiet der klassischen Küche fit bin!

Schade nur, dass sich keine Angaben zu Nährwerten finden, die ich persönlich wichtiger gefunden hätte als den Veggie-Button bei einigen Rezepten. Ob das Rezept nun vegetarisch, glutenfrei oder allergieverdächtig ist, kann jeder Betroffene bei Durchsicht der Rezepte leicht selbst erkennen. Nährwerte sind da schon deutlich mühsamer zu berechnen.

Bewertung vom 26.10.2023
Welt in Aufruhr
Münkler, Herfried

Welt in Aufruhr


sehr gut

Brillant, aber überfordernd!
Herfried Münklers Buch Welt in Aufruhr verspicht im Klappentext, mehr Verständnis für die die Umbrüche und Entwicklungen der Gegenwart zu vermitteln und die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert zu erklären. Angesichts der beunruhigenden Nachrichten über zerbrechende Partnerschaften und neue Bündnisse sowie Konflikte und Kriege in der ganzen Welt erhofft sich der Leser ein wenig (gedankliche) Ordnung im geopolitischen Chaos.

Herfried Münkler ist emeritierter Professor der Politikwissenschaft und schöpft unverkennbar aus einem sehr großen Fundus an Geschichtswissen und vermag seine Analyse tief zu verankern. Doch als allgemein gebildeter und politisch interessierter Bürger und Leser stieß ich bei meiner Lektüre von 450 Seiten eng bedrucktem Text, 50 Seiten Anmerkungen und 20 Seiten Literaturangaben an meine Grenzen der Zeit und Geduld, zumal die langen verschachtelten Sätze über teilweise 10 Zeilen, gespickt mit nicht allgemein geläufigen Fremdwörtern meinen Lesefluss erschwerten.

Inhaltlich ist dieses Buch ohne Frage äußerst klug, kenntnisreich und horizonterweiternd, doch es ist meines Erachtens an ein wissenschaftliches Publikum adressiert und überfordert einen normalen Leser, der seinen Fokus nicht lebenslang allein auf geschichtswissenschaftliche Betrachtungen richten kann. Eine Kurzfassung der wichtigsten Thesen in einem neuen, leichter verständlichem Buch könnte einem größeren Leserkreis helfen, die Welt in Aufruhr zu verstehen!

Bewertung vom 18.10.2023
Das Glück liegt im Darm
Polster, Elisabeth

Das Glück liegt im Darm


sehr gut

Spannendes Innenleben
Elisabeth Polster fasst die Botschaft ihres Buches gleich im Titel zusammen: Das Glück liegt im Darm. Und tatsächlich führt sie den Leser gleich in den ersten beiden Kapiteln eindrucksvoll vor Augen, wie sich die Gesundheit unseres Darms auf unsere Gesamtgesundheit auswirkt.
Ich bin selbst gerade erst durch einen ganzheitlich denkenden Arzt auf dieses Thema und meine eigene Glutensensitivität aufmerksam geworden und habe durch die Lektüre dieses Buches ein gutes Verständnis der Zusammenhänge bekommen und gelernt, dass die bekannte Schädigung durch Antibiotika bei weitem nicht das einzige ist, was wir unserem Darm antun. Zudem war mir neu, dass im Darm nicht nur der größte Teil unseres Immunsystems sitzt, sondern auch Leber, Hirn und Haut beeinflusst werden.
Aus dem praktischen Teil habe ich für mich mitgenommen, dass ich verstärkt sowohl auf lösliche als auch auf unlösliche Ballaststoffe achten werde, weil mir die unterschiedlichen Wirkungen nun bekannt sind. Viele andere Anregungen sind mir noch zu ungenau und zu wenig praxisnah erklärt, so dass ich den Eindruck habe, ich müsste erst eine Heilpraktikerin finden, um die Umsetzung der Ratschläge bewältigen zu können. Sicher ist vieles individuell verschieden und nicht verallgemeinerbar, trotzdem hätte ich mir gewünscht, noch ein paar einfache Selbsttests an die Hand zu bekommen, um z.B. herausfinden zu können, ob es Anzeichen gibt, dass auch Milch ein Problem für mich darstellt. So bleibe ich etwas ratlos zurück, wie ich die Erkenntnisse aus dem Buch nutzbringend für mich einsetzen kann. Schade!

Bewertung vom 18.10.2023
Baustellen der Nation
Banse, Philip;Buermeyer, Ulf

Baustellen der Nation


ausgezeichnet

Deutschland auf dem Prüfstand
Philip Banse und Ulf Buermeyer nehmen uns mit auf eine Deutschlandreise besonderer Art: Sie führen uns die jahrzehntelangen Defizite in den Bereichen der Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung, Energiewende, Bildungspolitik und Rentensicherung vor Augen sowie die Folgen sozialer Ungleichheit und den Hemmnissen einer trägen Bürokratie und des zusätzlich bremsenden Föderalismus.

Vieles begegnet und nervt uns tagtäglich, doch es ist erschreckend, das Ausmaß der Fehlentwicklungen so umfassend vor Augen geführt zu bekommen. Ich hatte bisher nicht geahnt, wie schlimm es wirklich um unser Land steht.

Das Buch ist stilistisch angenehm zu lesen, der Inhalt ist dafür umso unangenehmer! Alles ist gründlich recherchiert und anhand verschiedener Interviews, Zeitungsartikel, Literatur und Internet belegt. Etwas dürftiger fallen dagegen die Problemlösungsansätze aus. Sie füllen am Ende jeden Kapitels nur ein bis zwei Seiten und lassen die Präzision der Analyse missen. Aber es wäre wohl auch zu viel verlangt, dass zwei Autoren die gesamten Probleme des Landes lösen könnten. Zumindest bringen sie Denkansätze und Anregungen für einen politischen Diskurs, der unbedingt notwendig ist, wenn wir gemeinsam Veränderungen in Gang bringen und bewältigen wollen, um unsere Zukunft zu gestalten!

Bewertung vom 05.10.2023
Nie gut genug
Curran, Thomas

Nie gut genug


gut

Zuviel versprochen!
Der Sportpsychologe Thomas Curran beschäftigt sich in seinem Buch „Nie gut genug“ mit der Entstehung, den Formen und den Folgen des immer stärker um sich greifenden Perfektionismus. Er unterscheidet zunächst die Facetten des selbstorientierten, fremdorientierten und sozial vorgeschriebenen Perfektionismus und deren Übergänge und Wechselwirkungen. Er zeigt auf, welche Auswirkungen er für uns hat und woher er entsteht bzw beruflich und allgemein gesellschaftlich noch geschürt wird.
Seine abschließenden Betrachtungen, wie man lernen könne, mit gut genug zufrieden zu sein, fällt mit 50 von gut 290 Seiten sehr knapp aus. So bleibe ich als Leser ziemlich verunsichert zurück mit dem Gefühl, den Vorgängen doch recht hilflos ausgeliefert zu sein. Schließlich wurde mir vorher genau aufgezeigt, wie das Wirkungsgeflecht der verschiedenen perfektionistischen Ansprüche sich immer mehr verdichtet. Ob da eine ermutigende Selbstaffirmation allein helfen kann?
Im letzten Teil wird das Buch sehr schwammig. Was hilft mir die Aufforderung, mich selbst als atmendes menschliches Wesen anzuerkennen und zu lieben, und zu begreifen, dass alles anders kulturell bedingte Vorstellungen seien, die ausschließlich da seien, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln? (vgl S. 250) Ich fürchte, dass mir das im fordernden Berufsalltag nicht helfen wird, mich selbstbewusst gegen die Ansprüche meines Chefs und den Wettbewerb unter den Kollegen zu behaupten.
Schade, ich hätte mir mehr konkrete Hilfestellungen und Handlungsempfehlungen erhofft, wie ich mich gegen überzogene und kraftraubende Ansprüche von innen und außen wappnen kann! Daher finde ich, dass die Ankündigung einer Befreiung vom Selbstoptimierungsdruck im Untertitel des Buches leider mehr verspricht, als der Autor liefert.