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Benutzername: 
Kwinsu
Wohnort: 
Salzburg

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 14.12.2023
Stille Falle / Leo Asker Bd.1
Motte, Anders de la

Stille Falle / Leo Asker Bd.1


sehr gut

Leo Asker hat es nicht leicht. Durch eine Intrige wird sie zur Abteilungsleiterin einer ihr bis dahin völlig unbekannten Abteilung innerhalb der Malmöer Polizei "befördert", die sich bezeichnenderweise "Abteilung für hoffnungslose Fälle" oder auch "Abteilung der verlorenen Seelen" nennt. Was die dort vorhandenen Mitarbeiter/innen genau machen oder was grundsätzlich die Aufgaben dieser Einheit sind, weiß keiner so genau. Bald jedoch findet Leo heraus, dass ihr Vorgänger auf der Spur von mysteriösen Vorfällen war, bei denen in einer Eisenbahn-Modelllandschaft in unregelmäßigen Abständen Figuren auftauchen, die vermissten Personen ähneln. Und auch der aktuelle Fall einer verschwundenen Promi-Tochter wird in der Modelllandschaft abgebildet. Trotz vieler Hindernisse setzt Leo alles daran, den Fall zu lösen...

Zugegebenermaßen musste ich besonders in der ersten Hälfte von „Stille Falle“ sehr oft an Jussi Adler Olsen’s Sonderdezernat Q mit dem Ermittler Carl Mørck denken. Die Abteilung, in die Asker versetzt wird, ist im Keller situiert – wie das Sonderdezernat Q. Und auch die dort arbeitenden Personen sind sehr speziell, wenn auch nicht ganz so übertrieben wie bei Jussi Adler Olsen. Im Gegensatz zum Dänischen Sonderdezernat sind die Aufgaben der Reserveabteilung nicht ausschließlich auf Cold Cases beschränkt, sondern widmen sich sonderbaren Vorkommnissen, die nicht zwangsläufig mit einem Verbrechen zu tun haben. Wobei sich die Hauptprotagonistin bis zum Schluss nicht darüber klar wird, was genau der Auftrag ihrer Abteilung ist. Auch die Kriminalfälle sind ähnlich heftig wie bei Mørck, ebenso ähnelt die Erzählstruktur an die dänische Krimireihe – es wird abwechselnd aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt, einmal folgt der/die Leser/in Leo Asker, dann dem Täter oder dem Opfer oder anderen Protagonisten und auch die Erzählperspektive wechselt zwischen der beobachtenden und ich-erzählenden Form. Anfänglich hat mich die Ähnlichkeit zu der Mørck-Reihe gestört und ich konnte mich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, was sich dann aber glücklicherweise nach rund hundert Seiten gelegt hat.

Trotz aller Ähnlichkeiten ist Anders de la Motte ein spannungsgeladener Kriminalroman geglückt. Die abwechselnden Perspektiven erzeugen einen sich kontinuierlich steigernden Spannungsaufbau. Die Charaktere sind divers und interessant und agieren mit Ernsthaftigkeit – im Gegensatz zu Olsens Figuren. Das schwedische Flair ist etwas kühler als bei seinem dänischen Pendant, alles wirkt etwas härter. De la Motte liefert auch Erklärungen dafür, warum sich die handelnden Personen zu dem entwickeln, was sie jetzt sind – sie haben teils schwer lastende Rucksäcke, die sie oft schon Jahrzehnte mitschleppen. Dies verleiht den Protagonist/innen eine angenehm nachvollziehbare Tiefe. Klar erkennbar ist, dass eine Fortsetzung der Reihe geplant ist, worauf sich die Leser/innen sehr freuen können.

Mein Fazit: Wer die Krimireihe um Carl Mørck mag und sich über weniger nervende Charaktere freut, ist bei „Stille Falle“ goldrichtig. Anders de la Motte präsentiert eine Kriminalgeschichte, die fesselnd und packend ist und es nur schwer ermöglicht, sie aus der Hand zu legen. Besonders hervorzuheben sind die Charaktere mit Tiefgang, die auch ein wenig hinter die Fassaden blicken lassen. Ein gelungener Krimi, der viele unterhaltsame Lesestunden garantiert!

Bewertung vom 01.12.2023
Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan
Janson, Karin

Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan


ausgezeichnet

Annie fühlt sich gerade in ihrem Leben nicht so wohl. Der Job nervt, nach einer Brustkrebserkrankung ist sie immer noch nicht ganz bei Kräften, irgendwie klappt es auch nicht so gut mit ihrem Mann und zu ihrem pubertierenden Sohn findet sie keine Verbindung mehr. Durch einen Wink des Schicksals fällt ihr ein roter Oldtimer-Bus zu und sie beginnt durch die schwedische Provinz zu fahren, um darin Unterwäsche zu verkaufen. Sie will die Zeit nutzen, um sich darüber klar zu werden, was sie eigentlich im Leben will. Viele verschiedene Begegnungen beeinflussen den Weg ihrer Selbstfindung. Und ihr Talent, gefühlvoll mit den Menschen umzugehen, beeinflusst diese wiederum auf positive Art und Weise.

Zugegebenermaßen fand ich den Titel und das Cover nicht sonderlicher ansprechend, da ich aber eine Vorliebe für skandinavische Literatur habe, wollte ich Näheres über das Buch erfahren und fand die Inhaltsbeschreibung sehr reizvoll. Das Buch hat mich dann von Anfang an überzeugt - ich empfand den Schreibstil sehr einnehmend, mag ich es doch grundsätzlich sehr gerne, wenn die Protagonistin selbst erzählt und alles so beschrieben wird, dass sich die Lesenden bildlich und auch gefühlsmäßig gut in die Story hineinversetzen können. Hinzu kommt der Lokalkolorit aus Darlana und Umgebung und die schwedischen Eigenheiten, die die beschriebenen Menschen besonders machen.

Ich bin ungefähr in Annies Alter und kann die Gedanken über das Leben sehr gut nachvollziehen. Bedauerlicherweise habe ich eine ähnliche Krankheitsgeschichte und da muss ich sagen, dass ich mir ab und an mit der Thematisierung der Krankheit schwer getan habe. Ehrlicherweise hätte ich das Buch nicht gelesen, hätte ich von der Inhaltsbeschreibung gewusst, dass Brustkrebs eine Rolle in diesem Roman spielt. Das hat einiges getriggert und war für mich nicht immer leicht zu lesen, aber schlussendlich fand ich es schön und auch ein Stück weit inspirierend, wie sie die Krankheit hinter sich gelassen hat.

Bezaubernd fand ich die einzelnen Begegnungen mit verschiedenen Menschen, die Annie im Laufe der Geschichte trifft. Ihre gefühlvolle Art auf die Menschen, mit denen sie interagiert, einzugehen, ist wirklich herzerwärmend, aber nicht kitschig. Trotzdem Annie grundsätzlich positiv ist, schwingen doch immer realistischer Zweifel, sehr nachvollziehbare Enttäuschungen und eine gewisse Melancholie mit, die das Buch für mich nur noch glaubhafter machen. Das Buchrückenzitat der Dagens Nyheter "Das ist ein intelligenter schwedischer Feelgood, der nie zu zuckersüß wird, sondern einen schönen melancholischen Grundton bewahrt." trifft es für mich auf den Punkt.

Mein Fazit: Wer Schweden mag, einer starken Protagonistin auf ihrem Weg zur Selbstfindung begleiten und mit ihr Höhen und Tiefen erleben will, ohne dass es zu philosophisch oder gesellschaftskritisch wird, ist hier genau richtig. Eine Triggerwarnung an alle, die mit Brustkrebs zu tun hatten, das kann durchaus herausfordernd werden. Insgesamt ein schönes Buch, das ein wohliges und zuversichtliches Gefühl hinterlässt.

Bewertung vom 26.11.2023
The Unknown Link: Cyberella
Hebesberger, Roland

The Unknown Link: Cyberella


ausgezeichnet

Vorab: ich habe die ersten beiden Teile der Trilogie nicht (vollständig) gelesen. Der Prolog in diesem Buch beginnt rasant und spannend mit einer Flucht. Danach begleiten wir die Hauptprotagonistin Zara aka Cyberella in einer Reise um die Welt, um unerkannt Mister Unknown zu treffen, der ihr ein Angebot macht, gemeinsam einen Erzfeind aufzuspüren und zu besiegen. Doch es kommt anders und schnell ist Zara dabei gemeinsam mit einigen Verbündeten die Welt zu retten. Ihre KI "Spinne" bekommt ungewollt eine wesentliche Rolle in dem drohenden Unheil...

Zwar war "The Unknown Link" durchaus spannend und kurzweilig zu lesen, ich konnte mich aber nie ganz in die Geschichte hineinversetzen. Ich hatte ständig das Gefühl, dass mir Details aus den Vorgängerromanen fehlen, auch wenn doch einiges geschildert wird - ich würde aber auf alle Fälle empfehlen, die ersten beiden Bände der Reihe zu lesen, wenn einem die Reihe grundsätzlich zusagt! Ich hatte mit dem ersten Teil "The Backdoor Link" begonnen, konnte mich aber auch hier nicht in die Story einfinden und gab nach 70 Seiten auf. Irgendwie fehlte es mir bei beiden Werken an Tiefe, trotzdem es sich zweifelsohne um eine komplex erschaffene Welt an Hackern und Systemsprengern handelt. Meinem persönlichen Geschmack hätte es entsprochen, wenn die ideologischen Hintergründe der verschiedenen Taten intensiver beleuchtet worden wären. Auch war für mich die doch recht oberflächliche Beschreibung der Hacker/innen-Welt nicht sonderlich glaubwürdig, ich empfand einiges als unrealistisch. Würde die Reihe verfilmt werden, würde es sich definitiv um einen Action-Film handeln. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, dass es mir nicht so zugesagt hat, bevorzuge ich grundsätzlich langsame und tiefgründigere Geschichten.

Mein Fazit: Roland Hebesberger hat zweifelsohne eine rasante, actionreiche Hacker/innen-Welt mit diversen Charakteren erschaffen, der es für meinen persönlichen Geschmack aber an Tiefgang und Entschleunigung fehlt. Wer zahlreiche Wendungen und ein schnelles Tempo mag, ist hier aber sicher gut aufgehoben, wie die vielen positiven Rezensionen belegen.

Bewertung vom 24.11.2023
Fährnis der Frau
Morgan, Ava

Fährnis der Frau


ausgezeichnet

Zwölf Mal weibliche Hölle

Zwölf Geschichten, so grausam, dass das ungute Gefühl in der Magengegend beim Lesen kaum zu unterdrücken ist. Ava Morgan schildert in “Fährnis der Frau” Ereignisse, denen Frauen oder weiblich gelesenen Personen tagtäglich ausgesetzt sind. Seien es Äußerlichkeiten-Rankings beim Festival, die so üblich sind, dass sie kaum mehr aufregen. Oder die patriarchale Hierarchie im hippen Unternehmen, die es Männern scheinbar erlaubt, sich alles zu holen, was sie wollen und die unterdrückenden Strukturen so tief verankert sind, dass sich Frau kaum dagegen wehren kann. Oder Stalking-Vorkommnisse, die sich dank Social Media und dem gläsernen Internet nur allzu leicht vom Virtuellen in die Wirklichkeit begeben. Auch intime Übergrifflichkeiten werden geschildert, die sogar von jenen abgetan werden, die doch solidarisch sein sollten: andere Frauen. Das Erschreckende dabei: neun von zwölf Erzählungen basieren auf wahren Begebenheiten und auch die restlichen drei sind absolut vorstellbar.

Neben der realistischen Darstellung ist besonders der angenehme Erzählstil der Autorin hervorzuheben. Die Kurzgeschichten werden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, sei es aus erster, zweiter oder dritter Person, auch eine Interviewform ist dabei und macht das Lesen abwechslungsreich. Das ist auch essentiell, da die einzelnen Geschichten sehr aufs Gemüt drücken. Ava Morgan schafft es, dass sich die Lesenden absolut in das Erzählte hineinversetzen können, was Fassungslosigkeit hinterlässt und zur Rebellion aufruft. Und bewusst macht, dass es zur Gleichberechtigung noch ein langer Weg ist; dass wir uns solidarisieren müssen und jeglicher Sexismus und die Annahme, dass Frauen und jene, die weiblich gelesen werden, Freiwild sind und die kontinuierlichen Grenzüberschreitungen weiterhin toleriert werden, bekämpft werden müssen.

Mein Fazit: ein enorm gelungenes, wichtiges Buch, das in seiner Episodenhaftigkeit hervorragend dafür geeignet wäre, als Feminismus-Black-Mirror verfilmt zu werden! Meines Erachtens eignet sich das Buch sehr gut als Lehrmaterial für die Aufklärung über die tief verankerten patriarchalen Strukturen, egal ob für Jung oder Alt. Ein Lese-Muss für alle, die dazu bereit sind, die gesellschaftlichen Gegebenheiten zu reflektieren und sich nicht davor scheuen, die oft brutale Wirklichkeit von Frauen zu betrachten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.11.2023
24 Wege nach Hause
Fagerlund, Jenny

24 Wege nach Hause


sehr gut

Herzerwärmendes Adventsrätsel

Nachdem Petra aus finanziellen Gründen ihre Zelte in Stockholm abbrechen musste, begibt sie sich gemeinsam mit ihrer zwölfjährigen Nichte Charlie, um die sie sich kümmert seitdem ihre Schwester verstorben ist, in das kleine Dorf Nyponviken in Südschweden. Dort hat sie eine Wohnung geerbt und für sie ist es ein Rätsel, warum ihre Eltern das kleine Dorf in Schonen nie erwähnt haben. Petra und Charlie werden herzlich von einigen Dorfbewohner/innen aufgenommen, doch Petra hadert mit ihrer Vergangenheit und noch mehr mit ihrer Zukunft. Zu Adventsbeginn steht plötzlich ein Adventskalender vor ihrer Tür, der ihr jeden Tag neue Aufgaben gibt, um das Dorf zu erkunden und tiefer in ihre eignen Familienbande einzutauchen. Schließlich enden die 24 geöffneten Fenster in einer unerwarteten Auflösung von Petras Vergangenheit und setzen Impulse für eine neue Zukunft.

Jenny Fagerlund ist ein wohliger, vorweihnachtlicher Roman gelungen, der die Leser/innen gekonnt in die Adventszeit einstimmt. Die Themen Scheitern, Verantwortung, Familie und Beziehungen werden durchaus kritisch verhandelt, auch wenn sich letztendlich alles in Wohlgefallen auflöst. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm und mir ist es super leicht gelungen, sofort in die Geschichte einzutauchen. Das funktioniert auch, weil alles sehr eindrücklich beschrieben wird und ich mich gedanklich sofort in das vorweihnachtliche Schonen begeben konnte. Es ist mir auch sehr leicht gefallen, eine Beziehung zu den verschiedenen Charakteren aufzubauen. Einen Stern Abzug gibt es in meiner Bewertung, weil ich finde, dass die Kapitel nicht ganz ausgewogen sind. Im ersten Teil des Buches werden die Ereignisse und Begegnungen recht detailliert beschrieben, im zweiten Teil jedoch, wo die Kapitel sich vorwiegend (wenn auch nicht immer) an den einzelnen Tagen des Adventskalenders orientieren, sind die Beschreibungen dann nur noch sehr knapp und ich dachte mir des Öfteren, dass es schön gewesen wäre, mehr über die einzelnen Situationen zu erfahren. Enden tut der Roman, wie bereits erwähnt, mit einer unerwarteten Wendung, die die Erzählung recht abrupt enden lässt. Von mir aus hätte die Geschichte mit ein paar zusätzlichen Seiten ausklingen können - aber vielleicht gibt es ja noch eine Fortsetzung, das hätten sich die interessanten Charaktere der Geschichte wirklich verdient!

"24 Wege nach Hause" ist ein schöner, nicht zu tiefgründiger Roman für die Vorweihnachtszeit, der durchaus ernsthaft menschliche Beziehungen in den Fokus nimmt, aber auch mit einer Prise Kitsch und einem Happy End gewürzt ist. Es wird den Leser/innen ermöglicht, sich vom Alltagsstress der vermeintlich "Stillen Zeit" zu befreien und gedanklich in einen idyllischen, fiktiven Ort in Südschweden zu reisen. Ein wohliges Buch für eine wohlige Zeit!

Bewertung vom 07.11.2023
Die Superkräfte der Vögel
Hartmann, Silke

Die Superkräfte der Vögel


sehr gut

Eine kurzweilige Reise in die Welt der Vögel

Vögel haben Superkräfte, ja klar – sie können schließlich fliegen! Dass das aber nicht ihre einzige Superkraft ist, davon überzeugt uns Silke Hartmann in ihrem kurzweiligen Buch „Die Superkräfte der Vögel“. Dabei betrachtet und erläutert sie in 16 Kapitel unterschiedliche Fähigkeiten von vorwiegend in Deutschland vorkommenden Vogelarten. Neben dem Fliegen, dem Singen oder der Schönheit unterschiedlicher Flugtiere, finden auch außergewöhnliche Begabungen im Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten ihr Gehör. Aber auch solche „Fähigkeiten“, welche die Gefiederten durch ihre bloße Existenz aufwarten können – nämlich Verzaubern und Heilen – werden erwähnt. Hiermit ist schlicht gemeint, dass sie uns bei ihrer bloßen Betrachtung verzaubern und auch „heilen“ können – Studien haben nämlich herausgefunden, dass das Beobachten und das Zuhören von Vögeln und ihrem Gesang positive Auswirkung auf die psychische Gesundheit von Menschen hat. Besonders imponierend ist auch der 6. Sinn der Vögel – schließlich können sie mit ihrem inneren Radar über tausende Kilometer hinweg ihre Brutnester wiederfinden. In weiteren Kapiteln wird noch die Größe, die Tarnung, die Intelligenz, das Sozialverhalten und die Resilienz des Federviehs thematisiert.

Um ehrlich zu sein, ist es mir zu Beginn schwer gefallen in das Buch hineinzukommen. Einerseits irritierte mich der umgangssprachliche und „lässige“ Ton des Geschriebenen – beispielsweise Überschriften wie „Vögel sind supercool“ oder „Wissenschaft, Baby!“ oder Sätze wie „Sie fallen vielen Menschen erst auf, wenn sie mitten in der Nacht von ihrem Geträller geweckt werden, sie ihnen das Auto und die Gartenstühle vollkleckern oder gegen die Wohnzimmerscheibe knallen. […]“ – womit sie zwar recht hat, trotzdem wehrte sich etwas in mir gegen diese einfache Sprache. Anderseits sorgten die hervorgehobenen Sätze irgendwo auf der Seite – Wiederholungen aus dem Text, die an anderer Stelle in Großbuchstaben und mit Illustrationen versehen, abgedruckt wurden, für Irritation. Mit dem Schreibstil konnte ich mich dann aber schnell anfreunden und empfand ihn schlussendlich als angenehm. Die Hervorhebungen bzw. Wiederholungen haben mich aber bis zum Schluss gestört. Auch bei den Illustrationen bzw. dem Layout des Buches bin ich mir nicht sicher, ob es mir nicht zu überladen ist. Die Illustrationen sind wirklich sehr nett gezeichnet, aber mir wäre es fast lieber gewesen, wenn anstatt der illustrierten Frau, die eine durchs ganze Buch begleitet und eben diese Wiederholungssätze neben sich hat, mehr Inhalt wäre. Ein wenig schade finde ich es auch, dass die Zeichnungen alle in Rot-Schwarz-Weiß gehalten sind - die Farbgebung ist für meinen Geschmack etwas aggressiv und schmälert die Tatsache der Buntheit der Vogelwelt.

Rein inhaltlich finde ich „Die Superkräfte der Vögel“ aber sehr gelungen! Es ist erstaunlich, welche Talente es in der Vogelwelt gibt und wie unterschiedlich diese bei verschiedenen Arten ausgeprägt sind! Die Autorin versucht mit großer Leidenschaft so viele Aspekte wie möglich aufzuzeigen und gibt einen guten Überblick über die Fülle an Fähigkeiten unserer gefiederten Freunde. Da ich mich sehr für Vögel interessiere, bin ich definitiv dazu angeregt worden, mich in verschiedene Thematiken näher einzulesen, beispielsweise über ihr Sozial- und Zugverhalten oder über die Schwarmintelligenz. Dazu gibt es dankenswerterweise am Ende des Buches eine kleine Liste mit empfohlenen Büchern.

Wer sich für Vögel interessiert und sich einen ersten und vor allem kurzweiligen Überblick über diese vielfältige Tierart verschaffen und dies ohne wissenschaftliche Hochsprache tun möchte, sollte durchaus zu „Die Superkräfte der Vögel“ greifen.

Bewertung vom 30.10.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


ausgezeichnet

Wunderschöne Traurigkeit

"Die Zukunft ist bereits vorherbestimmt und lässt sich nicht beeinflussen, doch was passiert ist, ist veränderlich, es bewegt sich die ganze Zeit." (S. 206)

Da ist Harriet, ein Mädchen, dass von ihrer Schwester und ihrer Mutter getrennt und allein von ihrem Vater groß gezogen wird. Da ist Oskar, der eine auf Streit basierte Ehe führt, die ihn an seine Grenzen führt. Und da ist Yana, deren Mutter eines Tages verschwunden ist und die nach dem Tod ihres Vaters beginnt, ihr Leben aufzuarbeiten. Alle drei sind auf der Zugreise nach Malma und ihre Schicksale sind enger verwoben, als es zu Beginn den Anschein hat.

Alex Schulman beobachtet in seinem Roman "Endstation Malma" die Entwicklung von Beziehungen - zwischen Vater und Kind, Mutter und Kind, die Beziehung von Schwestern, von einem Liebespaar und immer auch die Beziehung von den Protagonist*innen zu sich selbst. Er ist dabei so schonungslos, so aufmerksam, so ehrlich, dass es teilweise weh tut. Verbale und psychische Gewalt sind allgegenwärtig, meist ohne, dass es den Protagonist*innen selbst bewusst ist. Ein zu wenig und ein zu viel an Liebe sind stete Wegbegleiter. Der Blick ist dabei immer in die Vergangenheit gerichtet, die Zukunft scheint kaum eine Rolle zu spielen. Erinnerungen und Wahrheiten werden ausverhandelt, die unterschiedlichen Blickweisen auf Geschehnisse beleuchtet. Dies lässt die Geschichte ob der teils tragischen Ereignisse stehts traurig und melancholisch, ab und an sogar depressiv wirken. Die zugängliche Sprache und der philosophische Ansatz jedoch verleihen dem Buch eine Schönheit und beeindrucken so, dass ich stets gefesselt war und kaum aufhören konnte zu lesen. Die ein oder andere Träne musste ich ob der rohen Schilderung gewisser Erinnerungen vergießen. Schließlich hat mich das Erzählte auch dazu angeregt, selbst über meine Vergangenheit und meine Erinnerungen zu reflektieren.

Endstation Malma ist ein großartiges Werk, das mir lange in Erinnerung bleiben und bestimmt noch des Öfteren gelesen werden wird. Es ist keine leichte Kost, aber eine absolute Bereicherung für alle, die sich von Schonungslosigkeit nicht abschrecken lassen.

Bewertung vom 20.10.2023
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


gut

Sprachlos hadern

"Und dann hob ich ab und trieb sanft im Zimmer umher, ganz von allein." (S. 237)

Genauso wie eben angeführtes Zitat treibt die Geschichte der Protagonistin - einmal heißt sie Agnete, einmal Marianne - umher, zwar nicht immer sanft, aber ganz von allein. Wobei, ich bin mir unschlüssig ob es tatsächlich eine Geschichte ist. Vielmehr sind es Gedanken, die wir in "Diamantnächte" mitverfolgen können. Zwar gibt es eine Rahmengeschichte, diese erscheint aber zweitranging. Dabei hadert die Erzählerin ständig - mit sich, mit dem Gesehen Werden, mit einer angeblichen Inkompetenz mit Menschen umzugehen, mit Beziehungen, mit Träumen und Selbstverletzungen. Den roten Faden bildet dabei eine Beziehung zu einem wesentlich älteren Mann - der Vater einer Freundin - die sie Jahrzehnte aufrecht erhält, auch wenn sie immer nur eine flüchtige Begegnung darstellt. Es ist nicht klar: geht es um Sex, um Nähe, sieht sie der Mann, wie sie ist, weil er glaubt, dass er es kann? Was zieht sie immer und immer wieder zu ihm? Was ist so speziell an dieser Beziehung, dass sie deren Geschichte niederschreiben muss? Was ist es, das Agnete, oder Marianne, antreibt und wo will sie überhaupt hin? Mühelos könnte ich noch zahlreiche Fragen formulieren, eine Antwort bekomme ich in diesem Buch aber nicht.

Interessant ist der Aufbau des Buches: es umfasst drei Abschnitte. Im ersten versucht sie sich einer Geschichte anzunähern, wird aber immer wieder von ihren Gedanken unterbrochen. Sie erkennt, dass sie so nicht zum Ziel kommt (welchem???). Bis hierhin ist aus der Ich-Perspektive erzählt. Im nächsten Kapitel plötzlich wechselt die Erzählweise auf eine Erzählung in der Dritten Person. Nun heißen die Protagonist*innen anders, aus Agnete wird plötzlich Marianne und es wird geschildert, wie sie den Mann - hier heißt er nun Alexander und nicht mehr Christoph - kennenlernt. Er ist der Vater ihrer Freundin Jenny, die hier nun aber Sarah heißt. Nachdem sie und Alexander die ersten Intimitäten ausgetauscht haben, endet scheinbar völlig natürlich die Freundschaft zwischen Agnete und Jenny. Im dritten Abschnitt kehrt die Ich-Erzählform wieder zurück, der Mann wird nun schlicht C benamt. Hier tauchen wir mehr und mehr in die Gegenwart der Protagonistin ein - vermutlich versucht sie zu schildern, warum alles so geworden ist, wie es ist. Angenehm ist im Buch, dass die Unterkapitel nur sehr kurz sind, teilweise nur zwei Zeilen und ein neues beginnt immer in der Mitte der Seite - das Buch kann also schnell hinter sich gebracht werden.

"Diamantnächte" macht mich sprachlos und ich hadere. Sprachlos, weil mir nicht eingeht, was das Buch eigentlich erzählen will. Ich verstehe es schlicht nicht. Nichts scheint von Bedeutung zu sein, aber alles ist pathetisch wichtig. Ich hadere, weil der Erzählstrang, die Geschichte wirklich gut sein könnte, würde sie auserzählt werden, würde sie tiefer gehen, würden wenigstens Ansätze von Erklärungen vorhanden sein. Trotzdem ich daran wirklich kaum etwas verstehe, ich mich zwischendurch ob der fehlenden Tiefe und Nachvollziehbarkeit geärgert habe, habe ich das Buch nichtsdestotrotz irgendwie doch gern gelesen.

Bewertung vom 15.10.2023
Das Todesflüstern der Raben
Esser, Frank

Das Todesflüstern der Raben


sehr gut

Nicht ist so, wie es scheint!
Ein Rentner, der gerne an Old- und Youngtimern herumbastelt, wird tot in seiner Werkstatt aufgefunden. Schnell stellt sich heraus, dass es sich um Mord handelt. Erschreckt stellt die Ermittlerin Jana Brinkhorst fest, dass der oder die Mörder einen Origami-Raben am Tatort hinterlassen hat bzw. haben - wie bei zwei ungeklärten Mordfällen, die sich vor rund zwei Jahren ereignet haben. Sind hier Serientäter am Werk? Die Art und Weise, wie die Opfer zu Tode gekommen sind, ähneln sich nicht. Doch prompt taucht das nächste Opfer auf - es muss einen Zusammenhang geben! Schon beginnen intensive Ermittlungen, die das Ermittler:innen-Team vor große Herausforderungen und Rätsel stellt. Zu allem Unglück ist der Neffe des Rentners Polizist und trotzdem er sich im Krankenstand befindet und aus einem anderen Zuständigkeitsbereich kommt, ermittelt Karl Hansen auf eigene Faust, was sich im Laufe der Ermittlungen allerdings als durchaus hilfreich herausstellt. Es beginnt ein Spießrutenlauf zwischen immer neuen Mordfällen, gewonnenen Erkenntnissen, falschen und richtigen Spuren und der Gewissheit, dass es bald das nächste Opfer geben kann...

"Das Todesflüstern der Raben" ist ein kurzweiliger, rasanter Krimi, der es weiß, die Spannung aufrecht zu erhalten und immer neue Wendungen zu bieten. Nichts ist so, wie es scheint und besonders die Auflösung ist unerwartet! Der Krimi zeichnet sich auch dadurch aus, dass er kurze Kapitel hat, die das Tempo sehr schnell erscheinen und viel Spielraum für Unerwartetes und Grübeleien lässt. Für meinen Geschmack hätte er ruhig etwas länger ausfallen können, die Auflösung kommt geballt und komplex, da wäre es schön gewesen, dem mehr Zeit und Zeilen zu widmen. Auch die Auflösung was es mit dem Origami-Raben auf sich hat, war mir etwas zu kurz und zu wenig im Fokus, ist dieser doch titelgebend und Erkennungsmerkmal der Mordserie.

Nichts desto trotz ist der neueste Krimi von Frank Esser fesselnd, abwechslungsreich und sehr unterhaltsam - er macht definitiv Lust darauf, die anderen Werke des Autors zu verschlingen! Absolute, kurzweilige Leseempfehlung!

Bewertung vom 15.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Die Überschätzung der Wirklichkeit
"Wären diese Menschen nicht die Verkörperung des Bösen, man wäre immer wieder versucht, von ihrer Hingabe ans überflüssige Detail beeindruckt zu sein." (S. 315)

G.W. Pabst ist Filmregisseur. Bekannt wurde er mit Stummfilmen, etwas schwerer tut er sich mit der Inszenierung des neu aufkommenden Tonfilms. Weil er als Kommunist gilt und die Nazis in Deutschland immer mehr Macht gewinnen, versucht er sein Glück in den USA. Dort wird er dazu überredet, ein schlechtes Drehbuch zu verfilmen, bei dem er sofort weiß, dass es ein Flopp werden wird – nach nur einer Woche Spielzeit wird der daraus entstandene Film aus den Kinos genommen. Nachdem ihm in Frankreich ein Angebot gemacht wurde, kehrt er nach Europa zurück, doch durch die zugespitzte politische Lage, wird er auch hier nicht erfolgreich. Als er mit seiner Frau und seinem Kind zurück nach Amerika will, erhält er einen Hilferuf seiner betagten Mutter aus der Steiermark. Schnell noch will er dafür sorgen, dass sie in einem Sanatorium untergebracht wird und fährt dafür in seine Heimat. Unglücklicherweise beginnt just zu dieser Zeit der Zweite Weltkrieg, der verhindert, dass Pabst und seine Familie Nazi-Deutschland verlassen können. Sogleich wird er vor die Wahl gestellt: entweder er dient dem Nazi-Regime als Filmemacher, um die Menschen bei Laune zu halten, oder sein Weg und jener seiner Familie führt ins KZ. Nach anfänglichem, innerem Widerstand beugt er sich und versucht, das Beste aus seiner Lage zu machen. Immer mehr gewöhnt er sich an die neuen Umstände, seine Frau Trude jedoch scheint daran zu zerbrechen. Pabst versetzt sich in einen Wahn, der die Wirklichkeit nach und nach verdrängen zu scheint.

Daniel Kehlmann kreiert in „Lichtspiel“ neuerlich eine gekonnte Mischung aus Fiktion und Realität. Er führt die Leser:innen mit einer multiperspektivischen Erzählweise an die reale Figur G.W. Pabst heran und zeichnet dabei einen Charakter, der mehr und mehr den Realitätssinn verliert. Die Person G.W. Pabst fokussiert sich auf das Erschaffen des perfekten Films, was ihm den Terror des Regimes vergessen oder verdrängen lässt. Schnell weiß er, was gesagt und was nicht gesagt werden darf. Während Pabst sich darauf einlässt, scheint seine Frau Trude daran zugrunde zu gehen. Pabst versucht immer mehr so unpolitisch wie möglich zu sein, für ihn zählt nur, dass er den perfekten Film macht. Beim großen Showdown kann er die Realität nur noch als Film wahrnehmen und als ihm ein großes Unglück passiert, flieht er in sein eigenes Ich, das ihn fortan von der Außenwelt abzuschotten scheint. Die Protagonist:innen, die Kehlmann vors Publikum holt, sind meist namhafte Schauerspieler:innen und Filmschaffende, die meisten davon gab es in der Realität. In gekonnter Manier überspitzt er ihre Charakterzüge und lässt sie dadurch allesamt als schrullige Personen auftreten. Trotz der Schwere und Bedrückung, die die Existenz des Nazi-Regimes verbreitet, kehrt durch die Besonderheit der Figuren eine amüsante Leichtigkeit beim Lesen ein, die gewagt und sicher nicht jedermanns oder jederfraus Geschmack ist. Besonders die fiktive Figur des Hausmeisters und seiner Familie auf Pabst Schloss in Tillmitsch ist eine Allegorie des Schreckens des Nazi-Regimes und lässt einen die Unmöglichkeit des Entkommens nur allzu gut nachfühlen. Die fortschreitende Wahnhaftigkeit führt dazu, dass Pabst jegliche Moral vergessen zu scheint, er blockt sich nach Außen ab und lässt es auch nicht zu, dass sein unmoralisches Handeln kritisiert wird. Die Wahnhaftigkeit eskaliert und von Pabst bleibt nur mehr die unzugängliche Hülle übrig und seine Frau übernimmt nun die Regie über ihre Leben. Am Schluss war ich beim Lesen so erschöpft, dass ich mir das Ende des Buches dringlichst herbeiersehnt hatte.

Meines Erachtens ist Daniel Kehlmann ein weiteres Meisterwerk gelungen, das es trefflich versteht, die innerliche Zerrissenheit über die gesellschaftlichen Gegebenheiten durch eine komplette Realitätsverweigerung darzustellen. „Lichtspiel“ zu lesen ist teils erheiternd, teils enorm bedrückend, teils kaum auszuhalten und doch eine irrsinnige Bereicherung.