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Volker M.

Bewertungen

Insgesamt 415 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2024
Archäologiepark Altmühltal - Ein Reiseführer in die Vorzeit
Rind, Michael M.; Sandner, Ruth

Archäologiepark Altmühltal - Ein Reiseführer in die Vorzeit


ausgezeichnet

Den Archäologiepark Altmühltal gibt es noch gar nicht so lange: Seit 2006 wurden bisher 15 Stationen zwischen Dietfurt und Kelheim installiert, die jeweils einen besonderen Aspekt der lokalen Frühgeschichte illustrieren. Die Funde und Befunde haben den Schwerpunkt zwischen Jungsteinzeit und den Kelten, gehen aber bis zur Römerzeit. Funde aus der Altsteinzeit sind sehr rar und kontrovers diskutiert, was auch durch den um 200 000 v. Chr. veränderten Donaulauf zu erklären ist.

Nicht alle Stationen sind auf den ersten Blick im Gelände zu erkennen, manches wird vornehmlich in lokalen Heimat- und Geschichtsmuseen gezeigt, von denen es im Altmühltal ziemlich viele gibt. Im Zusammenspiel mit dem „Reiseführer Archäologiepark“ werden Befunde in der Landschaft, frei zugängliche Rekonstruktionen und Bildmaterial von den (teilweise historischen) Ausgrabungen zusammengeführt. Die fachkundigen Artikel setzen die Informationen in einen größeren Kontext und erklären sehr anschaulich, was man aus den Daten ableiten kann und was nicht. Oft sind die eigentlichen Objekte selber vergangen und hinterlassen nur noch sekundäre Spuren, die man interpretieren muss. Michael M. Rind und Ruth Sander tun dies mit der heute üblichen Vorsicht und schießen mit ihren Überlegungen niemals über das Ziel hinaus. Ganz anders die „Kurzgeschichten“ von Ernst W. Heine, die eigentlich dazu gedacht waren, die Lebenswirklichkeit der frühgeschichtlichen Kulturen begreifbar zu machen. Das große Problem ist, dass Heine seine Geschichten mit der moralischen Überlegenheitsgeste der Gegenwart schreibt. Da liest man von durch Stammessitten (und natürlich von Männern) unterdrückten Frauen, die um ihre Rechte kämpfen, es werden Rituale erfunden oder gesellschaftliche Konventionen ausgedacht, die archäologisch nicht belegbar sind. Und immer winkt im Hintergrund der moralische Zeigefinger. Beim Lesen hatte ich ständig das Gefühl, da haben sich Menschen des 21. Jahrhunderts ein paar Tierfelle umgehängt und spielen Steinzeit. So etwas steht für mich in einem unangenehmen Kontrast zum wissenschaftlichen Ansatz, den die beiden anderen Autoren verfolgen und der mir deutlich mehr liegt.

Der kleine Band ist dennoch eine absolute Bereicherung, da er das gesammelte Wissen im Gelände direkt verfügbar macht. Wenn man die isolierten Funde im Museum bestaunt, hat das zwar auch seine Berechtigung, aber an den realen Orten bekommt der Besucher einen deutlich authentischeren Eindruck. So kann man in der Landschaft oft nachvollziehen, warum gerade hier eine Siedlung entstand und nicht anderswo.

Abgesehen von den zum Glück wirklich sehr kurzen Kurzgeschichten ein empfehlenswerter archäologischer Führer durch eine auch ökologisch sehr abwechslungsreiche Region, deswegen gebe ich trotzdem 5 Sterne.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2024
Der talentierte Mr. Ripley
Highsmith, Patricia

Der talentierte Mr. Ripley


ausgezeichnet

Über das Buch muss man kaum etwas sagen. Es ist meiner Meinung nach der beste Roman von Patricia Highsmith, ein Meisterwerk psychologischer Charakterzeichnung, unglaublich raffiniert gestrickt, dramaturgisch auf den Punkt inszeniert. Von der ersten Zeile ist man gefesselt und kaum jemals fiebert man bei einem Kriminalroman dermaßen mit dem Täter. Es ist alles dabei: Exotische Kulissen, unerfüllte Liebe, intelligente Wendungen und ein grandios konstruiertes Finale. Es ist der perfekte Roman.

Ich kannte bisher nur die klassische Übersetzung von Barbara Bordtfeld aus dem Jahr 1961, die ich eigentlich immer ganz gut fand, und war auf die alternative Übersetzung von Melanie Waltz (die aber auch schon von 2002 stammt) sehr gespannt, zumal sie die inhaltlichen Korrekturen Patricia Highsmiths von 1991 mit berücksichtigt und die leichten Kürzungen der Fassung von 1961 ergänzt. Außerdem soll es die homoerotischen Motive, die den Roman als Leitfaden durchziehen, deutlicher hervorheben.
Genau vor diesem Hintergrund habe ich die Szene, die ich immer als Schlüsselszene des Romans empfunden habe, einmal Wort für Wort in beiden Übersetzungen gegeneinander gehalten: Es ist die Kleidertauschszene, in der Tom zum ersten Mal in die Rolle von Dickie Greenleaf schlüpft und von diesem dabei erwischt wird, als er dessen Kleider anzieht. Diese Szene steckt voller unterdrückter Erotik, ein typisches Stilmittel von Patricia Highsmith, die die direkte Darstellung von Sexualität verabscheute.
Die Neuübersetzung bemüht sich erkennbar, sich von Bordtfelds Fassung abzugrenzen. Es ist buchstäblich jeder Satz anders konstruiert, aber wenn ich ehrlich sein soll, wird dadurch nicht jeder Satz gleichzeitig besser. Es ist vieles dabei, das heute klarer formuliert ist als damals, aber es gibt genauso viele Passagen bei Bordtfeld, die ich treffender und vor allem sprachlich eleganter finde. Ich habe keine Vergleichsmöglichkeit zum englischen Original und möchte das auch nicht werten, sondern ich bewerte es nur aus der Sicht eines deutschen Muttersprachlers und meinem Gefühl für „das richtige Wort am richtigen Platz“. Satzmelodie und Rhythmus sind nun mal Teil meiner Sprachästhetik.

Mein Fazit ist, dass beide Übersetzungen ihre Gültigkeit haben und beide auch dem Roman gerecht werden. Perfekt wäre es aus meiner Sicht, aus diesen beiden Welten das Beste zu einem neuen Ganzen zu schmieden.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2024
Stillness

Stillness


ausgezeichnet

Japanisches und skandinavisches Architekturdesign teilen sich viele Elemente. Das ist nicht zufällig so, sondern beruht auf einigen gemeinsamen Randbedingungen, die sich mit Beginn der kulturellen Kontakte im 19. Jahrhundert günstig beeinflussten. Das skandinavische Design wurde nicht „japanisch“, sondern erinnerte sich an alte Traditionen und nahm sie im Bewusstsein japanischer Ästhetik wieder auf. Gerade das ressourcen- und bevölkerungsarme Dänemark war geradezu prädestiniert, sich mit der sparsamen und reflektierten Verwendung von Materialien in Japan auseinanderzusetzen.

„Stillness“ ist der Versuch eines internationalen Expertenteams, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Es werden die Prinzipien erklärt, die japanischem Design zugrundeliegen, aber auch die Parallelen zum skandinavischen Ansatz. Kurze Aufsätze leiten jeweils ein Kapitel ein, das sich mit einem besonderen Aspekt beschäftigt. Das können allgemeine Ästhetikkonzepte sein, aber auch Materialien, die in beiden Kulturräumen eine besondere Stellung haben. Auch der Innen-/Außenbezug und die Verbindung zur Natur werden ausführlich thematisiert, wobei auffällt, dass so gut wie keine „modernen“ Baumaterialien zu sehen sind, weder in den japanischen noch den skandinavischen Projekten. Gezeigt werden vor allem die traditionelle japanische Architektur und das naturnahe, klare skandinavische Design der Gegenwart. Auch wenn es im Buch vor allem um Architekturdesign geht, sind die dahinterliegenden Prinzipien letztlich auf alle Designkategorien übertragbar.

Die Fotos von Jonas Bjerre-Poulsen fangen die Essenz der Ästhetik wunderbar ein, indem sie ein Gefühl für Raum und Atmosphäre vermitteln, im Großen wie im Detail. Der erste und umfangreichere Teil des Buches zeigt Motive aus Japan, erst im Kapitel „Projects“ werden diesen japanisch inspirierte Projekte von Keiji Ashizawa und Norm Architects entgegengestellt. Wer die theoretischen Exkurse in den vorangegangenen Kapiteln verinnerlicht hat, versteht sofort, warum die Grenze zwischen den beiden Kulturen hier so scheinbar nahtlos ineinanderfließt.

Im Anhang finden sich Kurzportraits von japanischen Kulturtheoretikern aus fünf Jahrhunderten mit ihren biografischen Daten und wichtigsten Errungenschaften. Eine (englischsprachige) weiterführende Liste mit wichtiger Literatur, bei der ich allerdings die äußerst einflussreichen Werke von Bruno Traut vermisst habe, und ein visueller Bildindex, der aber bewusst keinerlei zusätzliche Informationen zu Orten oder Objekten liefert, ergänzen den Anhang. Die Bilder sprechen wegen der fehlenden Quelleninformation einzig für sich und neben ihrem rein ästhetischen Wert werden sie erst im Kontext verständlich. Auch aus diesem Grund sind die sehr konzentriert geschriebenen Textbeiträge unerlässlich.

„Stillness“ ist nicht nur ein wunderschöner und buchtechnisch exzellent verarbeiteter Band, sondern vermittelt die Prinzipien japanischer Design- (und Wohn)kultur in einer Präzision und inhaltlichen Tiefe, wie man das selten findet.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.08.2024
Die Welt der Gegenwart
Aubry, Émilie;Tétart, Frank

Die Welt der Gegenwart


ausgezeichnet

Wer die ARTE Serie „Mit offenen Karten“ kennt, der weiß, dass die Redakteure Meister im Visualisieren von komplizierten geopolitischen Sachverhalten sind. Ihre Karten und Animationen werden immer begleitet von sehr sachkundigen und präzise formulierten Off-Kommentaren, die das Gesehene noch einmal in den richtigen Kontext setzen.

Émilie Aubry und Frank Tétart gehören zur Stammmannschaft der Redaktion und haben in ihrem Buch die aktuellen Krisen der Welt ins Visier genommen. Auf jedem Kontinent (außer der Antarktis) haben sie exemplarisch einige Länder ausgewählt, die von überregionaler Bedeutung sind und deren Entwicklung bis in die Gegenwart dargestellt. Dabei konzentrieren sie sich auf Elemente, die insbesondere für laufende oder drohende Konflikte von Bedeutung sind bzw. die in absehbarer Zeit zu inneren Umwälzungen führen werden. Wirtschaftliche Aspekte stehen, wie schon in der TV-Serie, häufig im Zentrum solcher Überlegungen. Die Autoren bemühen sich dabei um eine ausgewogene Darstellung, die auch die Sichtweise von Aggressoren berücksichtigt, wobei sie natürlich die Position für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einnehmen. Aber man erfährt auf diese Weise sehr nachvollziehbar, warum Diktaturen handeln, wie sie handeln. Alle Diktatoren sind letztlich von der Angst getrieben, dass sie mit der Macht auch ihren Kopf verlieren werden. Zu Recht.

Die Zahl der internationalen und regionalen Konflikte ist derzeit so groß wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Fast jeder kann sich unkontrolliert ausweiten, einige haben es bereits getan. Die Aktualität der Darstellung ist dabei erstaunlich aktuell und berücksichtigt selbst Entwicklungen, die erst wenige Wochen alt sind (Stand etwa Juni 2024). Das ist schon bemerkenswert für ein aufwendiges Druckerzeugnis, dessen Produktion ja einige Zeit benötigt.

Wer sich geopolitisch über den schlechten Zustand der Welt informieren will, faktenbasiert und sachkundig aufbereitet, der ist mit diesem Buch gut beraten. Gute Laune macht es leider nicht.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.08.2024
Xu Yong

Xu Yong


ausgezeichnet

Ich habe die faszinierende Atmosphäre in den Beijinger Hutongs tatsächlich noch erlebt, Anfang der Neunzigerjahre: Ein morbider Charme und der Hauch einer tausendjährigen Geschichte zog durch die Gassen, die eher kleinen Dörfern als einer großen Stadt glichen. Die ehemals herrschaftlichen Paläste waren schon damals in viele Wohneinheiten aufgeteilt und ihrer ursprünglichen Funktion längst beraubt. Xu Yongs Fotos fangen diese Atmosphäre des Verfalls ein, noch verstärkt dadurch, dass in den Straßen keine Menschen zu sehen sind. Beijing wirkt ausgestorben, fast wie ein Museum.
Xu Yong hat wohl geahnt, dass es diese besonderen Siedlungen bald nicht mehr geben würde. Damals erstreckten sich die vierseitigen Wohnhöfe noch über Quadratkilometer rund um die Verbotene Stadt und den Tiananmenplatz, ein undurchdringliches Labyrinth, in dem sich der Reisende nicht nur im übertragenen Sinn verirren konnte. Man lief in Sackgassen oder im Kreis, aber hinter jeder Ecke gab es neue Entdeckungen.
Wer genau hinschaut, erkennt auf den Fotos auch unmittelbare Spuren der Geschichte, wo die Zeichen adliger Herrschaft mit Gewalt getilgt wurden. Menschliches Leben existiert nur indirekt auf den Bildern, sichtbar durch Vorratsgefäße in den Höfen oder die noch bis vor 20 Jahren üblichen, rund gepressten Briketts aus Kohlestaub vor den Türen. Autos sieht man keine. Damals war Beijing eine Stadt der Radfahrer.

Der Band erschien bereits 1990 und es war das erste Buch über Hutong überhaupt. Der Klappentext kommt zwar zu dem Schluss, dass die Hutong auch heute noch „das wahre Gesicht der Stadt“ seien, aber das stimmt nicht einmal ansatzweise. Es gibt keine originalen Strukturen mehr, die alten Höfe wurden fast ausnahmslos abgerissen und durch Betonimitate ersetzt. Die heute sichtbaren „Ziegelmauern“ in den Bereichen der Stadt, die den Touristen als „Hutong“ gezeigt werden, sind aufgeklebte Keramik-Riemchen und wo sie nicht rein touristischen Angeboten dienen, lebt in den modernen, aber im traditionellen Stil gebauten Häusern Beijings die politische und wirtschaftliche Elite. Die ursprünglichen Bewohner wurden vor 30 Jahren in die Hochhaussiedlungen der Vorstädte vertrieben, die sozialen Strukturen sind auf immer zerstört. Ich habe mit eigenen Augen die Abrissbagger gesehen und die amtlichen Bekanntmachungen an den Türen, die den Familien zwei Wochen Zeit ließen, ihr Heim zu verlassen. Xu Yongs atmosphärische und perfekt ausbelichtete s/w-Fotos sind also in jeder Hinsicht historisch. Und sie sind ein wertvolles Zeugnis vom „wahren Gesicht Beijings“, das es leider nicht mehr gibt.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2024
James Carroll
Carroll, James

James Carroll


ausgezeichnet

James Carroll war ein Fotograf mit einem besonderen Blick für Details. Der Band „The Lives of Others“ enthält mehr als 100 Fotografien aus seinem reichen Portfolio, mit einem zeitlichen Schwerpunkt zwischen 1965 und 1972. Da war Carroll Mitte zwanzig bis Anfang dreißig und entwickelte seinen Stil, der immer etwas ungezwungen Voyeuristisches hatte. Die Personen auf seinen Bildern wirken unbeobachtet, schauen kaum jemals direkt in die Kamera und sind oft gedankenverloren oder völlig absorbiert von einem Spiel oder Gespräch. Ein wiederkehrendes Motiv ist der Mensch auf der Suche nach Orientierung. Kinder und Heranwachsende hatten es ihm daher besonders angetan, deren Unbekümmertheit und Freiheit Carroll als Chronist seiner Zeit dokumentierte. In den sparsamen Textkommentaren zu den Bildern äußert er allerdings Zweifel daran, ob die heutige durchorganisierte Kindheit diesem Ideal der kindlichen Freiheit noch entspricht.

Carroll betont immer wieder die Verbindung zwischen dem Fotografen und dem Motiv, das in seinen Bildern allerdings nur in eine Richtung geht: Die Beziehung baut der Fotograf auf, das Motiv ahnt nichts davon und gerade deshalb übertragen sich die Emotionen unmittelbar auf den Betrachter. Die Gefühle sind völlig unverstellt und man beginnt instinktiv damit, Geschichten um die Szene zu weben. Sie besitzen eine soghafte Dynamik, die oft gestalterische Ursachen hat: Carroll war ein Meister des Anschnitts, wodurch er Teile des Motivs nach außen verlagerte und damit automatisch die Phantasie des Betrachters anregt. Das Nicht-Gesehene wie das Nicht-Gehörte konstruiert die eigentliche Geschichte für jeden neu und anders.

„The Life of Others“ hat James Carroll noch selbst konzipiert und die Probedrucke noch in Händen gehalten. Aber er ist 14 Tage vor der Veröffentlichung gestorben. Das emotional berührende Buch, das wie aus der Zeit gefallen scheint, wurde sein Vermächtnis.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2024
Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen
Beike, Rolf;Schlütz, Johannes

Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen


ausgezeichnet

Wirtschaft und Finanzen machen einen nicht unerheblichen Teil der täglichen Nachrichten aus - gerade in Zeiten der deutschen und europäischen Schuldenkrise. Die Medien überschwemmen uns mit Begriffen wie Dax & Dow Jones, Derivate & CDS, Libor & EONIA. Ein tiefgreifendes Verständnis des Finanzmarktgeschehens ist daher wichtiger denn je. Dieses Buch hilft dem Leser, die Zusammenhänge zu verstehen.

"Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen" ist seit 25 Jahren ein Klassiker unter den Finanzbüchern, der in regelmäßigen Abständen aktualisiert und erweitert wurde. Er erklärt mit bildhafter Sprache, hervorragender optischer und inhaltlicher Strukturierung sowie mit zahlreichen Grafiken und Tabellen auch komplizierte und komplexe Sachverhalte verständlich und präzise.

In der vorliegenden 7. Auflage sind einige neue Kapitel hinzugekommen, wie z. B. die Situation an den internationalen Finanzmärkten seit 2015 und aktuelle Themen wie Inflation und der Krieg in der Ukraine. Sehr interessant fand ich die Abschnitte über nachhaltige Geldanlagen und Geldanlagen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.

Nach einem umfangreichen Einführungskapitel behandeln die Autoren alle wichtigen Finanzmarktprodukte:
- Aktien (Arten, Auswahlstrategien, Indizes, Ertrags- und Risikobewertung u.a.)
- Geldmarkt (Transaktionen, Handel, Zentralbanken, wichtige Zinssätze, Devisen u.a.)
- Devisen (Konvertibilität, Kurse und Notierungen, Handel, Auf- und Abwertungen u.a.)
- Anleihen (Emissionsprospekt, Verzinsung, Handel, wichtige Emittenten, Barwert und Rendite, Risiken, Rentenindizes, strukturierte Produkte wie Indexzertifikate u.a.)
- Derivate (Termingeschäfte, Forwards, Futures, Optionen, Strategien, Risiken u.a.)
- Investmentfonds (Aktien-, Renten- und Immobilienfonds, Hedgefonds, Auswahlhilfen u.a.)
- Rohstoffe (Handel, Anlagemöglichkeiten, Indizes)

Allein das 10-seitige Inhaltsverzeichnis, das beim Verlag heruntergeladen werden kann, zeigt wie gut strukturiert das Buch ist. Schade ist allerdings, dass die Autoren nach wie vor auf ein Literaturverzeichnis sowie auf Weblinks zur weiteren Vertiefung der Themen verzichten.

Für mich ist das Buch dennoch DAS Standardwerk zum Thema Finanzen. Es richtet sich gleichermaßen an Einsteiger wie Profis und ist Lehrbuch und Nachschlagewerk zugleich. Wer dieses Buch verinnerlicht hat, kann dem Wirtschaftsteil der Zeitung gut folgen und ist nebenbei auch bestens auf Gespräche mit seinem Bankberater vorbereitet und kann unterscheiden, ob er gerade beraten oder verkauft wird.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2024
Bauen in römischer Zeit
Martin, Julia

Bauen in römischer Zeit


ausgezeichnet

Die Colonia Ulpia Traiana, oder wie sie heute heißt, Xanten ist ein besonderer Glücksfall der Archäologie. Fast das gesamte ehemalige Stadtgebiet liegt unter freien Feldern begraben und wurde später niemals überbaut. Damit lässt sich die Stadt wie kaum eine andere nördlich der Alpen in ihrer ganzen Funktionalität erforschen.

Der Band „Bauen in römischer Zeit“ wirft einen sehr speziellen Blick auf die Colonia, nämlich den eines Baumeisters. Oder, um es noch präziser zu formulieren, mit dem Blick der unterschiedlichen Handwerker, die römische Bauten errichteten. Damals waren fast so viele Gewerke unterwegs wie heute und die Techniken waren bemerkenswert ausgereift. Die Methoden der experimentellen Archäologie versuchen, diese alten Fähigkeiten zu rekonstruieren und gerade in diesem Feld ist der Archäologische Park Xanten führend. Schon in den Achtzigerjahren wurden aufwendige Bauten mit alten Techniken neu errichtet, so zum Beispiel die Thermen und später auch römische Handwerkerhäuser.

Dadurch, dass der Stadtplan der Colonia weitgehend bekannt ist, lassen sich auch die Funktionen einzelner Bauten gut zuordnen. Bei Grabungen wurden viele Objekte gefunden, die einen direkten Bezug zum Bauhandwerk haben und wo diese fehlen, lassen sich Analogieschlüsse zu besser erhaltenen Funden und Befunden in anderen Teilen der Welt ziehen. So gelingt es dem Autor, ein überaus anschauliches und detailreiches Bild zu entwerfen, das die großartigen Leistungen der Römer auf dem Gebiet der Architektur und städtischen Infrastruktur zeigt. Die lebendige Sprache, die fast völlig auf Fachvokabular verzichtet, bietet einen leichten Zugang für Leser auf allen Stufen des Vorwissens und die zahlreichen Abbildungen und Rekonstruktionszeichnungen illustrieren die Texte in sinnvoller Weise. Das Buch behandelt jeden Aspekt römischer Bautätigkeit, angefangen bei der Wohnbebauung, über Straßen, Kanäle und Aquädukte bis hin zu den großen Repräsentationsbauten. Besonders gut gefallen hat mir, dass der Autor auch beschreibt, wie man aus minimalen Befunden trotzdem sehr ausführliche Rekonstruktionen ableiten kann. Hierfür werden auch antike Texte, insbesondere von Vitruv zitiert, die zum Beispiel Zusammenhänge von Stockwerkzahl und Fundamentdicke herstellen. Es ist erstaunlich, mit welchen detektivischen Methoden die Archäologie dabei vorgeht.

Das Buch mag als Ausstellungsbegleiter für das Museum im Archäologischen Park Xanten gedacht sein, steht aber auch absolut eigenständig als eines der besten allgemeinwissenschaftlichen Bücher zum Thema „Bauen im Alten Rom“. Sehr anschaulich, verständlich und hervorragend illustriert.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.08.2024
Tsunenos Reise
Stanley, Amy

Tsunenos Reise


ausgezeichnet

Japan hat eine ausgeprägte Schriftkultur. Das zeigt sich nicht nur in der Kunstform der Kaligrafie, sondern in einer generellen Wertschätzung von allem Geschriebenen. Man wirft schriftliche Zeugnisse vergangener Zeiten nicht weg. Genau aus diesem Grund sind auch die Briefe von Tsuneno erhalten geblieben, die im Jahr 1801 als Tochter eines Tempelpriesters in der schneereichen Provinz Echigo geboren wurde. Sie wurde noch als Kind verheiratet, zeigte aber früh ein sehr selbstbestimmtes und nicht regelkonformes Verhalten. Insgesamt heiratete sie fünf Mal, in keiner Ehe wurde sie glücklich.
Das besondere an ihrem Lebenslauf ist, dass sie sich zu einem Zeitpunkt entscheidet, der Provinz den Rücken zu kehren und gegen den Willen der Familie nach Edo auszuwandern. Dort ist bei weitem nicht alles Gold, was glänzt und sie muss sich über Jahre hinweg mit niederen Tätigkeiten durchschlagen. Aus dieser Zeit stammen die meisten Briefe, die sie ihrem Bruder in Echigo als neuem Oberpriester am Familientempel schickte. Sie sind sowohl gesellschaftlich als auch kulturhistorisch heute hochinteressante Quellen aus einer der gewaltigsten Umbruchphasen in der japanischen Geschichte. Es ist die Zeit der Perry-Expedition, die auf ein feudales und militärisch völlig unvorbereitetes Japan trifft und den freien Handel mit dem Westen erzwingt. Als Nebeneffekt wird die Samuraiherrschaft untergehen und genau diesen zunächst schleichenden Untergang erlebt Tsuneno in Edo hautnah mit.

Die Briefe liefern Amy Stanley allerdings nur den Rahmen, der Ausgangspunkt für die unterschiedlichsten Betrachtungsweisen auf Land und Leute ist. Mit großer Erzählfreude und Sachkunde ermöglicht sie Einblicke in das Leben der einfachen Leute, genauso wie in das der Samurai unterschiedlicher Rangstufen. Ferner beleuchtet sie die Organisation des Alltags, die Nöte der Arbeiter, aber vor allem auch das Leben der Frauen, die in der offiziellen japanischen Geschichtsschreibung meist nur Randfiguren sind. Tsuneno bietet durch ihre offenen Briefe und selbstbewusste Haltung einen seltenen Einblick in diese Welt. Sie zeigen aber auch, dass die in Japan auch heute noch propagierte „Harmonie“ in der Gesellschaft damals wie heute eine Utopie war und ist. Streitigkeiten werden zwar subtil ausgefochten, aber nicht minder wirkungsvoll und brutal. Tsuneno verstößt gegen viele Regeln, aber sie behauptet sich letzten Endes doch.

Eindrucksvoll war für mich das Detailwissen Stanleys über die kleinen Dinge des Alltags und die Organisation der Shogun-Stadt Edo. Obwohl ich mich mit dem Thema schon lange beschäftige, waren doch viele Elemente dabei, die mein Bild komplettiert haben und die lebendige Art der Schilderung ist wirklich einzigartig. Eines der besten Bücher über das Japan der Zeit zwischen 1800 und 1850, das ich persönlich kenne.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2024
Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse
Graham, Benjamin

Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse


ausgezeichnet

Benjamin Graham (1894-1976) war ein US-amerikanischer Investor und Ökonom, der durch seine fundamentale Analyse von Wertpapieren weltberühmt wurde. Seine Methodik des "Value Investing" wurde vor allem von seinem Schüler Warren Buffett weitergeführt und ist auch heute noch aktuell.

Die erste Auflage des Buches „Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse“ (im Original: „Security Analysis, Principles and Technique“) erschien 1934 zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt: Ein Drittel aller amerikanischen Industrieunternehmen notierte unter ihrem Liquidationswert. Für Benjamin Graham und seinen Co-Autor David L. Dodd, der für die Faktenrecherche und das Lektorat verantwortlich zeichnete, war dies jedoch kein Hindernis. Als Zeitzeugen der Weltwirtschaftskrise machten sie sich viele Gedanken darüber, wie man in einem Umfeld unvorhersehbarer und dramatischer Veränderungen investieren kann.

Für die vorliegende siebte Auflage wurde das Werk neu kommentiert und auf die heutige Anlegerwelt übertragen. Insbesondere die zusätzlichen Kommentare von Finanzexperten wie Seth A. Klarman, Roger Lowenstein und Howard S. Marks führen dieses fast 90 Jahre alte Mammutwerk in die Gegenwart und zeigen, was überholt ist oder unverändert gilt. Anders als das ebenfalls neu aufgelegte „Intelligent investieren“ richtet sich dieses Kompendium an fortgeschrittene Anleger.

Im Kern geht es beim Value Investing darum, unterbewertete Wertpapiere zu identifizieren und damit eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Graham beschreibt, worauf es bei der Unternehmensbewertung ankommt, wie man Risiken erkennt, wie man die Sicherheitsmarge bestimmt und warum es so wichtig ist, zwischen dem Wert einer Aktie und ihrem Börsenkurs zu unterscheiden. Kennzahlen sind aber nicht das Einzige, worauf der Ansatz des Value Investing beruht. Ebenso wichtig ist die Analyse der Wettbewerbssituation, der Kundenstruktur, des Geschäftsmodells, der Eigentümerstruktur und des Managements. Auch das Bauchgefühl spielt eine Rolle und man sollte lieber ein Investment verpassen, als gegen die Intuition zu handeln. Hat man sich zu all diesen Punkten eine Meinung gebildet, versteht man das Unternehmen sehr gut und kann ein Investmenturteil fällen.
Die allgemeinen Prinzipien des Value Investing gelten auch heute noch, da das den Märkten zugrundeliegende Anlegerverhalten in der menschlichen Natur begründet ist und Märkte immer Ineffizienzen aufweisen. „Solange andere dem Sirenengesang vom schnellen Reichtum erliegen, ist und bleibt Value Investing wie schon seit rund 90 Jahren ein solider, risikoarmer und erfolgreicher Ansatz.“ kommentiert der Hedgefonds-Manager Klarman zutreffend.

Grahams Standardwerk „Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse“ ist auch heute noch ein wertvolles Instrument für jeden fortgeschrittenen Anleger, nicht zuletzt wegen der hervorragenden Kommentierung. Allerdings sollte sich der Leser darüber im Klaren sein, dass sich Grahams Ausführungen spezifisch auf den US-amerikanischen Markt beziehen und einige Themen mittlerweile überholt sind. Der Rest ist mehr als nur lesenswert.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.