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BücherändernLeben
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Alt Ruppin

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Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 23.05.2024
Kidstory
Weiss Gabbay, Tamar

Kidstory


ausgezeichnet

Gemeinsam erobern wir die Weltgeschichte

Gleich auf den ersten Blick habe ich mich in dieses Sachbuch für Kinder verliebt. Das Konzept ist grandios: Allein Kinder aus völlig verschiedenen Epochen sind es, die die Kinder von heute jeweils in ihre Zeit mithineinnehmen. Gleich in der ersten Geschichte wartet ein namenloses Mädchen auf die neugierigen Leser. Das Mädchen hat vor eineinhalb Millionen Jahren in Afrika gelebt. Wie genau wird hier erzählt und in wunderschönen Zeichnungen gezeigt.

Schwierigkeiten habe ich allerdings mit dem empfohlenen Alter "ab 7 Jahren". Texte wie diese hier im Buch wird ein 7jähriger nicht lesen können, auch einiges an Begrifflichkeiten wird er noch nicht verstehen, so wird dieses Buch ganz sicher mit Eltern oder Großeltern bewältigt werden müssen. Ist die Neugierde bei den lieben Kleinen erst mal geweckt, wird dieses Buch vielleicht zu einem Begleiter über Jahre hinweg werden. Meine Kinder jedenfalls hatten solche Bücher.

Insgesamt 20 Kinder in jeweils ihrer Zeit gilt es hier zu entdecken und besonders entzückend finde ich die Idee ein ganzes Kapitel für Oma und Opa bereit zu halten. Ein Bild darf selbst eingefügt werden und die Großeltern müssen eine ganze Reihe an Fragen beantworten. Die Kinder werden schnell merken, dass die Großeltern in einer ganz anderen Zeit aufgewachsen sind. Zwei weitere Kapitel zum selbst gestalten folgen im Buch. So steht ein mal der junge Leser im Mittelpunkt und ein mal ein Kind in etwa 50 Jahren.

Ein geniales Buch wenn Eltern/Großeltern gemeinsam mit den lieben Kleinen die Geschichte unserer Welt entdecken und dabei ins Gespräch kommen.

Bewertung vom 23.05.2024
Hans Keilson - Immer wieder ein neues Leben
Versteegen, Jos

Hans Keilson - Immer wieder ein neues Leben


ausgezeichnet

Für ihn währte der Krieg ein Leben lang

Der Name Hans Keilson war mir noch nie begegnet. Jetzt steht seine bewegende Biografie in meinem Bücherregal gleich neben den Tagebüchern des Victor Klemperer.

Auch der Jude Hans Keilson konnte vor den braunen Machthabern 1936 aus Deutschland fliehen. Er konnte in den Niederlanden untertauchen. Er musste allerdings ein Leben lang damit klar kommen, dass er seine Eltern nicht aus dem KZ retten konnte. Gleich nach dem Krieg bekam er die Gewissheit: Vater und Mutter haben das KZ nicht überlebt.

Jos Versteegen zeichnet in seiner streng chronologisch aufgebauten Biografie das beeindruckende Leben eines Mannes nach, der mir im realen Leben vielleicht nicht so sehr sympathisch gewesen wäre, vor dessen Lebensleistung ich allerdings höchste Achtung habe.

Keilson versuchte immer irgendwie zweigleisig zu fahren, ganz sicher eine Entwicklung aus seiner Biografie heraus: Er war nicht nur ein bekannter Traumaspezialist für Kriegswaisen die ihre Eltern ebenso wie er im KZ verloren hatten, er war ebenso Dicher und Schriftsteller, noch heute kann man Gedichte und auch seinen bekannten Roman "Der Tod des Widersachers" von ihm lesen.

Und doch hat dieser Mann auch Seiten die ihn für mich nicht so angenehm machen. Er sehnte sich nach Rampenlicht und Anerkennung und eine Frau an seiner Seite reichte ihm oft nicht. Ich bin fern davon ihm dies anzukreiden, viel mehr finde ich es ehrlich von Jos Versteegen auch diese Seiten von Hans Keilson nicht unter den Tisch fallen gelassen zu haben.

Die 560 Seiten lesen sich schnell weg, weil der Autor politische Dokumentation der jeweiligen Zeit mit dem Leben von Hans Keilson wunderbar miteinander verbindet. Ich lerne in dieser Biografie einen Mann kennen, der älter als Jahrhundert wurde und für den der Krieg vielleicht nie zu Ende gegangen ist. Jos Versteegen leistet mit seiner Biografie einen lesenswerten und wertvollen Beitrag für unsere Erinnerungskultur.

Bewertung vom 22.05.2024
Jenseitsreise
Roth, Gerhard

Jenseitsreise


ausgezeichnet

Wahre Freiheit gibt es erst im Tod

Seit über zwei Jahrzehnten habe ich alles gelesen was ich von Gerhard Roth zu lesen bekam. Diese "Jenseitsreise" war das Beste was ich je von Roth in meine Hände bekam, ganz sicher ist dies so, weil meine vor mir liegende Lebensstrecke viel kürzer ist, als das Leben das hinter mir liegt.

Wer je einen Roman von Gerhard Roth gelesen hat, der weiß: Gewöhnliche Romane waren nicht sein Ding! Und so ist auch seine "Jenseitsreise" ein recht ungewöhnliches und zugleich weises Buch.

Protagonist Franz Lindner ist längst tot, dies hindert ihn nicht daran mir zu erzählen wo er sich gerade befindet. Er wechselt Orte, Landesgrenzen hindern ihn nicht, nicht mal Mauern halten ihn auf, Geschichte und Gegenwart spielen keinerlei Rolle und Themen weiß er zu besprechen, dass es auf keiner der 400 Seiten langweilig wird.

Was ist das Leben? Wo ist Freiheit?

Bei Gerhard Roth gibt es keine Grenzen mehr - auch nicht zwischen Relogionen, nichts trennt uns Menschen von der Tier- oder Pflanzenwelt, auch nicht von der Dies- oder Jenseitswelt. Mir scheint erst dann wird wahre Freiheit möglich sein. Scheinbar mühelos bewegt sich Franz Lindner durch das Jenseits.

Romane von Gerhard Roth lösen in meinem Kopf immer eigene Bilder aus. Oft muss ich beim Lesen an den biblischen Turmbau zu Babel denken, auch da gab es keine Grenzen, aber die Menschen wurden zu übermütig und Gott griff mit seiner Sprachenverwirrung ein unter der wir Menschen noch heute leiden. Mit "Jenseitsreise" schuf Gerhard Roth ein geniales Werk, in dass er all seine Sehnsucht und seine Hoffnung auf eine grenzenlose Welt Ausdruck verleiht. Trotz allem war er Realist genug diese Welt im Jenseits zu verorten. Für mich ist dieser Roman von Gerhard Roth das Buch des Jahres !!!

Bewertung vom 17.05.2024
Wir Kinder des 20. Juli
Pröse, Tim

Wir Kinder des 20. Juli


ausgezeichnet

Ein wichtiges Buch, gerade Heute

Der Journalist Tim Pröse fasst das Leben der Kinder des 20. Juli treffend zusammen: "Sie leben ihr Leben als ein großes Trotzdem." Hitler nahm den Kindern des 20. Juli das Wertvollste was sie hatten: Väter, Onkel . . . Dieser Tag jährt sich nun zum 80. mal und er hinterlässt noch immer Wunden. Wunden die nicht verschwinden werden. Es kommt darauf an, wie man mit diesen Wunden umgeht.

Tim Pröse hat die Kinder getroffen, er hat sie befragt nach ihrem Leben mit ihrem Verlust und er nimmt uns Leser mit hinein in das Geschehen. Ich lese Worte und Antworten auf die Fragen des Autors: Wie leben sie mit dem Verlust? Wie hat er sich auf ihr Leben ausgewirkt?

Und oftmals hat er sich ausgewirkt und es ist als Leser schön mitzuerleben wie diese Kinder oftmals ihre Geschichte als Verantwortung tragen. Zum einen trotzdem positiv zu denken und in die Zukunft zu schauen, aber auch öffentlich zu wirken: Jeder auf seine ganz eigene Art und jeder mit seinem persönlichen und wertvollen Beitrag.

Dieses Buch zum 80. Jahrestag des Attentats auf Hitler erscheint in einer Zeit in der die braunen Volksverhetzer für viele Deutsche wieder wählbar erscheinen. Während meiner Lektüre musste ich immer wieder auch an diesen Fakt denken. Tim Pröse hat ein wichtiges Buch über ein wichtiges geschichtliches Ereignis geschrieben, hoffentlich wird es von vielen Menschen gelesen.

Bewertung vom 13.05.2024
Meine wilde Nation
Lissitsa, Alex

Meine wilde Nation


ausgezeichnet

Tiefe Einblicke in ein kriegsgeschundenes Land . . .

Alex Lissitsa ist nicht der normale Ukrainer der hier sein Land porträtiert. Man darf schon behaupten, dass er zu den Priviligierten seines Landes gehört. Er leitet einen der größten Agrarbetriebe der Ukraine, er kennt viele hochrangige Politiker seines Landes persönlich und einen Tag vor dem russischen Überfall auf die Ukraine ruft ihn sein Freund vom Geheimdienst an um ihm mitzuteilen, dass morgen früh um 4 Uhr der Krieg beginnt.

Seinen Geschichten, Erklärungen und Meinungsbildern allerdings kann ich mich kaum entziehen. Frei von der Leber weg beschreibt mir der Autor wie sich dieses riesige Land von Friedens- auf Kriegszeiten umstellen musste. Er beschreibt u.a., dass es auch in der Ukraine Menschen gab, die noch wenige Stunden vor Kriegsbeginn sicher waren, dass Putin die Ukraine niemals angreifen würde.

Viel Wissenswertes erfahre ich zur Person des Autors, der hier in Deutschland studiert hat, der für wenige Stunden ukrainischer Agrarminister war und der anfangs kein Freund des heutigen Präsidenten war. Alex Lissitsa schildert wie der Präsident auf ihn Eindruck machte und vielleicht seinem ganzen Volk die Haltung vermittelte: Nein, wir geben nicht auf, wir bleiben und wir kämpfen für unsere Heimat.

Immer wieder geht es in diesem schnell lesbaren und spannenden Buch auch um die EU-Mitgliedsfrage der Ukraine. Ob die Ukraine bis 2028 alle Hürden genommen hat um als vollständiges EU-Mitglied aufgenommen werden zu können, werden die nächsten Jahre zeigen. Bei dem was bis zum heutigen Tag an Korruption in Kiew läuft bin ich gelinde ausgedrückt skeptisch, von einigen Korruptionsfällen berichtet der Autor.

Bewertung vom 13.05.2024
Kellerhoff, Sven Felix

"Röhm-Putsch!" 1934


ausgezeichnet

Aufarbeitung wird endlich Zeit

Völlig zu Recht weist Sven Felix Kellerhoff darauf hin, dass der "Röhm-Putsch" bislang am wenigsten geschichtlich fundiert aufgearbeitet wurde. Auch deshalb habe ich dieses Buch mit Spannung erwartet und habe es mit Gewinn gelesen.

Was genau ist in der Nacht vom 30. Juni - 1.Juli 1934 beim Röhm-Putsch geschehen? Wie sah diese exakt von Hitler geplante Mordnacht aus? Der Autor beschreibt sehr gut, auch anhand bislang nicht veröffentlichter Dokumente und Informationen wie diese Nacht ablief.

Natürlich geht es um die Beziehung zwischen Röhm und Hitler und schließlich um ihre Entfremdung. Es geht aber auch darum zu zeigen, wie Hitler in einer Nacht seine Mordserie durchführen lassen konnte, zum Teil Weggefährten umbrachte und cheinbar niemand sich über diesen Akt von Staatsterrorismus aufregte.

Der "Röhm-Putsch" ist bis heute ein wenig beleuchtetes historisches Ereignis. Wer sich für dieses Thema interessiert, dem möchte ich sehr gern auch "Hitler rast" empfehlen. Nur wer die Geschichte kennt, ist für die Gegenwart und Zukunft gewappnet.

Bewertung vom 13.05.2024
Hitler rast
Heiden, Konrad

Hitler rast


ausgezeichnet

Nach 90 Jahren wiederentdeckt

Eigentlich kenne ich mich ganz gut in der deutschen Geschichte aus. Was aber genau in der "Nacht der langen Messer", in der Nacht vom 30. Juni zum 1.Juli 1934 geschah, das kann ich nicht weitergeben und schon gar nicht, wie alles was dazu führte, Anfang der 20er Jahre bereits vorbereitet wurde und geschah.

Wie war das Verhältnis zwischen Hitler und Röhm? Wie fanden sie zueinander? Was hatten sie voneinander? All diesen Fragen geht Konrad Heiden in seinem Büchlein nach. Er war damals penibler Beobachter der Szene und galt als Insider. Ich kann den zeitlichen Ablauf der Ereignisse nachvollziehen, ich erfahre wen Hitler ermorden ließ und ich erfahre wie genau es Hitler gelingen konnte, sich Schritt für Schritt nach oben zu arbeiten.

Spannend dann zu lesen wie es zur Entfremdung zwischen Röhm und Hitler kam und wie der "Röhm-Putsch" genau ablief. Das mehrseitige Nachwort von Sven Felix Kellerhoff ist sehr hilfreich zum besseren Verständnis und zur zeitlichen Einordnung, auch der Person des Konrad Heiden geht Kellerhoff nach. Gedanklich lande ich beim lesen immer wieder in der Gegenwart des deutschen Alltags, ich hoffe sehr, dass uns eine Wiederholung der Geschichte erspart bleibt.

Bewertung vom 13.05.2024
Sage nichts
Keefe, Patrick Radden

Sage nichts


ausgezeichnet

Diesem Autor kann man sich nicht entziehen.

Manchmal ist es so, dass die mit Vorschusslorbeeren bedachten Autoren mir nur als 0-8-15 Autoren in ihren Werken begegnen. Patrick Radden Keefe wird mir hier als "preisgekrönter Investigativjournalist" vorgestellt und nun nach meiner Lektüre sage ich: Er darf wohl als Bestsellerautor gehandelt werden. Viele Jahre lang hörten wir vom blutigen Kampf in Nordirland, mit "Sage nichts" hat dieser Konflikt für mich ganz konkrete Gesichter bekommen.

Mithilfe historischer Personen bringt Patrick Radden Keefe Gesichter mit ihrer eigenen individuellen Biografie in die Geschichte. Berührend und eindrucksvoll beschreibt der Autor wie es geschehen konnte, dass eigentlich friedliche Menschen zu Waffen greifen und Gewalt ausüben, sich ganz gezielt auf den Weg machen um Menschen zu töten . . .

Für uns, die wir noch in einer friedlichen Demokratie leben, ist dies hoffentlich nicht der Ausblick auf eine Zeit die kommen wird, wenn wir es nicht lernen über politische Gräben hinweg im sachlich - friedlichen Disput zu bleiben.

Wer sich dem Konflikt in Nordirland von der menschlichen Seite her nähern möchte, der muss Patrick Radden Keefe lesen. Er schafft es Protagonisten agieren zu lassen und dennoch den Blick aufs Ganze nicht zu verlieren. Eine sehr erhellende Lektüre !!!

Bewertung vom 06.05.2024
Aus dem Nichts kommt die Flut
Katz, Uri Jitzchak

Aus dem Nichts kommt die Flut


sehr gut

Endlich mal wieder ein Roman aus Israel

Romane aus Israel sind eher eine Seltenheit und wenn ich mich auf sie einlasse, wurde ich bislang nicht enttäuscht. Mit diesem hier bin ich nicht so recht warm geworden.

Um was es geht, steht im Klappentext. Für mich war diese Story etwas schräg, aber angenehm schräg, auch lustig und obwohl sie mich in der Zeit zurück führt, auch topaktuell. Die knapp 600 Seiten verraten viel von der Weisheit des Autors.

Warum dennoch nur vier Sterne ?

Ein Wälzer von 600 Seiten muss schon auf jeder Seite seinen Leser beeindrucken und dies hat dieser Roman bei mir jedenfalls nicht geschafft. Für mich hatte die Story einige Längen und was ich überhaupt nicht leiden kann bei einem Roman, sind ständige Fußnoten, sie unterbrechen ständig meinen Lesefluss und ja natürlich, mein geliebtes Lesebändchen habe ich auch vergeblich gesucht. Dennoch habe ich diese Lektüre keinesfalls bereut.

Bewertung vom 06.05.2024
Die Schwester
Lee, Sung-Yoon

Die Schwester


ausgezeichnet

Titel und Klappentext versprechen sehr viel . . . . .

aber halten ihre Verheißungen nicht ganz. Um "Die Schwester" soll es gehen. Um "Die Geschichte der gefährlichsten Frau der Welt" soll es gehen, aber leider macht die Werbung schnell neugierig auf die Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un und wer dann nur ihretwegen zu diesem Titel greift, wird unter Umständen ein wenig enttäuscht werden. Gerade mal die Hälfte des Buches nimmt die mächtige Schwester ins Visier.

Wer sich allerdings für die Dynastie der Kims interessiert und wer wissen will, wieso gerade sie mithilfe der Sowjetunion an die Macht kamen, der ist hier gerade richtig, seine Fragen werden alle perfekt beantwortet.

Der Autor geht weit zurück in die Geschichte, er schaut sehr gründlich hinter die Kulissen dieser menschenverachtenden Diktatur. Ich erhalte einen Überblick über die Taktik dieser Familie. Man gibt sich gern gesprächsbereit um schon einen Tag später alles wieder null und nichtig zu machen. Das sind allerdings keine politischen Patzer der nordkoreanischen Seite, dies ist Taktik und Kalkül seit Jahrzehnten. Sung - Yoon Lee beschreibt sehr genau was hinter den Kulissen abgeht.

Seit ein paar Jahren ist "Die Schwester" wohl die zweitmächtigste politische Kraft in Nordkorea. Der Autor beschreibt wie das Prinzesschen dazu wurde und wie gut einstudiert ihre politischen Auftritte sind. Wie gesagt, gerade mal knapp die Hälfte der 350 Buchseiten widmen sich der Schwester des Diktators. Wer dieses Buch gelesen hat, weiß um was es in Nordkorea geht.