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Murksy

Bewertungen

Insgesamt 171 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2023
Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki


ausgezeichnet

Das Debut des Satoshi Yagisawa entführt uns nach Tokio in das Viertel Jinbocho. Dieser real existierende Stadtteil beherbergt fast 200 Buchhandlungen, einzigartig auf der Welt, ein Traum für Leseratten. Ausgerechnet eine von der Liebe enttäuschte junge Frau, die so gar nichts mit Büchern am Hut hat, findet dort bei ihrem Onkel, einem Antiquar, Unterschlupf. Zunächst eher entsetzt von den Bücherstapeln, findet sie zur Literatur und wieder zurück ins Leben.
Dieser locker-leicht geschriebene Roman verführt zum Lesen. Man riecht förmlich die Bücher, will sofort in den Antiquariaten verschwinden und auf Entdeckungsreise gehen. Der Roman führt uns vor, wie man mit Hilfe der Bücher vom und für das Leben lernt, zeigt aber auch auf wärmende Weise, dass das wirkliche Leben sich nicht hinter den Buchdeckeln versteckt und man auf sein Herz hören soll. Ein Wohlfühlbuch der sanften Töne, das von Büchern, der Kraft der Liebe und der Hoffnung handelt, die man nie aufgeben darf. Und all den Lesern, die aus unerfindlichen Gründen asiatischer Literatur abgeneigt gegenüberstehen, sei gesagt, man könnte problemlos den Ort und die Namen tauschen, das Buch würde seinen Charme nicht verlieren, ein wahrhaft universelles Werk, das glücklich macht.

Bewertung vom 27.03.2023
Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3


gut

Die berühmte Ermittlerin war wohl so etwas wie das Vorbild aller cosy-crime-Bücher der heutigen Zeit. Wobei es keinen cosy-crime gibt, schon gar nicht bei Mord. In diesem Buch, dem dritten Band einer Reihe, ermitteln vier rüstige Rentner bei ungeklärten Verbrechen. Durch die unterschiedlichen Hintergründe erscheinen die Vier wie eine gut zusammengesetzte Rollenspielpartie. Dieses Mal ist das Verschwinden einer Journalistin, Geldwäsche und das eine oder andere Vergehen die Grundlage für den Krimi aus England.
Vorneweg, warum ich dem Buch keine volle Punktzahl geben kann, es ist der dritte Teil! Und das so offensichtlich, dass man sich die ersten 100 Seiten durchkämpfen muss, weil einfach die Hintergründe fehlen. Wer sind die alten Leute? Wie haben sie sich getroffen? Ohne all dies Wissen findet man nur schwer Bezug zu den Personen. Dass eine Einzelperson oder Gruppe Zivilisten der Polizei überlegen ist und komplizierteste Fälle löst, ist der obskure Reiz dieser Bücher. Wird allerdings ein 8jähriger mit eingespannt, geht mir das etwas zu weit abseits jeglicher Glaubwürdigkeit. Der viel gepriesene britische Humor, weshalb ich das Buch auch lesen wollte, ist vorhanden, aber auch nicht in der erwarteten Intensität. Was bleibt, ist ein gut erzählter Krimi, natürlich mit den überraschenden Auflösungen, der unterhält, aber auch seine Schwächen hat.

Bewertung vom 06.03.2023
Dalee
Gastmann, Dennis

Dalee


ausgezeichnet

In seinem ersten Roman lässt der renommierte Sachbuchautor Dennis Gastmann den Inder Bellini von seinem Elefanten Dalee, seinem Vater dem Mahut und den Erlebnissen auf den Andamanen berichten. Obwohl die Figuren und die Geschichte mit Masse rein fiktiv sind, ist der Hintergrund durchaus real. Auf den Andamanen wurden Elefanten zur Ernte von Tropenholz eingesetzt. Die Elefanten, gute Schwimmer, die allerdings die Gischt des Meeres nicht mögen, lernten, im Meer zu schwimmen und überbrückten sogar große Entfernungen zwischen den Inseln. Das Buch beschreibt das Leben der Mahuts, der Elefantenhüter, und ihre komplexe Beziehung mit den Dickhäutern. Man merkt dem Autor an, dass er aus dem Sachbuchbereich kommt. Hervorragend recherchiert erfährt der Leser interessante Dinge über Elefanten, Indien und das Leben der gläubigen Menschen. Gepaart mit einer traumhaft schönen Erzählweise, entführt uns Gastmann in eine fremde, exotische Welt. Die Vermenschlichung der sanften Riesen wird nur in dem Maße betrieben, die uns Zweibeinern nun mal eigen ist. Aber wäre ein Zusammenleben und Arbeiten mit einem Tier über mehrere Jahrzehnte auch denkbar, ohne dass man dem Tier menschliche Züge gibt? Selbst wenn man nicht allzu viel Vorwissen über die Elefanten und ihre Hüter hat, macht das Buch sofort neugierig. Ich habe mich mehrmals auf Recherche in anderen Quellen gemacht, wollte mehr erfahren und so manch unglaubliches Detail überprüfen. Ich bin fasziniert von diesem Buch und werde mich jetzt mit den anderen Büchern des Autors beschäftigen. Bisher kannte ich diese nicht, bin aber jetzt schon ein neuer Fan dieses begnadeten Erzählers und Wissenvermittlers. Wer neugierig in die ferne Welt blickt, offen für exotische Kulturen und neues Wissen ist, macht mit diesem lehrreichen, einfühlsamen und intelligenten Buch nichts falsch.

Bewertung vom 06.03.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


ausgezeichnet

Honolulu im zweiten Weltkrieg, noch entfernt von Kampfhandlungen, aber gerüstet für den Sturm. McGrady ist Polizist, von seinem Chef nicht gemocht, da er nicht von hier stammt. Auch seine allzu korrekte Arbeitsweise gefällt nicht jedem. Als eine Leiche gefunden wird, soll der Ermittler sich der Sache annehmen. Doch kaum am Tatort, gibt es plötzlich drei Tote und der erzürnte Chef muss mit ansehen, wie sich das Militär einschaltet. McGrady wird beauftragt, den Mörder zu finden und fliegt nach Hongkong. Dort stellt er fest, dass er einen äußerst raffinierten Gegenspieler hat. Und der Angriff auf Pearl Harbor verändert plötzlich alles.
Aus dieser Geschichte entsteht ein Buch, das vielschichtig und komplex die Wirren des Krieges, einen Mordfall und eine tragische Liebesgeschichte miteinander verknüpft. Dieses scheinbar gewagte Unterfangen gelingt James Kestrel auf geradezu magische Weise. Die hervorragende Recherchearbeit führt zu einem stimmigen Bild der damaligen Zeit, zeigt das scheinbar unbezwingbare Amerika und die asiatische Mentalität im Gegensatz und bietet mit McGrady einen lakonischen, loyalen Ermittler, der an so manchen alten Schwarzweißfilm erinnert. Politische Verknüpfungen werden nicht bis ins Kleinste dargestellt, was das Buch auch für reine Krimileser zu einem Vergnügen werden lässt. Trotzdem geht das Buch tief genug, um viele Feinheiten der Charaktere und ihrer Beweggründe glaubhaft zu beschreiben. Der Spannungsbogen wird über das ganze Buch gehalten, man fiebert und trauert mit, hofft mit den Protagonisten und vermutet bald hinter jeder Aktion ein verräterisches Täuschungsmanöver.
Ich habe das Buch verschlungen und auf der Liste meiner Lieblingsautoren ist ein neuer Name aufgetaucht.

Bewertung vom 20.02.2023
Der Weg ins Feuer
Kent, Kathleen

Der Weg ins Feuer


ausgezeichnet

Der zweite Teil der Reihe um die texanische Drogenfahnderin mit polnischen Wurzeln beginnt da, wo der erste Band endete. Nach den körperlichen und psychischen Schäden, die Betty Rhyzyk davongetragen hat, wird sie auf Sparflamme eingesetzt. Innendienst ist allerdings nicht das, was sich die harte Ermittlerin unter Polizeiarbeit vorstellt. Auch ihre Frau leidet unter den Launen der Polizistin. Als ein Killer Jagd auf Drogendealer macht und zudem Gerüchte um korrupte Polizisten die Runde machen, kann Betty nicht ruhig in ihrem Büro sitzen bleiben. Sie ermittelt privat und stößt in ein Wespennest.
Man muss den ersten Teil nicht zwingend gelesen haben, wiederholt die Autorin doch die wichtigsten Teile im neuen Buch. Trotzdem bietet sich erst ein wirklich stimmiger Gesamteindruck, wenn man beide Bücher kennt. Kent schreibt kompromisslos, gibt der Drogenfahnderin eine raue Schale, die es ihr ermöglicht, als lesbische Frau in der männerdominierten Drogen- und Polizistenwelt in Dallas zu bestehen. Sehr glaubwürdig wird die innere Zerrissenheit der Frau dargestellt, als sie zum einen einer persönlichen Bedrohung gegenübersteht und außerdem nicht mehr weiß, wem sie trauen kann. Das Buch ist ein harter Thriller, der sich in einem Rutsch liest. Man kann einfach nicht davon lassen. Spannend, authentisch und süchtig machend. Genau so muss ein Cop- und Drogenthriller sein.

Bewertung vom 14.12.2022
Die Stunde der Hyänen
Groschupf, Johannes

Die Stunde der Hyänen


weniger gut

Eine Brandserie erschüttert Berlin, immer wieder brennen Autos. Als auch noch ein Mensch fast stirbt, kocht der Volkszorn über und Bürgerwehren machen mobil. Die Polizei ist Brände gewohnt, versucht die üblichen Ermittlungsmethoden. Eine junge Polizistin will auf eigene Faust den Täter finden, von dem sie ein genaues Bild im Kopf hat. Dabei trifft sie neben einer Journalistin auch auf eine sektenähnliche Glaubensgemeinschaft. Verschiedene Kulturen und Welten treffen aufeinander.

Was nach einer sehr spannnenden Ausgangsituation aussieht entwickelt sich weder zu einem Thriller, bis auf einen kleinen Teil im letzten Drittel des Buches, noch zu einer glaubhaften Sozialstudie. Das Buch wirkt lustlos geschrieben, die Figuren sind in keiner Weise glaubhaft, was es dem Leser fast unmöglich macht, irgendwelche Sympathien zu entwickeln. Ich kenne die anderen Bücher des Autors nicht, weiß allerdings, dass er mit Preisen überhäuft wurde. Nach Lektüre dieses unausgegorenen und bar jeder Spannung daherkommenden Mischmasch, fällt es mir allerdings schwer, dies zu verstehen. Die Dialoge wirken aufgesetzt, in Verbindung mit den jeweiligen Situationen sogar noch unrealistischer. Die zwanghafte Vielschichtigkeit der Handlung führt dazu, dass die verschiedenen Themen nur oberflächlich behandelt werden. Die Auflösung der Geschichte, sowie die Aktionen der Polizei wirken hilflos und fadenscheinig. Obwohl das Buch mit 260 Seiten eher kurz ist, las es sich für mich sehr langatmig. Die einzelnen Handlungsstränge waren vorhersehbar und in manigfacher Ausführung schon in vielen Büchern zu lesen. Leider keine Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 27.11.2022
Blutmond / Harry Hole Bd.13
Nesbø, Jo

Blutmond / Harry Hole Bd.13


ausgezeichnet

Harry Hole lebt in Amerika, am Boden zerstört, dem Alkohol verfallen, wartend auf das Ende. Zufällig rettet er eine ältere Frau vor ein paar Geldeintreibern. Damit gerät Harry unversehens in eine Mordermittlung, die ihn zurück in die Vergangenheit und sein Heimatland bringt.
Dem Leser aller Bände der Reihe fällt es natürlich leichter, alle Zusammenhänge und Rückblicke zu verstehen. Zum Beispiel die Frage, warum Harry Hole so tief gesunken ist. Aber auch Neuleser werden ausreichend genug mit dem Buch zurechtkommen, immer wieder werden kleine Erklärungen eingestreut, um die Personen und die Handlungen zu ergänzen. Der Thriller reiht sich ein in die Serie nordischer Krimis, die teilweise sehr brutale Verbrechen als Grundlage ihrer Erzählung beinhalten. Trotzdem hebt sich Nesbo durch seinen Schreibstil und die klug aufgebaute Spannung hervor. Das Buch fesselt wieder bis zur letzten Seite, die Personen sind überwiegend glaubhaft dargestellt. Der gebrochene, teilweise zynische Charakter des Hole zeigt seine sentimentalen, einsamen Seiten. Der Gegenspieler ist eine ähnliche zerbrochene Gestalt und liefert den idealen Gegenpart zum Ermittler. Das daraus resultierende Katz- und Mausspiel ist eine würdige Fortsetzung der Serie. Ein sehr guter, intensiver Thriller für Fans und solche, die es werden wollen.

Bewertung vom 15.10.2022
Das Gesetz der Natur
Winter, Solomonica de

Das Gesetz der Natur


weniger gut

Gaia (im griechischen die Muttergottheit) ist die letzte Mutantin. Vor langer Zeit wurde die Zivilisation auf der Erde von einer Katastrophe überrollt, nur wenige Menschen haben überlebt und sind in verschiedenen Gemeinschaften organisiert. Alle Mutanten (Opfer von Radioaktivität?) wurden gejagt und getötet. Nur Gaia hat durch den Schutz zweier Männer überlebt. Im Wald wurde sie erzogen und trainiert. Doch eines Tages wird sie aufgegriffen, entkommt dem Tod nur deshalb, weil sie lesen kann. Dieses Privileg wird nur ganz wenigen Menschen gewährt. Gaia bekommt von einem der Herrscher den Auftrag, die letzten Bücher zu finden. Sie macht sich auf eine lange und blutige Reise.
Dystopien faszinieren viele Menschen, weil sie das Ende der Zivilisation und aller Regeln heraufbeschwören. Vor allem, wer mit den gängigen Systemen unzufrieden ist und den die schlechten Nachrichten heutzutage umtreiben, ist dieser Art der Zukunftsvision zugänglich. Das vorliegende Buch lockt mit dem Titel "Das Gesetz der Natur" und der Suche nach den letzten Büchern. Man könnte denken, es geht hier um das Besinnen auf ein ursprüngliches Leben, die Offenbarungen der Literatur und das menschliche Wesen, das zur Güte neigt. Was davon übrig bleibt, ist ein schlichter Fantasieroman, der bei so ziemlich allen gängigen Filmen, Büchern und Serien mit Endzeitszenario abkupfert. Gaia zieht von einem blutigen Kampf zum nächsten, leidet scheinbar unter der Last zu töten, kann aber nicht von ihren geliebten Waffen und ihrer Mutantenfähigkeit ablassen. Der Blick auf die Literatur entfällt fast vollständig, sind Bücher doch verboten. So bleibt dem Leser nichts anderes als ein Roadtrip durch ein neues Mittelalter. Es fehlt dem Buch an Empathie, mit den Personen kann man sich schwer identifizieren, der Schreibstil bleibt abgehackt und wechselt immer wieder ins Metaphysische ohne Tiefe zu entwickeln. Neben den Ungereimtheiten (woher kommt die Mutantenfähigkeit? warum sind Bücher verboten, gerade das Wissen über Medizin, Technik und Landwirtschaft wäre doch essentiell?) fragt man sich hunderte von Seiten, wohin diese Reise führen soll. Natürlich ahnt der geübte Leser das Ende und es fällt dann auch genauso banal aus, wie befürchtet.
Ein Roman für Fantasiefans. Wer gute dystopische Literatur oder intelligente Bücher über das Wesen der Natur und den Sinn des Daseins, die Bedeutung der Literatur sucht, wird hier trotz des verlockenden Klappentextes nicht fündig.

Bewertung vom 02.10.2022
Heat 2
Mann, Michael;Gardiner, Meg;Gardiner/Mann, Meg/Michael

Heat 2


ausgezeichnet

1995. Al Pacino und Robert de Niro in einem Actionthriller von Michael Mann. Lose auf wahren Figuren basierend, entstand ein Kultfilm. Als Jahre später Gerüchte über eine Fortsetzung zu "Heat" auftauchten, wurde die Filmwelt hellhörig. Nun ist der zweite Teil erschienen, allerdings als Buch. Kann dies funktionieren? Zusammen mit der Krimiautorin Meg Gardiner hat Michael Mann einen Roman geschrieben, der die Geschehnisse um den Film aufnimmt und weiterspinnt. Man muss den Film nicht zwingend gesehen haben, das erste Kapitel gibt kurz die Geschichte wieder, aber den vollen Genuss hat man, wenn man (am besten noch einmal kurz vor dem Lesen) den Film gesehen hat. Die Figuren spielen dann sozusagen fließend im Buch weiter, dass in den Abschnitten sowohl die Jahre vor der Filmhandlung, als auch die weitere Entwicklung zeigt. Einer der Protagonisten aus dem Film, der Polizist Hanna, jagt immer noch gnadenlos nach Verbrechern. Die Ereignisse um Neil haben ihn nie losgelassen und der flüchtige Chris spukt
seither in seinem Hirn. Geschickt weben die Autoren ein Spinnennetz, das die Akteure auf das grandiose Finale zusteuern lässt. Das Buch ist ein pageturner, schafft es perfekt, das Filmgefühl mitzunehmen. Spannung und Action bauen sich perfekt auf, nehmen den Leser auf eine atemlose, düstere Reise mit. Das Buch beschönigt nichts, ist stellenweise auch brutal, ein authentischer Blick auf Bandenkriminalität und psychotische Verbrecher, sowie getriebene Ermittler. Für mich der beste Thriller des Jahres und eine wahrhaft gekonnte Fortsetzung, auf deren Verfilmung ich mich schon freue.

Bewertung vom 25.09.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


ausgezeichnet

Toni ist in den besten Jahren, Lehrer mit Passion zur Philosophie, geschieden, gesund. Ein ganz normaler Durchschnittsmensch, der vom Leben allerdings nichts mehr erwartet und glaubt, auch nichts mehr erwarten zu können. Deshalb sein Plan: noch ein Jahr, dann wird er sich das Leben nehmen.
Wen diese deprimierend klingende Ausgangslage nicht abschreckt, wird mit einem großen Werk hervorragender Gegenwartsliteratur belohnt. Der Protagonist Toni wird jeden Tag in Form eines Tagebuches zu Papier bringen. Dadurch ergibt sich die Gliederung in Monate und Tage, sowie die vielleicht ebenfalls erschlagend wirkende Seitenzahl. Doch das Leben des Toni betrachtend, ist das vollkommen angemessen. Schließlich reflektiert er über sein gesamtes Leben, springt scheinbar wahllos in die Vergangenheit und zurück, zeigt uns sein Leben und erklärt, warum er denkt, am Ende des Weges angekommen zu sein. In hervorragender Sprache nimmt uns der Autor mit durch dieses alltägliche Leben des Lehrers, den ich nicht als Antihelden bezeichnen will. Wer von uns ist denn ein Held? Haben wir nicht alle mir unseren Dämonen, Niederlagen und Verlusten zu kämpfen? Andererseits die Frage, warum wir uns dieses Buch dann antun sollen? In erster Linie, weil der Autor sein Handwerk versteht. Gespickt mit philosophischer Betrachtung, jeder Menge Ironie und Zynismus erklärt Toni sein Vorhaben. Das kann stellenweise bedrückend oder derb sein, aber unter der Oberfläche dieses Gerüstes schlummert immer wieder die Liebe zu den Menschen und Büchern, Freundschaft und all die kleinen positiven Dinge des Lebens, die genauso dazugehören, wie die Niederlagen und Enttäuschungen. Das Buch am Stück zu lesen, überfordert vermutlich. Ich empfehle gemäß der Gliederung des Buches pro Tag einen Monat des Buches zu lesen. Das gibt Zeit, das Gelesene zu verarbeiten. Es ist kein Buch für Schnellleser. Auch werden jüngere Menschen sich mangels Lebenserfahrung nicht so gut in Toni hineinversetzen können, die finden sich vielleicht eher in den Schülern oder in Nikita, dem Sohn, wieder. Dem Herkunftsland Spanien zuzuordnen ist die teilweise deftige Ausdrucksweise und eine gehörige Portion machismo, die der Autor allerdings geschickt widerlegt. Genau wie die politischen Hintergründe und die spanische Kultur, beispielhaft am Stierkampf gezeigt, wird das Buch Spanienkennern noch mehr bieten, als den gelegentlichen Spanienurlaubern.
Wer sich auf das Buch einlässt, bekommt eine wunderbare Erzählung über das Leben, seinen Sinn und die Frage, was wir daraus machen wollen. Der oberflächlich depressive Kern der Lebensgeschichte enthält das ganze Spektrum an Gefühlen und Erfahrungen eines ganzen Lebens. Wie werden wir zu der Person, die wir sind? Was prägt uns? Und ist die Prägung ein Zwangskostüm, das wir nicht ablegen können? Vielmehr sind wir doch lernfähig und können uns entwickeln. All dies fließt in dieses zugegeben dicke, aber absolut meisterliche Werk des Fernando Aramburu ein, das, und dies soll erwähnt werden, von Willi Zurbrüggen hervorragend übersetzt wurde.