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Benutzername: 
janina_el

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 20.03.2022
Love in the Big City
Park, Sang Young

Love in the Big City


gut

Eine interessante Geschichte, auch und vielleicht vor allem für nicht-queere Leser:innen, da es einiges zu erzählen gibt, dass außerhalb unseres Wissens und Erfahrens liegt. Gut erzählt erlebt man die Aufs und Abs, die wilden und ruhigen Erfahrungen, die positiven und negativen Begegnungen des jungen, homosexuellen Protagonisten in Seoul. Offen und ungeschönt werden die Probleme der Selbst- und Gegenüberfindung eines jungen Menschen im Allgemeinen und eines queeren Mannes im Besonderen dargestellt und reflektiert. Sympathie und Empathie werden unwillkürlich geweckt.
Beides, inhaltlich und sprachlich, so direkt und unverblümt und somit authentisch wurden mir sowohl eine kulturell als auch sexuell fremde Geschichte nahegebracht, die mir viel Neues und Spannendes eröffnet hat. Dennoch, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung, fiel es mir meist schwer, die Entscheidungen von Young nachzuvollziehen, vor allem, was die Wahl seiner Partner und Liebschaften angeht. Andererseits sind es genau diese Jahre, in den 20ern eines Menschen, in denen man Fehler, falsche Entscheidungen, irrationale und selbst-destruktive Taten erleben muss, um schließlich aus ebendiesen zu lernen. Abgesehen von ein paar Stellen, die mich regelrecht nervten, habe ich die Entwicklungen des Protagonisten aber gerne verfolgt (wie man es auch bei einem guten Freund tun würde, dessen Lebensentscheidungen man nicht immer gutheißen aber unterstützen muss). Außerdem wäre eine Romantisierung der alltäglichen Realität einer Minderheit in der Gesellschafft überhaupt nicht ehrlich und hilfreich für die Akzeptanz und würde nichts zur Steigerung ebendieser Akzeptanz beitragen.
Zu guter Letzt bleibt noch zu sagen, dass fehlende Repräsentation der queeren Community in der Literatur ein zu weit verbreiteter Missstand ist, dem mit solchen Büchern endlich entgegengewirkt wird, was eine erfreuliche Entwicklung und hoffentlich ein größer werdender Trend ist. Einem homosexuellen Protagonisten zu begegnen ist sehr erfrischend und leider noch viel zu selten.

Bewertung vom 27.01.2022
Zusammenkunft
Brown, Natasha

Zusammenkunft


sehr gut

Der Erzählstil ist sehr eigen und überraschend, was anfangs recht herausfordernd aber auch sehr spannend und schnelllebig ist. Die kurzen Kapitel, die aber so prägnant und auf den Punkt sind, dass sie einem wirklich im Gedächtnis bleiben und gar nicht mehr Umschweife brauchen. Sie unterstreicht die "vielen kleine Dinge", subtile Situationen, Ereignisse und Konversationen, die so erniedrigend und schon so alltäglich sind, dass man auf unangenehme Weise Parallelen zu eigenen Erfahrungen ziehen kann. Sehr berührend, weil so gut nachvollziehbar, ist die Fähigkeit der Protagonistin, zu verstehen. Sie versteht, wieso sich die Menschen so verhalten, wie sie es tun, auch wenn dieses Verhalten ihr entgegen gerichtet ist, weil sie Muster und systemische Missstände schon so lange kennt, permanent erlebt und durch ihre außerordentliche Beobachtungsgabe durchschaut.
Die Charakterzeichnung der anderen scheint oberflächlich und wird zum Ende des Buches hin, noch weniger tief und anonymer, aber diese Geschichte erzählt zur Abwechslung ja auch nicht von diesen privilegierten, irgendwann nicht mal mehr beim Namen genannenten, Menschen, sondern von dieser einen Frau, der Protagonistin.
Die Sprache ist zum Teil so analytisch und scheint gefühllos, wobei sie vor Akzeptanz der Situation wohl einfach kapituliert und sich schlicht aus Selbstschutz emotional distanziert. Dadurch ist genau dieser Sprachstil so fesselnd, passend und vor lauter Sachkundigkeit geradezu poetisch. Und dann kommen auf einmal, immer wieder zwischendurch, diese wirklich poetisch anmutenden kleinen Passagen mit wenigen Versen, die einen direkt aus und in die Seele sprechen. Großartig!
Besonders diese kurzen Einschübe, wie zum Beispiel der mittlere Absatz auf Seite 51, sind wirklich so auf den Punkt getroffen, dass ich daneben kurzerhand gekritzelt habe, was mir beim Lesen durch den Kopf schoss: JA!!
Die wohl wichtigste Erkenntnis für mich und hoffentlich viele andere, wird am Ende immer klarer: Bei allem, was man als (weiße) Frau im Leben und Beruf nachvollziehen kann, zeigt Natasha Brown nochmal auf, wie viel mehr Hürden und Unfairness immigrierten Frauen und BIPoC entgegenprallt. Stark, nachhaltig und dennoch unaufdringlich macht einem die Lektüre das nochmal klarer. Im Buchführen diese Erfahrungen und Sackgassen zu einer Resignation, die sich in eine regelrechte Lebensmüdigkeit steigert, die man, trotz der relativen Kürze der Geschichte, einigermaßen nachvollziehen kann. Man überlege also nur, wie es einem wohl gehen muss, wenn man sein Leben lang in dieser Geschichte zu leben hat.
Das Cover gefällt mir sehr gut, die Farben sind auffällig, aber nicht krachig und die Gestaltung sticht ins Auge, ohne zu viel zu verraten und die Symmetrie und mögliche optische Täuschung lässt viel Raum für Interpretation, was das Motiv darstellt, vor allem ändert sich dies je nach Perspektive. Diese Gedanken zum Cover kamen mir allerdings erst, nachdem ich das Buch gelesen und das Gelesene einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat.
Das Buch ist schnell gelesen, der hinterlassene Eindruck ist allerdings umso langanhaltender und geht tiefer, daher eine klare Leseempfehlung!