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Leselampe
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Osnabrück

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Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2023
Das Meer und ich
Randau, Tessa

Das Meer und ich


gut

Befreiende Reise

Die Ich-Erzählerin nimmt uns mit auf ihren zehntägigen Inselurlaub: eine Frau in den mittleren Jahren, Ehefrau, Mutter, berufstätig. Sie ist unzufrieden mit sich, ihrer Arbeit, ihren Lebensumständen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, unattraktiv zu sein, hat sich in ihr breit gemacht. Auf der Insel lernt sie die Ladenbesitzerin Lene kennen, und durch lange Gespräche findet sie einen Weg zu Selbstakzeptanz, Selbstliebe und Glück.

Tessa Randau ordnet ihre Bücher - dieses ist das dritte in der Reihe - dem Genre "Erzählendes Sachbuch" zu. Sie bindet damit ihre Ratgeberthemen wie den Alltag zu meistern, Liebe, Partnerschaft und hier eben Selbstliebe in eine fiktive Handlung ein. Das kleinformatige Buch ist liebevoll gestaltet und mit einfachen, maritimen Strichzeichnungen illustriert. Die 170 Seiten habe ich an zwei Nachmittagen durchgelesen. Dazu hat sicherlich der angenehm flüssige, lebendige und abwechslungsreiche Schreibstil beigetragen. Die in blau gehaltenen Kapitelüberschriften folgen dem befreienden Weg, den die Protagonistin auf ihrer inneren Reise einschlägt.

Einerseits hat mir die Lektüre gut gefallen: Ich finde es sehr geschickt, einen Ratgeber in eine erzählende Geschichte zu verpacken. So kann ich mich in die Hauptfigur einfühlen, an ihrem Lernprozess teilhaben und für mich selbst davon profitieren. Andererseits habe ich die Figur der Lene als etwas konstruiert empfunden, sie erscheint gegenüber der Protagonistin als allwissend, stellt stets die richtigen Fragen und zeigt die passenden Lösungswege auf. So wird die Stärke des Erzählerischen gleichzeitig zu seinem Nachteil.

Bewertung vom 17.02.2023
Männer sterben bei uns nicht
Reich, Annika

Männer sterben bei uns nicht


weniger gut

Zerstörtes Urvertrauen

Das Stillleben des Covers mit dem Verfall und der Vergänglichkeit des einstmals Schönen hatte mich sehr angesprochen, ebenso die verheißungsvolle Leseprobe: Wirklich eingelöst wurde meine Erwartung nicht, dazu muss ich zu sehr im Spekulativen bleiben.

Erzählt wird aus Sicht der etwa dreißigjährigen Luise, die bei der Beerdigung ihrer alles dominierenden Großmutter die übrigen Familienmitglieder wiedertrifft, ausnahmslos Frauen. Von hier ausgehend nutzt die Autorin verschiedene Rückblenden in die Kindheit und jüngere Vergangenheit der Protagonistin.

Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist ein großzügiges Anwesen am See. Dort wächst Luise auf, unter Frauen der Familie und einer Angestellten. Männer existieren nur außerhalb dieses geschlossenen Mikrokosmos, bleiben vage wie die gesamte Außenwelt. Alles außerhalb wird gering geschätzt, wie die beiden toten Frauen, die Luise als Kind im Wasser findet; sie gehören nicht dazu, taugen nichts, haben nichts erreicht, sind nichts wert. Ebenso wie Luises Schwester Leni, die vom vorgegebenen Weg abweicht und deshalb aufs Internat geschickt wird.

Luise hingegen fügt sich in diese von der Großmutter beherrschte kleine Welt, will ihr alles recht machen und sich damit würdig für deren Nachfolge erweisen. Luise erscheint nicht gefestigt als Persönlichkeit, sie kennt ihre Bedürfnisse nicht, weiß nicht, was sie sich wünscht, misstraut ständig ihren Erinnerungen und kann kein Vertrauen zu sich selbst aufbauen. Immer wieder zieht sie alles in Zweifel, was kurz zuvor noch sicher erschien.

Luise leidet unter ihrem zerstörten Urvertrauen. Ob sie aus dem dichten Spinnennetz des familiären Erbes herausfindet, bleibt für mich - trotz ihres in die Zukunft weisenden "Schlussworts" - ungewiss.

Bewertung vom 07.02.2023
Malvenflug
Wiegele, Ursula

Malvenflug


gut

Blumensamen, die die Erinnerung wachhalten?

Ein kleinformatiges schmales Buch liegt vor mir, nur gut 200 Seiten stark. Der wunderschön gestaltete Schutzumschlag zeigt ein altes italienisches Fresko in verwaschenen Grün- und Blautönen, einen blühenden Garten mit Fruchtbäumen und Vögeln. Die Atmosphäre ist ein wenig melancholisch, sehnsüchtig, auch heiter. Diese Stimmungen finden sich ebenso im Roman wieder.

Der erste Teil umfasst in chronologischer Folge die Kriegsjahre 1940 bis 1945, vier Personen der Familie Prochazka kommen zu Wort: die geschiedenen Eltern Emma und Pavel, der Sohn Alfred, die Tochter Lotte. Die beiden Kinder Fritz (Lottes Zwillingsbruder) und die älteste Tochter Helga haben hier keine eigene Stimme, sondern finden über die wechselnden Erzählperspektiven der anderen Erwähnung. Die Familie lebt verstreut in Brünn, Davos, Graz. Die einzelnen sehr knappen Kapitel breiten wie in einem Kaleidoskop Bruchstücke dieses Familienlebens aus, das vor allem durch den Fortgang Emmas nach Davos keines mehr ist. Der Stil ist geprägt durch kurze, gereihte und teils unvollständige Sätze, detailhaft und genau beschreibend. Die Romanfiguren agieren, funktionieren, passen sich an die Umstände ihres Lebens und der Zeit an.

Im zweiten Teil wechselt die Autorin Ursula Wiegele vom personalen Erzähler zur Ich-Erzählerin Helga. Die Geschichte wird flüssiger, geschlossener, liebevoller und heiterer. Helga lebt seit 1947 in Italien und richtet zu Beginn der 1990er Jahren ihren Blick zurück auf ihre Zeit im Kloster und die prägende Tätigkeit im Blindeninstitut in Graz, ihr weiteres Leben in Italien und ihre späte Liebe zu Max, mit dem sie nun in einem Haus am Meer lebt. Mit Max bereitet sie das alljährliche (und versöhnende) Familienfest vor und fügt in der Rückschau viele Geschehnisse der Familiengeschichte ordnend zusammen.

Lange lässt uns die Autorin im Ungewissen, was der Buchtitel "Malvenflug" bedeuten soll. Und bis zum Schluss bin ich mir nicht sicher geworden, ob ich das Geheimnis entschlüsseln konnte. Insgesamt keine einfache Lektüre, die ich oft etwas ratlos aus der Hand gelegt habe und bei der ich mich schwertun würde, sie zu verschenken.

Bewertung vom 16.01.2023
Saubere Zeiten
Wunn, Andreas

Saubere Zeiten


ausgezeichnet

Die Last des Schweigens

Jakob Auber ist Sohn, Enkelsohn, selbst Vater eines kleinen Sohns. Der Ich-Erzähler des Romans kehrt in seinen Heimatort zurück, da sein Vater im örtlichen Krankenhaus liegt und dort stirbt. Jakob findet in seinem alten Zimmer im Elternhaus zahlreiche Dokumente vor, die ihn tief in seine Familiengeschichte eintauchen lassen. Die von seinem Vater besprochenen Tonbänder, die Tagebücher seines Großvaters, zahlreiche Fotografien und Briefe - all das wird für Jakob zu einer Reise in die deutsche Vergangenheit, die ihn bis nach Brasilien führt. Er lernt, die Sprachlosigkeit und das Schweigen in seiner Familie besser zu verstehen, wie auch die Schwierigkeit, Gefühle in Beziehungen zuzulassen und zu äußern, was auch für ihn selbst gilt. Die mangelnde Nähe, unter der die Personen leiden, spiegelt sich ebenso im sachlich-distanzierten Schreibstil wider. Auch das nostalgisch gestaltete Cover mutet kühl an.

Andreas Wunn erzählt in seinem Romandebüt nicht chronologisch, sondern springt zeitlich oft hin und her, wechselt die Ebenen, rückt andere Figuren in den Vordergrund. Dennoch konnte ich mich immer rasch orientieren und habe den Aufbau als schlüssig empfunden. Für mich ist diese Geschichte aus der Sicht des Kriegsenkels Jakob beispielhaft für vergleichbare deutsche Schicksale, die die "Last des Schweigens" mit sich herumtragen, beispielhaft für Vater-Sohn-Beziehungen, geprägt durch die Geschehnisse des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Im vorliegenden Roman kann der Protagonist die Last für seine Schultern ein wenig verringern und sich öffnen.

Der Autor hat mich von Beginn an gebannt lesen lassen. "Saubere Zeiten" ist ein bemerkenswerter Auftakt in diesem Jahr. Eine eindeutige Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.01.2023
Die Prinzregentenmorde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.1
Aicher, Petra

Die Prinzregentenmorde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.1


ausgezeichnet

Gelungener Serienauftakt

"Sind Sie wirklich sicher, dass Sie sich das zutrauen?", wird Anna Zech von ihrem Vorgesetzten gefragt. Die Krankenschwester Anna, aus bescheidenen Verhältnissen vom Land, tritt in München ihren Assistentinnendienst in der Gerichtsmedizin an. Hier wartet die erste Herausforderung bereits auf sie: Adele Röckl, alternde Schauspielerin, liegt auf dem Obduktionstisch, tot aufgefunden im Auer Mühlbach. Unfall, Selbstmord, Mord? Anna lernt Friedrich von Weynand kennen, der sich das eher langweilige Dasein des verheirateten Adligen verkleidet als Skandalreporters Fritz Nachtwey vertreibt. Beide lernen sich kennen und bilden fortan ein ungewöhnliches Ermittlerduo.

Petra Aicher nutzt ihren historischen Roman mit Krimi-Elementen dazu, die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen der Zeit knapp vor dem Ersten Weltkrieg zu schildern. Der Wandel von überkommener Monarchie zu demokratischen Bestrebungen hat eingesetzt; ebenso verändert sich das Frauenbild, sichtbar vor allem an Anna, die eigene Vorstellungen für ihre Lebensperspektive sieht und diese auch umsetzt. Ihre Gestalt wird im Fortgang der Handlung immer selbstbewusster und gewinnt an Profil. Fritz/Friedrich wiederum verliert ein wenig von seiner abgeklärt-oberflächlichen Haltung und wird nachdenklicher und ernsthafter. Die Beziehung der beiden zueinander mit ihrem Geplänkel erinnert manchmal an Screwball-Filmkomödien wie auch das Cover ein gelungenes Filmplakat abgäbe. Die Charaktere der beiden Hauptfiguren und der anderen Personen sind so herausgearbeitet, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Die Autorin formuliert angenehm flüssig und stilsicher. Die eingestreuten Zeitungsartikel von Fritz' (fiktivem) Skandalblatt sind ein tolles Element.

Der Kriminalfall und seine Lösung tritt über weite Strecken im Mittelteil des Buches in den Hintergrund, bildet aber die Klammer für die Romanhandlung. Das Verweben unterschiedlicher Genres halte ich für durchaus gelungen, einzig eine vorsichtige Straffung des Mittelteils hätte der Spannung gut getan. Ich bin neugierig auf eine Fortsetzung der Reihe um "Fräulein Anna, Gerichtsmedizin", und wer weiß, vielleicht können wir Anna und Fritz irgendwann auch im Kino wieder(sehen).

Bewertung vom 27.05.2022
Die Magie unserer Sinne (eBook, ePUB)
Schweitzer, Ragnhild; Schweitzer, Jan

Die Magie unserer Sinne (eBook, ePUB)


sehr gut

Sinne neu erleben lernen

Was hat unsere Anatomie mit dem Elchtest zu tun? Schon um die Antwort auf diese Frage zu erhalten, lohnt es sich, mehrere intensive Blicke in das Buch des Ehepaars Schweitzer zu werfen. Fundiert und mit viel medizinischem Hintergrundwissen erfahren wir Grundlegendes über unsere Sinne, werden mit vielen überraschenden Fakten versorgt und dazu angeregt, unsere Wahrnehmungen zu schärfen und besser zu nutzen. Bereits das (erste) Kapitel zum Riechen ließ mich viel aufmerksamer schnuppernd umhergehen und Düfte/Gerüche deutlicher aufnehmen und unterscheiden.

Das Buch ist übersichtlich strukturiert und lässt es durchaus zu, nach eigener Vorliebe hier und da einzusteigen. Ich würde diese Vorgehensweise sogar empfehlen, und auch einmal eine Lesepause einlegen, um vom Gelesenen zu profitieren. Wenn auch gut und verständlich geschrieben, handelt es sich doch um ein sehr ausführliches Sachbuch, und es erfordert weit mehr Konzentration als eine leichte Urlaubslektüre.

Mich haben nach dem Eingangskapitel zum Riechen besonders der Gleichgewichtssinn und die Balance interessiert: Sehr schlau sorgt unser Körper bei allen seinen Konstruktionsmängeln dafür, dass wir nicht einfach auf die Nase fallen. Und hier finden wir auch die Antwort, weshalb der Elchtest zwar ein Auto umwerfen kann, uns Menschen dank unserer Sinne aber nicht.

Bewertung vom 14.03.2022
Der Weg der Familie Lagerfeld / Das Glück unserer Zeit Bd.1 (eBook, ePUB)
Koschyk, Heike

Der Weg der Familie Lagerfeld / Das Glück unserer Zeit Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Familiengeschichte in unruhigen Zeiten

"Das Leben schreibt die besten Geschichten, heißt es immer, und in diesem Fall ist tatsächlich etwas dran", so die Autorin Heike Koschyk im Nachwort zu ihrem Roman. Diese Einschätzung hat sich für mich beim Lesen schnell bestätigt. Die Geschichte der Hamburger Familie Lagerfeld hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Basierend auf Dokumenten, Aufzeichnungen und Fotos der Familie und weiteren Recherchen der Autorin, gelingt es dieser, eine lebendige, spannende und abenteuerliche Handlung rund um die Hauptperson Otto Lagerfeld zu entwickeln. Die Zeitspanne reicht von der Kindheit Ottos und seiner Geschwister bis in die Jahre nach dem ersten Weltkrieg - Otto hat sich einen Lebenstraum erfüllt und ist zum Unternehmer hinter der bekannten Dosenmilchmarke "Glücksklee" geworden. Ein Sprung in das Jahr 1942 lässt ihn auf sein bisheriges Leben zurückblicken, auf Erfolge und Gefahren, Schicksalsschläge und glückliche Zeiten.

Koschyks Stil liefert eine lebendige Beschreibung der Personen, gibt Einblick in deren Denkweisen, Vorstellungen und Ziele im Leben und ist stets handlungsorientiert. Der Ausdruck ist vielfältig und nur an wenigen Stellen im Buch geraten die Sätze zu lang und verschachtelt, so dass mir der Sinn erst bei nochmaligem Lesen klar wurde. Das fiktive Stilmittel der Briefe, die hauptsächlich Otto aus der Ferne nach Hamburg schreibt, hat mir besonders gut gefallen. Hier wechselt die Perspektive zum Ich-Erzähler und schafft so eine besondere Nähe zur Hauptfigur. Zudem wird durch diese Erzählform die Verbundenheit mit der Heimat aufrecht erhalten. Dem mehrmaligen Wechsel zwischen dem Jahr 1942 und der Zeit der eigentlichen Romanhandlung lässt sich problemlos folgen - durch die Kapitelüberschriften mit Orts- und Jahresangaben. Einige wenige Rechtschreib- und Grammatikfehler und geografische Ungereimtheiten sind verzeihlich.

Das Schicksal der Lagerfelds habe ich in diesem Roman gern verfolgt - und bin bereits sehr gespannt auf die angekündigte Fortsetzung.

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Bewertung vom 12.03.2022
Die kalte Mamsell / Viktoria Berg Bd.3
Dix, Elsa

Die kalte Mamsell / Viktoria Berg Bd.3


sehr gut

Absolut strandkorbtauglich 

Bereits zum dritten Mal ist das mondäne Seebad Norderney Schauplatz  mörderischer Verbrechen. Wiederum ermitteln der - jetzt frischgebackene Kriminalassistent - Christian Hinrichs und die Lehrerin Viktoria Berg, wiederum zur Zeit der ausgehenden Belle Époque. Den Titel "Die kalte Mamsell" finde ich pfiffig gewählt: Bei der Frauenleiche im Eiskeller eines Luxushotels handelt es sich um die dort beschäftigte Kaltmamsell. Viktoria taucht durch ein beim Opfer gefundenes Schmuckstück tief in ein verstörendes Geheimnis ihrer eigenen Familie ein. Elsa Dix schafft es, die Kriminalhandlung geschickt mit der privaten Situation der Hauptpersonen zu verweben. Treffend schildert die Autorin die Atmosphäre der Urlaubsinsel, die gesellschaftlichen Konventionen, die vor allem Viktoria immer wieder Grenzen aufzeigen. Wer Norderney kennt, verfolgt vielleicht gern die im Roman genannten Straßen und Orte. Nett wäre hier zur Orientierung die Beigabe eines kleinen gezeichneten Ortsplanes gewesen. Der Bucheinband ist liebevoll nostalgisch gestaltet, mit Anklängen an den Art-déco-Stil.
Elsa Dix gelingt eine leichte, gut geschriebene Urlaubslektüre mit stetig steigender Spannung  - Zutaten für meinen perfekten Tag im Strandkorb!