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Reader1965
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2024
Kosakenberg
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


ausgezeichnet

Eier statt Weihnachtsmann

Kathleen verlässt in den 90-iger Jahren Kosakenberg - das brandenburgische Dorf, in dem sie aufgewachsen ist. Sie möchte ihm entkommen & es hinter sich lassen, doch jeder Besuch bei ihrer Mutter bringt die Erinnerungen zurück.

Es geht um Wurzeln, um Heimat und um Gehen oder Bleiben.

Dieser melancholische Roman von Sabine Rennefanz hat so viele Szenen & Sätze, mich sehr berührt & bewegt haben:

"Vielleicht bin ich deswegen am liebsten in der Fremde, weil es dort leichter zu ertragen ist, fremd zu sein, als an einem Ort namens 'Zuhause'." (Seite 10)

Für mich authentisch & gut nachvollziehbar ist, wie die Autorin die Beziehung zwischen Kathleen & ihrer Mutter und die gegensätzlichen Lebenswege von Kathleen (Gehen) & ihrer Kindheitsfreundin Nadine (Bleiben) beschreibt - voller Empathie für alle Charaktere. Auch die Atmosphäre der Zeit nach der Wende ist realistisch wiedergegeben.

Eine ruhig erzählte Geschichte, die mich noch etwas begleiten wird - vielleicht sogar bei einem Gläschen Eierlikör...

Bewertung vom 22.02.2024
Nostalgia Siciliana
Di Stefano, Patrizia

Nostalgia Siciliana


sehr gut

Pastellfarbenes Märchenland

Der Titel & das wunderschöne Cover zu "Nostalgia Siciliana" haben gleich mein Interesse geweckt.

Patrizia Di Stefano erzählt die Geschichte ihres Vaters Gianni und wie sie 26 Jahre nach seinem Tod nach Sizilien, zu ihrer Familie & zu den Erinnerungen ihrer Kindheit zurückkehrt.

Die Geschichte ist sehr lebendig & bildhaft geschrieben. Sie hat mir sofort Bilder in den Kopf gezaubert und ich hatte das Gefühl, mit ihr im "pastellfarbenen Märchenland" Sizilien zu sein. Patrizia Di Stefano erzählt mit viel Liebe & Sympathie vom Leben ihres Vaters & ihrer Familie. Zudem vermittelt sie ein authentisches Bild der 60-/70-iger Jahre.

Ich empfehle, auch die Webseite zu diesem Roman anzuschauen. Es gibt hier Fotos aus dem Familienalbum der Di Stefanis und eine Playlist, die neben dem Roman noch mehr Lust auf eine Reise nach Sizilien macht.

Bewertung vom 18.02.2024
Krummes Holz
Linhof, Julja

Krummes Holz


ausgezeichnet

Starkes Debüt
Der Debütroman "Krummes Holz" von Julja Linhof hat mich sprachlich & inhaltlich sehr beeindruckt.

Es ist die Geschichte von Jirka, der als Neunzehnjähriger nach fünf Jahren auf den Hof seiner lieblosen & trostlosen Kindheit zurückkehrt - zurück in die Gefühlswelt als Vierzehnjähriger.

Julja Linhof erzählt ruhig, bildhaft & ausdrucksstark und in schönen Worten & Sätzen von der Sprachlosigkeit zwischen Jirka & seiner älteren Schwester Malene, lässt uns teilhaben an seinen Erinnerungen, seinen unsortierten Gefühlen & seiner inneren Zerrissenheit. Die Atmosphäre ist melancholisch bis depressiv und dennoch ist es ein unglaublich intensiver & bewegender Roman, der mich in seinen Bann gezogen hat - und der mit einem kleinen Hoffnungeschimmer endet.

Für mich ein absolut lesenswerter Roman, dem ich viel Beachtung wünsche.

Bewertung vom 10.02.2024
Trophäe
Schoeters, Gaea

Trophäe


ausgezeichnet

Vergnügungspark Afrika
Die ersten Worte, die mir nach dem Lesen von "Trophäe" einfallen, sind "radikal" und "konsequent".

Der Amerikaner Hunter möchte in Afrika die "Big Five" vollmachen. Sein Plan wird von Wilderern vereitelt und er hört zum ersten Mal von den "Big Six"...

Die Sprache von Gaea Schoeters ist beeindruckend: kraftvoll, eindringlich, bildlich & packend. Trotz der grausamen Details der Jagd konnte ich das Buch nicht beiseite legen; war fassungslos & geschockt und konnte mich der Wucht dieser Geschichte doch nicht entziehen - und kam nicht darum herum, mich mit den Fragen "Was ist ein Menschenleben wert", "Was ist moralisch richtig oder falsch?" und "Heiligt der Zweck die Mittel?" auseinander zu setzen. Ich möchte hier nicht zu viel verraten, daher nur kurz: Für mich ist es wirklich radikal & konsequent, wie Gaea Schoeters die Idee von den "Big Five" zu den "Big Six" umsetzt und wie der Jäger auf der Jagd nach der Beute selbst zur Beute wird.

"Trophäe" ist ein besonderes Highlight und Gaea Schoeters eine Autorin, von der hoffentlich bald ein neuer Roman erscheint.

Bewertung vom 29.01.2024
Leuchtfeuer
Shapiro, Dani

Leuchtfeuer


sehr gut

Was wäre wenn...

Durch das wunderschöne Cover bin ich auf "Leuchtfeuer" aufmerksam geworden. Das Thema des Romans hat mich sehr angesprochen und der Schreibstil von Dani Shapiro hat mich von der ersten Seite an in den Bann gezogen.

"Änderst Du ein Element, ändert sich alles. Eine Erschütterung hier verursacht ein Erdbeben dort."
(Seite 9)

Die Geschichte der beiden Familien Wilf & Shenkman hat mich bewegt. Es geht um Familiengeheimnisse, Schuld & den unterschiedlichen Umgang damit - und darum, wie ein einziger Moment das Leben von Menschen über Jahrzehnte hinweg beeinflussen & verändern kann.

Besonders gefallen haben mir die Perspektivwechsel & Zeitsprünge. So konnte ich mich gut in die Charaktere hineinversetzen & mitfühlen. Sehr gelungen finde ich, wie Dani Shapiro das Leben der beiden Familien verknüpft.

Ein ruhiger, tiefgründiger & melancholischer Roman, der zum Nachdenken anregt. Sehr lesenswert.

Bewertung vom 20.01.2024
Die Hexen von Cleftwater
Meyer, Margaret

Die Hexen von Cleftwater


sehr gut

Düster & bewegend

"Die Hexen von Cleftwater" von Margaret Meyer war für mich eine Überraschung. Vom Cover her hatte ich eine eher seichte Geschichte erwartet. Gelesen habe ich einen gut recherchierten historischen Roman über die Hexenverfolgung 1645 in East Anglia, der spannend wie ein Krimi ist.

Margaret Meyer hat einen schönen & packenden Schreibstil. Ich war von der ersten Seite an gefesselt von dieser Geschichte um die stumme Hebamme & Dienerin Martha, die Geschehnisse in Cleftwater und das harte Leben von 1645.

Es ist eine düstere, aber eindringliche Geschichte. Frauen, die mit absurden Vorwürfen der Hexerei beschuldigt wurden, hatten kaum eine Chance, ihre Unschuld zu beweisen. Martha versucht, sich selbst & andere Frauen zu schützen. Ihre Ängste, Gewissensbisse & Schuldgefühle sind spürbar. Gut vermittelt wird auch, wie Menschen beeinflusst werden und wie schnell geschürtes Misstrauen eine Dorfgemeinschaft zerstören kann.

Für mich hebt sich dieser Roman durch die schöne Sprache von anderen historischen Romanen ab und ist sehr lesenswert.

Bewertung vom 28.12.2023
Der Schacherzähler
Pinnow, Judith

Der Schacherzähler


ausgezeichnet

Warmherzige Geschichte

Auf den Roman "Der Schacherzähler" von Judith Pinnow bin ich aufmerksam geworden, weil mir das Cover & der Titel gefallen haben. Die Inhaltsangabe hat mich daran erinnert, dass mein Vater mir als Kind auch das Schachspielen beigebracht hat.

Dieser Roman über Freundschaft, Familie, Trauer, Zusammenhalt & Hoffnung ist einfach schön zu lesen. Irgendwie so aus dem Leben. Berührend & warmherzig. Die Charaktere sind schön gezeichnet, so voller Empathie. Oldman, Janne, Malu & die Anderen werden mich noch über die Weihnachtstage begleiten.

"Die Tränen lassen sich nur schwer wegblinzeln, deshalb gibt der Alte vor, sich eben die Nase putzen zu müssen" (Seite 302). So erging es mir im Cafe, als vor Rührung ein paar Tränen kullerten.

Ein Roman, den ich gern empfehle, weil ich glaube, dass wir solche Geschichten in dieser schnelllebigen Zeit brauchen.

Bewertung vom 04.12.2023
Eine halbe Ewigkeit
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit


ausgezeichnet

I am what I am

Eine halbe Ewigkeit nach "Mondscheintarif" endlich ein wunderbares Wiederlesen mit Cora Hübsch - und auch ein paar Bekannte aus "Morgen kann kommen" sind mit dabei.

Cora ist älter geworden, fast 55, mehr problem- als lösungsorientiert - und das einzig Weibliche an ihr sind ihrer Meinung nach die Kaiserschnittnarbe & die Orangenhaut. In ihrem Leben geht wieder um die Liebe, um Träume und um das Loslassen.

Ildiko von Kürthy schreibt so schön - so schön gefühlvoll & empathisch aus dem wahren Leben - mit einer großen Portion Humor und mit viel Lebensweisheit. An manchen Stellen habe gedacht, es sind meine Gedanken & Gefühle, die die Autorin beschreibt - und die ich nie hätte so gut in Worte verpacken können.

"Mut ist keine Eigenschaft. Mut ist ein Prozess." (Seite 119)

Die Autorin schafft es, locker über Hitzewallungen & Selbstzweifel zu schreiben - und mir als Leserin dabei ein Schmunzeln zu entlocken... obwohl beides im eigenen Leben wirklich nicht spaßig ist.

"Eine halbe Ewigkeit" ist ein Wohlfühl-Buch: warmherzig & herzerfrischend.

Und es ist ein Buch, das ich Weihnachten auf ein paar Gabentische legen werde.

Mein Wunsch an Ildiko von Kürthy:
Lass es nicht wieder eine halbe Ewigkeit dauern, bis wir am (Un-Ruhestands-)Leben von Cora teilhaben dürfen.

Bewertung vom 28.11.2023
Die sieben Monde des Maali Almeida
Karunatilaka, Shehan

Die sieben Monde des Maali Almeida


ausgezeichnet

Beeindruckender Roman

Der Roman "Die sieben Monde des Maali Almeida" von Shehan Karunatilaka hat mich sehr beeindruckt und wurde für mich verdient den Booker Prize 2022 ausgezeichnet.

Sri Lanka Anfang der Neunzigerjahre im Bürgerkrieg. Maali Almeida, Kriegsfotograf & Glücksspieler, erwacht zwischen Dies- & Jenseits und hat sieben Tage Zeit, aus diesem "Dazwischen" heraus seinen Mörder zu finden und der Welt zu zeigen, was in seinem Land geschieht.

Die Idee ist grossartig und der Autor verwebt in diesem Roman ausgesprochen geschickt & spannend Politik, Religion, Mythologie, Alltag & Krimi. Auf der einen Seite las sich das Buch leicht & flüssig, auf der anderen Seite ist es keine "leichte Kost" und erforderte von mir Geduld & Konzentration. Man erfährt viel über Sri Lanka & den Irrsinn von Kriegen. Stellenweise habe ich parallel zum Buch im Internet weiter nachgelesen, weil ich zu wenig über das Land & seine Kriege wusste.

Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gelesen: ungewöhnlich anders, informativ & fesselnd. Für mich ein absolut lesenswertes Buch.