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TK

Bewertungen

Insgesamt 108 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

Wenn die Natur zurückschlägt

Eine zusammenhängende Meinung zu diesem Buch zu fassen ist mir sehr schwer gefallen, da es sich für mich ziemlich deutlich in zwei parallele Ebenen aufgeteilt hat.
Die Beschreibung der erschreckend nahen, bedrohlich realistischen Welt, in der Natur und Klima zurückschlagen, fand ich sehr spannend, und in ihrer Wirkung auf die Menschen in den verschiedendsten Situationen sehr eindringlich und verstörend beschrieben. Die Atmosphäre, in der Hitze, Trockenheit, Feuer und Wasser zu eigenen Charakteren werden, ist wirklich stark und beeindruckend.
Die Handlung, die den menschlichen Figuren folgt, ist für mich demgegenüber ziemlich abgefallen. Die Handlung an sich war durchaus spannend, aber ich konnte mich einfach mit keiner der Figuren identifizieren, da sie entweder einfach recht blass oder aber aktiv unsympathisch waren. Dadurch hat mir das emotionale Interesse an ihren Erlebnissen gefehlt.
Vielleicht ist aber auch genau das Ziel dieses Buches - dass sich Lesende auf Seiten der Natur, des Planeten wiederfinden, der die Menschen am besten loswerden sollte.

Bewertung vom 12.08.2023
Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1
Stern, Anne

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1


gut

Stimmungsvolles Bühnenbild, aber leider eher enttäuschende Handlung

Die Leben der Menschen, die in der Dresdener Semperoper zusammentreffen, auf und hinter der Bühne, im Publikum, im Glanz der Lichter und im Dunkel der Gassen - das klang nach einer sehr stimmungsvollen, spannenden Geschichte für mich!
Die Erzählweise, die historische Stadtviertel und ihre Menschen zum Leben erweckt, kennt man von Anne Stern bereits, und so liest sich auch dieser Roman wieder sehr stimmungsvoll.
Leider war mir die Geschichte insgesamt etwas belanglos. Es wurden zwar viele interessante Figuren mit individuellen Wünschen, Zielen und Schwierigkeiten vorgestellt, auch die sozialen und politischen Konflikte, die sich aus einer Ständegesellschaft ergeben, wurden aufgebaut, sowie die Rolle von Frauen und Mädchen, die sich in den Konventionen einer männlich dominierten Welt bewegen müssen. Nachdem dies alles, inklusive der Liebesgeschichte, zwar etwas vorhersehbar war, aber doch eine gute Ausgangssituation für eine spannende Geschichte, ist allerdings dann nicht wirklich viel passiert. Die Handlung insgesamt wirkt etwas unfertig, etwas unvollständig, als würde noch ein weiterer Teil folgen?
Vielversprechender Beginn, sozusagen ein starkes Bühnenbild, aber die Aufführung war letztendlich eher unbefriedigend und daher etwas enttäuschend.

Bewertung vom 12.08.2023
Perlenbach
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach


gut

Rückkehr in die Eifel

"Perlenbach" erzählt die Geschichte des Eifeldorfes Wollseifen, das wir schon in "Ginsterhöhe" kennengelernt haben, weiter. Dieser Roman lässt sich allerdings auch ohne Kenntnis des ersten problemlos als eigenständiges Buch lesen, denn:
Diesmal steht die Generation vor Albert Lintermann im Mittelpunkt, sein Vater Wilhelm sowie dessen Kindheitsfreunde Luise und Jacob.
Das Buchcover finde ich optisch sehr schön und passend zur Reihe, allerdings ist das Kinderbild etwas verwirrend gewählt, da im Nachhinein kein Bezug zur Geschichte zu finden ist.

Anna-Maria Casparis unaufgeregter Erzählstil, der mir schon im ersten Buch sehr gefallen hat, war auch hier wieder sehr angenehm zu lesen. Auch die Atmosphäre vom Ende des 19. Jahrhunderts und die historischen Begebenheiten waren sehr stimmig als Hintergrund der Handlung.
Es war sehr schön, noch einmal jüngeren Versionen der Wollseifener zu begegnen, und einige Hintergründe und Entwicklungen zu erfahren, die zu den Ereignissen in "Ginsterhöhe" geführt haben.

Leider muss ich im Vergleich zum ersten Band deutliche Abstriche in der Bewertung machen. Zum einen hat mir die Art, das historische Weltgeschehen und Abläufe mittels Tagebucheinträgen einzuordnen, die mir bei "Ginsterhöhe" schon teilweise sehr künstlich vorkam und aus der Handlung herausfiel, hier noch weniger gefallen, da für mich viele Einträge einfach sehr unnatürlich für ein privates Tagebuch klingen.

Zum anderen, und das ist der größere Aspekt, hatte ich große Schwierigkeiten mit der Figur des Jacob. Sicher hat man es als [Spoiler!] homosexueller, recht feminin auftretender Mann mit einer Behinderung Ende des 19. Jahrhunderts sehr schwer. Das Leben einer jungen Frau, die überall auf Hürden trifft, die ihrem Ziel, Ärztin zu werden, im Weg stehen und die für jeden Schritt kämpfen muss, oder das Leben eines Bauernsohnes aus einer kinderreichen, ärmlichen Familie, ist jedoch auch nicht gerade leicht gewesen, so wie die Leben noch vieler anderer.
Dass Jacob, dem als Fabrikerbe immerhin viele Türen offen stehen (regelmäßige Reisen nach Paris, um seine "Neigungen" dort frei auszuleben, zum Beispiel), die andere junge Männer in seiner Situation nicht gehabt hätten, konstant unglaublich selbstmitleidig und egozentrisch auftritt und es selbstverständlich und kaum erwähnenswert findet, dass alle sich aufopferungsvoll um ihn kümmern, hat ihn für mich sehr unsympathisch gemacht.
Auch von der Geschichte selbst wurde sein Verhalten und das Mitleid der anderen Figuren ihm gegenüber als völlig normal dargestellt, nicht etwa als potentieller Konflikt. Die Textstellen, in denen es um ihn ging, haben mich daher häufig sehr geärgert, was schade ist, da ich die Geschichte der anderen beiden Charaktere, Wilhelm und vor allem Luise, sehr gerne verfolgt habe.

Insgesamt ein gut erzähltes Stück Zeitgeschichte und eine berührende Beobachtung, wie sich Freundschaften im Erwachsenwerden verändern, wie sich Leben auseinanderentwickeln und Träume und Pläne sich ändern müssen, leider für mich sehr durch eine persönliche Antipathie getrübt.

Bewertung vom 06.08.2023
October, October
Balen, Katya

October, October


ausgezeichnet

Wild, wunderschön und magisch

October ist eine ganz wunderbare Protagonistin, und ihre verzaubert wirkende, wild und frei beschriebene Lebenswelt mit ihrem Vater im Wald, die aus der gegenwärtigen Zeit gefallen scheint, ist genau der Ort, an dem sie mit sich im Einklang lebt.
Wie sie es schafft, auch im Großstadtalltag, von dem sie erst völlig überwältigt ist, das Magische zu finden, Freundschaften und Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und sich auf neue Freuden einzulassen, ist von Katya Balen unglaublich einfühlsam und berührend geschrieben.

Der Schreibstil, in dem Besonderheiten in Satzbau und Zeichensetzung auffallen, spiegelt, wie die Autorin in der Anmerkung am Ende erklärt, Octobers Art die Welt zu sehen und zu denken wieder. Ich fand dieses Stilmittel sehr gelungen, um die besondere Wahrnehmung von neurodivergenten Menschen darzustellen. Interessanterweise mochte gerade mein eigenes neurodivergentes Kind diese Schreibweise nicht besonders, sie ist allerdings auch eher diejenige, die großen Wert auf komplette sprachliche Korrektheit legt. Insgesamt denke ich allerdings schon, dass junge Menschen im Lesealter wie hier ab 11 Jahren durchaus auch besonderere Texte und literarische Mittel gut lesen bzw. mit ihnen in Berührung kommen können.

"October, October" ist eine alterslose, zauberhafte Erinnerung daran, dass wir Glück und ein Zuhause an verschiedenen Orten finden können, wenn wir es zulassen, und dass man sich ein bisschen Wildheit und Freiheit überall behalten kann, auch wenn es vielleicht schwerfällt.

"Wild und frei sein bedeutet für alle etwas anderes, ob man zurückgezogen im Wald lebt oder durch die Straßen der Stadt wirbelt. Nicht alles hat ein perfektes Ende, das weiß ich, und ich weiß auch, dass es für manche Dinge einen perfekten Ort gibt und für andere nicht, dass all das sich aber auch ändern kann."

Bewertung vom 23.07.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


ausgezeichnet

Liebeserklärung und Abschied

Ein letztes Mal gemeinsamer Urlaub auf Sylt, wie in langen Jahren der Kindheit, mit Oma Lore und Opa Ludwig, Omma und Oppa.

Das Buch hat ein großartiges Coverbild von Jessine Hein: der idyllische Sonnenuntergang, und dann der Strandkorb in Flammen - wirklich sehr ausdrucksstark und symbolisch für die Gefühle, mit denen Protagonist Max seine alternden Großeltern, und damit auch sich selbst, erlebt.
Die eigenen Großeltern altern sehen, wenn man selbst erwachsen ist, ist ein ganz eigenes Gefühl. Zum einen, weil man in dieser Beziehung selbst immer jung und Kind bleibt, während die Großeltern gefühlt schon immer alt gewesen sind. Zum anderen, weil immer mehr das Bewusstsein von Endlichkeit, Abschied und letzten Malen mitschwingt.

Max Richard Leßmann hat das Gefühl Familie sehr berührend erfasst, melancholisch und humorvoll, gleichzeitig sehr persönlich und sehr universell.
In der Gegenwart klingt immer auch die Vergangenheit an, diese typischen Geschichten, die jede Familie hat, die geflügelten Worte, die irgendwann entstanden sind und sich durch die Zeit ziehen, die Familienmitglieder, die durch Geschichten und Erinnerungen immer alle irgendwie mit anwesend sind, auch wenn sie nicht da sind, oder gar nicht mehr da sind.
Die Vertrautheit zwischen Enkel und Großeltern ist auf allen Seiten spürbar, die tiefe Liebe und Zuneigung, die in manchen Momenten etwas ganz anderes ist, als das, was man in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt als Liebe oder auch nur Mögen bezeichnen würde.
Die Merkwürdigkeiten und Sonderbarkeiten, die die Jungen in den Alten genauso sehen wie die Alten in den Jungen, führen nicht zu Konflikten, wie sie das zwischen Eltern und Kindern tun würden, sondern werden im Überspringen der Generation mit liebevoller Nachsicht oder hier Oma Lores strenger Fürsorglichkeit hingenommen.
Während man die Familiengeschichte von Max liest, hat man immer auch die eigene Familie vor Augen, mit ihren ganz eigenen Persönlichkeiten, Eigenheiten und Erinnerungen.

Auf den vergleichbar wenigen Seiten des Buches überrollen sehr viele Emotionen die/den Lesende*n, wie die Wellen der Nordsee, mal still und fast sanft, dann wieder mit der enormen Wucht eines Sturms.
Eine traurig-schöne, fein beobachtete und charakterisierte Geschichte, nach der ich jetzt meine eigene Oma anrufen werde.

Bewertung vom 23.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


sehr gut

Normalitätssimulation

"Schönwald" wird vom Verlag mit den Worten"Endlich der große deutsche Gesellschaftsroman, den wir schon so lange lesen wollten." angekündigt. Ich weiß nicht, wer diese literarische Bestellung für alle geäußert hat, und ob Philipp Oehmkes Romandebüt diesen Wunsch erfüllen kann, wird sich wohl erst mit der Zeit sagen lassen.
Diese deutsche Gesellschaft der Gegenwart, in der Boomer, Gen-X und Millenials mit all ihren unterschiedlichen generationellen Konditionierungen aufeinandertreffen, ist jedenfalls anscheinend von kaputten Menschen, dysfunktionalen Beziehungen, Lebenslügen und random englischen Wörtern in der Sprache geprägt, was durchaus nicht abwegig, weit hergeholt oder unrealistisch ist. Nur ist es eben auch eher ernüchternd und deprimierend zu lesen, von "lesen wollen" kann dann nicht mehr unbedingt die Rede sein; wegschauen, wie dieses schöne Lebensbild der Familie Schönwald in sich zusammenbricht, kann man allerdings auch nicht.

"Wir sind, was wir uns selbst über uns erzählen." Nach Tolstoi gleichen alle glücklichen Familien einander, und jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich - was also, wenn man, wie Ruth Schönwald, noch nie im Leben den Gedanken zugelassen hat, die eigene Familie könnte eine unglückliche sein?
Wenn gerade der Versuch, "sich mit Weggucken, Nichtwissenwollen, Halbwahrheiten oder geschönten Versionen durchs Leben zu hangeln", dazu führt, dass das unvermeidliche Unglück des Lebens nicht etwa verschwindet, sondern nur unter der Oberfläche vor sich hin schwelt.
Wie dies dann ausbricht, wie alles Ungesagte gesagt, alles Ungesehene gesehen und alles Ungefühlte gefühlt werden muss, beschreibt Oehmke für alle seine faszinierenden Figuren absolut scharf beobachtet und präzise charakterisiert.

Ein gedanklich sehr anregender, beschäftigender Roman über Selbstbilder und Selbstdarstellung, wie wir andere sehen bzw. es möchten, und wie wir von anderen gesehen werden (wollen).

Bewertung vom 19.07.2023
Luftmaschentage
Becker, Anne

Luftmaschentage


sehr gut

Von Häkelnadeln, Tiefseekraken und echter Freundschaft

Anne Beckers "Luftmaschentage" ist ein wunderbar einfühlsam geschriebenes Kinderbuch an der Schwelle zum Jugendbuch, das auch auf Erwachsene ganz schön emotional Eindruck macht. Hinter dem bunten Cover, dass eher an ein Bilderbuch oder Vorlesebuch für jüngere Kinder erinnert, steckt eine wirklich starke, berührende Geschichte,
Es ist vor allem eine Geschichte über Freundschaft, aber auch eine Geschichte über Familie, soziale Ungleichheit, und die kleinen und großen Schwierigkeiten des jugendlichen Schulalltags, einschließlich Mobbing und erstem Verliebtsein.

Die Protagonistinnen Mats und Ricci sind zwei Mädchen, die nicht viel gemeinsam haben, außer dass sie beide von ihrer Umgebung als irgendwie seltsam und unangepasst empfunden werden, die sich aber gegenseitig in ihren Eigenheiten wenn nicht immer verstehen, so doch wenigstens akzeptieren und vor allem mögen.
Anne Becker ist ein sehr behutsamer Umgang damit gelungen, dass nicht alle Kinder aus einem glücklichen Zuhause kommen, oder, aus den verschiedensten Gründen, nicht einmal einen Ort haben, den sie Zuhause nennen würden.

Besonders beeindruckt war ich von der Beschreibung des Innenlebens der Charaktere, die riesige Krake Madame Schüchtern, die Mats daran hindert, mit den meisten Menschen zu sprechen, und die selbst in ihren Handlungen großartig unterhaltsam charakterisiert wird. Dieses innere Tier, das unser Verhalten auf eine Weise steuert, die wir selbst gar nicht so leicht beeinflussen können und die uns vielleicht sogar mit unseren Mitmenschen in Schwierigkeiten und Konflikte bringt, ist ein wirklich anschauliches Bild, und hat in unserer Familie zu einem sehr aufschlussreichen Gespräch geführt, welche Lebewesen denn in unseren Bäuchen auf ihrem gemütlichen Sofa rumlungern und wie es ihnen passt dazwischenfunken könnten.

Die zwei parallel laufenden, versetzten Erzähl- und Zeitstränge, vor und nach dem Streit von Mats und Ricci, erhalten die Spannung aufrecht und zeigen die emotionalen Auswirkungen der Freundschaft einerseits und des Konfliktes andererseits. Für mich als erwachsene Leserin fand ich diese Erzähltechnik sehr gelungen, ob sie den Lesegewohnheiten und -erfahrungen von Kindern entspricht, bin ich mir allerdings nicht ganz sicher; meine zwei Töchter (gerade 11 und fast 13) waren davon jedenfalls eher verwirrt.

Die Geschichte an sich hat uns sehr gut gefallen, wegen der sehr spannenden Handlung, den toll geschriebenen Charakteren (auch Nebenfiguren sind wirklich super und mehrdimensional charakterisiert) und dem Schreibstil, der gleichzeitig emotional sehr nachvollziehbar, berührend und doch auch zwischendurch immer wieder sehr lustig ist.
Eine große Empfehlung, denn es ist wirklich toll, wie viele wichtige Themen und Gedanken in diesem recht kurzen Buch stecken!

Bewertung vom 17.07.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Emotional sehr starkes Debüt

Tildas Leben gleicht einem durchgetakteten Schlachtplan, sie funktioniert für sich, aber vor allem für ihre kleine Schwester, die sie mit der alkoholkranken Mutter nicht alleine lassen kann, weshalb sie selbst für alles die Pause-Taste gedrückt hat. Ihre 22 Bahnen Schwimmen und die paar ruhigen Minuten am Abend, bevor alles wieder von vorne losgeht, sind ihre einzige wirklich eigene Zeit, in der sie einmal nicht kämpfen muss.

Caroline Wahl ist in ihrem Debütroman vor allem eine unglaublich starke Charakterisierung ihrer Figuren gelungen, man fühlt mit Tilda mit, die für ihr Leben eigentlich ganz andere Pläne hatte, aber für die es selbstverständlich ist, ihre Schwester stark zu machen für "den Krieg da draußen", aber auch im eigenen Zuhause - oder noch besser, ihre Lebensumstände so zu gestalten, dass man vielleicht nicht immer Kämpferin sein muss. Die Beziehung der beiden Schwestern und ihr Umgang miteinander war wirklich wunderschön zu verfolgen.

Mich persönlich haben nur die laufenden Verweise auf ganz konkrete Gegenstände (Eigenmarken von Supermarktketten, YA-Film-Franchises, Einkaufskorbhersteller, Literaturlisten des Mathematikstudiums) sehr irritiert. Sicher beschreiben solche Dinge zum Beispiel ein bestimmtes Milieu, aber mich hat jede Erwähnung ein bisschen aus der Emotion des Geschehens geworfen, was ich sehr schade fand.

"22 Bahnen" ist bei aller Tragik der Handlung und der Situation ihrer Figuren eine überraschend hoffnungsvolle Geschichte, in Idas Entwicklung und darin, dass Tilda über die Gegenwart hinaus in die Zukunft blicken kann.

Bewertung vom 13.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


ausgezeichnet

Die Freiheit im Vergessenwerden

Ein Dorf, das es vielleicht nie gegeben hat - oder wurde es nur von der Außenwelt vergessen, mit ein bisschen Nachhelfen seiner Bewohner, und ist wieder hinter seinem schützenden Schilfversteck verschwunden?
Ein Sommer, der heiß und drückend ist wie jeder andere, aber doch ein ganz besonderer Sommer, in dem plötzlich Bewegung in das Dorfleben kommt, nächtliche Ausflüge unternommen werden, Alte wieder jung werden, und geheimnisvolle Ziegen, die eigentlich Lamas sind, leuchten. In dem alte Geschichten erzählt werden, die nie passiert sind, oder vielleicht doch? Denn wenn sie ausgedacht, erinnert und erzählt werden, sind sie auch Wirklichkeit?

Johanna Sebauer ist mit ihrem Debütroman ein wunderbar skurriles Portrait eines Dorfes im Burgenland, am hintersten Zipfel Österreichs gelungen, zwischen Legenden und Dokumentarfilmerinnenblick.
Nincshof ist voller sympathischer, einprägsamer Figuren, die in diesem heißen Sommer alle ein kleines bisschen deppert werden, sich in wilde Ideen verrennen, die aber doch - zumindest im Hinterkopf, als nostalgisches, Idylle suchendes Stimmchen - auch sehr nachvollziehbar sind: das Nicht-Mitmachen am Weltgeschehen, am Immer-Neuen, am Schneller-Mehr-und-Weiter, und die Freiheit, die damit gewonnen wird.

Nincshof ist eine kleine, sommerliche Alltagsflucht, ins einfache, vermeintlich unaufgeregte Leben. Eine amüsante, aber auch zum Nachdenken anregende Lektüre, mit viel spürbarer, nachsichtiger Liebe zum Land, seinen Leuten, Traditionen und Eigenheiten erzählt, und eine Freude zu lesen!

Bewertung vom 09.07.2023
Die Gesellschaft der geheimen Tiere Bd.1
Gamble, Luke

Die Gesellschaft der geheimen Tiere Bd.1


ausgezeichnet

Fast perfekto
4,5 Sterne
Rezension geschrieben von einer 11-jährigen Leserin:

Ich mag die Hauptfigur Edie, weil sie Tiere mag und weil sie keine eingebildete Tussi ist, die denkt "Iiihh, jede Menge Wildtiere, die haben bestimmt Tollwut und so!"

Die Handlung ist wirklich spannend und überraschend, man weiß nie was als nächstes passiert und wie es die Charaktere doch noch schaffen, die Tiere (Yetis und Bharals) zu retten.

Die Geschichte ist sehr gut geschrieben, weil man sich alles gut vorstellen kann, sowohl das Waldhaus von Ediths Onkel als auch die Schauplätze im Himalaya. Im Umschlag gibt es auch Karten von beiden Orten.

Ich mag nicht, dass auf dem Cover keine Yetis abgebildet sind, sondern ein Phönix, aber in der Geschichte gar kein Phönix vorkam. Vielleicht ja dann im nächsten Teil, den ich auf jeden Fall wieder sehr gerne lesen würde!
Dass Edith jetzt ihren Onkel und die spannenden Abenteuer hat, die sie in den Ferien erleben kann, um allen möglichen fantastischen Tieren zu helfen, lässt sie die Zeit in ihrer strengen Schule bestimmt besser überstehen.