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TK

Bewertungen

Insgesamt 104 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


ausgezeichnet

Liebeserklärung und Abschied

Ein letztes Mal gemeinsamer Urlaub auf Sylt, wie in langen Jahren der Kindheit, mit Oma Lore und Opa Ludwig, Omma und Oppa.

Das Buch hat ein großartiges Coverbild von Jessine Hein: der idyllische Sonnenuntergang, und dann der Strandkorb in Flammen - wirklich sehr ausdrucksstark und symbolisch für die Gefühle, mit denen Protagonist Max seine alternden Großeltern, und damit auch sich selbst, erlebt.
Die eigenen Großeltern altern sehen, wenn man selbst erwachsen ist, ist ein ganz eigenes Gefühl. Zum einen, weil man in dieser Beziehung selbst immer jung und Kind bleibt, während die Großeltern gefühlt schon immer alt gewesen sind. Zum anderen, weil immer mehr das Bewusstsein von Endlichkeit, Abschied und letzten Malen mitschwingt.

Max Richard Leßmann hat das Gefühl Familie sehr berührend erfasst, melancholisch und humorvoll, gleichzeitig sehr persönlich und sehr universell.
In der Gegenwart klingt immer auch die Vergangenheit an, diese typischen Geschichten, die jede Familie hat, die geflügelten Worte, die irgendwann entstanden sind und sich durch die Zeit ziehen, die Familienmitglieder, die durch Geschichten und Erinnerungen immer alle irgendwie mit anwesend sind, auch wenn sie nicht da sind, oder gar nicht mehr da sind.
Die Vertrautheit zwischen Enkel und Großeltern ist auf allen Seiten spürbar, die tiefe Liebe und Zuneigung, die in manchen Momenten etwas ganz anderes ist, als das, was man in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt als Liebe oder auch nur Mögen bezeichnen würde.
Die Merkwürdigkeiten und Sonderbarkeiten, die die Jungen in den Alten genauso sehen wie die Alten in den Jungen, führen nicht zu Konflikten, wie sie das zwischen Eltern und Kindern tun würden, sondern werden im Überspringen der Generation mit liebevoller Nachsicht oder hier Oma Lores strenger Fürsorglichkeit hingenommen.
Während man die Familiengeschichte von Max liest, hat man immer auch die eigene Familie vor Augen, mit ihren ganz eigenen Persönlichkeiten, Eigenheiten und Erinnerungen.

Auf den vergleichbar wenigen Seiten des Buches überrollen sehr viele Emotionen die/den Lesende*n, wie die Wellen der Nordsee, mal still und fast sanft, dann wieder mit der enormen Wucht eines Sturms.
Eine traurig-schöne, fein beobachtete und charakterisierte Geschichte, nach der ich jetzt meine eigene Oma anrufen werde.

Bewertung vom 23.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


sehr gut

Normalitätssimulation

"Schönwald" wird vom Verlag mit den Worten"Endlich der große deutsche Gesellschaftsroman, den wir schon so lange lesen wollten." angekündigt. Ich weiß nicht, wer diese literarische Bestellung für alle geäußert hat, und ob Philipp Oehmkes Romandebüt diesen Wunsch erfüllen kann, wird sich wohl erst mit der Zeit sagen lassen.
Diese deutsche Gesellschaft der Gegenwart, in der Boomer, Gen-X und Millenials mit all ihren unterschiedlichen generationellen Konditionierungen aufeinandertreffen, ist jedenfalls anscheinend von kaputten Menschen, dysfunktionalen Beziehungen, Lebenslügen und random englischen Wörtern in der Sprache geprägt, was durchaus nicht abwegig, weit hergeholt oder unrealistisch ist. Nur ist es eben auch eher ernüchternd und deprimierend zu lesen, von "lesen wollen" kann dann nicht mehr unbedingt die Rede sein; wegschauen, wie dieses schöne Lebensbild der Familie Schönwald in sich zusammenbricht, kann man allerdings auch nicht.

"Wir sind, was wir uns selbst über uns erzählen." Nach Tolstoi gleichen alle glücklichen Familien einander, und jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich - was also, wenn man, wie Ruth Schönwald, noch nie im Leben den Gedanken zugelassen hat, die eigene Familie könnte eine unglückliche sein?
Wenn gerade der Versuch, "sich mit Weggucken, Nichtwissenwollen, Halbwahrheiten oder geschönten Versionen durchs Leben zu hangeln", dazu führt, dass das unvermeidliche Unglück des Lebens nicht etwa verschwindet, sondern nur unter der Oberfläche vor sich hin schwelt.
Wie dies dann ausbricht, wie alles Ungesagte gesagt, alles Ungesehene gesehen und alles Ungefühlte gefühlt werden muss, beschreibt Oehmke für alle seine faszinierenden Figuren absolut scharf beobachtet und präzise charakterisiert.

Ein gedanklich sehr anregender, beschäftigender Roman über Selbstbilder und Selbstdarstellung, wie wir andere sehen bzw. es möchten, und wie wir von anderen gesehen werden (wollen).

Bewertung vom 19.07.2023
Luftmaschentage
Becker, Anne

Luftmaschentage


sehr gut

Von Häkelnadeln, Tiefseekraken und echter Freundschaft

Anne Beckers "Luftmaschentage" ist ein wunderbar einfühlsam geschriebenes Kinderbuch an der Schwelle zum Jugendbuch, das auch auf Erwachsene ganz schön emotional Eindruck macht. Hinter dem bunten Cover, dass eher an ein Bilderbuch oder Vorlesebuch für jüngere Kinder erinnert, steckt eine wirklich starke, berührende Geschichte,
Es ist vor allem eine Geschichte über Freundschaft, aber auch eine Geschichte über Familie, soziale Ungleichheit, und die kleinen und großen Schwierigkeiten des jugendlichen Schulalltags, einschließlich Mobbing und erstem Verliebtsein.

Die Protagonistinnen Mats und Ricci sind zwei Mädchen, die nicht viel gemeinsam haben, außer dass sie beide von ihrer Umgebung als irgendwie seltsam und unangepasst empfunden werden, die sich aber gegenseitig in ihren Eigenheiten wenn nicht immer verstehen, so doch wenigstens akzeptieren und vor allem mögen.
Anne Becker ist ein sehr behutsamer Umgang damit gelungen, dass nicht alle Kinder aus einem glücklichen Zuhause kommen, oder, aus den verschiedensten Gründen, nicht einmal einen Ort haben, den sie Zuhause nennen würden.

Besonders beeindruckt war ich von der Beschreibung des Innenlebens der Charaktere, die riesige Krake Madame Schüchtern, die Mats daran hindert, mit den meisten Menschen zu sprechen, und die selbst in ihren Handlungen großartig unterhaltsam charakterisiert wird. Dieses innere Tier, das unser Verhalten auf eine Weise steuert, die wir selbst gar nicht so leicht beeinflussen können und die uns vielleicht sogar mit unseren Mitmenschen in Schwierigkeiten und Konflikte bringt, ist ein wirklich anschauliches Bild, und hat in unserer Familie zu einem sehr aufschlussreichen Gespräch geführt, welche Lebewesen denn in unseren Bäuchen auf ihrem gemütlichen Sofa rumlungern und wie es ihnen passt dazwischenfunken könnten.

Die zwei parallel laufenden, versetzten Erzähl- und Zeitstränge, vor und nach dem Streit von Mats und Ricci, erhalten die Spannung aufrecht und zeigen die emotionalen Auswirkungen der Freundschaft einerseits und des Konfliktes andererseits. Für mich als erwachsene Leserin fand ich diese Erzähltechnik sehr gelungen, ob sie den Lesegewohnheiten und -erfahrungen von Kindern entspricht, bin ich mir allerdings nicht ganz sicher; meine zwei Töchter (gerade 11 und fast 13) waren davon jedenfalls eher verwirrt.

Die Geschichte an sich hat uns sehr gut gefallen, wegen der sehr spannenden Handlung, den toll geschriebenen Charakteren (auch Nebenfiguren sind wirklich super und mehrdimensional charakterisiert) und dem Schreibstil, der gleichzeitig emotional sehr nachvollziehbar, berührend und doch auch zwischendurch immer wieder sehr lustig ist.
Eine große Empfehlung, denn es ist wirklich toll, wie viele wichtige Themen und Gedanken in diesem recht kurzen Buch stecken!

Bewertung vom 17.07.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Emotional sehr starkes Debüt

Tildas Leben gleicht einem durchgetakteten Schlachtplan, sie funktioniert für sich, aber vor allem für ihre kleine Schwester, die sie mit der alkoholkranken Mutter nicht alleine lassen kann, weshalb sie selbst für alles die Pause-Taste gedrückt hat. Ihre 22 Bahnen Schwimmen und die paar ruhigen Minuten am Abend, bevor alles wieder von vorne losgeht, sind ihre einzige wirklich eigene Zeit, in der sie einmal nicht kämpfen muss.

Caroline Wahl ist in ihrem Debütroman vor allem eine unglaublich starke Charakterisierung ihrer Figuren gelungen, man fühlt mit Tilda mit, die für ihr Leben eigentlich ganz andere Pläne hatte, aber für die es selbstverständlich ist, ihre Schwester stark zu machen für "den Krieg da draußen", aber auch im eigenen Zuhause - oder noch besser, ihre Lebensumstände so zu gestalten, dass man vielleicht nicht immer Kämpferin sein muss. Die Beziehung der beiden Schwestern und ihr Umgang miteinander war wirklich wunderschön zu verfolgen.

Mich persönlich haben nur die laufenden Verweise auf ganz konkrete Gegenstände (Eigenmarken von Supermarktketten, YA-Film-Franchises, Einkaufskorbhersteller, Literaturlisten des Mathematikstudiums) sehr irritiert. Sicher beschreiben solche Dinge zum Beispiel ein bestimmtes Milieu, aber mich hat jede Erwähnung ein bisschen aus der Emotion des Geschehens geworfen, was ich sehr schade fand.

"22 Bahnen" ist bei aller Tragik der Handlung und der Situation ihrer Figuren eine überraschend hoffnungsvolle Geschichte, in Idas Entwicklung und darin, dass Tilda über die Gegenwart hinaus in die Zukunft blicken kann.

Bewertung vom 13.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


ausgezeichnet

Die Freiheit im Vergessenwerden

Ein Dorf, das es vielleicht nie gegeben hat - oder wurde es nur von der Außenwelt vergessen, mit ein bisschen Nachhelfen seiner Bewohner, und ist wieder hinter seinem schützenden Schilfversteck verschwunden?
Ein Sommer, der heiß und drückend ist wie jeder andere, aber doch ein ganz besonderer Sommer, in dem plötzlich Bewegung in das Dorfleben kommt, nächtliche Ausflüge unternommen werden, Alte wieder jung werden, und geheimnisvolle Ziegen, die eigentlich Lamas sind, leuchten. In dem alte Geschichten erzählt werden, die nie passiert sind, oder vielleicht doch? Denn wenn sie ausgedacht, erinnert und erzählt werden, sind sie auch Wirklichkeit?

Johanna Sebauer ist mit ihrem Debütroman ein wunderbar skurriles Portrait eines Dorfes im Burgenland, am hintersten Zipfel Österreichs gelungen, zwischen Legenden und Dokumentarfilmerinnenblick.
Nincshof ist voller sympathischer, einprägsamer Figuren, die in diesem heißen Sommer alle ein kleines bisschen deppert werden, sich in wilde Ideen verrennen, die aber doch - zumindest im Hinterkopf, als nostalgisches, Idylle suchendes Stimmchen - auch sehr nachvollziehbar sind: das Nicht-Mitmachen am Weltgeschehen, am Immer-Neuen, am Schneller-Mehr-und-Weiter, und die Freiheit, die damit gewonnen wird.

Nincshof ist eine kleine, sommerliche Alltagsflucht, ins einfache, vermeintlich unaufgeregte Leben. Eine amüsante, aber auch zum Nachdenken anregende Lektüre, mit viel spürbarer, nachsichtiger Liebe zum Land, seinen Leuten, Traditionen und Eigenheiten erzählt, und eine Freude zu lesen!

Bewertung vom 09.07.2023
Die Gesellschaft der geheimen Tiere Bd.1
Gamble, Luke

Die Gesellschaft der geheimen Tiere Bd.1


ausgezeichnet

Fast perfekto
4,5 Sterne
Rezension geschrieben von einer 11-jährigen Leserin:

Ich mag die Hauptfigur Edie, weil sie Tiere mag und weil sie keine eingebildete Tussi ist, die denkt "Iiihh, jede Menge Wildtiere, die haben bestimmt Tollwut und so!"

Die Handlung ist wirklich spannend und überraschend, man weiß nie was als nächstes passiert und wie es die Charaktere doch noch schaffen, die Tiere (Yetis und Bharals) zu retten.

Die Geschichte ist sehr gut geschrieben, weil man sich alles gut vorstellen kann, sowohl das Waldhaus von Ediths Onkel als auch die Schauplätze im Himalaya. Im Umschlag gibt es auch Karten von beiden Orten.

Ich mag nicht, dass auf dem Cover keine Yetis abgebildet sind, sondern ein Phönix, aber in der Geschichte gar kein Phönix vorkam. Vielleicht ja dann im nächsten Teil, den ich auf jeden Fall wieder sehr gerne lesen würde!
Dass Edith jetzt ihren Onkel und die spannenden Abenteuer hat, die sie in den Ferien erleben kann, um allen möglichen fantastischen Tieren zu helfen, lässt sie die Zeit in ihrer strengen Schule bestimmt besser überstehen.

Bewertung vom 18.06.2023
Bergleuchten
Seemayer, Karin

Bergleuchten


sehr gut

Menschliche Geschichten vor einem gigantischen Bauwerk

"Bergleuchten" erzählt eine Geschichte vom Bau des Gotthardtunnels.
Diese Zeit des Aufbruchs, die Schwierigkeit, die Dauer und die Gefahr dieses gigantischen Unterfangens sind wirklich sehr eindrücklich eingefangen.
Auch die verschiedenen Leben, die durch dieses Bauwerk berührt und verändert wurden, sind sehr empathisch nachempfunden. Die Alteingesessenen, deren ruhiges, abgelegenes Bergdorf plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerät, die sich dem unvermeidbaren Fortschritt gegenüber sehen, der ihre gesamte Welt verändern wird. Die Fuhrbetriebe, die mit dem Bau des Tunnels und der Eisenbahn zwar ihre Existenz bedroht sehen, aber für die Dauer der Bauzeit auch am ungeheuren Materialbedarf der Baustelle und der Arbeiter verdienen können. Die Italiener, die als Arbeitskräfte zu Hunderten in den Berg kommen, ausgebeutet werden, Gefahren und Feindseligkeiten ausgesetzt sind, und sich trotz allem mit dem Erfolg dieses Jahrhundertbauwerks tief verbunden fühlen. Und die jüngere Generation des Dorfes, vor der sich ganz neue Erfahrungen und Möglichkeiten eröffnen.
Überhaupt sind Karin Seemayer sehr einprägsame Figuren gelungen, allen voran Helene und ihre Freundin Paula, die vor den Traditionen und Erwartungen an eine junge Frau ihre Lebenswege selbst bestimmen wollen.

Die von Sophie Hutter gesprochene Hörbuchversion ist durch deren Schweizer Akzent sehr authentisch und stimmungsvoll. Stimmlich kann sie sich auf die unterschiedlichen Charaktere sehr gut einstellen, man nimmt ihr sowohl die lebensfrohen jungen Italiener als auch die zum Teil grimmigen älteren Bewohner des Bergdorfes ab, und für die starken jungen Frauenfiguren ist ihre Stimme ideal geeignet. Ohne das Buch zum Vergleich gelesen zu haben, würde ich behaupten, dass die Ereignisse beim Hören eindeutig mehr zum Leben erweckt werden.

Eine fesselnde Geschichte vor einem spannenden, gut recherchierten historischen Hintergrund, mit kleineren erzählerischen und stilistischen Schwächen, aber insgesamt sehr zu empfehlen - besonders als Hörbuch, welches die Geschichte noch etwas näher und stärker erleben lässt!

Bewertung vom 10.06.2023
Erdmittelpunkt: Betreten auf eigene Gefahr! / Im Bann der Elemente Bd. 1
Herzog, Anna

Erdmittelpunkt: Betreten auf eigene Gefahr! / Im Bann der Elemente Bd. 1


ausgezeichnet

Nur ein gaaaaanz kleines bisschen die Welt retten...

Einladungen von sprechenden Duschen und merkwürdigen Mädchen muss man folgen, und so stolpern Jacob, seine Freunde und seine Schwester in ein großartiges Abenteuer unter der Erde, um nur mal eben ein kleines bisschen (wirklich nur ein klitzekleines, und die Katastrophe ist auch nur winzig klein!) die Welt zu retten. Ach ja, und Jacob ist übrigens ein Elementarwesen, ein Erdwesen um genau zu sein, nur so nebenbei...

Anna Herzog erzählt wirklich kreativ, witzig und sehr unterhaltsam, und ist dabei sprachlich und stilistisch immer sehr nah an der Zielgruppe.
Der Handlungsablauf ist spannend und rasant gestaltet, ein aufregendes Ereignis jagt das nächste durch eine fantastische Welt aus toll beschriebenen Orten, an denen man den unterschiedlichsten Wesen begegnet. (Achtung, einige der Wesen lispeln oder haben sonstige Sprachbesonderheiten; als sichere Leser hat uns das nicht gestört, sondern trägt zur Charakterisierung bei, je nach Lesestand könnte es allerdings für einige Kinder Probleme bereiten.)
Es ist eine Freude, Jacob, Taio, Lili und Putte zu begleiten, denn ihre Freundschaft und ihr Zusammenhalt, bei dem die Stärken und Schwächen der Einzelnen in der Gruppe gemeinsam funktionieren, um die Abenteuer zu bestehen, sind toll beschrieben.

Das Buchcover ist für meinen Geschmack ein bisschen überladen, die gelblichen abstrahierten Kreaturen und die Schriftart des Titels sind mir zusammen etwas zu viel des Guten. Ansonsten würden die wirklich sehr schönen, blau glänzenden Flächen und die Illustration der Figuren viel besser zu Geltung kommen.
Die Illustrationen innerhalb der Geschichte sind sehr gut getroffen, wobei durch die detaillierte Beschreibung der Szenen und Schauplätze beim Lesen schon sehr starke Bilder im Kopf entstehen, die direkt ins Geschehen versetzen.

Ein wirklich gelungener, starker Beginn einer neuen Kinderbuchreihe. Die Charaktere möchte man sehr gerne noch auf weiteren Abenteuern begleiten, und die Welt der Elemente hält ganz sicher noch weitere Geheimnisse und Überraschungen bereit!

Bewertung vom 08.06.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


ausgezeichnet

Wieder großartig erzählt

Sandra Lüpkes konnte mich schon in "Die Schule am Meer" (die in ihrer Anfangszeit auch in diesem Roman mit einigen Handlungsfäden verknüpft ist) mit ihrem Erzählstil begeistern.
"Das Licht im Rücken" verbindet wieder die Geschichte eines Ortes, hier Wetzlar, einer Institution, hier die Firma Leitz, mit den verschiedenen Lebensgeschichten von realen und fiktionalen Figuren, die mit der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts vom ersten Weltkrieg über die Weimarer Republik bis zum Ende des Dritten Reiches verwoben werden. Diese Reichweite des Handlungsspielraumes, über mehrere Jahrzehnte hinweg und aus verschiedenen persönlichen Perspektiven, schafft eine unglaublich immersive Romanwelt.
Der zusätzliche Aspekt der Technikgeschichte, wie die Fotografie für Privatpersonen praktikabel und erschwinglich und damit massentauglich wurde, das Privatleben auf ganz neue Art festhalten konnte, und, in der Hand von Journalisten, ihrerseits den Verlauf der Weltgeschichte beeinflusst hat, hat mich sehr interessiert.

Die Figuren sind alle so stark charakterisiert, dass man trotz ihrer Vielzahl nicht den Überblick verliert, mit allen mitfühlen und ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Beweggründe nachvollziehen kann. Besonders die historischen Persönlichkeiten Ernst Leitz II. und Elsie Kühn-Leitz haben mich in ihren Überzeugungen und Taten tief beeindruckt. Zum Ende des Buches, auch wenn die Handlung für die Charaktere abgeschlossen ist, wäre ich doch gerne all ihren Geschichten noch weiter gefolgt.

Absolut lesenswertes, historisch spannendes und persönlich bewegendes Bild einer Zeit und ihrer Menschen!

Bewertung vom 07.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


sehr gut

Verlieren, Suchen und Finden

"Im Traum lebte ich ein Leben mit dir. [...] Doch du nahmst immer mehr Raum ein in mir, auch am Tag."
Auf der Suche nach dem Mann, der ihr seit einer flüchtigen Begegnung nicht mehr aus dem Kopf geht, fährt Sophie, haltlos nach schweren Verlusten und dem Ende ihrer Ehe, nach Rügen, freundet sich mit ihrer älteren Vermieterin an, begegnet den verschiedensten Menschen...
Die Zusammenfassung der Geschichte könnte unter einem Titel wie "Das kleine rote Rohrdachhaus am Meer" fast an einen Cosy-Romance-Roman erinnern.
Doch Anne Barns erzählt Sophies Geschichte so ganz und gar unkitschig und reduziert, und doch gleichzeitig in einer unglaublich schönen Sprache, die eine wunderbar unwirkliche Atmosphäre zwischen Realität und Traum malt.

Das Cover, wenn auch für sich genommen sehr schön, gefällt mir in Bezug auf die Geschichte noch immer nicht so richtig. Nach der Lektüre kann ich den eingefangenen Moment zwar einordnen, aber emotional passt die Stimmung für mich nicht ganz.

Auf den wenigen Seiten des recht kurzen Buches entstehen in unaufregegt-ruhigen, feinen Beobachtungen nachvollziehbare Persönlichkeiten und spürbare Emotionen, vor der magisch wirkenden Kulisse und dem sich wandelnden Licht der Küste.
Die Sehnsucht nach geliebten Menschen und Freunden, nach Orten und einem (emotionalen) Zuhause zieht sich durch alles, und die Beschreibung "traurigfroh", die Sophie zuteil wird, passt auch für die Geschichte selbst, zwischen Melancholie und Hoffnung, zwischen (Sich-)Verlieren, Suchen und Finden.

Ein trauriges, aber nicht bedrückendes Buch, und gleichzeitig ein sehr schönes, das ein Glücksgefühl zurücklässt. Und das Bild der wunderbaren Marlene mit ihrem verträumten Haus, mit Blick auf den Apfelbaum mit den leuchtenden Glaswindlichtern, und dahinter das Meer und der Himmel...

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