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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 180 Bewertungen
Bewertung vom 18.05.2024
In den Augen meiner Mutter
Leevers, Jo

In den Augen meiner Mutter


ausgezeichnet

Dan und Georgie wurden als Kind von ihrer Mutter Nancy verlassen und wachsen mit dem Gefühl auf, sie wären nicht liebenswert und Schuld an ihrem Verschwinden. Als Georgie hochschwanger einen Hinweis auf den Verbleib von Nancy erhält macht sie sich spontan mit Dan zusammen auf die Suche. Diese Reise zwingt die Geschwister, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, mit Schuld und Scham und ihren unterschiedlichen Erinnerungen. Doch auch die Geschichte der vermeintlich lieblosen und unverantwortlichen Nancy wird in Rückblicken erzählt und es ist erschreckend zu erfahren, wie es zu ihrem Verschwinden kam.

In diesem Buch von Jo Leevers ist nichts so, wie es am Anfang zu sein scheint. Es ergeben sich viele interessante Wendungen und die Charaktere entwickeln sich im Laufe der Geschichte, so dass man sie mit ganz anderen Augen betrachtet. Viele interessante Themen werden angesprochen und immer wieder wird deutlich, wie wichtig es ist, ehrlich miteinander zu sein und das Gespräch zur Klärung zu suchen. Einige kleine Schwächen im Bereich unrealistische Zufälle seien verziehen, insgesamt bietet dieser Roman sehr gute Unterhaltung. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und die Story hat mich so gefesselt, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Da im Fokus die Geschichten von Georgie und Nancy stehen, würde ich dieses Buch vor allem Frauen mit einem Faible für Familiengeschichten empfehlen.

Bewertung vom 14.05.2024
So bist du - Wähle das, was zu dir passt
Hart, Marisa

So bist du - Wähle das, was zu dir passt


ausgezeichnet

Hier gibt es viel zu entdecken und mitzumachen, was besonders die Kleinen so alles beschäftigt. Egal ob es um Spielzeug, Luftballons, Ausflüge, Getränke oder Essen geht: auf jeder Seite kann das Kind auswählen, welches der eigene Favorit ist. Aber es geht nicht nur um Sachentscheidungen, sondern es werden auch Gefühle, Freundschaften und Grimassen angesprochen. Dazu kommen sehr schöne Illustrationen von Tieren und einem Fantasiewesen mit lustigen Namen. Gut gefällt mir, dass vorne alle Figuren benannt werden und am Ende auf einer Seite die Dinge aufgelistet sind, für die sich die Tiere selber entschieden haben.
Der Sinn ist, spielerisch zu erkennen, dass jedes Kind andere Vorlieben hat, anders aussieht und unterschiedliche Gefühle haben kann. Und dabei gibt es kein richtig und falsch sondern alles ist möglich, Vielfalt ist normal und gewünscht. Ein frühes Lernen von Toleranz in unserer Gesellschaft.
Das Buch hat ein angenehmes Format, es gibt Platz genug für schöne Bilder auf der einen Seite und den Text auf der gegenüberliegenden Seite. Die Seiten sind stabil und halten einiges aus, was für die Kleinen immer sinnvoll ist.
Einziger Kritikpunkt von mir ist das angegebene Alter, das ich zu jung finde für die vielen Interaktionsmöglichkeiten. Mein Enkelkind ist 2 Jahr alt und noch grenzwertig mit der Geduld für den längeren Text. Aber sie liebt die Figuren und die vielen bekannten Dinge, die es zu suchen und zeigen gibt.
"So bist du" ist auf jeden Fall eine Bereicherung für den Bücherschrank im Kinderzimmer.

Bewertung vom 14.05.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


sehr gut

Drei Schicksale vereinen sich auf einem alten Bauernhof in der Lüneburger Heide in einem heißen Sommer zwischen dem Licht der Birken. Dort wohnt Benno, versorgt gerettete Tiere, begegnet Menschen sehr unwirsch und steht kurz vor dem Ruin. Er vermietet eine Wohnung an Thea, die aus Portugal mit zwei Ziegen zurück in ihre Heimat zieht um Frieden mit sich und ihrer Vergangenheit zu schließen. Die beiden nehmen die junge Juli auf, die verletzt im Wald unterwegs ist und sich eigentlich bei einer langen Wanderung von ihrer Mutter lösen möchte.
Es ist kurzweilig zu lesen, wie die drei Charaktere sich langsam entwickeln. Benno muss lernen, sich nicht allen Menschen gegenüber zu verschließen und erkennen, dass es ohne Hilfe nicht gelingen wird, den Hof und seine geliebten Tiere zu retten. Der alte Grantler eckt immer wieder an, muss aber feststellen, dass seine ersehnte Ruhe ihn auch einsam gemacht hat.
Thea dagegen hat ein überschäumendes Temperament, sie verströmt mit ihrem südländischen Flair viel Energie und manchmal auch Chaos. Die Geschichten aus der Vergangenheit lassen sie nicht los und quälen sie, mit Bennos Wesen prallen geradezu Welten aufeinander.
Juli als Jüngste wirkt dagegen häufig wie eine Vermittlerin der beiden, sie ist oft die Vernünftige und Abgeklärteste.
Alle von ihnen brauchen Hilfe und tun sich schwer damit, sie von anderen Menschen anzunehmen. Gemeinsam eine Stärke zu entwickeln und auch die eigenen Schwächen und Ängste zuzulassen ist eine der Kernaussagen in diesem Buch.
Leider wirken mir einige Stellen ein bisschen klischeehaft, im Großen und Ganzen ist der Inhalt der Geschichte sehr vorhersehbar. Dieses Buch von Romy Fölck kommt bei Weitem nicht an "Die Rückkehr der Kraniche" heran, ist aber unterhaltsam und besticht außerdem in seinen Beschreibungen durch eine große Liebe zur Natur und der Tierwelt.

Bewertung vom 01.05.2024
Bonjour Agneta / Neuanfang auf Französisch Bd.1
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta / Neuanfang auf Französisch Bd.1


ausgezeichnet

Agneta ist 49, Mutter zweier erwachsener Kinder und Ehefrau von Magnus, der in der Beziehung das Sport- und Ernährungsprogramm vorgibt. Als ihr das zu viel wird bewirbt sie sich auf eine Zeitungsannonce, die sie in ein kleines Städtchen in der Provence und zu einer große Herausforderung führt.
Mit viel Humor beschreibt Emma Hamberg eine völlig durchschnittliche Frau, die immer ihren Pflichten nachgekommen ist, sich um die Familie gekümmert hat, in ihrem Beruf fleißig war und dabei immer unsichtbarer geworden ist. Ihr heimliches Aufbegehren gegen Magnus Fitnesswahn ist herrlich zu lesen, das versteckte Toastbrot, die ungesunde Marmelade, die Flasche Rotwein unter dem Bett. Der Mut, die Auszeit in der Provence zu machen und Haus, Mann und Kinder einmal hinter sich zu lassen, überrascht Agneta selber am meisten. Es ist faszinierend zu lesen, wie diese angepasste und unsichere Frau ihre Komfortzone verlässt. Am liebsten möchte man sie packen und sagen: Kopf hoch, du schaffst das schon, du hast ein bisschen Freiheit und Glück und Unabhängigkeit verdient. Wunderbar versteht es die Autorin zu beschreiben, wieviel Lebensfreude ein schönes Essen, ein Besuch auf einem französischen Markt und ein gutes Glas Wein bedeuten kann. Überhaupt sind die Beschreibungen der Franzosen im Gegensatz zu den Schweden sehr unterhaltsam, was dieses Buch zu einem wunderbaren Urlaubsroman macht.
Doch gibt es auch einen Teil der Geschichte, der nachdenklich stimmt. Themen wie Vorurteile gegen Homosexuelle und der Umgang mit Dementen und älteren Menschen sind überall aktuell. Und natürlich das Selbstwertgefühl von Frauen, der Sinn des beständige Streben nach einem schlankeren und fitteren Körper.
Zu lesen, wie Agneta sich langsam verändert, sich selber wahrnimmt, aus sich heraus geht und neue Freunde kennen lernt, ist witzig und unterhaltsam. Dieses Buch kann ich jedem empfehlen, der in einer belastenden und unruhigen Zeit eine ungeheuer humorvolle und charmante Geschichte lesen möchte, die einfach gute Laune macht und trotzdem einen nachdenklichen Kern hat.

Bewertung vom 01.05.2024
Die Halbwertszeit von Glück
Pelt, Louise

Die Halbwertszeit von Glück


ausgezeichnet

Es sind drei Frauen, deren Schicksal Louise Pelt erzählt und dabei geschickt verschiedene Zeiten und Schauplätze miteinander verknüpft.
Die Geschichte von Johanna spielt in der DDR und beginnt 1987, als sie eine junge Frau im Wald findet, die sich auf der Flucht vor den Grenzern befindet. Die unnahbare und unfreundliche Johanna wächst einem langsam immer mehr ans Herz, je mehr man von ihrer Vergangenheit und Lebensgeschichte erfährt.
Die junge Holly versucht sich 2003 in Los Angeles ein Leben als Drehbuchautorin aufzubauen, wird jedoch durch ein tragisches Unglück jäh aus der Bahn geworfen. Es ist ergreifend zu verfolgen, wie sie sich, geplagt von Schuldgefühlen, in eine schwierige Situation bringt.
Als Drittes geht es um Mylène, die 2019 in Paris lebt und kurz vor der Hochzeit ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit erfährt, das ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Auf der Suche nach ihren Wurzeln begibt sie sich auf eine Reise , die das Schicksal der drei Frauen schließlich miteinander verknüpft.
In diesem Roman geht es um das Streben nach Glück, um Liebe, Vertrauen und Schicksal. Durch den Wechsel zwischen den Geschichten und verschiedenen Schauplätzen ist es ein sehr unterhaltsames und abwechslungsreiches Buch, zudem bleibt die Verbindung zwischen den drei Protagonistinnen bis kurz vor Schluß spannend. Einen Stern Abzug gebe ich nur für einen Hauch zu viel Klischeehaftes an der einen oder anderen Stelle.
Eine Leseempfehlung für alle, die Frauenschicksale mögen.

Bewertung vom 25.04.2024
Unter dem Moor
Weber, Tanja

Unter dem Moor


ausgezeichnet

Es ist das Schicksal von drei Frauen, die zu verschiedenen Zeiten mit der Idylle des Haffs und der Moorlandschaft Bekanntschaft machen.
Die 14jährige Gine wird 1936 als billige Arbeitskraft von den Nazis ans Stettiner Haff geschickt und erlebt dort furchtbare Dinge. Als erwachsenen Frau stellt sie sich ihrer Vergangenheit und reist erneut dorthin in der Hoffnung, mit ihrem Trauma abzuschließen.
1979 lebt die junge Ehefrau und Mutter Sigrun in dieser Region und leidet unter dem Druck des DDR-Regimes.
Und als Dritte steht die junge Ärztin Nina kurz vor einem Burnout und beschließt, alleine mit ihrem Hund eine Auszeit in Mecklenburg-Vorpommern am Haff zu nehmen. zwischen Einsamkeit, Bedrohung und Faszination erlebt sie die Landschaft und die Menschen und wird mit Geschichten aus der Vergangenheit konfrontiert.

Geschickt versteht es Tanja Weber, die Geschichten der drei Frauen miteinander zu verweben und einen Bogen über die Moorlandschaft zu spannen von 1936 bis heute.
Alle drei Schicksale sind Beispiele ihrer Zeit und sehr berührend.
Als Leser*in leidet man mit Nina, die nach Corona trotz ihres jungen Alters und der Arbeit in ihrem Traumberuf ausgebrannt und desillusioniert ist. Zu gut haben wir noch die Bilder der Pandemie und ihrer verzweifelten Bekämpfung durch medizinisches Personal im Kopf.
Gine durch ihr Landjahr zu begleiten ist grausam und bedrückend, der Blick in der Zeit zurück in die Geschichte ist immer wieder entsetzlich und beschämend. Um so mehr tut es gut zu erfahren, wie ihr weiteres Leben verläuft.
Mit Sigrun erlebt man die Repressalien der DDR, den harten Alltag und den Wunsch, daraus auszubrechen. Auch dieser Teil der Geschichte des geteilten Deutschlands erlebt man durch die Augen einer jungen Frau, die sich nicht unterkriegen lässt, die ihre Familie liebt und versucht, das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Der Wechsel zwischen den verschiedenen Geschichten ist abwechslungsreich und erzeugt eine Spannung, die einen das Buch kaum aus der Hand legen lassen. Und über allem immer wieder das Moor und das Haff, die Weite der Landschaft, die Schönheit der Natur und die große Tierwelt, die die Autorin bildgewaltig und ausdrucksstark beschreibt.
Ein Roman, der Zeitgeschichte, einen Kriminalfall und menschliche Schicksale sehr unterhaltsam miteinander verbindet und den ich unbedingt empfehlen kann.

Bewertung vom 16.04.2024
Der Wind kennt meinen Namen
Allende, Isabel

Der Wind kennt meinen Namen


ausgezeichnet

Zwei Geschichten erzählt Isabel Allende, die von Flucht, Bedrohung, Leid, Einsamkeit und der Sehnsucht nach der Mutter handeln. Da ist zum Einen Samuel Adler, der 1938 mit 6 Jahren alleine aus Deutschland nach England geschickt wird, um der Judenverfolgung zu entgehen. Die zweite Geschichte handelt von der 7jährigen Anita Díaz, die 2019 aus El Salvador flieht und an der mexikanischen Grenze brutal von ihrer Mutter getrennt wird.
Beide Geschehnisse liegen rund 80 Jahre auseinander, trotzdem ist der Leidensweg dieser beiden Kinder ähnlich. Zu lesen, wie der kleine Samuel nach seiner Flucht zunächst einsam und lieblos aufwächst, ist genauso erschütternd wie das Schicksal der sehbehinderten Anita, die sich in ihrer Verzweiflung in eine eigene Zauberwelt flüchtet und mit ihrer toten Schwester spricht. Die Sehnsucht nach der Mutter, die Ungewissheit, die verzweifelte Hoffnung der beiden geht einem beim Lesen unheimlich zu Herzen.
Allende versteht es wieder meisterhaft, ein Stück Zeitgeschichte mit Politik und menschlichen Schicksalen so zu verknüpfen, dass ein mitreißender Roman entsteht, den man bis zum Ende kaum aus der Hand legen kann. Zwischen Nazi-Deutschland und Südamerika, England und den USA - die vielen Schauplätze und Charaktere werden von ihr geschickt miteinander verwoben und offenbaren, wie sich auch heute noch das Schicksal vieler Kinder wiederholt. Auch die Verzweiflung der Eltern, hier vor allem der beiden Mütter, die für ihre Kinder große Opfer bringen, ist sehr berührend. Trotzdem lässt einen dieser Roman nicht traurig zurück sondern stellt auch die Menschen in den Vordergrund, die sich unermüdlich um das Wohl anderer kümmern, sich engagieren und ein großes Herz haben.
Dieses Buch kann ich uneingeschränkt jedem empfehlen, da es eine spannende und berührenden Geschichte mit einem Appell zur Menschlichkeit verbindet und damit eine Botschaft aussendet, die jeden etwas angehen sollte.

Bewertung vom 12.04.2024
Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1
Nore, Aslak

Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1


ausgezeichnet

Familia Ante Omnia - Die Familie vor allem, das ist das Motto der Familie Falck, die aus zwei Teilen besteht: dem verarmten Zweig um Hans Falck, der in Bergen wohnt, und dem reichen Zweig um Olav Falck in Oslo. Als Olavs Mutter Vera stirbt entbrennt ein Streit um das verschwundene Testament, der nicht nur diese beiden Familien gegeneinander aufbringt. Auch Olavs Kinder beziehen unterschiedliche Positionen und versuchen, sich gegen den übermächtigen Vater durchzusetzen.

Dieser erste Teil der Trilogie von Aslak Nore ist eine spannende Mischung aus verschiedenen Genre. Da ist zunächst die Familiensaga rund um die Reeder-Dynastie Falck, die gespickt ist mit vielen Höhen und Tiefen, mit Neid, Missgunst, dem Snobismus der Reichen und Skrupellosigkeit. Dann gibt es einen großen Anteil an geschichtlichen Fakten, allen voran der historischen Schiffskatastrophe mit dem Untergang der DS Prinsesse Ragnhild 1940 und die deutsch-norwegischen Beziehungen im 2. Weltkrieg, aber auch der Krieg im Nahen Osten wird thematisiert. Die Suche nach der Wahrheit rund um das Testament und das Manuskript der Schriftstellerin Vera liest sich spannend wie ein Krimi, immer wieder werden die Verdächtigen neu gemischt und alles erscheint plötzlich in einem anderen Licht. Natürlich darf auch eine Liebesgeschichte nicht fehlen, die aber eher in die Kategorie Drama fällt. Dem Autor gelingt es so, eine sehr komplexe Geschichte unterhaltsam zu erzählen und dabei Fakten und Fiktion geschickt zu verknüpfen.

Die leichte Verwirrung am Anfang des Romans über die verschiedenen Erzählstränge und zahlreichen Personen weicht auch dank des abgedruckten Familienstammbaums der Familie Falck im Laufe des Buches einer Faszination über das Land Norwegen, die Hurtigruten- Schifffahrt und der komplexen Verkettung von Gegenwart und Vergangenheit.
Mit Bedauern habe ich festgestellt, dass der 2. Band erst im Mai 2025 erscheint. Ich bin gespannt ob es Nore gelingt, auch in den nächsten beiden Bänden die Spannung und die Komplexität der Geschichte so hoch zu halten wie in "Meeresfriedhof".

Bewertung vom 31.03.2024
Die Vermesserin der Worte
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


sehr gut

s war einmal eine junge Autorin mit Schreibblockade, die dringend Geld brauchte und eine alte Dame, die zunehmende Zeichen einer Demenz entwickelte und in ihrem großen Anwesen nicht mehr alleine zurecht kam. So geschah es, dass Ida als Haushälterin bei Ottilie einzog um sich um alles zu kümmern und dabei das Leben beider Frauen von Grund auf veränderte.
In diesem Roman von Katharina Seck geht es viel um Einsamkeit und um die Angst vor dem Vergessen. Und es ist nicht nur Ottilie, die auf Grund ihrer zunehmenden Demenz zurückgezogen und abgeschnitten von Freunden und Nachbarn lebt. Auch die junge Ida hat sich ganz abgekapselt, leidet unter Versagensängsten und der Ablehnung durch ihren Vater. Ihr einziger Freund und Postbote Theobald ist selber ein einsamer und unglücklicher Mensch, ihre Wohnung in der Großstadt anonym und ihr Rückzugsort, an dem sie ihre große Leidenschaft ausleben kann: das Lesen. Ihre Liebe zu Büchern verbindet sie auch als erstes mit Ottilie, der Herrin des papiernen Anwesens. Deren Geschichte zu erzählen, die von einer starken und unabhängigen Frau handelt, die in ihrem Leben viel jenseits der gängigen Erwartungen erlebt hat, lässt Ida selber zu einem völlig anderen Menschen werden.
Immer wieder geht es um die Kraft von Literatur und von Worten, aus vielen Sätzen spricht die absolute Liebe zu Büchern, zu alten und neuen. Doch darf man sich nicht ausschließlich dahinter verkriechen, sondern braucht auch den Kontakt zu Menschen. Die Autorin beschreibt, wie wichtig es ist zu verzeihen, aufeinander zu zu gehen und um Hilfe zu bitten. Zu Zeiten mit zunehmenden Demenz-Erkrankungen und einer erwarteten Überalterung der Gesellschaft ein wichtiges Fazit.
Natürlich sind auch ein paar Klischees enthalten und einige Wendungen sind recht vorhersehbar. Das tut aber dieser Wohlfühlgeschichte keinen Abbruch, die auf Grund ihrer Erzählweise für mich ein modernes Märchen darstellt.
Eine herzerwärmende Geschichte, ein Appell an mehr menschliches Miteinander und eine absolute Liebeserklärung an die Literatur: "Worte kann man nur in den Abertausenden Welten ermessen, die man mit ihnen erschafft." (S.176)

Bewertung vom 29.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


gut

Ein verschwundener Schreibwarenladen-Besitzer, eine seltsam unbeteiligte Ehefrau, ein etwas seltsamer Privatdetektiv und eine engagierte Oberkommissarin - Friedrich Ani hat in seinem Roman "Lichtjahre im Dunkel" mehrere unglückliche Charaktere aufeinander treffen lassen. Dieser Roman hätte ein Krimi sein können, wenn nicht statt einer Mordermittlungen die Menschen und ihre Lebensumstände im Fokus stehen würden.
Da ist zum einen Leo Ahorn, zutiefst unglücklicher Besitzer eines Geschäftes, das langsam aber sicher den Berg runter geht. Mit seiner Frau Viola verbindet ihn eine lieblose Ehe, in der sich beide wenig beachtet und frustriert fühlen. Leos Ausflüge in seine Stammkneipe Blaues Eck sind seine einzigen Lichtblicke im Leben, hier trinkt er - zum Leidwesen seiner Frau - mit anderen unglücklichen Gestalten. Diesen kommt eine wichtige Rolle zu, haben sie etwas mit Leos Verschwinden zu tun? Tabor Süden ermittelt, ein Privatdetektiv mit eigenen Methoden und der spröden Art im Umgang mit anderen Menschen. Zusammen mit Oberkommissarin Nasri, die sich mit seiner umkooperativen Frau und der Schar von Leos Bekannten auseinander setzen muss.
Friedrich Ani schreibt in seinem für ihn typischen Schreibstil, der ausgefallen und eher anspruchsvoll ist. Seine beschriebenen Charaktere sind durchaus interessant, ebenso wie das Wechselspiel um das Verschwinden von Leo Ahorn.
Aber diese Buch lässt mich extrem schwermütig zurück, fast ist es eine Erleichterung, diese beklemmenden Einblicke in das Leben der verschiedenen Personen hinter mir zu lassen. Es gibt tatsächlich wenige Momente in diesem Buch, die etwas Positives oder Zufriedenheit ausdrücken. Dieser depressive Grundton macht mir die Lektüre nach einem guten Start immer schwerer, ich konnte mich mit keinem der Charaktere identifizieren oder fand sie auch nur besonders sympathisch. Daher für eine interessante Story mit einem bedrückenden Tenor zwei Sterne Abzug von mir.