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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 157 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2023
Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
Ford, Olivia

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn


ausgezeichnet

Die reizende ältere Dame Jennifer Quinn beschließt mit 77 Jahren, etwas Aufregung in ihr beschauliches Leben mit Ehemann Bernard zu bringen und meldet sich zum TV-Backduell an. Ihre Sammlung besteht aus Rezepten, die in der Vergangenheit zu besonderen Episoden in ihrem Leben gehören. Und so erfahren die Leser*innen nach und nach Details aus dem Leben von Jennifer, von ihrer Liebe zu Bernard und dem großen Geheimnis, das sie seit 60 Jahren bewahrt hat und das sie immer noch quält.
Dieser Wohlfühlroman besticht schon durch sein schönes Cover, das einem das Wasser im Mund zusammen laufen lässt. Überhaupt ist es schon fast ein rauschendes Fest, über so viel Zucker und Naschwerk und Kuchen und Gaumenfreuden zu lesen in Zeiten, in denen Zucker immer mehr verpönt ist.
Es liest sich zutiefst emotional, wie Jennifer all ihre Liebe in ihre Backkunst legt und ihre Gefühle damit ausdrücken kann. Doch auch die Geschichte um ihr großes Geheimnis, die im Wechsel mit den aktuellen Geschehnissen erzählt wird, ist sehr ergreifend und zeigt ein trauriges Stück gesellschaftliche Zeitgeschichte.
Ein Roman, der Freude macht zu lesen und Lust auf eine große Backorgie. Der hoffen lässt, ebenfalls eine so tiefe Liebe wie die zwischen Jennifer und Bernard im fortgeschrittenen Alter erleben zu können. Und der einen glücklich und gut unterhalten zurück lässt - eine absolute Leseempfehlung für Frauen und Männer, junge und ältere Menschen.

Bewertung vom 15.11.2023
The Institution
Fields, Helen

The Institution


ausgezeichnet

Die Profilerin Dr. Connie Woolwine lässt sich mit ihrem Partner in einem Hochsicherheitsgefängnis für psychisch kranke Verbrecher als verdeckte Ermittler einschleusen. Doch in der Perry Institution herrschen andere Regeln, nicht nur die Gefangenen sind hochgradig gefährlich: auch die Ärzte und das gesamte Personal ist undurchschaubar. Wem kann Connie trauen und schafft sie es unter enormem Zeitdruck, den Fall zu lösen?

Mit der Perry Institution hat Helen Fields den perfekten Schauplatz für einen Thriller geliefert. Das unwirtliche Gefängnis ist alleine schon bedrohlich, die Gesellschaft von psychisch gestörten Serienkillern gefährlich und das aufziehende Gewitter bewirkt, dass Connie mittendrin von der Aussenwelt abgeschnitten wird. Und bei alle dem muss sie sich ihrer eigenen Vergangenheit stellen, als sie selber Patientin in einer psychiatrischen Klinik war. Leider kommt ihr Partner in der Geschichte ein bisschen zu kurz, was aber der Handlung geschuldet ist.

Die Charaktere sind einzigartig und interessant, als Leser*in weiß man bis zum Schluss nicht, wem man trauen darf und wem nicht. Die Spannung nimmt bis zum Ende immer mehr zu, man kann diesen Thriller kaum aus der Hand legen. Dabei lernt man auch durchaus ein paar Dinge über Therapien bei psychisch kranken Verbrechern. Die Ansätze von Dr. Woolwine lesen sich zunächst ungewöhnlich, lassen aber die knallharte Profilerin sehr menschlich erscheinen. Ihr Umgang mit Toten ist geprägt von sehr starkem Respekt und ihre Ratschläge für die Lebenden sind eher ausgefallen, machen sie aber zusätzlich für mich sympathisch. Eine interessante Frau, die für ihren Beruf brennt und ihn über ihr Privatleben stellt.

Eine unbedingte Leseempfehlung für alle Liebhaber von spannenden und rasanten Thrillern.

Bewertung vom 01.11.2023
Büchermenschen
Vernet, Stéphanie;de Cussac, Camille

Büchermenschen


sehr gut

Dieses Buch ist überaus kreativ gestaltet und macht nicht nur kleinen Bücherratten Spaß, sondern ist auch für Erwachsenen nicht uninteressant. Schon das Buchformat ist in seiner Größe ausgefallen, die Illustrationen erinnern an die Wimmelbücher für die Kleinen. Überraschend gleich das erste Aufschlagen, hier kann man eine Schweizer Bindung sehen und bekommt bereits erste Informationen über die Bücherherstellung. Den verschiedenen Berufen sind einzelne Kapitel gewidmet, die dann ausführlich erklärt und zum Teil mit Beispielen, Anekdoten und Statistiken unterlegt werden. Hier fällt auf, dass aufs Gendern verzichtet wird. Stattdessen werden manche Berufe als weibliche Form benannt, andere als männliche - übrigens überwiegt hier tatsächlich einmal die weibliche Form. Es gibt Doppelseiten mit viel Text und solche mit wenig Text, hier gefallen die schönen Illustrationen. Auch vor Fremdwörtern wird nicht halt gemacht, was ich trotz Kinderbuch gar nicht schlecht finde. Mit Wörtern wie Bestseller und Layout wachsen die Kinder heute auf, bei Wörtern wie Proofs oder Ligne claire sieht es da schon anders aus. Diese werden gut erklärt, das gefällt mir.

Einzige Kritikpunkte: die Schriftgröße wurde zum Teil sehr klein gewählt, was in meinen Augen bei dem Format des Buches nicht nötig gewesen wäre. Dazu kommt, dass ich mir nicht unbedingt sicher bin, ob es für Kinder ab 8 Jahren schon geeignet ist, aber das ist ja individuell sehr unterschiedlich. Toll ist dieses Buch sicher für Projekte in Schulen und für bereits interessierte Leseratten.

Bewertung vom 29.10.2023
Wie Sterben geht
Pflüger, Andreas

Wie Sterben geht


sehr gut

Nina Winter ist eigentlich Analystin beim BND, wird dank ihrer exzellenten Russischkenntnisse zur Geheimagentin ausgebildet. Sie soll einen russischen Spion in Russland führen, mitten in den 1980er Jahren in der Hochzeit des Kalten Krieges. Sie erlebt in Russland eine gefährliche, aber auch glückliche Zeit. Bei dem Versuch, den hochrangigen russischen Spion bei einem Agentenaustausch nach Deutschland zu holen, eskaliert die Situation.
Andreas Pflüger erzählt diesen rasanten Spionage-Thriller rückwärts, er beginnt mit dem Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke. Erst nach und nach erfährt man die ganze Geschichte, wie Nina Winter zu ihrer Arbeit als Geheimagentin kam und wie sie sich immer besser in ihre Situation einfindet. Ein spannendes Katz-und-Maus Spiel von Spionage und Gegenspionage, Bedrohung und Brutalität. Das Ganze findet statt vor historischen Fakten: es herrscht der Kalte Krieg, erst Breschnew, dann Andropov reagieren in Russland mit eiserner Hand, die Sowjetunion marschiert in Afghanistan ein und die Olympischen Spiele in Moskau werden boykottiert. Hier verbindet der Autor sehr geschickt Zeitgeschichte mit Fiktion.
Nina Winter macht eine starke Verwandlung durch, wird immer stärker von der unscheinbaren Analystin zur Vollblut-Agentin. Atemlos durchlebt man als Leser*in mit ihr Verfolgungsjagden, Überfälle, Boxkämpfe und bewundert ihre Kaltschnäuzigkeit.
Ein Agententhriller voller Action, der mir beim Lesen einiges an Konzentration abverlangt hat. Die vielen Begriffe und Abkürzungen halten ganz schön auf Trab, die eingestreuten russischen Begriffen machen den Hintergrund zudem gefühlt authentisch.
Einen Stern Abzug gebe ich dafür, dass die Verwandlung von Nina Winter mich manchmal ein bisschen zu sehr an James Bond erinnert hat und für einen Switch am Ende, der hier nicht verraten werden soll.
Eine absolute Empfehlung für Freunde des anspruchsvollen Agenten-Thrillers vor historischen Fakten.

Bewertung vom 29.10.2023
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


sehr gut

Agnete führt ein zufriedenes Leben mit ihrer Tochter und ihrem zweiten Ehemann. Doch als ihr plötzlich die Haare ausfallen und ihr Mann sich auf längere Geschäftsreise begibt beginnt sie, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und muss sich eingestehen, dass dort vieles schief gelaufen ist.
Diese Selbstanalyse verlangt Agnete viel ab, führt sie zurück in ihre Studienzeit und in eine Beziehung, die ihr tiefen Schaden zugefügt hat. Die Beziehung zum Vater ihrer besten Freundin ist extrem einseitig, sie zieht sie immer tiefer hinab in einen Strudel aus Abhängigkeit, Depressionen, Selbstverletzungen und einer Essstörung.
"Mich selbst will ich kontrollieren, nicht andere" (S.73), der Versuch, ihr Leben zu kontrollieren, beherrscht Agnetes Leben.
Hilde Rød-Larsen beschreibt Agnetes Selbstreflexion auf distanzierte, fast emotionslose Art und Weise. Ihr Schreibstil entfaltet eine gewisse Sogwirkung, als Leser*in fühlt man das Unglück der jungen Frau, ihren stillen Hilferuf nach Anerkennung und danach, überhaupt wahrgenommen zu werden.
Dieser Roman ist keine leichte Unterhaltung, fesselt aber durch seine leise Erzählweise einer bedrückenden Geschichte.
In der heutigen Zeit der #metoo-Debatte bekommt diese Geschichte einen sehr aktuellen Hintergrund. Tatsächlich habe ich mich gefragt, ob hier die Autorin ihre eigenen Erfahrungen verarbeitet hat, da es einige Parallelen zu ihrem Lebenslauf gibt.
Eine Empfehlung vor allem für Frauen, die einen ernsten und anspruchsvollen Roman zu schätzen wissen.

Bewertung vom 05.10.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


gut

Längst ist aus der Familie Kajzer der Name Kaiser geworden, als Menachem Kaiser sich auf die Suche nach der Vergangenheit macht. In Toronto geboren interessiert er sich zunächst nicht sehr für seine jüdische Vergangenheit, bis er nach Polen aufbricht, wo sein Großvater einst ein Mietshaus besessen hat. Nach der Enteignung durch die Nazis ist ein Versuch der Restitution immer wieder gescheitert, in seinem Buch "Kajzer" beschreibt nun der Enkel, wie er einen erneuten Anlauf dafür nimmt.
Sehr detailliert beschreibt Kaiser die Frustrationen, die Rückschläge, die netten und weniger netten Menschen, die er bei seiner Recherche und seinen Anträgen kennen lernt. Dabei erzählt er die Geschichte nicht chronologisch, was sie manchmal etwas unübersichtlich macht. Auch das Thema der Schatzsucher in Polen wird von ihm sehr vertieft, so ergibt sich ein weiterer Erzählstrang.
Dieses Sachbuch beschreibt ein Stück Zeitgeschichte, hier geht es um ein Familienerbe und um Erinnerungen, um Wiedergutmachung und Schatzsuche. War ich anfangs sehr interessiert an dieser Geschichte, fand ich sie im Verlauf ein wenig zu trocken und ermüdend.
Eine Leseempfehlung für alle Geschichtsinteressierten, deren Neugier über Tatsachenromane hinaus geht.

Bewertung vom 05.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Georg Wilhelm Papst, der berühmte österreichische Regisseur in Stummfilmzeiten, flieht zur Machtergreifung der Nazis mit Frau und Kind nach Hollywood. Doch dort ist er ein Niemand, kommt mit der amerikanischen Mentalität nicht klar und entscheidet sich schweren Herzens, in sein Heimatland und zu seiner alten Mutter zurück zu kehren. Seine Versuche, unter dem Nazi-Regime möglichst unpolitisch zu bleiben und trotzdem Filme zu drehen, verlangen ihm und seiner Familie viel ab.
Es ist die Geschichte von einem Menschen, der um jeden Preis seiner Berufung folgen möchte. In dem für ihn typischen interessanten Schreibstil beschreibt Kehlmann in seinem Buch "Lichtspiel", wie der ehemals rote Papst unter diesen Umständen arbeitet und verzweifelt versucht, mit seinen Filmen den eigenen Ansprüchen und denen der Nationalsozialisten gerecht zu werden. Er erzählt dies nicht immer chronologisch, sondern springt in verschiedene Erzählzeiten. Eine davon ist die wunderbare Episode des alten Franz Wilzek, der als Regieassistent unter Papst gearbeitet hat und dem in dieser Geschichte eine ganz besondere Rolle zukommt. Allerdings empfinde ich diese Sprünge manchmal als anstrengend, möchte ein paar mal zurückblättern und in einem vorangegangenen Kapitel nachlesen.
Sehr gut beschrieben finde ich auch die Auswirkung von Papsts Arbeit auf seine Familie. Während sein Sohn früh lernt, sich den Gegebenheiten anzupassen und zur Hitlerjugend geht, hat seine Frau kein Verständnis für die Besessenheit ihres Mannes, Filme um jeden Preis zu drehen. Ihre eigene Karriere muss sie unter den gegebenen Umständen hinter der ihres Mannes vollständig zurückstellen.
Ich habe viel Interessantes in diesem Buch darüber gelernt, wie man Filme dreht, wie die Kameraführung sein kann und welche Möglichkeiten des Ausdrucks es für einen Regisseur geben konnte. Spannend auch, von den großen Namen aus vergangener Zeit zu lesen wie Greta Garbo, Louise Brooks, Peter Alexander, Ilse Werner, Billy Wilder, Fritz Lang und Ernst Lubitsch.
Es ist ein Buch mit vielen Facetten, das Kehlmann hier geschrieben hat: ein biographisches, historisches und politisches Buch über ein Genie und die Kunst in schrecklichen Zeiten. "Wichtig ist, Kunst zu machen unter den Umständen, die man vorfindet" (S. 305), das war der Leitsatz des großen G. W. Papst, dem er in seinem Leben stets treu geblieben ist.

Bewertung vom 21.09.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


sehr gut

Es ist ein hartes Leben das der kleine Namenlose führt, der sich später Jakob nennt. Als Sklave lebt er in einer Taverne mit Bordell, seine Ziehmutter ist die Hure Euterpe. Von ihr lernt er alles über das Leben außerhalb seiner vier Mauern, Lesen und Schreiben und Ansätze von Philosophie. Der Alltag ist brutal, geprägt von Schlägen, Tritten, Schmerzen und jeder Form von Gewalt.
James Hynes nimmt in seinem fiktiven historischen Roman kein Blatt vor den Mund, seine Geschichte erzählt er grob und schonungslos. Aber so kann man sich die damalige Zeit tatsächlich vorstellen, wird beim Lesen mitten hinein in die Stadt Hispanien im spätrömischen Reich versetzt. Man taucht beim Lesen richtig ein in diese völlig fremde Welt, die sehr anschaulich geschildert wird: die Gerüche der Latrinen, der ungewaschenen Leiber, der parfümierten Wölfinnen. Die Hierarchien, in denen die Sklaven kaum eine Chance auf ein besseres Leben haben, werden hier am Beispiel eines kleinen Jungen erzählt, einem Niemand, einem Menschen, der auf der untersten Stufe der Rangordnung zur Zeit des 4. Jahrhunderts nach Christus steht.
Fasziniert hat mich neben all der geschilderten Grausamkeit und Brutalität die zarten Bande der Freundschaft und des Zusammenhaltens unter den Frauen. Ihr Beschützerinstinkt gegenüber dem kleinen Jungen ist groß, vor allem von der Köchin Focaria und der Hure Euterpe. Mit viel Liebe versucht vor allem Euterpe, dem Kind Bildung und Wissen zu vermitteln.
Verwundert hat mich das Ende in sofern, als der Roman aus der Sicht des alten Jakob beginnt, aber nicht bis zu seinem Ende erzählt wird.
Das Cover ist wunderschön gestaltet, der Titel erklärt sich früh im Verlauf der Geschichte und passt hervorragend zu diesem Buch.
Ein außergewöhnliches Buch, sehr zu empfehlen für Freunde von historischen Romanen, die nicht zu zart besaitet sind.

Bewertung vom 31.08.2023
Vom Himmel die Sterne
Walls, Jeannette

Vom Himmel die Sterne


ausgezeichnet

Sallie Kincaid vergöttert ihren Vater, der von allen nur der Duke genannt wird. Mächtig herrscht er über eine Kleinstadt im Süden der USA in Zeiten der Prohibition. Er regiert mit starker Hand, manchmal auch jenseits des geltenden Rechts, doch als er plötzlich stirbt, ohne einen erwachsenen Sohn als Nachfolger, ist es Sallie, die sich entscheiden muss, ob sie in seine Fußstapfen treten kann und will.
Es ist ein mitreißender und spannender Familienroman, den Jeannette Walls mit "Vom Himmel die Sterne" geschrieben hat. Er handelt vom Recht des Stärkeren, von Mut, von Emanzipation, von Ehrgefühl, streift das Thema Rassismus und Selbstjustiz. Sallie ist eine starke Persönlichkeit die viel durchmachen muss in ihrem jungen Leben, als Leser*in leidet man mit ihr. Das gängige Frauenschicksal der damaligen Zeit lässt ihr nicht so viele Möglichkeiten, doch sie behauptet sich um einen harten Preis. Glaubt sie als Kind noch, ihr Vater holt ihr vom Himmel die Sterne, wird sie mit zunehmendem Alter eines besseren belehrt. Sie stellt die Regeln der Gesellschaft auf den Kopf, indem sie ihren eigenen Weg geht und sich wenig um die Meinung anderer schert. Und ernüchtert muss sie feststellen, dass der von ihr verehrte Vater auch dunkle und ehrlose Seiten hatte.
Ein starker Frauenroman, der sich sehr unterhaltsam liest. Kaum kann man dieses Buch aus der Hand legen, fast wartet man auf den nächsten heimlichen Skandal, der ans Licht kommt.
Für mich kommt dieses Buch thematisch nicht an "Schloss aus Glas" heran, was allerdings auch schwierig werden dürfte. Hat sich die Autorin doch damit einen großen Platz in der Literatur geschaffen. Aber der Schreibstil ist wieder fesselnd und mitreißend, auch dieses Buch ist ein echtes Lesevergnügen. Einzig das Cover gefällt mir weniger, es passt für mich nicht in die beschriebene Zeit und auch nicht zur Figur der Sallie Kincaid.

Bewertung vom 30.08.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


sehr gut

Wer kennt sie nicht, die ewig gleichen und wiederholten Geschichten der alten Eltern oder Großeltern? Wolf Haas Mutter ist da keine Ausnahme, die 95jährige schafft es jedoch dabei, alle Stationen ihres Lebens hindurch zu leiden. Ihr Lamento ist geprägt vom Sparen, von Opfern und vor allem von dem Streben nach Eigentum.
Dabei hat sie es wirklich schwer gehabt in ihrem Leben. In Armut aufgewachsen haben ihre Eltern sie bereits mit 12 Jahren weggegeben zum Arbeiten, da zu Hause kein Platz mehr war. Ihre Berufswünsche hat der Krieg schnell zerstört, eine frühe und uneheliche Schwangerschaft hat sie wieder ins Elternhaus gebracht. Doch von dort wollte der Bruder sie loswerden, wieder lässt sie sich vertreiben. Der große Traum vom Eigentum erfüllt sich makaber erst ganz zum Schluß, als sie bei ihrer Beerdigung ins eigene Grab gelegt wird.
Mit tiefschwarzem Humor beschreibt Haas die Leidensgeschichte seiner Mutter, die sich stark auf seine Kindheit und sein gesamtes Leben ausgewirkt hat. Nichts als Sorgen, Sorge, Sorgen hat sie sich gemacht, den ganzen Tag nur Arbeit, Arbeit, Arbeit und schließlich nur noch eine große Niedergeschlagenheit.
Der Wechsel zwischen den Rückblicken auf das Leben seiner Mutter aus ihrer Sicht und der des Sohnes wird deutlich durch die Sprache. Die Erzählungen der Mutter werden im Dialekt wieder gegeben und so, wie die Mutter immer geredet hat. Dadurch merkt man direkt, wer von beiden gerade erzählt und die Unterschiede in der Ausdrucksweise werden so sehr deutlich.
Es ist eigentlich ein kurzes Buch, das Wolf Haas über das schwere und unglückliche Leben seiner Mutter geschrieben hat, das aber viel erzählt und mit seinem schwarzen Humor dem immerwährenden Lamentieren eine ganz eigene Stimme gibt. Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die ein bekanntes Thema auf ganz neue Art erzählt lesen möchten.