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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
kdneumann
Wohnort: 
Grolsheim

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 29.05.2023
Wir sehen uns gestern
Straub, Emma

Wir sehen uns gestern


gut

Geschwätziger Erzählstil

Alices 40. Geburtstag ist überschattet vom nahenden Tod ihres geliebten Vaters. Doch dann geschieht etwas Mysteriöses. Als sie nach dieser durchzechten Nacht aufwacht, stellt sie fest, dass sie eine Zeitreise zurück zu ihrem 16. Geburtstag gemacht hat. Und dass ihr Vater gesund und lebensfroh ist. Sie weiß nicht, wie das alles vonstatten ging, beschließt aber, das Beste aus der grotesken Situation zu machen. Sie will ihren Jugendschwarm Tommy dazu bringen, sie später zu heiraten. Und vor allem will sie dafür sorgen, dass ihr Vater von seiner unerklärlichen Krankheit verschont bleibt. Aber kann man das Rad der Zeit nach Belieben vor- und zurückdrehen, ohne größeren Schaden anzurichten?
Die Autorin erweist sich als sehr sprachgewandt, die Idee hinter diesem Roman ist faszinierend und die Protagonistin und ihr Vater sind sympathisch. Aber da hört das Vergnügen an dieser süßlichen Geschichte auch schon auf. Die Autorin macht keinen Hehl daraus, dass sie New York City liebt und präsentiert ihre Detailkenntnisse und Beschreibungen in epischer Breite. Schon nach etwa vierzig Seiten kam ich aus dem Gähnen nicht mehr heraus, stolperte ständig über Namen von Schauspielern, Restaurants und sonstigen Orten, die ein New Yorker wahrscheinlich kennt, mir jedoch nichts sagen und mich auch nicht wirklich interessieren. Dialoge werden durch ausschweifende Rückblenden unterbrochen. Würde man das Buch auf die eigentliche Handlung und ein wenig Hintergrundinformationen reduzieren, wäre etwas sehr Rührendes und Herzergreifendes daraus geworden. Erschwerend kommt hinzu, dass die ohne Höhen und Tiefen dahinplätschernde Handlung mit zunehmendem Verlauf immer wirrer und unüberschaubarer wird. Ich habe das Buch nur deshalb nicht frustriert zugeklappt, weil ich wissen wollte, ob der Roman wenigstens ein akzeptables Ende hat. Er hat.
Man kann dieses Buch lesen, muss aber nicht.

Bewertung vom 26.05.2023
Die Schrift
Haller, Elias

Die Schrift


sehr gut

Eher mäßige Spannung, aber einige starke Szenen

Eine Prostituierte gerät in die Gewalt eines Psychopathen. Nicht nur, dass er die Frau entsetzlich verstümmelt, er tätowiert einen zunächst unverständlich erscheinenden Buchstabencode auf den Rücken der Frau und lässt sie danach frei. Sie überlebt schwer verletzt. Für den Dresdner KOK und Kryptologen Arne Stiller stellt dieser Fall nicht nur ein widerliches Zeugnis einer kranken Persönlichkeit dar, sondern auch eine Herausforderung. Welche Botschaft will der Täter damit übermitteln? Doch bevor Stiller das Tattoo enträtseln kann, fängt der Psychopath sich ein zweites Opfer. Der Albtraum geht weiter.
Dieser Thriller liest sich sehr flüssig, man ist gleich in der Handlung drin, und der Autor nervt nicht mit unnötigen Beschreibungen. Einige Szenen sind voll der Hammer! Den Spannungsbogen finde ich eher flach, was vielleicht an den ständig wechselnden Erzählern und den sehr kurzen Kapiteln liegt, dadurch wirkt manches abgehackt. Der Schluss erschien mir persönlich ein wenig zu hopplahopp. Dennoch gefällt mir die Figur Arne Stiller sehr gut, und einige seiner kernigen Sprüche sowie die Dialoge zwischen ihm und seiner Mitarbeiterin Inge sind göttlich.
Die Art des geschilderten Verbrechens ist dagegen nichts für Zartbesaitete.

Bewertung vom 22.05.2023
Mit zitternden Händen
Persson Giolito, Malin

Mit zitternden Händen


ausgezeichnet

Ein Stück bedrückende Realität

Ein Stockholmer Vorort. Der 14jährige Dogge erschießt den gleichaltrigen Billy, seinen einzigen Freund, und lässt sich danach widerspruchslos festnehmen. Wie konnte es zu dieser regelrechten Hinrichtung unter Jugendlichen kommen?
Mit schonungsloser Detailtreue wird der Leser in dieses Sozialdrama hineingezogen, erfährt nach und nach die perfiden Hintergründe und Wahrheiten einer Welt jenseits von Bullerbü. Dogge und Billy hatten niemals eine Chance.
Trotz des hochbelastenden Themas ist dieser Roman unterhaltsam und packend geschrieben, die zahlreichen Nebenfiguren treten ebenso authentisch auf wie die beiden Helden. Die Autorin verzichtet auf billige Schwarzweißmalerei.
„Mit zitternden Händen“ ist ganz sicher keine entspannende Lektüre, aber man kann sich seiner Intensität nicht entziehen.

Bewertung vom 29.04.2023
Die Wahrheit
Edvardsson, Mattias

Die Wahrheit


ausgezeichnet

Wer lügt? Wer sagt die Wahrheit?

Das Ehepaar Steven und Regina Rytter wird tot in seinem feudalen Haus in Lund aufgefunden. Schon bald gerät der alleinerziehende Bill in Verdacht, aber auch seine Untermieterin Karla und Jennica, eine ehemalige Freundin seiner Verstorbenen Frau, stecken in diesem verwirrenden Fall irgendwie mit drin. Alle drei verstricken sich in Lügen und Halbwahrheiten. Wer ist der Mörder?

Der ungewöhnliche Aufbau dieses Krimis und der glasklare Erzählstil des Autors ziehen den Leser von der ersten Seite an mit Urgewalt in die Handlung hinein. Die drei Hauptfiguren und auch die beiden Mordopfer werden psychologisch messerscharf charakterisiert. Sie sind sympathisch und wegen ihrer Fehler abstoßend zugleich, man möchte unmittelbar nach jedem Kapitel wissen, wie es mit ihnen weitergeht, wie sie sich aus ihrem Lügengespinst herauswinden. Klar ist: Keiner von ihnen ist unschuldig an dem Mord. Aber was um alles in der Welt ist geschehen?

Ich denke, es ist unmöglich, von diesem Wahnsinns-Krimi nicht begeistert zu sein.

Bewertung vom 10.04.2023
Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller
Ludwig, Stephan

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller


ausgezeichnet

Nicht zu vergessen der Hund

Für den untadeligen Geschäftsmann Norbert Heinlein läuft es derzeit suboptimal. Seine Einnahmen bröckeln weg, die Versorgung seines dementen Vaters fordert das Letzte von ihm, und er verliert nach einem bösen Sturz seinen Geschmackssinn, eine Katastrophe für den Delikatessenhändler in dritter Generation. Und dann kommt auch noch sein Kunde und Freund Adam Morlok in seiner Küche zu Tode. Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Wohin nun mit der Leiche? Und wie es der Teufel will, bleibt es nicht bei diesem einen Todesfall. Einzig die Sorge um seinen jungen Mitarbeiter, den autistisch veranlagten Marvin, und seine Pflichten gegenüber seinem Vater halten Heinlein aufrecht. Und veranlassen ihn zu einer Reihe von tragikomisch endenden Entscheidungen.

Dieser Roman bietet schwarzen Humor vom Feinsten, zwei ungemein liebenswerte Protagonisten und einen in sich stimmigen Plot mit einem Ende, das ich so nicht erwartet hätte. Auch in erzählerischer Hinsicht ist Der nette Herr Heinlein ein Genuss. Dies ist eines der wenigen Bücher, an denen mir wirklich alles gefällt. Ein außergewöhnliches Leseerlebnis.

Bewertung vom 01.04.2023
Stranded - Die Insel
Goodwin, Sarah

Stranded - Die Insel


ausgezeichnet

Bestie Mensch

Ein Jahr lang ohne fremde Hilfe auf einer unbewohnten abgelegenen Insel vor der Küste Schottlands überleben, das ist die Aufgabe von Maddy und sieben weiteren Teilnehmern eines TV-Experiments à la Dschungelcamp. Aber nach und nach offenbaren sich die Eigenarten der einzelnen Gruppenmitglieder, und die Suche nach Nahrung wird zu einer Herausforderung. Und es beginnt ein zermürbender Kampf um die Herrschaft über die Gruppe.
Die Charaktere dieses Thrillers sind psychologisch hervorragend gezeichnet, aber was mysteriös und abenteuerlich beginnt, zieht sich über weite Teile langatmig und für den Leser ereignislos hin, die gleichen Szenen wiederholen sich in Endlosschleife. Aufgrund der eingestreuten Rückblenden und Vorausschauen weiß man schon frühzeitig, dass auf der Insel Ungeheuerliches passiert. Und dass Maddy das Opfer sein wird. Erst im letzten Drittel des Romans nimmt die Handlung Rasanz auf, um anschließend wieder in belastenden Schilderungen von Maddys Elend zu versinken. Ein paar Mal war ich versucht, das Buch zuzuklappen und ins Regal zu stellen. Zum Glück habe ich es nicht getan. Denn es lohnt sich, durchzuhalten. Das Ende von Maddys Geschichte hat mich tief erschüttert.
Ich bin beeindruckt von der erzählerischen Urgewalt der Autorin. Sie beschreibt Maddys Kampf ums Überleben mit faszinierenden Details, ihre Sprache ist klar verständlich. Die von mir zunächst als zu ausschweifend empfundenen Schilderungen sind es, die diesem Roman Tiefe geben und Maddys Handeln menschlich glaubwürdig machen.
Für mich wird „Stranded Die Insel“ einer der Favoriten für die Wahl zum Thriller des Jahres sein.

Bewertung vom 28.02.2023
Du lügst. Du stirbst.
Hobbs, Gillian

Du lügst. Du stirbst.


sehr gut

Zwei kaputte Frauen auf Crashkurs zueinander

Die junge und attraktive Olivia will zusammen mit ihrem Mann Jacob in einem kleinen schottischen Dorf einen Neuanfang wagen. Sie hat ihren Namen in Scarlett Dyer geändert, und zunächst gestaltet sich ihr neues Leben auch zu ihrer Zufriedenheit. Aber jemand im Ort scheint sie und ihre vorherigen Missetaten zu kennen und lässt sie auffliegen. Damit beginnt wie schon an ihrem früheren Wohnort eine Spirale brutaler Gewalt, die Scarlett nicht mehr steuern kann. Wer steckt hinter diesen bösen Taten und will damit erreichen, dass sie vernichtet wird?
Dieser Roman ist tatsächlich mal etwas völlig anderes. Die Protagonistin ist zwar von zierlicher Gestalt und versteht es, die Menschen für sich einzunehmen, aber hinter dieser Fassade lauert das Böse. Sie rechtfertigt ihre perfiden Rachepläne mit ihrer ureigenen Vorstellung von Gerechtigkeit und löst damit eine Lawine verstörender Ereignisse aus. Das Ende erschlug mich.
Um die Wahrheit zu sagen: Ich fand diesen Thriller entsetzlich, und meine Abscheu für die Protagonistin wuchs von Seite zu Seite. Dennoch muss ich anerkennen, dass die Autorin ein fast perfektes Bild zweier kaputter Menschen gezeichnet hat. Ich ziehe lediglich einen Stern ab, weil für den Leser von Anfang an klar war, wer der Antagonist ist und damit die Spannung getötet wurde.

Bewertung vom 08.02.2023
Das Schweigen der Puppen (eBook, ePUB)
Bartsch, Simon

Das Schweigen der Puppen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Puppenspieler von Bonn

Der Bonner Kriminalhauptkommissar Philipp Jansen jagt einen Täter, der zwei junge Frauen grausam ermordet hat, um sie danach puppenhaft zu schminken. Zur gleichen Zeit wird in Köln eine ältere Frau in ihrem Keller tot aufgefunden, KHK Iris Lottner ermittelt. Schon bald hat man als Leser das Gefühl, dass die beiden Fälle zusammenhängen könnten. Währenddessen mordet der Unbekannte weiter, und es gibt keine Spur, die zu ihm führt.
Hat mich das erste Drittel des Romans eher nicht vom Hocker gerissen, so ändert sich das ab Seite 95 schlagartig. Der Autor scheint sich nun warmgeschrieben zu haben. Eine Erkenntnis in der Mordermittlung jagt die nächste, die Charaktere auch der Nebenfiguren überzeugen, und der Schreibstil des Autors ist ebenso einfach wie präzise. Die Kapitel sind angenehm kurz, und was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass jede Episode etwas Neues bringt, der fulminante Höhepunkt und der logisch aufgebaute Schluss werden nicht unnötig durch Blähtext hinausgezögert. Mit Philipp Jansen ist dem Autor eine erfrischend andere Persönlichkeit gelungen, als man sie bisher kannte. Er steckt so voller Charakterfehler, dass es schon wieder sympathisch ist. Und als Jansen und seiner Kölner Kollegin Lottner aufeinanderprallen, ist das Lesevergnügen perfekt.
Mein Interesse an dieser Krimi-Reihe und dem Autor ist jedenfalls geweckt. Ich freue mich auf weitere Bände.

Bewertung vom 02.01.2023
Das College
Ware, Ruth

Das College


ausgezeichnet

Perfekt

Wer tötete die Oxford-Studentin April Clarke-Cliveden vor zehn Jahren? Die Aussage ihrer Freundin Hannah, die die Tote in ihrer gemeinsamen Wohnung auffand, führte seinerzeit zur Verurteilung des College-Pförtners John Neville. Aber warum kann sich Hannah selbst nach dieser langen Zeit nicht an Details des traumatischen Erlebnisses erinnern? Und warum spukt ihr April ständig im Kopf herum, warum glaubt sie sie überall zu sehen? Und dann keimen Zweifel in ihr, ob Neville wirklich der Täter war, oder ob sie einem schrecklichen Irrtum erlegen war. Und der Mörder frei herumläuft.
Von der allerersten Seite an zieht Ruth Ware den Leser in seinen Bann, schildert in atemberaubender Dichte das College-Leben des grauen Mäuschens Hannah und der schillernden April. Trotz der charakterlichen Unterschiede verbindet die beiden eine Freundschaft, die über den Tod der einen hinausgeht und die andere dazu bewegt, sich trotz fortgeschrittener Schwangerschaft auf die gefährliche Suche nach dem wahren Mörder zu machen. Plötzlich wird jeder einzelne ihrer Freunde zu einem potentiellen Täter, und Hannah verliert die Kontrolle über ihr Leben und stürzt in einen Abgrund aus Verzweiflung.
Ein wahrhaft nervenzerreibender Thriller, der einen bis zur letzten Zeile im Bann hält. Sensationell.

Bewertung vom 14.12.2022
Seelendämmerung
Trost, Dirk

Seelendämmerung


sehr gut

Tödliche Schnitzeljagd

Die Enthüllungsjournalistin Thyra König wird auf bizarre Weise auf den Fall einer menschenverachtenden Sekte aufmerksam, in der Kinder körperlicher und seelischer Grausamkeit ausgesetzt sind. Die spärlichen Informationen ihres „Auftraggebers“ führen sie und ihren Partner, den ehemaligen Hauptkommissar Folkert Mackensen, zunächst nach Berlin und von dort aus auf eine irländische Insel, die Thyra bestens bekannt ist. Aber warum macht ihr Informant keine klaren Angaben, sondern lässt sie von einer gefährlichen Falle in die nächste tappen? Und wird es ihr gelingen, die Kinder zu retten?
Dirk Trost entführt uns da in eine ziemlich kaputte Welt. Sein Schreibstil fordert meine ganze Aufmerksamkeit, denn die eingestreuten Rückblenden sind oft nicht sofort als solche zu erkennen. Auch stehen in der ersten Hälfte des Buches nicht die Figuren und die Handlung im Vordergrund, sondern die Orte, die zugegebenermaßen brillant recherchiert sind. Mehr und mehr wirkt das Ganze auf mich wie ein Marvel-Comic, in dem eine attraktive und toughe Heldin sich in aberwitzige Gefahr begibt und ihr mit allen Wassern gewaschener Freund und Partner sie rettet. Im letzten Drittel und vor allem im Showdown überwiegen Actionszenen, die Spannung reißt mich dann doch mit, und es gelingt mir am Ende nicht, das Buch aus der Hand zu legen.
So ganz überzeugen kann mich dieser Ausflug in das Comichafte jedoch nicht, und die immer wieder vorkommenden plumpen Wort- und Satzwiederholungen kurz hintereinander lassen mich an der Qualität des Lektorats zweifeln. Dafür ziehe ich einen Stern ab. Aber die Protagonistin und ihr charismatischer Partner waren mir auf Anhieb sympathisch und haben mich durchweg bei der Stange gehalten.
Ein Krimi für jeden, der einen ausgefallenen Erzählstil, geballte Action und hervorragend recherchierte Handlungsorte schätzt.