Benutzer
Benutzername: 
SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 542 Bewertungen
Bewertung vom 19.07.2025
Schreiber, Jasmin

Im Schatten von Giganten


ausgezeichnet

In ihrem neuesten Sachbuch „Im Schatten von Giganten“ widmet sich die Biologin Jasmin Schreiber den Lebewesen, die wir im Alltag meist übersehen: Spinnen, Asseln, Hundertfüßern, winzigen Pilzen und Bärentierchen, die allesamt in kleinsten Ökosystemen wie Totholz, Moosen, Pfützen, Blüten und ähnlichem zuhause sind.

Etwas ungewohnt für ein Sachbuch ist die Erzählperspektive in der Ich-Form. Jasmin Schreiber beginnt mit einem kurzen einleitenden Kapitel, in dem sie über den Beginn ihrer Leidenschaft für die unscheinbaren Tierchen, die in unserer unmittelbaren Umgebung leben, erzählt.

Die einzelnen Kapitel widmen sich anschließend dem Leben unter Steinen, im Totholz, im Kraut, im Baum, im Moospolster, in der Blüte, in der Pfütze, im Kadaver und im Dung. Schöne Farbfotos begleiten den Text, der zugleich informativ und unterhaltsam geschrieben ist, so dass sich das Buch sehr flüssig und angenehm liest. Das Verhältnis von Text zu Bild empfinde ich als sehr ausgewogen.

Besonders faszinierend fand ich das Kapitel über das Leben im Totholz, da wir häufig im Wald spazieren gehen, und ich dort nun die verschiedenen Flechten und Pilze auf abgestorbenen Baumteilen mit anderen Augen sehe.

Das Buch gibt einen interessanten ersten Einblick in verschiedenste Mikro-Lebensräume und lädt dazu ein, die unmittelbare Umgebung genauer wahrzunehmen: Einen Stein umzudrehen, und zu beobachten, was sich darunter so tummelt, oder eine Pfütze näher zu betrachten.

Ich kann das Buch rundum weiterempfehlen!

Bewertung vom 19.07.2025
Gundar-Goshen, Ayelet

Ungebetene Gäste


ausgezeichnet

Während ein arabischer Handwerker den Balkon renoviert, ist Naomi mit ihrem einjährigen Sohn Uri allein in der Wohnung in Tel Aviv. Sie fühlt sich unwohl, spürt, dass sie Vorurteile gegenüber dem Mann hat und versucht, diese durch besondere Freundlichkeit zu kompensieren. Als der Arbeiter kurz die Toilette aufsucht und Naomi in der Küche abgelenkt ist, entwischt Uri auf den Balkon, stößt den auf der Brüstung liegenden Hammer vom Balkon und trifft damit einen jungen Mann tödlich. Auf der Straße kommt es zum Tumult, sofort wird ein Anschlag des arabischen Arbeiters vermutet, und die Polizei nimmt diesen fest. Naomi steht völlig neben sich und ist nicht in der Lage, das Missverständnis aufzuklären.

Ayelet Gundar-Goshen ist studierte Psychologin, und dies spürt man an den fein ausgearbeiteten Charakteren und der psychologischen Tiefe der Erzählung. Naomi und ihr Mann Juval sehen sich als moderne, aufgeklärte Menschen und sind doch selbst gefangen in einem Strudel aus Sprachlosigkeit, tradiertem Rassismus, Schuld, Angst und schlechtem Gewissen.

„Ungebetene Gäste“ besteht aus drei Teilen, wobei der erste und letzte in Tel Aviv spielen und der zweite in Lagos, wohin die Familie noch während des Gerichtsprozesses übersiedelt, da Juval dort eine zeitlich befristete Arbeit im Umfeld des israelischen Militärs annimmt. Auch in Lagos verfolgen die Schatten des Unglücks die Familie, die inneren Konflikte belasten Naomis und Juvals Beziehung, und auch Uri spürt die Spannungen zwischen seinen Eltern.

Vor allem im zweiten Teil führt die Autorin eine ganze Reihe weiterer Figuren wie die Psychologin Noga ein, schildert kleine Episoden, deren Bedeutung für die Handlung oder das Figurenprofil mir sich nicht immer erschließt. Hierzu gehören beispielsweise der verhaltensgestörte Junge Liam und der Anruf eines merkwürdigen Mannes, der um einen Termin bei Noga bittet, aber nie wieder in Erscheinung tritt.

Nahezu allen Figuren gemeinsam ist eine gewisse Unfähigkeit, miteinander zu kommunizieren, man schweigt oder redet aneinander vorbei. Persönliche Traumata vermischen sich mit gesellschaftlichen, und die Figuren sind teils wie gelähmt in ihrer Hilflosigkeit. Das Ende kam für mich etwas (zu) plötzlich, und ich hätte sehr gerne noch weitergelesen.

Sehr interessant fand ich einen Betrag in der ARD Mediathek der Sendung „titel thesen temperamente“, in dem die Autorin davon erzählt, inwiefern die Geschichte ihres eigenen Großvaters sie zu der politischen Ebene im Lagos-Teil inspiriert hat.

Auch wenn „Ungebetene Gäste“ speziell den jüdisch-arabischen Konflikt behandelt, sind einige Grundthemen auch auf unsere Gesellschaft übertragbar, und ich habe mich immer wieder gefragt, wie ich an Stelle von Naomi, Juval oder Noga handeln würde. Mich hat „Ungebetene Gäste“ sehr berührt und ich empfehle es unbedingt weiter. Nun bin ich neugierig auf weitere Werke der Autorin, und „Wo der Wolf lauert“ liegt schon bereit.

Bewertung vom 17.07.2025
Harkaway, Nick

Smiley


ausgezeichnet

Mit „Smiley“ setzt Nick Harkaway das Erbe seines Vaters John le Carré fort, aus dessen Feder der neben James Bond wohl berühmteste Spion der Literatur stammt.

Zeitlich ist „Smiley“ in den Jahren zwischen „Der Spion, der aus der Kälte kam“ und „Dame, König, As, Spion“ angesiedelt. Der Secret Service holt Smiley für einen heiklen Auftrag zurück, der ihn mit den dunklen Schatten der Vergangenheit konfrontiert.

Ich war gespannt, ob sich Harkaways Stil und seine Ausarbeitung der Charaktere in das bekannte Smiley-Universum einfügen würde, und ich bin sehr angenehm überrascht worden. Das Buch liest sich hervorragend und passt sich perfekt in das bestehende Gefüge ein. Die Story ist vielschichtig, geschickt konstruiert und hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. Dem aktuellen Zeitgeist entsprechend, bietet Harkaway etwas mehr Action als le Carré.

Da zwischen Carrés Der Spion, der aus der Kälte kam“ und „Dame, König, As, Spion“ in der Handlung ca. zehn Jahre liegen, bietet dieser Zeitraum eine wunderbare Gelegenheit, ihn mit aufregenden Geschichten zu füllen, und Harkaways Smiley-Debüt macht Lust auf mehr. Sollte ein weiterer Band auf Deutsch erscheinen, werde ich ihn ganz sicher lesen!

Bewertung vom 16.07.2025
Rebanks, Helen

Die Frau des Farmers


gut

Helen Rebanks ist die Ehefrau des Farmers und Autors James Rebanks, der über sein Leben als Schäfer auf einer Farm schreibt. Nun hat sie mit „Die Frau des Farmers“ ein Buch über ihr Leben veröffentlicht. Darin schreibt sie am Beispiel eines langen Tages über den Alltag auf dem Hof als Bäuerin und Mutter von vier Kindern. Dieser Handlungsstrang wird immer wieder unterbrochen von Rückblicken in die Vergangenheit, in der sie vom Leben ihrer Großeltern und Eltern erzählt und auf ihr eigenes Leben zurückblickt, von der Kindheit über das Kennenlernen von James und den Beginn ihrer Ehe. Hierbei geht es oft erstaunlich wenig um den Hof, sondern eher um ein recht normales Dasein zweier Studenten bzw. junger Menschen, die sich ein gemeinsames Leben aufbauen, in schneller Folge mehrere Häuser nacheinander kaufen, renovieren und verkaufen, wie es in Großbritannien üblich ist, wo man selten zur Miete wohnt. Auch Helens Begeisterung fürs Kochen und Backen, ihre Arbeit als Backwarenlieferantin für Cafés und kleine Lädchen nimmt viel Raum ein. Der Text wird immer wieder unterbrochen durch diverse Rezepte für Snacks, Hauptgerichte, Nachspeisen, Kekse und Kuchen.

Diese sprunghafte Erzählweise zwischen verschiedenen Zeitebenen erschwert den Lesefluss. Die sehr britischen Speisen, die zudem recht fleischlastig sind, laden mich eher nicht zum Nachkochen ein, nur den einen oder anderen Kuchen werde ich vielleicht mal ausprobieren. Dennoch fand ich die Rezepte sehr interessant, weil sie einen guten Einblick in die traditionelle britische Landhausküche bieten.

Ich hatte mir einen stärkeren Fokus des Buches auf dem Hofleben erwartet und wurde hier enttäuscht. Helens Lebensweg und Familiengeschichte ist ganz unterhaltsam zu lesen, hat für mich jedoch keinen literarischen Mehrwert. Wer gerne Geschichten übers Leben einer Großfamilie liest, ist hier richtig, wer sich einen tieferen Einblick in die Arbeit auf einer Farm erhofft, wird nicht fündig werden.

Bewertung vom 08.07.2025
Welk, Sarah

FREI - Beste Freundschaft (FREI 2)


gut

Band 1 von FREI habe ich letztes Jahr mit großer Begeisterung verschlungen, und nun war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung. Während Band 1 aus der Sicht von Joshua geschrieben ist, erlebt man den zweiten Teil nun aus Nasrins Perspektive.

Es sind in der Geschichte einige Wochen vergangen seit dem Wald-Abenteuer aus Band 1. Die Freunde Joshua, Nico, Koray, Nasrin und Nina gehen gemeinsam in die 8. Klasse einer weiterführenden Schule mit einem sehr eigenwilligen pädagogischen Ansatz. Hier bestimmen die Kinder alles selbst, auch die junge Rektorin Linda wurde von der Schulgemeinschaft gewählt, und bei Problemen entscheidet das „Klärwerk“. Joachim ist neu in der Klasse der fünf Freunde, und Nasri bekommt von Linda den Auftrag, sich seiner anzunehmen. Doch Joachim verhält sich seltsam, mal nahbar, mal abweisend, und auch um ihren Bruder macht sich Nasri Sorgen. Dieser hängt seit Kurzem mit einem merkwürdigen Mitschüler herum, und Nasri hat ein ungutes Gefühl dabei. Zu allem Überfluss muss sie auch noch Nico besänftigen, der Joachim partout nicht dabeihaben will.

Im ersten Band spielte die Schule nur eine Nebenrolle, hier lernen wir sie nun etwas besser kennen. Die Schule bekommt einen großen Geldbetrag zur Verfügung gestellt, und die Schüler:innen sollen Vorschläge machen und schließlich darüber abstimmen, was mit dem Geld geschehen soll. Ich möchte hier nicht spoilern, daher gehe ich nicht näher auf die Ideen ein, aber in meinen Augen war keine einziger sinnvoller oder kreativer Vorschlag darunter, und mich hat dies, ebenso wie das Verhalten der Direktorin Linda, eher in meiner Vorbehalte gegenüber reformpädagogischen Schulen bestätigt.

In Band 1 habe ich den trockenen Humor geliebt, ebenso die lebendige und authentische Erzählweise. Dieser Humor fehlt in Band 2 leider, und sprachlich wirkt er auf mich eintönig und ermüdend. Gefühlt jeder dritte Satz endet auf „ …, und alles klar.“, und vor allem Nico wirkt wie ein ungehobelter Prolet. Während ich die Jugendsprache im ersten Band als wohldosiert eingesetzt empfand, nimmt sie hier überhand. Es kommt kaum ein echter Dialog zustande, und Sätze im Stile von „Alter, okay, was war das denn?“ prägen den Roman.

Auch die Handlung konnte mich diesmal nicht überzeugen. Sie plätschert vor sich hin und wirkt auf mich unrund. Schade, denn Band 1 machte Lust auf eine vielversprechende Reihe. Ich hoffe nun, dass Sarah Welk im dritten Teil an den Charme und die Erzählqualität von Band 1 anknüpfen kann.

Bewertung vom 07.07.2025
Atkinson, Kate

Nacht über Soho


sehr gut

London 1926. Nellie Coker ist die Queen des Nachtlebens von Soho. Ihr gehören fünf der angesagtesten Nachklubs, in denen von der Unterwelt bis zum Hochadel alle verkehren, um zu feiern und mit jungen Animierdamen zu tanzen. Wegen Verstößen gegen die Schanklizenz musste sie eine Haftstrafe verbüßen, doch nun wird sie entlassen und kehrt wieder in die Halbwelt zurück. Grund genug für Chief Inspector John Frobisher, ihre Clubs genauer unter die Lupe zu nehmen: Hat Nellie Coker etwa mit dem Verschwinden junger Mädchen zu tun, die regelmäßig aus der Themse gefischt werden? Hierbei kann Frobisher auf die Hilfe der patenten Gwendolen Kelling zählen, die selbst auf der Suche nach zwei jungen verschwundenen Mädchen ist und sich als Spionin anbietet…

Kate Atkinson lässt uns Leser:innen tief in die Atmosphäre der Roaring Twenties und die verruchte Halbwelt der Clubs in Soho eintauchen. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg feiert man in London das Leben: Es gibt verdeckte Spielsalons, ausgelassene Kostümfeste, Drogenexzesse und Tanzpartys, der Alkohol fließt in Strömen, auch ohne Schanklizenz. Reale Gruppierungen wie die „Bright Young Things" “ und deren Baby-Party vermischen sich mit fiktiven Elementen. Sehr interessant ist diesbezüglich das Nachwort, in dem Atkinson als Vorbild für Nellie Coker und ihre Familie Kate Meyricks angibt.

Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung von Nellie und ihren Kindern Niven, Edith, Shirley, Betty, Ramsay und Kitty. Ich hatte sie und ihre Eigenheiten lebhaft vor Augen. Auch die Perspektivwechsel zwischen den verschiedenen Figuren und deren unterschiedliches Erleben fand ich sehr gelungen. Herrlich auch der trockene Humor der Autorin! Der Kriminalfall hingegen hat mich nicht recht überzeugt und wirkte etwas unrund und aufgesetzt. Fast scheint es, als würde er nur eine kleine Nebenrolle im Sittengemälde der 20er Jahre in Soho spielen. Da für mich keine echte Spannung aufkam, zog sich der Roman etwas in die Länge, um dann relativ abrupt zu enden.

Fazit: Für mich eher ein sehr atmosphärischer historischer Roman als ein Krimi, und als solcher sehr lesenwert!

Bewertung vom 06.07.2025
Boese, Cornelia

Arche Boa


ausgezeichnet

Während in der Bibel die Tiere auf der Arche Noah Zuflucht vor der Sintflut finden, so bietet angesichts von Klimawandel, Umweltverschmutzung und Zerstörung von Lebensraum der Luxus-Liner „Arche Boa“ Schutz – allerdings nur für ein Tier, das unter mehreren Anwärtern ähnlich einer Castingshow als Sieger gekürt werden soll. Zwölf Tiere bewerben sich auf den begehrten Platz und legen in Reimform dar, warum sie auf der Arche Boa leben möchten.

Die Reime sind sprachlich abwechslungsreich und gewitzt, und das Ganze augenzwinkernd mit dem aktuellen Castinghsow-Trend zu verbinden, ist eine tolle Idee. Dabei rutscht das Buch niemals ins Alberne ab, sondern hält perfekt die Balance zwischen ernstem Hintergrund und kurzweiligem Kinderbuch. Inhaltlich decken die zwölf Tiere eine breite Palette an Themen ab: Von Lichtverschmutzung über Plastik in den Meeren, Orientierungsproblemen von Walen aufgrund Schiffslärm, Erwärmung der Polarmeere und Überfischung bis hin zum Insektensterben aufgrund von Flächenversiegelung.

Sehr gut gefallen hat mir der Schluss: Ein unscheinbarer kleiner dreizehnter Gast ergreift das Wort und öffnet den Zuschauer:innen die Augen. Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer zeigt er auf, dass echte Veränderung nur möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen und sich gemeinsam für ihre Zukunft einsetzen. Zugleich ermutigt das Buch die jungen Leser:innen, selbst aktiv zu werden.

Die Illustrationen unterstreichen den Text und sind farbenfroh gestaltet, allerdings sagt mir der Zeichenstil nicht so ganz zu und ist mir etwas zu grob. Das ist aber sicher Geschmackssache.

Die Leseempfehlung ist ab 5 Jahren, aber ich bin mir sicher, dass auch etwas ältere Kinder im Grundschulalter viel Spaß an dieser Geschichte haben und etwas Wichtiges für den Arten- und Klimaschutz lernen können.

Ich habe bei diesem Buch explizit nach Hinweisen zur Herstellung gesucht, weil ich sehen wollte, ob das Klimaschutzdenken auch bei der Produktion konsequent verfolgt wurde. Und auch hier passt alles, wie die Infobox auf der Rückseite zeigt: Gedruckt in Deutschland, nachhaltige Farben auf Pflanzenölbasis, lösungsmittelfreier Kleber, zertifiziertes Papier, keine Plastikfolie - perfekt!

Fazit: „Arche Boa“ ist ein ganz wunderbares, kluges Kinderbuch, das aus der Masse heraussticht. Ihm gelingt es auf geniale Weise, gleichzeitig ein Bewusstsein für die ökologischen Probleme unserer Zeit zu schaffen und durch Sprachwitz zu unterhalten. Genau so sollte ein Kinderbuch sein! Ich kann dieses Buch nur jedem ans Herz legen!

Bewertung vom 02.07.2025
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


sehr gut

Auch wenn mich das Cover zunächst nicht angesprochen hat, so hat mich der Klappentext doch sehr neugierig gemacht. Ich erinnere mich noch an die Tian’anmen-Proteste im Jahr 1989, die ich als Kind in den Nachrichten am Rande mitbekam, und wollte nun gerne mehr über die damalige Zeit und die gesellschaftlichen und politischen Umstände in China erfahren. Wie aus dem Nachwort hervorgeht, hat Lai Wen ihre eigene Lebensgeschichte als Grundlage genommen und zu einem autofiktionalen Roman verarbeitet.
Mit 560 Seiten ist „Himmlischer Frieden“ durchaus umfangreich, und ich muss zugeben, dass ich anfangs etwas gebraucht habe, bis ich ins Buch reingekommen bin. Je tiefer ich in die Geschichte eintauchte, desto stärker hat sie mich jedoch gefesselt.
Den Großteil des Romans nimmt das Heranwachsen der Protagonistin ein und ihre familiären Beziehungen. Die Figuren sind detailliert gezeichnet und ich hatte sie alle lebhaft vor Augen, insbesondere die wunderbare Großmutter, die in Lais Entwicklung eine zentrale Rolle spielt. Durch die Beschreibung zahlreicher Alltagssituationen entsteht ein vielschichtiges Gesamtbild, das mir beim Lesen die Atmosphäre in der Familie und die gesellschaftlichen Strukturen eindrücklich vor Augen führte. Zudem wird deutlich, wie tief in einem autoritären Regime das Politische und Private miteinander verwoben sind.
Lais Studienzeit fällt in eine Phase des politischen und gesellschaftlichen Aufbruchs, der im Tian’anmen-Massaker am 4. Juni 1989 sein blutiges Ende fand. Allerdings spielen diese Ereignisse im Buch eine eher kleine Rolle; angesichts des Titels hatte ich hier einen anderen Schwerpunkt erwartet. Ungeachtet dessen hat mich dieses Buch sehr berührt und interessante Einblicke in die damalige chinesische Gesellschaft ermöglicht.

Bewertung vom 01.07.2025

National Geographic Kids - Jenseits der Unendlichkeit


ausgezeichnet

Ich erinnere mich noch sehr gut an den Start des Hubble-Teleskops in meiner Jugend, und als Familie von Naturwissenschaftlern finden wir natürlich die Erkenntnisse, die das James-Webb-Teleskop liefern kann, ganz besonders spannend. Auch mein Sohn (11) ist fasziniert von den detailreichen und atemberaubenden Bildern, die „Jenseits der Unendlichkeit“ enthält. Ob Polarlichter am Uranus oder galaktische Spiralnebel – dieses Buch macht einfach Lust auf Astronomie. Neben Weltraumaufnahmen erfährt man einiges über die Technologie an Bord des Teleskopes und über die speziellen Herausforderungen, die durch die extremen Bedingungen im All an die Technik gestellt werden. Auch hierzu gibt es tolles Bildmaterial. Eine Doppelseite enthält zudem einen kleinen Exkurs über die Geschichte der Teleskopie. Sehr gut gefallen hat mir, dass in kurzen Interviews auch vier Astronominnen bzw. Astrophysikerinnen zu Wort kommen. Die kleinen Anekdoten über Missgeschicke und Pannen bei der Entwicklung des James-Webb-Teleskopes fand ich sehr charmant, und sie zeigen den Kindern, dass Rückschläge auch in der Wissenschaft dazugehören und überwunden werden können.

Mein einziger kleiner Kritikpunkt sind die etwas wuchtig wirkenden sechseckigen Textboxen, die manchmal zudem etwas ungünstig platziert sind und Bildteile verdecken. Hier hätte ich mir eine etwas dezentere Gestaltung gewünscht.

Fazit: Ein wirklich faszinierendes Buch für die ganze Familie, das zum Entdecken und Diskutieren einlädt und ein perfektes Geschenk für alle jungen Weltraumfans!

Bewertung vom 01.07.2025
Auerswald, Martin

Der Epigenetik-Code


sehr gut

Der Biochemiker Martin Auerswald zeigt in „Der Epigenetik-Code“, wie wir uns die Erkenntnisse der Epigenetik für ein möglichst langes und gesundes Leben zunutze machen können. Er erklärt in einem einführenden Kapitel allgemeinverständlich und dadurch stark vereinfacht, womit sich die Epigenetik befasst. Dieses noch recht junge Forschungsgebiet untersucht, durch welche äußeren Einflüsse die Aktivierung bzw. Deaktivierung bestimmter Gene gesteuert wird, und inwieweit sich dies auf unsere Nachkommen vererbt.

Der Autor gibt viele konkrete Tipps, wie wir unseren Lebensstil so ausrichten können, um aus Sicht der Epigenetik einen möglichst positiven Einfluss auf unsere Gesundheit zu erlangen. Vieles davon ist nicht neu – regelmäßig Sport und Bewegung, frische Luft, emotionale Ausgeglichenheit, zwischenmenschliche Bindungen, gesunde Ernährung –, erscheint aber unter dem Blickpunkt der Genaktivierung noch einmal in einem anderen Licht. Aus epigenetischer Sicht haben wir also durch unser Verhalten unsere Gesundheit selbst in der Hand. Das ist grundsätzlich positiv, birgt allerdings auch die Gefahr, dass kranken Menschen die Schuld an ihrem Zustand gegeben werden könnte.