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darkola77

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 25.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


sehr gut

Rügen ist auch für Dich ein Sehnsuchtsort? Ein Platz zum Träumen, Ankommen und Lieben?
Dann geht es Dir womöglich wie Sophie. Sophie selbst ist in tiefer Trauer, ihr Leben liegt in Scherben. Denn die letzten Jahre haben ihr viel genommen: ihren Vater, ihre beste Freundin Tessa, und auch ihre Beziehung mit Thomas befindet sich in einer Sackgasse. Momente des Glücks und der Hoffnung versprechen einzig und allein die Nächte und ihre Träume mit einem an sich fremden Mann in der Hauptrolle, einer Zufallsbegegnung auf Rügen.
Die Sehnsucht nach dem Unbekannten es dann auch, die sie unvermittelt die Koffer packen und die Flucht aus ihrem bisherigen Leben, die Suche nach Glück und einer großen Liebe möglich werden lässt. Was sie erwartet? Vielmehr als Sophie je zu hoffen gewagt hätte! Denn gerade als Traum und Wirklichkeit sich zu vermischen drohen, kommt es zu Neuem und Überraschendem – und so vollkommen anders als Sophie es sich in ihren kühnsten Träumen hätte ausmalen können.
Was allerdings ganz sicher ist: Dieser Roman liest sich wie ein wunderbar entspannter Tag am Strand, wie ein Spaziergang mit Füßen im Meer und fühlt sich nicht nur im Reisegepäck sehr wohl. Zurück lässt uns die Geschichte mit einer tröstlichen Erkenntnis: „Die Liebe hat viele Gesichter.“ Und gemeinsam mit Sophie können wir zahlreiche von ihnen entdecken.

Bewertung vom 20.06.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


sehr gut

Das Idol brennt! Und nicht nur das, auch Akaris Herz steht in Flammen. Und zwar ganz anders, als ich es kenne. Erahnt habe. Mir vorstellen konnte. Denn Akari ist ein Fan – mit jeder Faser ihres Herzens, ihrem gesamten Geist, Körper, jedem einzelnen Yen, den sie mühevoll verdient.
Und damit ist Akari nicht allein. Denn Masaki ist Mitglied einer Idolband, und um dem eigenen Star nahe zu sein, ist voller Einsatz gefragt – in einem System, das vor allem auf der finanziellen Ausbeutung seiner Anhänger*innen aufgebaut ist. Seien es Beliebtheitswahlen unter den Bandmitgliedern, deren Stimmabgabe von den Fans teuer erkauft ist, sei es ein ausgefeiltes Merchandising, das hohe Geldausgaben ermöglicht und einfordert – auch die japanische und die europäische Popkultur unterscheiden sich bei allen Gemeinsamkeiten.
Das dürfte wenig überraschen, doch erscheint aus dem europäischen und eurozentristischen Blick K-Pop in seinem Fandasein intensiver, extremer und womöglich auch gefährlich. Für Akari ist es dies zumindest, denn ihr eigenes Leben und Sozialleben sind kaum noch existent, werden von ihr selbst für den Support von Masaki zurückgestellt. Und als in Folge eines Skandals ihr Idol „in Flammen steht“, ist Akari bereit, ihr Letztes zu geben, um seine Beliebtheit zu retten.
Rin Usami gestattet uns einen Einblick in die Psyche eines jungen Menschen, der Halt und Orientierung verloren hat und sich an einen Popstar klammert, um Sinnhaftigkeit in der eigenen Existenz zu erfahren. So fremd und verstörend die Geschichte ist, so bedrückend und traurig wirkt sie auf mich. Und hat mich mit vielen Fragen und auch Neugier auf eine für mich wenig bekannte Kultur zurückgelassen. Ein wenig mehr Tiefe – das hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle erhofft, doch dafür ermöglichen die 125 Seiten ein kompaktes, zentriertes Leseerlebnis. Kürzer als so manche Bühnenshow, länger als ein Skandal, der aufflackert und wieder erlischt.

Bewertung vom 12.06.2023
Der letzte Sessellift
Irving, John

Der letzte Sessellift


ausgezeichnet

Wenn die Vorfreude mindestens so groß ist, wie der Roman seitenschwer! Und wenn ich mich in wunderbarer Frühlingsluft in die kalte Winterlandschaft von Aspen wünsche – dann muss es ein ganz besonderer Autor sein.
John Irving ist dieser Autor für mich. „Witwe für ein Jahr“ gehört für mich zu den großen Romanen, die mich schon über so viele Jahre in Gedanken begleiten. Und den ich immer, immer wieder zur Hand nehme. Und was wären Literatur- und Filmgeschichte ohne „Gottes Werk und Teufels Beitrag“?! Leuchtend rote Äpfel erinnern mich stets an Homer und Dr. Larch.
Dementsprechend hoch und noch viel höher waren meine Erwartungen an „Der letzte Sessellift“. Und dann endlich die ersten Seiten – und die erste Verwirrung. So viele Namen, wo ist die Geschichte?
Doch dann habe ich sie gefunden oder der Roman vielleicht eher mich. Hat mich gepackt, festgehalten, nicht mehr losgelassen. Denn all das, was ich mir erhofft hatte, da war es! Figuren, so herzerwärmednd wie skurril in ihrer Zeichnung. Eine Handlung, gekonnt und vielschichtig konstruiert und für mich so unvorhersehbar in ihren Entwicklungen, Wendungen, der Metaphysik als durchgängigem Motiv. Und vor allem und ganz viel davon: Die Geschichte ist ein Statement, so politisch, ein Appell für Gleichheit, Gleichberechtigung, der Liebe zum Menschen, unabhängig von seinem Geschlecht, biologischen und sozialen Konstruktionen und Zuschreibungen.
Ich möchte nicht so weit gehen, ihn als eine Pflichtlektüre zu bezeichnen – für diejenigen, die es bisher nicht verstanden haben und eine Gesellschaft, die sich in einem steten Entwicklungsprozess befindet. Über 1.000 Seiten Handlung sind nicht für jede*n zugänglich. Und doch ist der Roman wichtig. Sehr sogar.
Doch vor allem ist er für mich eins: ein großes, reichhaltiges, so schönes Lesevergnügen! Ein Buch zum Entdecken, Erkennen, Darübernachdenken. Und eine Geschichte, die neue Erinnerungen an den für mich so besonderen Autor schafft. Nur das Skifahren, das ist nach wie vor nichts für mich. Lieber bleib ich doch in der warmen Frühlingsluft, mit einem seitenschweren Roman in der Hand.

Bewertung vom 20.05.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Wasser, das Dir bis zum Hals steht. Hitze, die alles verbrennt und entzündet, was ihr ausgesetzt ist.
Die Folgen des Klimawandels mögen uns häufig noch abstrakt erscheinen, nach Sciene-Fiction klingen oder ein Schreckgespenst von zumeist jungen Menschen sein, die für ihre Protestaktionen ihr Leben riskieren. Doch hat die Apokalypse bereits begonnen. Und wir sind ein Teil von ihr. Und mittendrin.
T. C. Boyle lässt mit „Blue Skies“ keinen Zweifel zu: Das Wetter wandelt sich, die Erde gerät aus dem Gleichgewicht. Und er lässt uns die Folgen von steigenden Temperaturen, Überflutungen und die Verzweiflung der Menschen, die um ihr Leben und Fortbestehen fürchten müssen, hautnah spüren. Seine Figuren sind diesem Prozess dabei hilflos ausgesetzt, kämpfen zum Teil entschlossen gegen die nahende Katastrophe an, erleben ihre Ohnmacht, ihre Vergänglichkeit.
Extrem sind jedoch nicht nur die Verhältnisse, die Lebensbedingungen, die Kräfte der Natur, die auf und ihre Leben wirken, auch seine Charaktere erscheinen so. Cat, die „Python Mom“, eine Influencerin, die sich in Florida mit einem Bacardi-Botschafter ein gemeinsames Leben aufbaut. Und der von Dauerregen und Sturmfluten im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weggespült wird.
In Kalifornien kämpfen Ottilie, ihr Mann Frank und ihr Sohn Cooper dagegen mit den Auswirkungen von sengender Hitze, Dürre und Bränden, welche die Gegend zu entvölkern drohen. Cooper als Insektenforscher und körperliches Opfer seiner Forschungsobjekte erscheint dabei zu Beginn der Geschichte fanatisch-mahnend, ein Pessimist und Schwarzseher, was die Auswirkungen der Menschheit auf die Erde anbelangt. Doch wird er zum eigentlichen Propheten. Und wir alle Zeugen eines umfangreichenden Artensterbens.
Nach und nach schleicht sich das Grauen in die Geschichte, steigert sich, wird zur eigentlichen Apokalypse. Die Auswirkungen des Klimawandels erscheinen dabei so erschreckend real, werden von Boyle so glaubwürdig, realistisch und authentisch geschildert, dass mir der Atem stockte. Gänsehaut sich auf meinen Armen ausgebreitete. Und ich den Roman nicht aus der Hand legen konnte. Auch er liest sich wie eine Prophezeiung. Wie die Warnung vor unserem Untergang.

Bewertung vom 12.05.2023
Cult Classic
Crosley, Sloane

Cult Classic


ausgezeichnet

Die Büchse der Pandora – das ist „Cult Classic“ für mich, wenn ich den Buchdeckel einmal geöffnet habe und die Geschichte Raum findet, sich zu entfalten. Und was entweicht, ist weit mehr als ich erwartet habe. Es ist Humor und Sprachwitz so wunderbar und originell, das er mich zum Lachen und zum laut Vorlesen gebracht hat – Letzteres mag schon etwas heißen! Es ist eine Geschichte mit unerwarteten Wendungen und vor allem skurrilen Einfällen und Entwicklungen, die sich einfach nicht voraussehen lassen. Und was „Cult Classic“ vor allem ist: ein Roman, der alles ist außer gewöhnlich!
Doch noch mal zurück und ganz von vorn: Lola ist eher sprunghaft – vor allem, wenn es um die Wahl ihrer Männer und Dauer ihrer Beziehungen geht. Ihre Ex-Freunde könnten ein ganzes Buch füllen. Und tun sie in diesem Fall auch. Denn Lola begegnet ihnen plötzlich und unverhofft auf den Straßen und in Restaurants, beim Einkaufen, vor der Haustür und damit auf Schritt und Schritt. Wieviel Zufälligkeit kann in diesen zufälligen Zusammentreffen liegen, und ab wann wird das Unerwartbare bereits erwartbar?
Und dann passiert es: Es wird skurril! Geradezu unglaublich! Und zwar in einer Form, die nun ich nicht erwartet hätte. Und das ist gut, sehr gut sogar, denn die ganz eigene Dynamik und Bedeutungsebene, die nun aufgemacht werden, sind originell und besonders, bringen mich zum Staunen und lassen alles Vorherige und auch das Folgende in einem neuen Licht erscheinen. Denn bisher erschien mir die Geschichte durchaus „irdisch“ und mit Bodenhaftung, in der realen Welt verankert und den Gesetzen der Wissenschaft verpflichtet. War ich eine Närrin!
Und bevor ich noch zu viel verrate, beschränke ich mich auf: Findet es selbst heraus! Und habt dabei ebenso viel Lesefreude wie ich! Lacht über die Schlagfertigkeit einer Ich-Erzählerin, die sich nicht nur in die Herzen unzähliger Freunde und Ex-Freunde gestohlen hat! Und haltet Euch fest, denn es kommt einiges auf Euch zu!

Bewertung vom 01.05.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


sehr gut

Ein Rausch von Farben, Bildern, Poesie! Eine Geschichte, die modernes und doch zeitloses Märchen, Geistergeschichte und Erzählung einer großen Liebe zugleich ist – „Als wir Vögel waren“ sperrt sich gegen das Bekannte und klare Zuordnungen, steht für sich selbst und macht sich damit zu einer ganz besonderen Blüte in der bunten, reichhaltigen Pflanzenwelt Trinidads.
Ein Rastafari, der zum Totengräber wird – bereits der Einstieg ist so radikal und ungewöhnlich wie er zugleich eine Sprengung der eurozentristischen Lesegewohnheiten zu sein mag. Und nicht nur Religion, Tradition und Totenkult geben Einblicke in einen Kulturkreis, der bis heute in der westlichen Literaturlandschaft ein völlig unverdientes Schattendasein führt. Auch die wie selbstverständliche Verbindung des Diesseits mit der Geisterwelt, die Verflechtung dieser beiden Daseinsformen zu einem gleichberechtigen Ganzen, einer Vollständigkeit im Betrachten und Verstehen des Lebens und Sterbens, der gesamten Existenz ist neben einer Erweiterung und Bereicherung des eigenen Kulturverstehens vor allem eines: ein großer Lesegenuss.
Wie in diesem Setting eine Liebensgeschichte Raum finden kann? Ganz klar mit einer Begegnung der beiden füreinander Bestimmten in einem Traum oder auch einer Art Zwischenwelt und in Gestalt einer Frau, welche die Lebenden mit den Toten zu verbinden weiß und eine Grenzgängerin zwischen den Welten ist. Doch vor allem ist Yejide in ihrem Wesen nicht nur der Liebe eines aufrichtigen Mannes würdig, sondern vermag diesen auch zu erkennen, wenn das Schicksal ihn von seinem Weg abgebracht hat – und ihn in tiefe Gräben und Gruben wirft.
Aufgetaucht bin auch ich nach den letzten Zeilen und zwar aus einer fernen Lesewelt, die mich mit offenen Armen empfangen und mir den Zugang gewährt hat, mir mit ihrem Feuerwerk an Bildern und Symbolik aber auch das eine oder andere Mal den Fortgang der Erzählung zu erschweren drohte. Doch überwiegt der Reichtum dessen, was ich erfahren durfte, eine Sprache, die mir mit ihrer Schönheit im Ohr bleibt und eine Geschichte so zart und klug wie einzigartig.

Bewertung vom 19.04.2023
Malibu Rising
Reid, Taylor Jenkins

Malibu Rising


ausgezeichnet

Spätestens seit „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ leuchten meine Augen, wenn ich den Namen „Taylor Jenkins Reid“ lese – und unzählige Schmetterlinge fangen in meinem Bauch ganz aufgeregt an zu flattern.
Ein wenig fühlte ich mich dann auch wie ein Kleinkind an Weihnachten, als ich „Malibu Rising“ in meinen Händen halten und mit mir in meine gemütliche Leseecke tragen konnte. Was mich dann erwartete: wunderbare Lesestunden und eine Geschichte, die mich so sehr fesselte, dass mich selbst die erste warme Frühlingssonne nicht mehr vor die Tür locken konnte.
Wer ein traumhaftes Liebesgeschichte unter den Palmen Malibus erwartet, wird große Augen machen – und die Stadt mit all ihren Facetten kennenlernen. Denn auch, wenn Beachboys und Surfing in den hohen Wellen vor Malibus Küsten nicht zu kurz kommen – ganz im Gegenteil! –, sind die Riva-Geschwister in ihrer Kindheit und Jugend nicht gerade vom Glück verwöhnt. Ihr Leben ist ein harter Kampf, der nur dank ihrer Liebe füreinander zu gewinnen ist. Doch die Wogen und Auswirkungen sind bis in die Gegenwart zu spüren, eine Gegenwart, die in der Geschichte letztendlich aus einem einzigen Tag besteht: dem Tag der legendären Sommerparty der Rivas.
Cocktailschirmchen, Wasserspiele und Flirts, Flirts, Flirts – all das darf auf der Party selbstverständlich nicht fehlen, doch wird den Leser*innen noch viel mehr geboten. Denn dort, wo die High Society Malibus sich trifft, fallen bald die Hemmungen. Und die Kleider und Grenzen gleich dazu. Und wie in der guten klassischen Tragödie erreicht die gesamte Handlung hier ihren Höhepunkt, Konflikte verschärfen sich, brechen auf, Geheimnisse treten zu Tage und zünden im wahrsten Sinne des Wortes ein großes Feuerwerk.
Nach diesem fulminanten Finale tauche ich langsam wieder auf aus der Welt unter Palmen und gleißendem Sonnenschein und nehme überrascht das warme Frühlingslicht vor meinem Fenster war. Der Ausflug nach Malibu war ein intensiver, fesselnder Trip in das von Reid geschaffene Universum und ein wunderbarer Lesegenuss nicht nur für die grauen Regentage. Und jetzt hoffe ich darauf, ganz bald den nächsten Roman von Taylor Jenkins Reid in den Händen halten zu können und mich erneut mit ihr auf eine Abenteuerreise zu begeben.

Bewertung vom 07.04.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


sehr gut

Gleißender Sonnenschein, der Geruch von Pommes und Chlor, das träge Plätschern von Wasser am Beckenrand – all das verbinde ich mit den Besuchen im Freibad meiner Kinder- und Jugendzeit. Und das ist auch das Bild, das Arno Frank kunstvoll als Collage unterschiedlicher Figuren in „Seemann vom Siebener“ entstehen lässt.
Doch erhalten wir als Leser*innen erst nach und nach einen Gesamtblick auf die Szenerie, denn gleichen die einzelnen Charaktere, ihre Perspektiven und vor allem Vorgeschichten einer Vielzahl an Puzzlesteinen, die erst langsam das zusammensetzen, was der Autor uns glauben lassen will zu sehen.
Ist da auf den ersten Blick der flirrend heiße Spätsommertag in einer pfälzischen Kleinstadt mit ihren Bewohner*innen, die sich ein wenig Abkühlung, Ruhe und Zerstreuung beim Besuch des Traditionsbades versprechen, so zeigt sich zunehmend, dass dies nur der oberflächliche Schein ist. Der wie so oft trügt. Denn was sich mit fortschreitender Geschichte enthüllt, sind das Leid, der Tod und das Grauen sowie die persönlichen Schicksale der einzelnen Figuren, deren Auswirkungen das gesamte Gefüge des Mikrokosmoses zu prägen scheinen – und Schock, Traumata und eine Leere bis hin zu Wut und Unverständnis hinterlassen haben.
Was genau sich zugetragen hat, bleibt lange Zeit ein Rätsel, wir als Leser*innen werden auf Spurensuche geschickt. Und abseits der Abgründe stoßen wir dabei auch auf Momente des Lichts und der Zuversicht, wie etwa auf einer lange vergangenen Jugendliebe, die in den warmen Sonnenstrahlen wiederbelebt und möglicherweise zu neuem Wachstum angeregt wird.
Auf Dunkel folgt Hell, auf Leid folgt vielleicht nicht Freude, so doch aber Hoffnung.
Und dann hält die Geschichte ganz zum Schluss noch etwas völlig Unerwartetes für uns bereit! Ich konnte es kaum glauben, habe mit klopfendem Herzen noch einmal durch die vorherigen Seiten geblättert. Tatsächlich, so kann es gewesen sein! So kann es sich wirklich zugetragen haben! Ich will nicht zu viel verraten, außer, dass das Buch meine heiße Leseempfehlung ist – nicht nur für träge Sommertage am Pool, am Meer oder im städtischen Freibad!

Bewertung vom 27.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Ein neuer Suter! Meine Erwartungen waren hoch, und ungeduldig war ich dazu. Beides zu Recht. Denn der Roman ist all das, was ich mir so erhofft habe: ein Pageturner – intelligent, amüsant und wunderbar raffiniert konstruiert. Eine Überraschungsbox an Wendungen, Wirrungen und Enthüllungen. Ein Buch zum Gernhaben und immer wieder Lesen.
Der Kern der Geschichte: ein Geheimnis. Ein ungelöstes Rätsel. Eine große Liebe. Und all das will der ehemalige Unternehmer und Nationalrat Peter Stotz nicht mit ins Grab nehmen, aus welchem Grunde er den jungen Juristen Tom Elmer engagiert hat – als seinen Nachlassverwalter, Zuhörer, Hüter all des Ungesagten. Und als denjenigen, der die Fäden ordnet und den einen oder anderen Strang des Lebens für die Nachwelt auch aussortiert.
Ebenso wie die schöne Melody über Jahrzehnte von Dr. Stotz gedanklich Besitz ergriffen hat, ist auch Tom schon bald von der Geschichte über die Verschwundene, die schöne Verlobte fasziniert und in ihren Bann gezogen. All das Erfahrene, all das in der Vergangenheit Geschehene will sich nicht zu einem Ganzen zusammensetzen, das Bild bleibt mehr als unscharf und rätselhaft. Ebenso wie die zahlreichen Portraits der jungen Frau, die bei seinem Auftraggeber reliquiengleich die Wände zieren.
Nicht nur Tom lassen die Fragen keine Ruhe, was mit Melody geschehen, ob sie möglicherweise noch am Leben ist – mir als Leserin geht es genauso. In meinem Kopf sind ebensoviele Varianten des Möglichen wie es Hinweise zu geben scheint. Oder eben auch keine. Und auch ich möchte mich an ihre Spur heften, möchte endlich Klarheit haben und muss aus diesem Grunde immer weiterlesen. Möglichst ohne Pausen. Ungestört. In einem Guss. Dass ich so belohnt werden würde – aber ich will ja nichts verraten! Mich nur freuen über diese wunderbaren Lesestunden. Diesen fesselnden Roman. Den neuen Suter.

Bewertung vom 19.03.2023
Mary & Claire
Orths, Markus

Mary & Claire


ausgezeichnet

Frankenstein – das berühmte Monster, die Kreatur, die sich gegen ihren Schöpfer wendet! Doch was steckt eigentlich hinter dem Text? Wer ist die Schöpferin dieser Geschichte, genreprägend und unvergessen über die Jahrhunderte?
Markus Orths hat sich der bekannten Schriftstellerin angenommen, hat Mary Shelley in seinem Roman von frühester Jugend an begleitet, das Leben vor und während ihres Schaffens betrachtet. Doch nicht nur das, denn Mary ist es nicht allein, die im Mittelpunkt seines Romans steht! Ihre Halbschwester Claire Clairmont, nicht weniger talentiert und ebenso schillernd in ihrer Persönlichkeit, ist eine ihrer wichtigsten Bezugspersonen ihr Leben lang, so wie ihr späterer Ehemann Percy Shelley, Aristokrat, Schriftsteller, der Liebhaber beider Frauen.
Und da sind sie auch schon, die gesellschaftlichen Konventionen, die der Roman immer wieder in Frage stellt, die Grenzen und Fesseln, welche das Trio, die Ménage-à-trois, nicht zu akzeptieren bereit ist, der Freiheitsdrang und der Wunsch nach Selbstverwirklichung, die Mary, Claire und Percy leiten und in ihrem Leben und Schaffen antreiben. Dieser Bruch mit dem Bekannten, der Aufbau ihrer eigenen Welt machen aus, was letztlich ihre künstlerischen Entwicklungen vorantreibt, was Werke so ungewöhnlich wie revolutionär – gerade für Frauen ihrer Zeit – in ihrer Entstehung erst ermöglicht.
Ihr Umfeld aus Freigeistern und Egozentrikern weist ihnen hierbei oftmals Wege, spornt an, öffnet geistige Türen und wirft diese auch wieder zu. Ganz vorne und für sich, das Dreiergespann und die damalige Literaturszene von besonderer Bedeutung ist hierbei Lord Byron – ein großer Dichter, ein Mensch aus Abgründen und Scheußlichkeiten. Und mit schaffendem und zugleich zerstörerischem Charakter auf Mary, Percy und insbesondere Claire. Ohne ihn wäre wohl nie der Funke entzündet worden, der Frankenstein ins Leben bringt, doch bringt er auch Verderben und Tod.
Fiktion und Fakten, Dichtung und Wahrheit – Orths hat ein raffiniertes Geflecht aus Recherche und Ideenreichtum geschaffen, einen wunderbaren Roman, ein Stück Zeitgeschichte in poetischer Sprache. Und er hat Frauen eine Bühne gegeben, die ihnen zu ihrer Zeit verwehrt blieb, hat sie aus dem Schatten der Gesellschaft geholt – sie in die Herzen der Leser*innen geschrieben. „Der Körper, der dort liegt, ist nicht tot.“ Markus Orths hat ihn wieder mit Leben gefüllt.