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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 21.11.2022
Das letzte Grab - Ein Fall für Carla Winter (MP3-Download)
Erler, Lukas

Das letzte Grab - Ein Fall für Carla Winter (MP3-Download)


sehr gut

Carla Winter ist eine erfolgreiche Strafverteidigerin. Mittlerweile glücklich geschieden führt sie das Leben eines Single, One-Night-Stands nicht ausgeschlossen. So auch jetzt, der sehr viel jüngere Mann schläft noch tief und fest, sie jedoch muss in die Kanzlei. Hier taucht ein Mitarbeiter des türkischen Generalkonsulats auf, der ihr Schockierendes mitteilt: Felix, ihr Ex-Mann, ist bei einem Unfall bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Ihre Wohnung wurde währenddessen durchsucht, durchwühlt…

…so ist die Ausgangssituation, die sich für Carla zunehmend als Albtraum erweist.

Dem ungekürzten Hörbuch, gesprochen von Jutta Seifert, habe ich 8:06 Stunden gelauscht. Ihre angenehme Stimme hat mich in diesen verworrenen Fall eintauchen lassen, ich habe ihr gerne zugehört.

Bald steht fest, dass es hier um Raubkunst im weitesten Sinne geht, um eine antike Statue im Besonderen. Ein rasantes Wettrennen nicht nur gegen die Zeit beginnt. So nach dem Motto: Carla gegen den Rest der Welt. Die Polizei ist schon auch involviert, jedoch tauchen so einige andere Gestalten auf, alle mit vielen Fragezeichen behaftet. Wer spielt hier falsch?

Um Kunstraub und den Schmuggel dessen rankt sich die Story. Mittendrin die Frankfurter Anwältin Carla Winter, die mir zeitweise schon sehr suspekt vorkommt, die permanent Alleingänge unternimmt, die so manch zwielichtigen Individuen vertraut. Eher oberflächlich. Viel passiert, es wird zunehmend gefährlich und doch habe ich zeitweise das Gefühl, dass alles zu schnell abgehandelt wird. Als ob vieles angerissen und dann doch nicht zu Ende gebracht wird. Und doch ist Wesentliches absehbar, sehr bald durchschaubar.

Ein in weiten Teilen rasanter Krimi, der sich zuweilen in Nebensächlichkeiten verliert mit einem Ende, das überraschen mag. Für mich war dies eher folgerichtig.

Bewertung vom 15.11.2022
Kinder des Aufbruchs
Winter, Claire

Kinder des Aufbruchs


ausgezeichnet

Die 1968er Jahre stehen im Focus, von der deutsch-deutschen Vergangenheit erzählt Claire Winter in ihrem so eindrucksvollen Roman „Kinder ihrer Zeit“. Die studentischen Protestbewegungen sind in vollem Gang, der Mauerbau liegt mittlerweile sechs Jahre zurück, der Geheimdienst ist auf beiden Seiten aktiv, es gibt die Fluchtwilligen und diejenigen, die ihnen helfend zur Seite stehen.

Vor diesem Hintergrund begleite ich die Zwillingsschwestern Emma und Alice, die ich schon aus dem so fesselnd geschriebenen Buch „Kinder ihrer Zeit“ kennen- und schätzengelernt habe. Das Wiedersehen mit ihnen ist, wie alte Bekannte treffen. All die kurzen Einflechtungen machen es leicht, mich an das Vorgängerbuch zu erinnern. Die Schwestern leben mit Julius und Max, ihren Ehemännern, in Berlins Westen. Emma trifft als erfolgreiche Dolmetscherin die Mächtigen ihrer Zeit, privat läuft nicht alles wie geplant. Und Alice, die sehr engagierte Journalistin – kann sie ihre DDR-Vergangenheit jemals abstreifen? Sie wuchs im Osten auf, bei der Flucht als 11jährige wurde sie von Mutter und Schwester getrennt.

Es waren schon unruhige Zeiten, viel alter Mief wurde über den Haufen geworfen, es herrschte Aufbruchstimmung. Die Europareise des Schahs von Persien war geprägt von Gewalt und Protesten. Die plastische Beschreibung während der Demonstration in West-Berlin macht deutlich, wie rigoros hier vorgegangen wurde. Dies uns vieles mehr ist ins Buch mit eingeflossen, die Autorin hat hervorragend recherchiert, Wahrheit und die fiktive Geschichte um Emma und Alice hat sie aufs Beste vereint. Es liest sich stellenweise wie ein Agenten-Thriller vom Feinsten. Die aufgeheizte Stimmung spüre ich beim Lesen deutlich, ich bin tief drin im Geschehen, mein Geschichtswissen ist dank Claire Winter wieder aufgefrischt worden.

Eine spannende Zeitreise ist zu Ende, die „Kinder des Aufbruchs“ tragen viel zum besseren Verständnis unserer neueren Geschichte bei. Deutschland war geteilt. Es war eine aufregende Zeit vor gut fünfzig Jahren inmitten des Kalten Krieges. Ein Buch, das mir unsere Geschichte auf gut lesbare, unterhaltsame und spannende Weise nahe gebracht hat. Mein Tipp: Unbedingt lesen, es lohnt sich!

Bewertung vom 15.11.2022
Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3
Izquierdo, Andreas

Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3


ausgezeichnet

Es heißt Abschied nehmen von den drei Freunden. Von Isi, der Anwältin der kleinen Leute, von Carl, dem Kameramann bei der UFA und von Artur, dem König der Halbwelt. Der Abschluss der Wege-der-Zeit-Reihe ist ausgelesen, „Labyrinth der Freiheit“ ist der dritte und letzte Band.

Der Einstieg in diesen letzten Teil der Reihe beginnt rasant mit viel Herzklopfen und Sorge um sie alle. Das Telefon läutet, Isi kommt nicht mehr dazu, abzunehmen, Unbekannte dringen ins Haus. Sie rettet sich mit einem mutigen Sprung mit schwerwiegenden Folgen, die Eindringlinge hinterlassen eine Spur der Verwüstung.

Wir sind im Berlin des Jahres 1922. Die Nachwehen des Krieges sind noch deutlich zu spüren, die Goldenen Zwanziger noch in weiter Ferne. Isi, Carl und Artur verlieren sich nie ganz aus dem Augen. Braucht einer Hilfe, sind die anderen für ihn da und so manches Mal sind Arturs Verbindungen zur Unterwelt durchaus hilfreich. Denn nicht nur rechtsnationale Gestalten gilt es abzudrängen.

Der geschichtliche Hintergrund ist das Grundgerüst, darum rankt sich der Alltag der kleinen Leute wie etwa das unbedarfte Dienstmädchen, das in die Fänge skrupelloser Typen gerät. Isi kämpft an allen Fronten, sie will Gerechtigkeit und bleibt dabei selber auf der Strecke. Die mächtigen von Torstayns, ihre angeheiratete Familie aus den besseren Kreisen, wollen sie vernichten. Auf Artur, den man nur mit halbseitiger Gesichtsmaske kennt, und seine Truppe ist Verlass. Carl erzählt von ihnen allen. Mit ihm, dem eher ruhigen, besonnenen Kameramann, wird Kino lebendig. Das Licht-Ton-Verfahren sollte den bis dahin geschätzten Stummfilm ablösen. Es gibt diejenigen, die an den Fortschritt glauben und die anderen, die dies als nicht realisierbar abtun.

Auf unterhaltsame Weise führt Andreas Izquierdo seine Leser durch diese Jahre. Spannend und zunehmend dramatisch bis zur letzten Seite. Drei Freunde, deren Lebensgeschichte vor dem historischen Hintergrund den Zeitgeist von damals reflektiert. Der gelungene, sehr lesenswerte Abschluss der Trilogie, ist auserzählt, bei dem nicht nur die Geschichtsinteressierten voll auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 14.11.2022
Das letzte Versprechen
Lind, Hera

Das letzte Versprechen


gut

Ihre so tiefberührende Lebensgeschichte erzählt Anni Eckardt der Autorin Hera Lind, die – wie diese selber sagt – sich lange nicht an diesen so aufwühlenden Stoff herangetraut hat. „Ein Ozean reicht nicht für meine Tränen…“ Nachdem ich das Buch zugeklappt habe, kann ich Annis Wort verstehen.

Weihnachten 1944 beginnt die Odyssee der fünfjährigen Anni, die bis dahin friedlich im Kreise ihrer Familie lebt. Die Donauschwaben wollen sie ausrotten, sie hatten im damaligen Jugoslawien ihrer Meinung nach nichts zu suchen. Annis Mutter wurde mit den anderen jungen Frauen und Mädchen zusammengetrieben, in einen Viehwagen verfrachtet, einer ungewissen Zukunft entgegen. „Lass Anni nie aus den Augen“ schreit sie ihrer Schwiegermutter noch zu. Kurze Zeit später ereilt den Kindern dasselbe Schicksal, Annis heiß geliebte Oma kann sich gerade noch in den fahrenden Wagon zu ihrer Enkelin hinaufziehen.

Bis ins hohe Alter erfahre ich von einer starken Frau, die immer für andere da ist, sich immer hintanstellt. Das Leben spielt ihr übel mit, sie lässt sich nie unterkriegen, sie hat ihre Oma und auch ihren Opa väterlicherseits an ihrer Seite. Auf sie kann sie bauen, sie lassen sie nie im Stich. Auch aus Amalies Blickwinkel – Annis Mutter – wird die schier unmenschliche Geschichte erzählt. Wie kann ein Mensch so viel aushalten? Sie wird nach Sibirien verschleppt, viele Frauen überleben das Arbeitslager nicht. Diejenigen, die doch aus diesem Martyrium herauskommen, sind zeitlebens gebrochen.

Hera Linds Roman nach einer wahren Geschichte ist sehr ergreifend. Was kann ein Mensch aushalten? Von den Donauschwaben habe ich zwar gehört und doch waren sie mir in dieser Gänze nicht bekannt. Geschichtsunterricht gibt es zwischendurch in Form von Gesprächen von Oma und Opa, die Anni viel Informatives erzählen. Diese längeren Passagen wirken jedoch zu aufgesetzt. Ein kleines Mädchen ist mit dieser Art Aufklärung überfordert, sie begreift dies schlichtweg nicht. Dieses Stilmittel dient wohl dazu, den Lesern kompaktes Wissen zu vermitteln, was schon interessant ist, diese Gesprächsform hat für mich jedoch so gar nicht gepasst.

Der geschichtliche Hintergrund, die schmerzhafte Lebensgeschichte, vermengt mit Fiktivem ist sehr ergreifend. „Das letzte Versprechen“ hat mich sehr berührt, sie hat mich so manches Mal innehalten lassen und erschüttert, zum Schluss auch versöhnt. Uns so lege ich meinen ersten Roman von Hera Lind zur Seite. Das Titelbild sehe ich danach mit ganz anderen Augen, es kann nicht annähernd die Tragik dessen wiedergeben, was ich soeben gelesen habe.

Bewertung vom 11.11.2022
Amissa. Die Überlebenden / Kantzius Bd.3
Kodiak, Frank

Amissa. Die Überlebenden / Kantzius Bd.3


ausgezeichnet

Auch der dritte und letzte Teil von Amissa ist ein raffiniert konstruierter Wettlauf gegen das organisierte Verbrechen. Amissa ist eine Organisation, die weltweit nach vermissten Personen sucht. Mafiöse Machenschaften drängen diese von einer Privatperson gegründeten Hilfsorganisation an den Rand der Legaliät.

Sie hätten auch mit dem Auto fahren können, der Bärtige hat es jedoch vorgezogen, mit dem Boot die versteckte Hütte, in der sie die drei Frauen vermuten, anzusteuern. Für diesen für die winterliche Jahreszeit ungewöhnlichen Weg spricht so einiges, das muss auch Jesper, der zweite Mann, sich eingestehen – schon das Überraschungsmoment spricht eindeutig dafür. Derweilen prasselt das Holzfeuer in der Hütte und sorgt für wohlige Wärme. Diese Beschaulichkeit hat bald ein Ende, der Einstieg ist gelungen - nichts anderes habe ich erwartet. Denn dass es so ruhig und friedlich bleibt, ist eher unwahrscheinlich. Von Missing Order ist irgendwann die Rede, schon der Name macht deutlich, dass es hier um Vermisste geht. Wie hängt das alles zusammen?

Jan und Rica, die beiden Privatermittler, sind wieder mit von der Partie, auch wenn Rica nun Jans Urne über den Friedhof trägt – wird sie diesen für sie so schmerzlichen Verlust jemals überwinden? Alles schreit nach Rache, nach Gerechtigkeit!

Noch bin ich ratlos, zu viel stürzt auf mich ein. Mehrere Handlungsstränge führen mich unter anderem nach Rumänien in ein Kinderheim, in die Schweiz, hoch hinauf in ein feudales Chalet, zwischendurch in eine Fischerhütte, auch in die Sonne Jamaikas… Ein Menschenhändlerring muss zerschlagen werden, die Strippenzieher dahinter sind gut getarnt und zu allem fähig. Sie haben ihre aufs Brutalste abgerichteten Helfer, selber treten sie mit einer nach außen hin weißen Weste auf.

Als Winkelmann-Fan bin ich gegen Frank Kodiaks Bücher nicht immun, will es auch gar nicht sein. Zu aufregend geht es in seinen Büchern zu. „Die Überlebenden“ sind wiederum Garant für spannende Unterhaltung. Die Thriller-Trilogie ist zu Ende erzählt, die fein gesponnenen losen Fäden sind taktisch klug zusammengeführt, es waren äußerst nervenaufreibende Lesestunden. Um diese so richtig genießen zu können, sollte die drei Bände zum besseren Verständnis der Reihe nach lesen. Für Thiller-Fans wie gemacht.

Bewertung vom 10.11.2022
Das Schlaflabor
Meller, Marc

Das Schlaflabor


sehr gut

Wer kennt sie nicht, die durchwachten Nächte, in denen man kein Auge zutut. Am nächsten Morgen ist man wie gerädert, möchte sich verkriechen und doch muss man funktionieren. Auch Tom Sonnborn leidet sehr an seiner Schlaflosigkeit. Der Job steht auf der Kippe, es muss sich dringend etwas ändern. Eine Klinik in der Schweiz verspricht Abhilfe. Ihre angebotene neuartige, fünftägige Therapie ist zwar ausgesprochen teuer, auch ist ihre Methode wissenschaftlich noch nicht erwiesen und doch ist es ein Strohhalm, an den Tom sich verzweifelt klammert.

Schon die ersten Seiten rauben mir den Schlaf, es geht heftig zur Sache. Miriam, eine Leidensgenossin von Tom, macht einen nächtlichen Spaziergang. Das hätte sie besser bleiben lassen sollen. Kurz darauf sitzt Tom im Zug Richtung Schweiz. In der Gerolamo-Cardano-Klinik wird er herzlich willkommen geheißen, die Zimmer sind karg, so manche Behandlungsmethode seltsam und doch schläft er wie lange nicht mehr.

Mehrere Todesfälle im weiteren Umfeld dieser Klinik rufen die Kantonspolizei Bern auf den Plan. Merkwürdiges geschieht, der Albtraum legt sich wie ein wabernder Nebel um Das Schlaflabor. Schon der Klappentext verrät, dass Tom in einen Mordfall verwickelt sein soll. Blöd nur, dass er einen kompletten Filmriss hat, sein Erinnerungsvermögen lässt ihn diesbezüglich total im Stich.

Marc Meller versteht es, die stetige Ungewissheit aufrecht zu erhalten. Ist Tom infolge seiner Insomnie tatsächlich ein Mörder? So einige Theorien entwickeln sich während des Lesens, ich vertraue niemandem mehr. Und je weiter ich lese, traue ich so manchem alles zu. Meine Sympathie gehört Tom – immer noch, auch wenn er zeitweise schon eigenartig agiert und reagiert. Auch so mache Behandlungsmethode klingt abenteuerlich, ich nehme es hin, frage mich aber schon, ob dies nicht ein wenig zu dick aufgetragen ist. Das Schlaflabor entwickelt sich zeitweise zu einem Road Movie. Rasant, undurchsichtig, manipulativ. Ich habe einen starken Verdacht, es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass ich lange Zeit einem bis dahin unverdächtig scheinenden Typen zu wohlgesonnen war. Aber kann das sein? Letzte Zweifel bleiben. Letztendlich hat der Autor hat mich geschickt auf eine falsche Fährte gelockt.

Neben den Thriller-Elementen erfahre ich so einiges über Insomnie. Diese eher trockenen Einschübe sind schon auch interessant, für die Story ist es jedoch eher irrelevant, z. B. über Panpsychismus zu philosophieren.

Ein rasanter Thriller, der sich ab und zu in Nebensächlichkeiten verliert, mit interessanten, teilweise sehr suspekt wirkenden und zweifelhaften Charakteren und einem über weite Strecken schlaflosen Hauptakteuer, der seinen persönlichen Albtraum durchlebt. Das ganze Schlaflabor hat mich gut unterhalten und mich ganz schön auf Trab gehalten. Ein durchaus gutes Buch mit Abstrichen, viel Action und spannend bis zum Schluss.

Bewertung vom 07.11.2022
The Dark
Haughton, Emma

The Dark


sehr gut

Die Gegend trägt den Spitznamen Weißer Mars zurecht, wie die Notärztin Kate North feststellt. Es ist der kälteste und verlassenste Ort der Erde, dieses unwirtliche Fleckchen ist ihr Zuhause für die nächsten zwölf Monate. Nachdem sie endlich aus dem kleinen Flugzeug steigen kann und neben der UN-Forschungsstation nichts sieht als Schnee und Eis, ist ihr noch nicht bewusst, auf was sie sich da einlässt. Ihr Antarktis-Abenteuer beginnt, die Sommercrew wird ausgeflogen, zurück bleiben die 13köpfigen Überwinterer. Noch ist Kate voll motiviert.

Schon das Cover macht deutlich, dass hier eine Lichtquelle unabdingbar ist, auch wenn eine Taschenlampe die Düsternis immer nur punktuell durchdringen kann. Die ersten Seiten lesen sich ganz gut und dank des sehr hilfreichen Personenregisters kann ich sie alle bald zuordnen. Sie kommen aus allen Ecken der Welt, es sind neben den Forschern auch jene, die die Station am Laufen halten. Noch ist es draußen hell, die monatelange Dunkelheit naht jedoch mit Riesenschritten.

Bald erfährt Kate von Jean-Lucs Schicksal, ihrem Vorgänger. Wie tragisch sein Unfall und die Umstände darum waren, wird ihr erst später bewusst - keiner will darüber reden, sie blocken ab. War Jean-Lucs Tod ein Unfall oder befindet sich gar ein Mörder unter ihnen? Es geschehen Dinge, die zunächst seltsam anmuten. Jedoch wird es zunehmend mysteriös und unheimlich. Aus Kates Sicht durchlebe ich all diese Vorkommnisse und Ungereimtheiten. Bildet sie sich dies alles ein? Hat sie gar Wahrnehmungsprobleme? Es wird zunehmend beklemmend, die mörderische Kälte tut ein Übriges. Bald traut Kate keinem mehr über den Weg, zumal weitere Todesfälle nicht aus bleiben.

Dem kurzen Einstieg in diese düstere Geschichte folgen viele Seiten, in denen ich die Crew und ihren Alltag auf der Station besser kennenlerne. Ähnlich wie Kate gelingt es mir jedoch nur bedingt, sie richtig einzuschätzen, sie lassen sich nicht in die Karten schauen. So etlichen traue ich alles zu, trauen würde ich keinem.

Nach den so spannend wie informativen Anfangsseiten dümpelt es so dahin, gefühlt habe ich auf der Station und drumherum alles x-mal durchlebt. Endlich dann zieht die Story wieder an - je weiter ich lese, desto nervenaufreibender wird es. Das zunehmend bedrohliche Szenario endet actionreich - nichts für schwache Nerven. Es braucht schon eine ganze Weile, bis der Thriller als solcher bezeichnet werden kann. Aber dann ist es wie ein Sog, das Buch kann nicht mehr weggelegt werden.

Bewertung vom 04.11.2022
Die Spur der Luchse / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.10
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Die Spur der Luchse / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.10


sehr gut

Einen weiteren Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss hat das Autorenduo Voosen/Danielsson mit „Die Spur der Luchse“ vorgelegt, ihre 10. Ermittlung.

Es geht spannend los. Der Prolog wirft viele Fragen auf und diese ziehen sich durchs Buch, ohne dass man diese ersten Seiten ins nachfolgende Geschehen einordnen könnte.

Eine radikale Aktivistenzelle aus etwa zehn Leuten haben ihr Lager mehrere Kilometer von Green Village entfernt aufgeschlagen, sie nennen sich Wilde Luchse. Sie sind inmitten eines unter Naturschutz stehenden Mischwaldes, der sich über 9.000 ha ausbreitet. Ob dieser weiterhin als geschützter Raum betrachtet werden kann, muss gerichtlich entschieden werden.

Im Rahmen eines Biologieprojekts haben vier Oberstufenschüler eine Mottenfalle aufgebaut, um die Vielfalt dieser Spezies zu bestimmen. Zwei Lehrer begleiten ihre Exkursion. Diese kleine Gruppe hat auch hier, im Naturschutzgebiet, ihre Zelte aufgeschlagen. Erst in der darauffolgenden Nacht wacht die Lehrerin auf, von den anderen fehlt jede Spur.

Und bald darauf brennt der Wald. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Nyström und Forss, die beiden Ermittlerinnen, sind sehr eigenwillige Charaktere. Sie kennen sich schon lange und auch wenn sie immer wieder aneinandergeraten, sich dann wieder eher ignorieren, arbeiten sie doch gut zusammen. Es gilt, die vermissten Schüler mitsamt ihrem Lehrer zu finden und in dieser misslichen Lage – die Flammen kommen immer näher – ist dies eine verzweifelte Suche, die Zeit läuft ihnen regelrecht davon. Und zwischendrin erfahren die Leser die Gedanken einer lange unbekannten Person, die sich selber als Monster sieht.

Der Krimi verspricht gute und spannende Unterhaltung und gibt bis fast zum Schluss sein Geheimnis nicht preis. Den Charakteren habe ich ihre Ambitionen voll abgenommen, auch wenn ich so manche Person ob ihres Verhaltens kritisiert habe. Nicht nur den beiden Hauptakteurinnen bin ich gerne gefolgt, auch die anderen Figuren waren authentisch, allesamt mit genug Ecken und Kanten. Und diese Charaktere waren sowohl bei der Polizei zu finden als auch in der Elternschaft der vermissten Kinder. Ein rundum gelungenes Gesamtpaket, das durch den Schluss leider etwas gelitten hat. Wie zurechtgebogen, zu gewollt, wurden auf die Schnelle so einige Auflösungen dargeboten.

Nyström und Forss haben viel miteinander erlebt und es bleibt natürlich nicht aus, dass so manches Mal Bezug zu den Vorgängerbänden gezogen wird. Da wäre es schon besser, alle Bücher zu kennen und doch ist jeder Band in sich abgeschlossen. Wer Wert auf alle Details legt, sollte die ganze Reihe gelesen haben, wer dies allerdings nicht unbedingt braucht, der kann durchaus in diese ´Spur der Luchse´ einsteigen.

Ein spannender 10. Fall, der mich durchweg – bis auf den zu gewollten Schluss - gefesselt hat. Der Epilog dann begleitet unsere Akteure noch ein Stück ihres Weges, nachdem sie sich alle von den aufreibenden Tagen ins Private zurückziehen.

Bewertung vom 04.11.2022
Herzschuss / Kreuthner und Wallner Bd.10 (MP3-Download)
Föhr, Andreas

Herzschuss / Kreuthner und Wallner Bd.10 (MP3-Download)


ausgezeichnet

Seit nunmehr 13 Jahren ermitteln Wallner und Kreuthner. Sie schätzen sich, zuweilen nerven sie sich auch gewaltig und nun steht Kreuthner unter Mordverdacht. Natürlich drängt Wallners neue Chefin Carla Tiedemann auf einen schnellen Abschluss. Schon klar, ein Polizist unter Mordverdacht trägt nicht gerade zum Renommee der Polizeiinspektion Miesbach bei.

Der 10. Fall um die beiden Kult-Ermittler Wallner und Kreuthner steht an und der hat es ordentlich in sich. Der Mord um den Abgeordneten Gansel will aufgeklärt werden, da wird so einiges aus der Vergangenheit zutage gefördert, das nicht jedem passt. Als herauskommt, dass Kreuthner früher mit Philomena, Gansels Frau, verbandelt war, schaut es für den Herrn Polizeihauptmeister erst recht nicht gut aus.

„Herzschuss“ kommt mit viel Lokalkolorit daher mit sympathischen Figuren und auch solchen, die ich eher nicht so mag. Schon auch kauzig und knorrig, ja eigenwillig sind sie, wie es halt ist im richtigen Leben, da kann man auch nicht mit jedem und mögen muss man sowieso nicht alle. Die Story entwickelt sich, ich erfahre so einiges über die hier Agierenden, kann sie schon einigermaßen einschätzen - es wird zunehmen spannend. Und nicht mittendrin, aber doch dabei ist Wallners schlitzohriger Opa – ein herrlicher Spaß.

Zu dem humorigen Schreibstil passt das Cover hervorragend. Da fühlt man sich doch gleich an ein stilles Örtchen mit einem doch eingeschränkten Blick auf den See versetzt. Ja, es erfüllt schon ein typisch bayerisches Klischee und doch wirkt es für diesen Kriminalfall nicht zu aufgesetzt.

„Jedes Verbrechen hat seine Geschichte.“ Und diese Geschichte hat mir Michael Schwarzmaier im Hörbuch vom Argon-Verlag sehr anschaulich geschildert. Er spricht hochdeutsch, gut verständlich auch für nicht-Bayern. Und doch ist sein Vortrag unverkennbar bayerisch eingefärbt, anders wäre es gar nicht möglich und würde dem Krimi seinen charakteristischen Charme nehmen. Er spricht so, wie einem Bayern der sprichwörtliche Schnabel gewachsen ist. Jedem einzelnen lässt er seine Eigenheiten, man kann sie alle gut auseinanderhalten. Er ist der perfekte Sprecher hierfür, ich bin von seiner Darbietung begeistert.

Ein gelungener Krimi mit launigen Dialogen, der mich gut unterhalten hat. Ein Hörgenuss. Immer wieder gerne wieder.

Bewertung vom 01.11.2022
Frau in den Wellen
Kramlovsky, Beatrix

Frau in den Wellen


gut

Beatrix Kramlovsky erzählt von der „Frau in den Wellen“, von Joni, einer erfolgreichen Frau, die – so scheint es mir – stets sich selbst als erstes sieht. Sie ist unkonventionell, willensstark, sie ist selbstbestimmt und über die Maßen selbstbewusst. „Ihr solitäres Leben wäre Beweis für Überheblichkeit und Bindungsangst…“ so wird sie von außen betrachtet.

Warum ist Joni so, wie sie ist? Die Kindheit prägt – natürlich! Sie ist ganz anders als ihre Eltern und doch ist sie ihnen in ihrem Freiheitsdrang sehr ähnlich. So nach und nach erfahre ich mehr von ihr, sie begibt sich auf die politische Ebene mit Georg, er nimmt sie mit nach Ostberlin in seiner Funktion als Diplomat. Gattin sein ist ihr nicht genug, da kann ich sie gut verstehen. Sie will mehr, auch ihre Tochter steht ihr dabei nicht im Weg, gibt es doch noch den Vater dazu. Und hinter ihm steht seine österreichische Familie, da kann Joni unbesorgt um die Welt jetten. Joni habe ich als selbstbewusste, ja als egoistische Karrierefrau wahrgenommen, die sich gerne selbst beweihräuchert, die groß denkt, für das tägliche Allerlei jedoch keine Zeit verschwenden will. Eine Frau, die alles erreicht hat und mit ihren Kindern glänzen kann, ihnen den Alltag jedoch strikt verweigert. Sie ist einfach nicht da. Auch als ihr Sohn geboren wird, hält sie nichts in der Bürgerlichkeit. Sie widmet sich voll und ganz ihrer Karriere, die Kinder werden in den wenigen gemeinsamen Stunden mit Luxus überschüttet.

Diese Frauen mag es geben, keine Frage. Aber eher legt so ein konsequentes Verhalten ein Mann an den Tag und wird von seiner Frau, seiner Familie nach Kräften unterstützt. Hier ist es umgekehrt und schon wird „Die Frau in den Wellen“ kritisiert.

Aus mehreren Blickwinkeln betrachte ich Joni. Sie erzählt sich selbst ihre Gedanken, spricht über ihr Leben. Über die weltoffene Frau mit ihren globalen Kontakten, auch über ihre Rolle als Mutter zweier Kinder, die eher mit Abwesenheit glänzt als das sie für sie da wäre. In diesen kursiv gehaltenen Passagen habe ich zwar viel von ihr erfahren und doch waren mir diese Eindrücke zu steril, zu fremd. Gelesen habe ich sie dennoch, war aber jedes Mal froh, wenn diese ihre Zwiesprache mit sich selbst ein vorläufiges Ende hatte.

Ein weiterer Erzählstrang widmet sich dem Cybermobbing und seinen Auswüchsen, die ins echte Leben abgleiten. Diese Einblicke waren sehr interessant, die Wirklichkeit in den gar nicht so sozialen Foren spricht genau diese Sprache.

Überfrachtet war Jonis Weltbild mit politischen und gesellschaftlichen Einwürfen, die allesamt in diese Zeit passen. Überfrachtet deswegen, weil vieles angeschnitten wurde und doch keine Tiefe fand.

„Eine Frau geht ihren eigenen Weg und zahlt dafür einen Preis.“ So wird das Buch beworben. Aber welcher Preis ist damit gemeint? Sie nimmt sich alles, lässt für die anderen nur das übrig, was sie sowieso nicht will. Nein, einen Preis zahlt sie nicht, den zahlen eher die anderen.

Für das Buch habe ich mir Zeit gelassen, die Person Joni mochte ich meistens nicht. Ihre Geschichte ist gut erzählt und auch da mochte ich die Selbstgespräche am wenigsten, sie waren mir zu langatmig. Es ist kein Buch, das ich mal so nebenbei lese. Nicht mal eins, das ich am Stück konsumiere, mir kurz Gedanken mache, ein paar Zeilen schreibe und – das Nächste bitte! Nein, in Jonis Geschichte musste ich mich hineinfinden. Es war nicht immer einfach, zu sperrig waren viele Seiten. Das antiquierte Rollenbild wird hier aufgebrochen, keine Frage. Aber mit welchen Mitteln? Eine starke Frau mit Anhang kann immer nur dann stark sein, wenn andere für sie bedingungslos da sind. Und so ein Agieren nenne ich verantwortungs- und rücksichtslos. Das hat nichts mit Stärke zu tun.