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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 649 Bewertungen
Bewertung vom 19.09.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


weniger gut

„Er ahnt auch, dass er, egal welche Anstrengungen er auch unternehmen mag, sie seinerseits nicht bezaubern wird. Nicht jedem ist‘s gegeben zu bezirzen.“

"Ich verliebe mich so leicht" ist ein französischer Roman über die Liebe und erzählt in zwölf Kapiteln von einer Begegnung, unerwiderter Liebe und zeigt einen hartnäckigen 50-jährigen Mann, der mit romantischen Vorstellungen nach Schottland reist, um die 30-jährige Pariserin wiederzusehen, in die er sich unsterblich verliebt hat. Doch seine Avancen stoßen auf sanfte Zurückweisung, denn die Pariserin hat längst einen neuen Partner.
Es geht darum, eine einseitige Liebe loszulassen. Hervé Le Tellier zeichnet einen literarischen Versuch, diesen tragischen Moment überquellender Gedanken und Gefühle einzufangen, der sich in die Länge zieht, weil jede nette Geste als rettende Insel in einem endlosen Meer der Niedergeschlagenheit gedeutet wird. Held und Heldin durchlaufen ein Theaterstück, während die Zuschauer dem Erzähler lauschen. Lachen Held und Heldin, erfährt man nicht worüber. Die Handlung ist beinahe nebensächlich und lebt von Andeutungen und stillen Metaphern. Der schöne Erzählstil hat mir gut gefallen, während die Handlung ohne Höhepunkte verläuft. Ein Buch, dem ich 2,5 Sterne gebe und welches durchaus einen Blick wert sein kann, für jeden, der experimentelle Kurzgeschichten mag.

Bewertung vom 19.09.2022
Das Glück auf der letzten Seite
Bonidan, Cathy

Das Glück auf der letzten Seite


ausgezeichnet

Anne-Lise macht Urlaub in einem bretonischen Hafenstädtchen und findet in ihrem Hotelzimmer ein zutiefst berührendes Manuskript. Durch ihr Engagement erhält der Autor sein, seit dreiunddreißig Jahren, verschollenes Werk zurück. Daraus entsteht ein Briefwechsel zwischen den beiden und es stellt sich heraus, dass ein unbekannter Autor das Manuskript weitergeschrieben und beendet hat. Anne-Lise macht sich auf die Suche nach dem unbekannten Verfasser und schreibt ihrer besten Freundin und dem Autor. Zudem korrespondiert sie mit Lesern des Manuskriptes: „Ich glaube zunehmend, Maggie, dass dieses Manuskript die Kraft hat, unsere Schutzmauern einzureißen. Seit es in Zimmer 128 aufgetaucht ist, verfolgen wir seinen Weg von Leser zu Leser, und sobald wir in seinem Namen sprechen, öffnen sich Türen und hellen sich Gesichter auf.“ Vgl. 51

Der Klappentext ist hier absolut zutreffend: Es ist ein Feel-Good-Briefroman mit melodischer Wortwahl und einem literarischen Rätsel, dessen Lösungssuche süchtig macht und berührende Geständnisse und schicksalhafte Begegnungen hervorbringt. Cathy Bonidan verbindet auf besondere Weise den Zauber des Briefeschreibens mit der Leidenschaft zur Literatur, die „verwundete Herzen aufbricht“ Vgl. 52. Außerdem fliegt man förmlich durch die kurzen Brief-Kapitel, die zwei bis vier Seiten umfassen. Das liegt aber auch an der charmant gewählten Schreibweise, die aus der Zeit gefallen scheint, aber wohltuend und teilweise sehr humorvoll ist, und natürlich den bezaubernden Figuren, die über sich hinauswachsen. Allen voran Anne-Lise, die mit ihrer beharrlichen Neugierde auch Grenzen überschreitet, um Positives zu bewirken. Aber auch ihre resolute Freundin Maggy, mit der sie sich seit Kindertagen verbunden fühlt oder der eigenbrötlerische Autor des Manuskriptes, der sich lieber in sein Schneckenhaus zurück zieht. Cathy Bonidan hat es geschafft, dass man sich den Figuren, ihren intimen Gedanken und Schicksalen, trotz der eingeschränkten Erzählweise, beim Lesen besonders nah gefühlt hat. Das erst ruhige und dann ansteigende Erzähltempo habe ich dabei als sehr angenehm empfunden. Das überraschende Ende konnte mich dann vollends begeistert. Damit hatte ich nicht gerechnet!

Fazit: Es geht um Liebe, Freundschaft und die unglaubliche Kraft von Geschichten, die Menschen zusammenführt. Ein Feel-Good-Roman, in den ich versinken konnte, während ich mich ganz auf die Briefe konzentriert habe. Jeder einzelne von ihnen entfachte eine gewisse Vorfreude, die sich zu einem stimmigen Gesamtbild entwickelt konnte. Ich kann diesen warmherzigen, humorvoll erfrischenden Briefroman sehr empfehlen.

Bewertung vom 19.09.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Die Geschichte spielt Ende November im Jahr 1937, in einem Ort namens Okamura in einer ländlichen Gegend Japans. Die Familie Ichiyanagi feiert die Hochzeit ihres ältesten Sohnes und derzeitigen Familienoberhaupts Kenzo. Die Familie ist überaus stolz auf ihre Honjin-Abstammung, weshalb nicht alle Familienmitglieder mit der Hochzeit, wegen der Abstammung der Braut, einverstanden waren. In der Nacht kommt es zu einem abscheulichen Mord am frisch vermählten Ehepaar, beim dem das traditionelle japanische Saiteninstrument, die Koto, eine zentrale Rolle einnimmt. Der von innen verschlossene Raum und ein Samurai-Schwert im Schnee geben Rätsel auf.
Der private Detektiv Kosuke Kindaichi ermittelt - doch nicht ohne Unterstützung. Er ist eine ungewöhnliche Erscheinung. Sein ungepflegtes Äußeres und gelegentliches Stottern tragen dazu bei, dass man ihm die Lösung des Falls nicht zutraut.

Erzählt wird die Geschichte von einem Kriminalroman-Autor, der über Berichte die Geschichte der rätselhaften Honjin-Morde zusammengetragen hat und sich dabei immer wieder an den „aufmerksamen Leser“ richtet. Dabei berichtet er von seinen Recherchen, den Geschehnissen am Tag des Mordes und den Hintergründen der relevanten Personen.

Es fiel mir schwer beim Hörbuch die vielen japanischen Namen zuzuordnen. Im Buch ist das deutlich leichter, was auch den Spaß am Miträtseln erhöht - ein Spiel, bei dem man nicht gewinnen kann. Eine Kombination von Buch und Hörbuch wäre vermutlich ideal für mich gewesen, da Denis Moschitto der Geschichte eine geheimnisvolle Atmosphäre verleiht, was mir sehr gefallen hat.

Fazit:
Ein wiederentdeckter Locked Room Murder Mystery und Reihenauftakt um Privatermittler Kosuke Kindaichi. Eine Hommage an kriminalistische Rätsel und Agatha Christie in japanisch nüchternem Stil, der mit einer raffiniert konstruierten Idee, einer überraschend schlüssigen Auflösung und einem atmosphärischem Schauplatz überzeugt.

Bewertung vom 19.09.2022
Witches of Brooklyn - Total verhexte Tanten
Escabasse, Sophie

Witches of Brooklyn - Total verhexte Tanten


ausgezeichnet

Darum geht es:

Effie zieht als Vollwaise in einer Nacht- und Nebelaktion bei ihren Tanten ein. Aber bleiben will sie nicht, obwohl ihre Tanten sie, trotz ein paar Startschwierigkeiten, herzlich aufnehmen. Trotzdem haben sie Geheimnisse vor Effie. Was hat es mit der Tür im Flur auf sich, die sie nicht betreten darf?
Doch als sich herausstellt, dass Magie in der Familie liegt, tun sich ganz neue Möglichkeiten auf und Effie lernt sich nicht nur besser kennen, sie zeigt auch, was für eine gute Freundin und tolle Hexe sie ist.


Meine Meinung:

Das übersichtliche Layout ist toll: angenehme Farbgebung, keine bildüberfrachtenden Sprechblasen und ein fassbarer Zeichenstil, der mimisch überzeugt. Auch die Anzahl der Szenen finde ich für die Zielgruppe sehr passend. Dadurch kann man der Handlung wunderbar folgen - man fühlt sich einfach wohl beim Lesen. Besonders die detaillierten Grundrisse des Hauses sind großartig, weil man so noch besser eintauchen und sich alles vorstellen kann.

Die Hauptfigur Effie ist unkompliziert und findet in ihrer neuen Schule schnell Freunde, die mit ganz natürlichen Problemen, wie Lampenfieber vor einem Referat, zu kämpfen haben. Effies Tanten sind einfühlsam und hilfsbereit. Sie versuchen Effie ein neues Zuhause zu bieten und gehen auch auf ihre Gefühle ein, als sie ihr helfen, mit ihrer Wut und Enttäuschung umzugehen.

Es ist eine gelungene Mischung aus modernen und klassischen Elementen. Besonders die berührenden Botschaften zwischen den Zeilen haben mich freudig überrascht, welche sich, neben offensichtlichen Themen wie Freundschaft und Hilfsbereitschaft, dezent hervortun.


Fazit:

Ein fantastischer Feel-Good-Comic, der auf ganzer Linie begeistert! Vielseitige Figuren, coole Anspielungen, eine angenehme Spannung, viel Magie, göttlicher Humor und alles ist großartig farbig gestaltet. Außerdem ist das Buchformat sehr handlich und hochwertig.

Die Vorfreude auf Band 2 im Januar 2023 ist also groß und ich kann nur empfehlen, sich ein Exemplar zuzulegen - mehrmaliges Lesen nicht ausgeschlossen.

Bewertung vom 19.09.2022
Die Buchhändlerin von Paris
Maher, Kerri

Die Buchhändlerin von Paris


gut

"Die Buchhändlerin von Paris" ist ein hervorragend recherchierter biografischer Roman, der in vier Teilen über die Amerikanerin Sylvia Beach und ihre literaturgeschichtlich bekannte Buchhandlung „Shakespeare and Company“ erzählt. Eine Geschichte voller historisch relevanter Details, ohne in die Weltgeschichte abzudriften, bekannten Persönlichkeiten wie Hemingway oder Gide, und einer Liebesgeschichte zweier starker Frauen in den zwanziger Jahren. Kerri Maher schreibt wunderbar flüssig und zeigt ein historisch authentisches Bild der Figuren, geprägt von politischen Ungerechtigkeiten und Diskriminierung, den Einschränkungen der Pressefreiheit und den Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung des umstrittenen Romans Ulysses - ein Thema das im Fokus steht.
Historisches Hintergrundwissen ist vorteilhaft bei der Lektüre, aber keine Bedingung. Im Verlauf der Handlung nimmt die Spannung ab und große emotionale Chancen werden einfach verpasst. Außerdem gibt es keine tiefe Einblicke in die Gefühlswelt von Sylvia oder Adrienne, insgesamt bleibt die Geschichte hier oberflächlich. Die Schilderungen über die Buchhandlung und ihre berühmten Besucher lässt jedoch Leseherzen schneller schlagen. Auch der wunderschöne Schauplatz Paris begeistert mit der Atmosphäre dieser Zeit und macht das Buch in diesem Punkt zu einem Vergnügen.

Fazit: Wunderbar zu lesender Roman, der stimmungsvoll und lebendig mit literarischer Atmosphäre und historischem Hintergrund überzeugt, während gefühlvolle Chancen und Spannung auf der Strecke blieben.

Bewertung vom 19.09.2022
Tintoretto und seine Freunde
Rossmann, Dirk

Tintoretto und seine Freunde


sehr gut

Es beginnt mit einer Verwechslung, als Crabby Krabbe Neuankömmling Tintoretto Tintenfisch fälschlicherweise für ein Känguru hält. Das führt zu einer spontanen Freundschaft und dem Kennenlernen von Mala Mandarinfisch, dem Delfin Doppelklick, der singenden Qualle Kurt und einigen anderen Tieren.
Das Kinderbuchdebüt "Tintoretto und seine Freunde" hatte mich neugierig gemacht. Hier schreibt der, eher für Spannungsliteratur bekannte Dirk Rossmann, kindgerecht über einen freundlichen Tintenfisch und seine neuen Freunde, die sich für den Umweltschutz einsetzen. Wie der Name schon sagt, ein Tintenfisch, der sein Zuhause retten will.

Die dialogreichen Geschichten eignen sich gut zum spielerischen Vorlesen. Ein paar lustige Szenen sorgen für Spaß. Die Handlungen in den kurzen Kapiteln sind abgeschlossen, fügen sich aber zu einem harmonischen Ganzen. Eine wichtige Rolle spielen Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt. Der Schwerpunkt liegt zwar größtenteils auf dem Umweltschutz, aber das wird kindgerecht in vertraute Situationen der Zielgruppe verpackt, in denen die Freunde gemeinsam spielen, aufräumen oder ihren Geburtstag beziehungsweise Schlüpfungstag feiern. Hier präsentiert sich auch die ein oder andere wärmende Botschaft.
In manchen Kapitel passiert eine ganze Menge. Hier werden die Themen auch komplexer, wenn Piranhas sich über nervig Baumklauer beschweren und Tintoretto einen Rettungsplan für den Regenwald ausheckt, oder sie eine Aufräumaktion starten, bei der viele Meerestiere kurzerhand selbst aktiv werden und den verdutzten Menschen ihren Müll zurück an den Strand bringen. Mit kindlichem Einfallsreichtum und wertungsfreiem Blick gelingt es, bedrückende Themen als Herausforderung für findige Lösungen zu betrachten. Die Illustrationen haben uns nicht so gefallen, aber das liegt immer im Auge des Betrachters. Insgesamt fehlte mir ein bisschen mehr geschmeidige Kreativität, bei der sich auch die Erwachsenen inspiriert fühlen - gerade beim Vorlesen ist das eine schöne Abwechslung.

Bewertung vom 07.09.2022
Der schwarzzüngige Dieb (Schwarzzunge, Bd. 1)
Buehlman, Christopher

Der schwarzzüngige Dieb (Schwarzzunge, Bd. 1)


ausgezeichnet

Dies ist die fantastische Abenteuergeschichte von Kinsch Na Shannack, dem schwarzzüngigen Dieb, der sich einer Ritterin anschließt, um im Auftrag der Gilde nach Artefakten zu suchen, der sein Herz an eine Hexe und einen Kater verliert, mit Kobolden und Kraken kämpft und seine außergewöhnliche Fähigkeit verbergen muss, um nicht für den Rest seines Lebens eingesperrt zu werden.

Christopher Buehlman hat eine brutale Welt verschiedenster Wesen mit starkem Überlebenswillen kreiert, authentisch ausgearbeitet und mit einer komplexen Präsens versehen, die sich durch epische Geschichten, Lieder und insgesamt vielen Hintergrunddetails zeigt. Das lädt sehr dazu sein, in diese Welt einzutauchen. Dazu kommt ein ausgefeilter Schreibstil, der mit eine direkten Ansprache an den Leser und lockerer Erzählweise überzeugt. In vulgärem Geplänkel (muss man mögen) schwätzt der schwarzzüngige Ich-Erzähler ausschweifend über seine Wahrnehmungen, alte Geschichten und die drohenden Gefahren, die ihm im Nacken sitzen. Er ist ein umgänglicher Kerl, mit interessanten Fähigkeiten, aber auch ein eigensinniger Schuft mit schlechten Manieren. Die Story ist humorvoll und mitreißend, hält die ein oder andere Überraschung bereit und entlässt in ein Ende, das sehnsüchtig auf eine baldige Fortsetzung hoffen lässt.

Bewertung vom 07.09.2022
SCHNEE
Sigurdardóttir, Yrsa

SCHNEE


ausgezeichnet

Eine Gruppe Wanderer wird vermisst. Johanna und ihr Kollege von der Rettungswacht machen sich in der eiskalten isländischen Wildnis auf die Suche nach Überlebenden. Als sie die entkleideten Leichen in der Nähe einer Hütte im Schnee finden, ahnen sie nicht, was dort Schreckliches passiert ist. Im zweiten Handlungsstrang reist man eine Woche in der Zeit zurück und lernt Dröfn
kennen und erfährt, warum sie in einer Gruppe eine „Expedition in ein Gebiet, das im Winter fast nie besucht wurde“, unternommen hat. Außerdem begleitet man in einem weiteren Handlungsstrang Hjörvar, während seiner Arbeit auf der Radarstation in Stokksnes. Dort gehen übersinnliche Dinge vor sich, die einen Kollegen bereits das Leben gekostet haben. Spannend erzählt, greift Yrsa Sigurdardóttir auf klassische Gruselelemente zurück. Immer wieder passieren unerklärliche Dinge, die die Protagonisten wahrnehmen, sich aber nicht erklären können. Diese unheimliche Atmosphäre erzeugt Gänsehaut-Feeling. Raffiniert sind die parallel verlaufenden Handlungen dezent miteinander verwoben und münden in einem spannend inszenierten Finale, das mit einer schockierenden Wende und einer unerwarteten Auflösung überzeugt. Ein mitreißender Thriller, der mich begeistern konnte.

Bewertung vom 07.09.2022
Totenbeschwörung für Anfänger / Emily Seymour Bd.1
Jager, Jennifer Alice

Totenbeschwörung für Anfänger / Emily Seymour Bd.1


sehr gut

Emily verfügt in ihrer Familie als einzige Normalsterbliche nicht über magische Fähigkeiten zur Totenbeschwörung. Das macht sie zur Außenseiterin, was ihr den undankbaren Job einbringt, Ashton, den attraktiven Sohn der verfeindeten Familie Goodwin dazu zu bringen, den Friedensvertrags zu unterzeichnen. Doch Emily passiert ein fataler Fehler und Ashton stirbt, noch bevor er irgendwas unterschreiben konnte. Ihre Familie will sie daraufhin fortschicken und ihr Gedächtnis löschen. Von Schuldgefühlen gegenüber Ashton geplagt, sucht Emily nach einer Lösung ihn wiederzubeleben und bekommt unerwartete Hilfe aus der Familie, um ein verbotenes Ritual abzuhalten.

Die 16-jährige Ich-Erzählerin Emily Seymour hat ein mitfühlendes Herz, ist nah am Wasser gebaut und liebt es, ihre Zeit mit Büchern zu verbringen. In ihr steckt mehr, als sie ahnt. Der sture Ashton bildet mit seinem schroffen Charakter und seiner einschüchternden Ausstrahlung ein kühlen Kontrastprogramm, das bei Emily ein wahres Gefühlschaos auslöst, wenn er seine weiche Seite zeigt. Hier entspinnt sich eine unschuldige Liebesgeschichte, die unter abenteuerlichen Bedingungen entsteht und einige Komplikationen bereithält. Das macht es stellenweise vorhersehbar, was sich im Laufe des Geschichte in Hinblick auf die Zielgruppe aber zunehmend verflüchtigt und Überraschungen bereithält. Das Setting und die Ideen sind magisch: die Zwischenwelt bzw. Raumfalten, die für die unheimliche Stimmung verantwortlich sind, das Haus der Seymours insbesondere die Bibliothek des Großvaters, die Bücherherzen höher schlagen lässt und die magischen Wesen und mysteriösen Rätsel, die es zu lösen gilt. Das offene Ende würde ich als fiesen Cliffhanger bezeichnen, der aber nicht überraschen kommt. Ich bin wirklich gespannt, wie es weitergehen wird. Insgesamt eine gelungene Mischung - perfekt für Leser und Leserinnen ab 12 - aus sympathisch ungeschickter Hauptfigur, interessanten Nebenfiguren, erster Liebe, unheilvoller Verschwörung und einem flüssigen, humorvollem Schreibstil.

Bewertung vom 07.09.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

„Wenn ich sterbe, werde ich auf dem Meer sterben.“

"Die Passage nach Maskat" entführt ins Jahr 1929 auf eine Schiffsreise von Marseille nach Maskat und erzählt von einem Passagier namens Theodor Jung. Er ist Fotoreporter der Berliner Illustrierten und leidet unter den Folgen des Krieges. Jung begleitet seine Frau Dora und dessen Familie, die aus geschäftlichen Gründen nach Maskat reisen. Die Beziehung zur Familie ist angespannt, die Ehe leidenschaftslos. Jung erhofft sich einen Neuanfang und ist überglücklich, als Dora ihm verrät, dass sie schwanger ist. Als Dora daraufhin spurlos verschwindet, plagt Jung eine zermürbende Ungewissheit. Es gibt keine Beweise für Doras Aufenthalt an Bord. Ihre Familie will sie nicht gesehen haben. Jung zweifelt an seinem Verstand, doch er versucht Ruhe zu bewahren, zu beobachten und Hinweise zu sammeln, die ihm Klarheit verschaffen. Glücklicherweise unterstützt ihn die Stewardess Funny, die selbst viele Jahre ihren vermissten Ehemann gesucht hat und gibt dem emotional angeschlagenem Jung Stabilität, als er sich seinen Ängsten stellen muss, während immer mehr „Unfälle“ auf der Champollion seine Suche behindern.

Den damalige Zeitgeist und die ägyptischen Sehenswürdigkeiten hat Cay Rademacher atmosphärisch eingefangen. Wunderbar lebendig und bildhaft erzählt er von den Düften feiner Gewürze und dem Lebensgefühl an Bord zwischen Luxus und Frivolität. Die Charakter sind abwechslungsreich und eigenwillig. Jung ist der authentische Romanmittelpunkt, der sich seinem Schicksal nicht ergibt. Das Ende hat mir besonders gut gefallen und alle Rätsel wurden zufriedenstellend aufgeklärt. Ein Roman mit toller Atmosphäre und angenehmem Spannungsbogen, der mir schöne Lesestunden beschert hat.