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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2019
ATME!
Merchant, Judith

ATME!


ausgezeichnet

Thriller im Kopf
Angelockt von einem großartig gestalteten Cover, minimalistisch und erschreckend gleichermaßen, las ich mich nahezu ohne Pause durch einen besonderen Thriller. Besonders, weil sich die in Thrillern erwarteten brutalen Szenen im Kopf abspielen. Klingt fast ein wenig langweilig für grausamkeitserprobte Thriller-Fans, und doch war ich vom Buch von Anfang bis Ende restlos gefesselt.
Nile und Ben – das ist die ganz große Liebe. Ein unzertrennbares Paar, so scheint es. Da verschwindet Ben spurlos während eines Einkaufsbummels und Nile stürzt von einem Gefühlschaos ins andere, von Hoffnung zu Verzweiflung, von Hysterie zu logischem Nachdenken. Was könnte geschehen sein? Niemand will Nile glauben oder ihr gar helfen, nicht die Verkäuferin, nicht Bens Freunde. Lediglich Bens Frau Flo zeigt sich seltsamerweise kooperativ, und beide Frauen stoßen bei ihren Nachforschungen auf merkwürdige Ungereimtheiten in Bens Leben. Die Suche wird zur Jagd, bei der letztlich niemandem zu trauen ist.
Mir kommt das Buch vor wie ein sorgsam schön und mehrfach verpacktes Geschenk. Der Leser muss einige Geduld aufbringen, um alle Schleifen, alle Klebestreifen zu entfernen und Stück für Stück das Geschenkpapier zu lösen, bis er schließlich zum Inneren des Buches gelangt. Doch die geduldige Mühe heißt nicht, dass man gelangweilt vorgeht, sondern voller Spannung, was sich wohl hinter all der Verpackung verbirgt, was die Wahrheit hinter allem Geschehen sein könnte. Kurze Kapitel, eindringliche Schilderungen, beunruhigende Vorkommnisse schaffen im Leser eine permanente innere Unruhe, die zum Weiterlesen treibt. Minutiös erzählt die Autorin von feinsten Regungen, Erinnerungen, von Gedanken der Hoffnung und Befürchtung. Und in all dem Chaos scheint Unerklärliches verpackt zu sein. Wenn Innen- und Außenwelt nicht mehr kongruent sind, wenn Liebe und Angst zu einer gefährlichen explosiven Mischung werden, die die Wirklichkeit verzerrt - all dies ist in den vielen unvorhersehbaren Wendungen so atemlos erzählt, dass der Titel Atme! wie ein hilfreicher Zuruf an den Leser wirkt.

Bewertung vom 05.09.2019
Über die Grenze
Lunde, Maja

Über die Grenze


ausgezeichnet

Eine Botschaft der Mitmenschlichkeit unter Kindern
Das beste Kinderbuch, das ich seit langem gelesen habe!
Es befasst sich mit einem schwierigen Thema, ist aber dennoch ausgesprochen kindgerecht mit leichter Feder geschrieben.
Die Geschichte spielt in Norwegen im Jahr 1942, das Land steht unter deutscher Besatzung. Da es für die zwei jüdischen Kinder Sarah und Daniel zu gefährlich wird, müssen sie das Land verlassen und über die Grenze nach Schweden gelangen, wo ihr Vater auf sie wartet. Doch die erwachsenen Helfer werden plötzlich verhaftet. Im Haus, in dem Sarah und Daniel versteckt gehalten werden, wohnen Gerda und Otto, zwei sehr unterschiedliche Kinder. Gerda ist zehn, hat gerade „Die drei Musketiere“ gelesen, ist abenteuerlustig und mutig. Ihr Bruder Otto dagegen wirkt eher ängstlich, zögerlich, überlegter als Gerda. Doch für Gerda steht sofort fest, dass sie zusammen mit Otto den beiden jüdischen Geschwistern bei der Flucht helfen müssen. Dass es sich um ein Abenteuer auf Leben und Tod handeln wird, ahnen sie nicht…
Der Autorin ist auf großartige Weise gelungen, Zeitgeschichte, schlimme Zeitgeschichte, auf eine kindgerechte Weise zu erzählen, spannend, eindringlich, aber eben so, dass Kinder einerseits Verständnis entwickeln für eine furchtbare, angstbesetzte Zeit, andererseits aber nicht von Albträumen geplagt werden. Sondern vielmehr eine Ahnung davon bekommen, dass Mut und Hilfsbereitschaft, Solidarität und Einsatz für andere die wertvollsten Zeichen für Mitmenschlichkeit sind und allemal erstrebenswert.
Sowohl Sarah und Daniel als auch Gerda und Otto werden in ihrem Kindsein absolut glaubwürdig dargestellt. Sie sind lebendig, fröhlich und ängstlich, abenteuerlustig, trotzig, leichtsinnig, immer verführbar zu Spielen, immer fähig, die harte Wirklichkeit im Spiel auszublenden. Und dennoch ernsthaft genug, um den Gefahren in einer bedrohlichen Zeit auf mutig-kreative Weise zu begegnen und das eine oder andere Mal zu erleben, wie man über sich selbst hinauswachsen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.08.2019
Du gehörst mir
Middendorp, Peter

Du gehörst mir


ausgezeichnet

Ein schmerzhaft dunkles Buch

Ein Buch, das verstört. Das den Leser fordert. Das geradezu unerträglich ist. Das gewaltsam gewaltig ist. Aber auch bescheiden. Einfach und schwierig. Und poetisch dazu. Intensiv allemal. Ein Buch, das schwer zu ertragen ist.

Das Buch beginnt etwas trügerisch so, als hätte es ursprünglich ein Thriller werden wollen: Tille, der Junge, erlebt hilflos mit, wie das Bein seines Vaters vom Mähdrescher „aufgefressen“ wird. Und er erlebt, dass er keine Rolle spielt, keiner sieht ihn an. Nicht nach dem Unfall, nicht später. Er ist ein Geringgeschätzter, lebt im Unvorhandensein. Er ist ein Niemand, der heranwächst, Familienvater wird. Tagaus tagein verrichtet er die Arbeit auf dem Bauernhof. Er ist pflichtbewusst, hat klare Regeln. Frau und Sohn bleiben Statisten in seinem Leben. Nur seine Tochter löst in ihm Gefühle aus, verwirrende Gefühle. Ein Mord an einem jungen Mädchen geschieht. Doch der Vergewaltiger und Mörder wird 13 Jahre lang nicht gefunden. Obwohl doch ein Flüchtlingsheim in der Nähe ist.

Ja, der Leser versteht schnell, dass Tille der Mörder war. Und dass das fremde Mädchen stellvertretend für seine Tochter Opfer seines Begehrens geworden war. Insofern weicht das Buch in seiner Erzählweise völlig ab von allen Regeln des Spannungsaufbaus. Es sammelt Einblicke in das Innenleben von Tille, Puzzleteile eines klaustrophobisch engen Lebens. Der Leser ist gefordert, denn es wird nicht chronologisch erzählt, sondern die Zeiten fallen durcheinander, werden dem Leser wie Scherben vor die Füße geworfen. Wegweiser durch das Buch ist noch am ehesten die Natur, der Wandel der Natur durch die Jahreszeiten, und dann auch die Vögel, immer wieder die Vögel. Einerseits erzählt der Autor hart und nüchtern, was der harte und nüchterne Tille denkt, beobachtet, sich selbst auferlegt. Andererseits sind Sätze im Buch zu finden, die von einer wunderbar poetischen Sprache sind, wie: „Nachts lag der Mond hinter den Pappeln halb tot auf dem Rücken.“ Oder „Der Herbst verblätterte grau das Jahr.“
Ein großartig geschriebenes, verwirrendes, dunkles, schmerzhaftes Buch, das aufmerksame Leser fordert und vom Wortmagier Peter Middendorp so tief in unser Buchgedächtnis eingepflanzt wird, dass wir die Erinnerung an so manche Szene nicht mehr loswerden.

Bewertung vom 26.08.2019
Es wird Zeit
Kürthy, Ildikó von

Es wird Zeit


ausgezeichnet

Lesen im Schleudergang zwischen Lachen und Weinen
Auf dieses Buch war ich nicht gefasst! Kannte ich doch Ildikó von Kürthy als humorvolle Kolumnistin und Verfasserin heiterer Frauenromane. Und jetzt dieses Buch, das mich umwarf, das mich mitten ins Zentrum traf, das mich schier zerquetschte zwischen Lachen und Weinen, das mich in einen Schleudergang versetzte zwischen Aufbegehren und Einsicht, zwischen Heiterkeit und tiefer Traurigkeit.
Judith, knapp 50, kehrt in ihre Heimat zurück, um ihre Mutter zu begraben. Doch sie kehrt auch zurück zu altbekannten Hoffnungen, Träumen und Albträumen - und zu einem 20 Jahre alten Geheimnis. Eine wiedergefundene Freundin lebt mit einer todbringenden Krankheit und Judiths bisheriges Leben einschließlich ihrer langjährigen Routine-Ehe gerät zunehmend aus den Fugen.
Leben, Tod, Lieben, Heimat, Verzeihen, Altern, Hoffen – keines dieser Themen bleibt ausgespart. „Es wird Zeit handelt davon, dass Hoffnung nie falsch sein und man sich nie zu früh freuen kann. Es geht um die Schuld und die Wahrheit, um das Bindegewebe und die Liebe. Oder um das, was mal das Bindegewebe war. Und die Liebe. Dieses Buch ist ein Versprechen und eine Reise. Eine Reise bis ans Ende der Welt und vielleicht bis darüber hinaus,“ sagt Ildikó von Kürthy selbst über ihr Buch, und auch, dass ihr das Buch am Herzen liegt wie noch keines davor. Zurecht! Die Autorin schafft es auf unvergleichliche Art, geschliffen scharfe Pointen zum Bauchwehlachen zu setzen unmittelbar neben messerscharfe, sezierende, den Atem nehmende Innen- und Außenansichten eines Lebens in seiner Vergänglichkeit. Ja, ja, genau – so möchte man alle paar Seiten ausrufen, fühlt sich ertappt oder verstanden oder beides und bewundert zutiefst, wie die Autorin es schafft, sich genial zweischneidig durch das Innengeflecht des Lebens hindurchzuschreiben, tief traurig und hellauf lachend. Großartig!

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.08.2019
Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
Huerta, Máxim

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta


ausgezeichnet

Die Poesie der Melancholie
Das Buch zu lesen war für mich wie einen der französischen Filme anzuschauen, in denen nicht viel und doch alles geschieht. Romantisch, poetisch, melancholisch…
L’Ètoile Manquante ist eine Welt für sich – ein kleiner Blumenladen im Herzen von Saint-Germain. Sein 74-jähriger Besitzer Dominique Brulé liebt seine Blumen über alles, er hat das feine Gespür dafür, welche Blumen welchem Menschen gut tun und mitunter verschenkt er sie. So auch an die beiden älteren Damen Mercedes und Tilde, die regelmäßig in den Laden kommen. Sie sind zwei in der Einsamkeit gestrandete Spanierinnen, streitbar miteinander verbunden. Dominique Brulé selbst ist die Einsamkeit in Person, verloren in einer verlorenen Liebe, und doch aufmerksam für die Menschen um ihn herum. In dieses statische Gefüge einsamer Menschen bricht etwas Neues ein, als die junge Violeta sich als Aushilfe bei Monsieur Dominique bewirbt…
Ein leises, nein, ein stilles Buch ist das. Die Menschen sind leise, die Geschehnisse sind leise, die Welt der Blumen ist leise. Es gibt, wie es scheint, nur ein passives Sich-Ergeben dessen, was geschieht, kein Aufbegehren, kein Widerstand, nichts, was laut werden könnte. Der spanische Autor Maxim Huerta schreibt französischer als so manch ein französischer Autor. Es gelingen ihm eindringliche Beschreibungen der Trauer, die über die Jahre hinweg übergeht in einen Zustand des Wartens – warten worauf? Und er beschreibt die grenzenlose Einsamkeit des Menschen, der Mensch-ärgere-dich-nicht gegen sich selbst spielt. Aber Huerta schreibt gleichzeitig auch so tänzelnd-leichtfüßig, mit so viel Charme, so unbeschwert Beschwerliches erzählend, so französisch eben, wie es besser nicht geht. Zugleich ist er ein belesener Autor, der das Erzählte mit Büchern anderer Autoren „bebildert“. Und über allem singt Jacques Brel „Ne me quitte pas“.
Ein wunderschönes, ein zartes, ein liebevolles, ein poetisches, ein kluges Buch, traurig und doch das Leben feiernd.

Bewertung vom 20.08.2019
Die besten Tantenretter der Welt
Schomburg, Andrea

Die besten Tantenretter der Welt


ausgezeichnet

Rosa-Laune-Buch
Witzig und lebendig wird eine fröhlich-kunterbunte Geschichte erzählt. Ein Kinderbuch, das einfach rundum Spaß macht und auf keinen Fall ernst genommen werden möchte. Ein Buch mit Rosa-Laune-Garantie…
Jonas und Fabian leben bei ihrer Tante Erdmute, die Gute. Und sie haben es mit ihrer Tante nicht leicht, denn sie benimmt sich so, als wäre sie eine erwachsene Pippi Langstrumpf. Sie ist unberechenbar und hat stets außergewöhnliche Ideen. Als der Vermieter ihre Wohnung verkaufen will und Tante Erdmute deshalb dringend Geld benötigt, überfällt sie aus der Not heraus in einem wunderbar auffälligen roten Kleid eine Bank. Jonas und Fabian wird ganz anders, als sie sich zusammen mit ihnen und dem Geldsäckchen auf eine rasante Flucht in ein abgelegenes Waldhotel begibt. Dass dort recht wunderliche Leute wohnen und dass auch noch ein wertvolles Briefmarkenalbum geklaut wird, führt zu sehr spannenden Verwicklungen und Jonas und Fabian haben alle Hände voll zu tun, um aus ihrer Tante die Unschuld vom Lande zu zaubern.
Ein so fröhliches, unbeschwertes Kinderbuch habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Es ist frei von allzu ernstem pädagogischem Anspruch und erzählt mit Spaß und Spannung und sehr ideenreich eine flotte Geschichte. Dass man vom Singen rosa Laune bekommen kann oder dass man jemanden mit den Augen in den Arm nehmen kann – solch schöne im Text versteckte Sprachbilder verraten, dass die Autorin (auch) Lyrikerin ist. Ein meiner Meinung nach rundum gelungenes, spritzig erzähltes, mit liebenswerten Protagonisten versehenes Kinderbuch ab 10 zum Selberlesen, zum Vorlesen durchaus auch für jüngere Kinder.

Bewertung vom 18.08.2019
Sylvester und der Gespensterdoktor
Cornelius, Nicholas

Sylvester und der Gespensterdoktor


ausgezeichnet

Zum genussvollen Vorlesen
Ein klein wenig Enttäuschung vorab: Als erstes hatte mich in der Verlagsankündigung des Sanssouci Verlages das Cover zu dem vorliegenden Titel begeistert. Ein wenig schade, dass dieses Titelbild letztlich etwas verändert wurde und der Umriss von Sylvester nun nicht mehr zu sehen ist. Auch auf das angekündigte Lesezeichen wurde verzichtet. Und leider, leider enthält das Buch keine einzige Zeichnung, keinerlei schmückende Auflockerung des Textes.
Die Geschichte beginnt in einer schrecklichen Gewitternacht. Sylvester, ein 12jähriger Waisenjunge, rennt und rennt tropfnass durch die Finsternis. Da stößt er auf eine einsame Scheune, in der er Zuflucht nehmen möchte. Doch er wird im Inneren der Hütte von einem alten Mann empfangen, mit der Flinte im Anschlag. Es stellt sich heraus, dass der alte Mann der wahre und einzige Gespensterdoktor ist, denn auch Gespenster können krank werden! Was Sylvester in der Folge erlebt, ist so unglaublich, dass sich sogar der Buchautor selbst nur unter einem Pseudonym zum Buch bekennt, damit ihn die Gespenster, die er gerufen hat, nicht verfolgen können…
Mit überbordender Fantasie wird eine sehr ungewöhnliche Gespenstergeschichte erzählt. Den Sprachstil habe ich als besonders erlebt, denn es werden geradezu malerisch gespenstische Bilderwelten im Kopf des Leser gezaubert. Die Beschreibungen wirken oftmals wie alte Gemälde aus dem Museum, in einer etwas altmodisch-komplizierten Sprache. Und genau diese Sprache ist auf der einen Seite wunderschön und sensibel, wie zum Beispiel: „… die umgetretenen Halme auf der Wiese behielten die Fußabdrücke im kurzen Grasgedächtnis…“ Man findet gelungene Wortschöpfungen wie „klumpige Bauchschmerzenangst“. Auf der anderen Seite erscheint mir die Altersempfehlung des Verlages „ab 10“ aufgrund der besonderen Sprache etwas problematisch, allenfalls nur zutreffend für wahre Leseratten. Zur Leseauflockerung wären daher durchaus ein paar Illustrationen hilfreich gewesen.
Was sich mir jedoch beim Lesen des Buches permanent aufdrängte: Die Erzählweise in ihrer Lebendigkeit und die Schönheit der Sprache bietet sich perfekt an zum langsamen, genussvollen Vorlesen. Denn gruselig, komisch, spannend, berührend – das Buch hat alles.

Bewertung vom 12.08.2019
Klartext: Impfen!
Schmitz, Thomas;Siebert, Sven

Klartext: Impfen!


ausgezeichnet

Bitte, bitte lesen!
Meine Kinder besuchten vom Kindergartenalter an die Waldorfschule – und so war ich als Mutter damals mitten drin in der Impf-Diskussion: Klar begründetes Pro von Seiten des Kinderarztes – und ein klar anthroposophisch begründetes Nein von Seiten des Kindergartens. Und ich glaube, genau diese persönlichen Erfahrungen zeigen deutlich die heute noch viel größer gewordene Grätsche zwischen sachlicher und emotionaler oder gar ideologisch gefärbter Argumentation.
Hätte ich nur damals bereits das vorliegende Buch gekannt, geschrieben von einem Kinderarzt der Berliner Charité und einem Biologen und Journalisten, so hätte ich mir manch inneres Ringen ersparen können. Denn die beiden Autoren schreiben nicht nur gut lesbar. Sie argumentieren wohltuend sachlich, informieren umfassend, ohne zu beschönigen, ohne zu dramatisieren – kompetent, gelassen, fundiert. Besonders wichtig finde ich persönlich die ausführliche Aufklärung rund um die jeweilig empfohlenen Impfungen, ihre Wirkweisen, ihre möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen und die Beschreibung der den Impfungen zugrunde liegenden Krankheiten, deren Gefährlichkeit und möglichen Folgeschäden. Das umfassende Wissen, das uns die Autoren vermitteln, muss bei jedem vernunftbegabten Menschen zu der Erkenntnis führen, dass Impfen Leben rettet und Nicht-Impfen lebensgefährlich sein kann. Allerdings habe ich die große Befürchtung, dass die emotional argumentierenden Eltern nicht zugänglich sind für sachlich-wissenschaftliche Fakten, sondern im Gegenteil weiterhin mit unbewiesenen Behauptungen wie „Die werden doch nur bezahlt von der Pharma-Industrie“ auf ihrem Standpunkt beharren. Genau denen möchte ich besonders laut zurufen: Bitte, bitte lest dieses Buch!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.08.2019
Opfer / Carl Edson Bd.1
Svernström, Bo

Opfer / Carl Edson Bd.1


ausgezeichnet

Ein überragendes Thriller-Debüt - allerdings nichts für Zartbesaitete!
Kommissar Carl Edson wird in eine Scheune in der Nähe von Stockholm gerufen. Dort liegt ein nackter Mann, brutal misshandelt und gefoltert. Der Ermittler entdeckt mit Entsetzen, dass der Mann noch lebt. Das Opfer ist ein Krimineller mit vielen Feinden. Doch er stirbt, bevor er eine Aussage machen kann. Die Journalistin Alexandra Bengtsson berichtet als erste über den Fall und bleibt auch in der Folge am Ball, denn es geschehen weitere entsetzlich grausame Morde. Einen Zusammenhang oder eine konkrete Spur können Carl Edson und sein Team nicht finden, jeder weitere Mord schafft noch mehr Verwirrung…
Der Autor Bo Svernström hat mich mit seinem Thriller-Debüt restlos überzeugt, geradezu begeistert. Er hat einen Pageturner geschrieben, bei dem alles, aber auch wirklich alles stimmt. Das Buch hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. Passend zum Inhalt würde ich sagen, es hat mich geradezu festgenagelt. Es liest sich wie im Flug, sowohl durch den klaren schnörkellosen Schreibstil als auch durch die leserfreundlichen Kapitellängen. Die in ihren Persönlichkeiten recht unterschiedlichen Protagonisten werden ebenso nüchtern und präzise, auf ihre wesentlichen Merkmale reduziert, geschildert, kurz, aber so treffend, wie einem guten Karikaturisten prägnante Portraits gelingen. Der Buchaufbau und Spannungsaufbau sind besonders. Der Thriller beginnt „normal“, mit diversen Morden, frustraner Ermittlungsarbeit und verwirrenden Spuren. Dann dreht die Handlung überraschend, und wir drehen uns in der Welt des Mörders schwindelig um uns selbst. Ich hatte das Gefühl, der Autor lässt uns beim Lesen keine Zeit zu atmen, weil blutige Grausamkeiten und detailreich geschilderte Nervenkitzel einerseits und wendungsreiche Überraschungen andererseits von Anfang bis Ende Hochspannung und Faszination erzeugen. Perfekt!

Bewertung vom 11.08.2019
Tierische Jobs
Ludwig, Mario

Tierische Jobs


ausgezeichnet

Die Schildlaus macht rote Lippen
Welch eine Entdeckung! Dieses Buch hat mich für immer gerettet aus öden Small-Talk-Runden! Mit diesem Buch im geistigen Handgepäck bin ich gerüstet, aus jeder langweiligen Runde aktive Zuhörer und interessante Gespräche zu zaubern!
Der Biologe Dr. Mario Ludwig hat nicht nur zahlreiche Bücher veröffentlicht, sondern stellt auch in wöchentlichen Radiosendungen neue und außergewöhnliche Erkenntnisse aus der Wissenschaft vor. Und wie gut er das macht, beweist das vorliegende Buch. Noch selten habe ich ein derart interessantes, kurzweiliges, überraschendes und informatives Sachbuch gelesen, und das Ganze noch dazu in einem leichtfüßigen, leicht lesbaren Schreibstil geschrieben. So macht Sachbuch Spaß!
In 50 Kapiteln werden wir durch die unbekannten Fähigkeiten der Tiere geführt, von Fliegenmaden, Zitterrochen, Käsemilben über Kapuzineräffchen, Hunde natürlich, Frettchen und so vieles mehr. Es gibt so unglaubliche und tief beeindruckende Geschichten wie z. B. die der Gambia-Riesenhamsterratte, die man im südlichen Afrika als Landminensucher ausgebildet hat. Oder wussten Sie, dass die als Ratten der Lüfte geschmähten Tauben ein überragendes visuelles Langzeitgedächtnis besitzen? Dies brachte Wissenschaftler in Iowa dazu, Tauben dahingehend auszubilden, dass sie auf histologischen Präparaten bösartige Zellwucherungen erkennen, und das mit 90 %iger Sicherheit. So wie sie auch nach entsprechendem Training Gemälde von van Gogh und Chagall unterscheiden können. Von wegen also „dumme“ Tauben. Oder nicht minder interessant finde ich, dass die farbbeständigsten Rottöne der Gemälde von Rubens aus der Schildlaus gewonnen wurden. Und schauen Sie mal Lippenstifte genauer an: Wenn E120 als Inhaltsstoff genannt ist, hat die Schildlaus mitgeholfen…
Jedes Kapitel für sich ist außerordentlich interessant und spannend zu lesen. Oftmals wird der große Bogen von historischen Rückblicken über die jüngere Vergangenheit bis hin zur Gegenwart geschlagen. Vergessenes, Aufregendes, Ungewöhnliches, Erstaunliches – der Autor hat alles zum Thema „berufstätige Tiere“ gesammelt und erzählt es uns fundiert und kurzweilig. Als Grundlage des Buches und zum eigenen Vertiefen findet man im Anhang eine vielseitige Literaturliste. Rundum empfehlens- und lesenswert!