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Frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 643 Bewertungen
Bewertung vom 29.11.2021
Nachtgestalten
Rudis, Jaroslav;Mahler, Nicolas

Nachtgestalten


ausgezeichnet

Zwei torkeln durch die Prager Nacht

Dieses in Weiß, Grau und Schwarze gehaltene Comic ohne Seitenzahlen ist so ganz anders als was ich bisher angeschaut habe und daher sehr erfrischend, wie ein frisch gezapftes Bier. Und mit dem Thema Bier sind wir schon mehr als drin in der Geschichte, denn die beiden, die hier wie Dick und Doof durch die Nacht von Kneipe zu Kneipe torkeln, machen nicht mehr und nicht weniger auf den vielen Seiten mit wenig Text: Bier trinken. Aber herrlich ehrlich und amüsant zugleich.
Jetzt kommt ihr ins Grübeln was das soll? Es ist eine großartige Liebeserklärung an Nächte, die man misst und die man zugleich verteufelt. Eine Reise gemeinsam durch die Nacht, die Themen immer wieder die gleichen, geprägt durch langes Schweigen und doch so elementar. Solche Nächte schweißen Freunde zusammen und lassen Probleme mit Dritten nichtig erscheinen.
Der Text von Jaroslav Rudis wäre ohne die Illustrationen nix und umgekehrt auch, ohne den Text funktionieren die Illustrationen von Nicolas Mahler nicht. Eine Symbiose vom Feinsten.
‚Nachtgestalten‘ ist perfekt für die/den Nicht-Leser:in und auch für Vielleser. Eigentlich geht das Buch immer, aber dies hier bitte erst nach der Pubertät zu lesen. Es ist KEIN Kinderbuch, kein Jungendcomic, nein ein literarischer Comic und zwar: nur für Erwachsene.
Prost, stoßen wir an auf die zwei Nachtwandler, Jaroslav Rudis und Nicolas Mahler, die uns in sozial kargen Zeiten so eine Freude bereiten mit ihrem gemeinsamen Werk!

Bewertung vom 14.11.2021
Dein Bücherregal verrät dich
Snider, Grant

Dein Bücherregal verrät dich


ausgezeichnet

Ein Buch für die bücherliebenden Nerds!

Ich hab mich sehr gefreut, dass die Cartoons von Grant Snider, der bisher seine Arbeiten besonders im New Yorker und im Book Review der New York Times nun in einem Buch herausgebracht worden. Im vergangenen Jahr bereits im Original („I will judge you by your bookshelf“) nun auch auf Deutsch zu haben: Dein Bücherregal verrät dich – Momente, die du nur kennst, wenn du Bücher liebst.
Was habe ich gelacht, geschmunzelt und mich ertappt gefühlt beim blättern, lesen & betrachten der Cartoons. Hier werden die Leseratten und Buchwürmer der Welt zugleich geehrt und verhöhnt. Sei es, wenn das geliebte Buch beleuchtet wird oder die „Ode an ein halbgelesenes Buch“. Manche kommen gar ganz ohne Worte aus wie das Porträt einer Mutter beim Vorlesen nach Gluyas Wiliam. Aber auch Schreibende und Autoren werden aufs Korn genommen. Wie die Bedürfnishierarchie beim Schreiben oder Pseudonyme. Immer mit viel Respekt, aber mit viel Humor.
Lachen kann hier eher das Klientel aus der Buchbranche und die lesende Gemeinde, aber die Witze sind großartig. Was hab ich gelacht! Grant Snider, der tagsüber Kieferorthopäde ist und sein Hobby gekonnt über die Jahre in Szene gesetzt hat, trifft mit seiner reichhaltigen Ansammlung von Cartoons den Nerv. Denkt sich viele kleine Details aus. Für mache muss man etwas mehr wissen, aber da es ein Buch für lesende Bevölkerung ist, sehe ich das als Bereicherung, wie das Haruki Murakami Bingo oder die Ferienpflichtlektüre - herrlich! Auch die Liebe zu Klassikern wird ein ganzes Kapitel gewidmet: Ich lese die Klassiker (irgendwann mal).
Apropos, das Buch ist die Sammlung der besten Bücher-Cartoons Grant Sniders, hat aber eine Struktur, es ist in Kapitel unterteilt wie „Ich lese, wenn ich unter Leuten bin“, „Ich klaue Bücher von meinen Kindern“, „Ich suche ein Wundermittel gegen Schreibblockade“ und viele mehr!
Mein liebstes Cartoon? Rührend gleich Nummer 3: Die Entwicklungsstufen des Lesens (so true!) und tränengelacht habe ich bei „Leseblockade“.
Sicherlich findet sich hier jede:r Lesende oder Schreibende wieder und hat vergnügliche Stunden mit dem diesem Buch.

Bewertung vom 13.11.2021
Wo auch immer ihr seid
Pham, Khuê

Wo auch immer ihr seid


ausgezeichnet

Doch mehr Grau als Schwarzweiß

Khuê Pham ist von Hause aus bisher eher journalistisch geprägt, sie hat bereits ein Sachbuch publiziert mit 2 weiteren Autoren: „Wir neuen Deutschen“. Nun folgt der erste literarische Coup, an dem sie 4 Jahre lang gefeilt hat! Ich finde, dass sich die Mühe gelohnt hat, ist doch dieser Roman als Endprodukt sehr überzeugend gut geworden!
„Wo auch immer ihr seid“ ist eine dicht erzählte Geschichte, natürlich von Khuê Phams eigener Familie und ihr selbst inspiriert und auch das ein und andere Bruchstück entstammt dem familiären Anekdotenpool, aber trotz allem ist es eine fiktive Geschichte. In der Summe eine Autofiktion.
Im Mittelpunkt steht die 30jährige Kiều, Kind vietnamesischer Flüchtlinge des Vietnamkrieges. Eine Familie, die emotional viel im Gepäck hat, bis dato aber ihre Vergangenheit ruhen ließ. Nun stirbt Kiều Großmutter und ihr Testament wirbelt viel Vergessenes auf und Kiều begibt sich auf Spuren- und Identitätssuche.
Mir hat an dem Roman das vielfältige Narrativ gefallen wie hier der Vietnamkrieg im Kontext von Einzelschicksalen in seiner Komplexität präsentiert wird. Die Umbrüche, die situativen Reaktionen vor verschiedenen kulturellen Hintergründen. Auch die Gegenüberstellung des Vietnamkrieges mit der Flucht mit der Identitätssuche der nächsten Generation im Ausland.
Spannend, super geschrieben – ich kann dieses Buch nur wärmsten empfehlen und wünsche dem Roman viele viele Leser!

Bewertung vom 12.11.2021
Sauerteig. Gutes Brot backen
Lugg, Casper André;Fjeld, Martin Ivar Hveem

Sauerteig. Gutes Brot backen


sehr gut

Wo ist meine Stulle?

Ich bin ja der Meinung, dass ein richtig gutes Brot nicht mehr braucht als Butter oder eine vegane Alternative. Frisch gebackenes Brot ohne Zusätze ist einfach eine Offenbarung und die Krönung ist – natürlich: ein Sauerteigbrot!
Und hier in diesem Buch mit dem einfachen, aber treffenden Titel ‚Sauerteig – Gutes Brot backen‘ geht es genau darum :Sauerteig. Nicht viel Schnickschnack, nicht erschlagend mit zu viel links und rechts.
Und wenn man so will, das Auge isst ja immer mit, ich fand dieses Buch gehalten im minimalistischen clean chic zum Anbeißen. Keine Sorge, mein Brot war dann doch verführerischer. Wirklich tolle atmosphärischen Bilder und das bei einem Brotbackbuch!
Hier lernt man das Grundprinzip von der Pike auf, wie setzt man einen Sauerteig an, was brauch ich, welche Zutaten in welcher Qualität sollte ich nutzen (hierzu fand ich die Mehlproduzentenliste hinten um Buch hilfreich). Einfach, mit überzeugender Qualität und Zeit, dass braucht man zum guten Sauerteigbrot backen. Auch die Tipps beim Nicht-Gelingen - die Pannenhilfe – habe ich zu Rate ziehen können und siehe da, wieder was gelernt!
Natürlich sind noch mehrere Rezepte drin und was ich ganz charmant fand, auch Rezepte mit nicht alltäglichen Getreidesorten, wie Emmer, Einkorn oder Kamut. Unser Favorit ist das Brot mit dem gerösteten Hafer….einfach lecker!
Die beiden Autoren, Casper André Lugg und Martin Ivar Hveem Fjeld, sind zwei engagierte Bio-Bäcker aus Norwegen, die sich dem traditionellen Brothandwerk verschrieben haben.
So, nun muss ich aber mal nach unserem Anstellgut schauen, bei uns heißt er Berthold und ist mittlerweile voll ins Familienleben integriert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.11.2021
Die Sonnenwächterin
Lunde, Maja

Die Sonnenwächterin


ausgezeichnet

Voller Hoffnung für das Licht
Dieses Jahr ist alles anders, denn wer im vergangenen Jahr ‚Die Schneeschwestern – Eine Weihnachtsgeschichte‘ von Maja Lund noch nicht entdeckt hat, sollte dies schleunigst tun! Danach muss man nun gar nicht mehr traurig sein, weil bereits ‚Die Sonnenwächterin - Eine Frühlingsgeschichte‘ wartet!
Im Mittelpunkt steht Lilja, ein Mädchen, dass in einer dunklen, kalten Welt lebt mit ihrem Großvater. Kein Sonnenstrahl erhellt ihr Leben und dann entdeckt dieses furchtlose Mädchen einen Pfad, den Kinder nicht betreten dürfen. Was wird sie wohl entdecken?
Wieder ein großartig stimmungsvolles Buch mit unendlich schönen Zeichnungen mit äußerst viel Liebe zum Detail. Illustriert ist das Ganze von Lisa Aisato. In diesem Buch verschmelzen Text und Illustrationen miteinander, beides bildet eine Melange die zu einem ganz tollen sinnlichen Erlebnis führt.
Das quadratische Format, könnte zu der Annahme führen, dass es sich um ein Kinderbilderbuch handelt. Der Verlag hält sich bedeckt dieses Werk in irgendeine Schublade zu stecken und ich finde das gut so! Denn dieses Buch ist eine alterslose Lektüre und wenn, dann sogar eher nach unten zu begrenzen. Es kann ab dem Grundschulalter erfassen werden, ist aber definitiv eher an ältere Kinder und Erwachsene gerichtet. Aus meiner Sicht haben hier jedermann/frau Freude dran. Sicherlich kann man mit dem Buch auch mal einem muffeligen Teenager beglücken oder die Großmutter.
Und warum glaube ich nun, dass dieses Buch so viele anspricht? Das Buch ist eine märchenhafte Erzählung und birgt auf sehr emotionale Art eine Hoffnung, die wir alle im Leben gut brauchen können. Zu Beginn eher düster und kalt, aber wer Mut beweist wird mit Chancen und Entdeckungen beglückt. Hier sogar wörtlich: Nach jeder dunklen Nacht bringt die Morgendämmerung durch und ein neuer Tag erwacht. Je jünger die Leserschaft desto wörtlicher wird hier die Geschichte gelesen und verstanden. Je älter man ist, desto mehr interpretationsspielraum entdeckt man. Jede:r Leser:in nimmt den Text & die Illustrationen anders wahr und das macht es so bereichernd.

Bewertung vom 02.11.2021
Hôtel Provençal
Hachmeister, Lutz

Hôtel Provençal


ausgezeichnet

Wie die Côte d'Azur zum Sehnsuchtsort wurde anhand des Mythos des Hotel Provencal

Die Sonne auf der Haut und ein Drink in der Hand mit Blick auf die Yachten vor dem Strand im türkisblauen Meer. Sehen und gesehen werden – die Reichen und Schönen aalen sich gerne in den Sommermonaten an der berühmten südfranzösischen Küste. Das verbinden wir heute mit der Côte d'Azur.
Lutz Hachmeister ist Filmemacher und Sachbuchautor. Er hat nun den Stoff des Hotel Provencal, dass er einst um die Jahrtausendwende für das ZDF als Dokumentarfilm in Szene gesetzt hat nun als Buch aufgearbeitet. Beides hat seinen Reiz – Film wie Buch. Lutz Hachmeisters Liebe zur Côte d'Azur merkt man dem Buch an, verliert er sich manches Mal, aber auf sehr charmante Art in seinem präferierten Sujet, wenn er beispielsweise tolle Umschreibungen findet wie "Montparnasse-sur-Mer".
Das Buch umfasst eine Kombination aus historischer Aufarbeitung wie die Côte d'Azur zu dem wurde, was es symbolisiert und zugleich die Geschichte dieses wahnsinnig spannenden Hotels Provencal in Juan-les-Pins. Fast krimiartig konnte ich mich darin versinken lassen. Einst eines DER Grand Hotels der Welt was die Menschen anzog und nun seit 44 Jahren eine verlassene Ruine ist! Es wurde bereits 1927 mit 280 Zimmern eröffnet und viele Berühmtheiten seiner Zeit residierten dort! Das Buch enthält auch einige Fotos um den Text zu unterstreichen.
Wirklich lesenswert für Fans der südfranzösischen Küste. Na dann: amusez-vous à lire!

Bewertung vom 27.10.2021
Das neue Herz
Wolff, Lina

Das neue Herz


sehr gut

Abgefahrene Lektüre

Die Skandinavier:innen sind ja bekannt dafür gerne mal Neues auszuprobieren und landen oft einen Nerv. Lina Wolff macht genau das aus meiner Sicht, denn dieser ganze Roman ist wie ein Ritt. Als ob wir reiten lernen und bis zum Galopp alles an einem Tag durchziehen – es wird immer schneller. Nach der Lektüre klappen wir das Buch zu und sind geplättet!
Wir begeben uns mit einer blockierten Schriftstellerin nach Madrid, die Reißaus nimmt um wieder schreiben zu können. Sie nimmt einen Job an in dem sie einen Dementen pflegt. Auch trifft sie auf einen Mann, der ihr eine Geschichte liefern will, wenn sie ihn aufnimmt für ein paar Tage. Und hier nimmt die Geschichte Anlauf auf den Abgrund. Denn die Story, die er zu erzählen hat, ist inklusiver alter Nonne schon grenzwertig und es geht danach noch turbulenter weiter.
Abstrus geht es rund. Klar, Lina Wolff schöpft ihre Möglichkeiten aus und gibt den Frauen alle Macht in die Hand und spinnt ihre Fäden. Hier darf man aus meiner Sicht nicht vergessen, dass es ein Roman ist: Fiktion die überzeichnet. Fiktion, die auslebt was das Leben vielleicht nicht zu bieten hat. Fiktion, die andere Welten aufmacht.
Daher ist auch der Titel „Das neue Herz“ hier gut getroffen á la neue Runde neues Glück. Es gibt aufeinander folgende Veränderungen, die wie Spiralen immer enger werden. Aus meiner Sicht gutgeschrieben und abgefahren spannend. Aber in der Tat kein leichter Stoff und nicht was für die breite Mitte. Fände ich auch schade, wenn es nur noch weichgespülte Literatur gäbe.
Wer immer noch nicht weiß ob es was sein könnte: Es sind knappe 270 Seiten, die lesen sich schnell weg, kein dicker Schinken. Also, auf in ein Abenteuer der besonderen Art!

Bewertung vom 26.10.2021
Kairos
Erpenbeck, Jenny

Kairos


ausgezeichnet

Eine Liebe im Wandel der Zeitenwende

Katharina und Hans sind ein Paar. Hans ist Schriftsteller im Kreis seinesgleichen und weit über 50. Er trifft auf die weitaus jüngere Katharina, die erst 19 Jahre alt ist als sie sich 1986 verlieben. Er genießt die Privilegien dieser Zeit in intellektuellen Kreisen und das macht sie sich zu Nutze um sich Wissen zu erschließen – sie genießt das intellektuelle Kapital das zu damaliger Zeit rar war. Denn es ist die Zeit der DDR, aber der Bruch naht, denn es ist bereits das Ende der DDR eingeläutet. Wir erleben mit ihrer Beziehung das Ende der DDR mit. Nicht nur politisch geht die DDR den Bach runter, auch ihre private Zweisamkeit wird aus den Angeln gehoben. Es steht zwar die Paarbeziehung im Vordergrund der Geschichte, aber auch das zeitgeschichtliche Portrait der Wendezeit aus DDR-Perspektive ist bereichernd geschrieben.
Dieser Roman von Jenny Erpenbeck mit dem sinnbildlichen Titel ‚Kairos‘ ist zum einen ein gelungenes historisches Werk mit Blick auf die Zeit der Wiedervereinigung und illustriert gekonnt die Beziehung der beiden vor dieser Kulisse. Kairos, der günstige Zeitpunkt, den man nicht verpassen sollte. Ich interpretiere es im Sinne der weiblichen Protagonistin, die den Augenblick genutzt hat und sich mit Hans zu liieren um für sich eine vorteilhafte Situation zu schaffen, die mit veränderten Verhältnissen wieder kippt.
(Ost)Berlin ist in diesem Buch großartig in Szene gesetzt. Es erschließt sich mir wie eine neue Welt, die ich nie kennengelernt habe, bin ich doch im anderen Teil der Stadt groß geworden.
Mir hat der Roman gut gefallen, es lass sich stringent und gut. Ob und wieweit hier die DDR und ihr Ende in seiner Dramaturgie richtig dargestellt wurde, maße ich mir kein Urteil an, denn ich habe zwar die Wende erlebt, aber aus westlicher Sicht und als Kind.
Fazit: Nicht von der Alter Mann-Junge Frau-Beziehung irritieren lassen, dieser Roman kann so viel mehr!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.10.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


ausgezeichnet

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Es gibt diese gegensätzlichen Ausrichtungen, die sich scheinbar gut ergänzen, aber Lücken aufreißen um welche zu schließen. Die einen haben Zeit und Kraft zum Anpacken bei den Alten und Kleinen, aber kein Geld. Und die anderen haben das Geld, aber keine Zeit zum Betreuen und Kümmern.
Auch hier in „Wenn ich wiederkomme“ geht es um Daniela, die aus Rumänien kommt mit vielen Hoffnungen im Gepäck nach Italien aufbricht um Geld zu verdienen. Sie hinterlässt mit gutem Zureden ihr eigenes Leben, der Mann und die beiden Kinder, für eine Weile und wird schmerzlich vermisst, vor allem von ihrem Sohn Manu. Aus dessen Perspektive wir die Geschichte zuerst geschildert bekommen. Er klagt an und durch die Unwissenheit glaubt er seine Mutter führt ein tolles Leben ohne sie in der Ferne Italiens. Aber das ist mit Nichten so, sie rackert und arbeitet 24h am Tag als Altenpflegerin. Wird förmlich ausgebeutet. Und für was? Das die Großeltern die Kinder erziehen und die Kernfamilie sich immer fremder wird. Die Heimat irgendwann keine mehr ist?
Marco Balzano beschreibt dieses Einzelschicksal grandios und richtet das Augenmerk so auf die Herr scharren von Osteuropäerinnen ohne die Mitteleuropa schon lange im Pflegechaos versunken wäre. Er kombiniert diese strukturelle Misere literarisch gekonnt mit einer spannenden und gut erzählten Geschichte. Wirklich lesenswert und macht nachdenklich, was wir für unsere Gesellschaft der humanere, der richtige Weg wäre mit dem Thema Pflege umzugehen.

Bewertung vom 20.10.2021
Mein Bruder der Elbenritter hat nicht mehr alle Ziegel auf dem Dach
Grusnick, Sebastian;Möller, Thomas

Mein Bruder der Elbenritter hat nicht mehr alle Ziegel auf dem Dach


ausgezeichnet

Ein Buch für Nichtleser!

Finn ist 10 Jahre alt und ein ganz normales Einzelkind. Aber eines kann er gar nicht und macht es zu seinem größten Geheimnis: Er kann nicht lesen! Er hat Tricks auf Lager und selbst seine Eltern und die Lehrerin merken nichts!
Und dann stolpert ein zweites Problem in sein Leben: Yuki! Seine Eltern beschließen ein Pflegekind aufzunehmen, ähnlich alt wie Finn. Yuki kommt in seine Klasse, umschwärmt die Eltern mit Tanz und Charme und gibt den belesenen Jungen. Das stinkt Finn gewaltig. Als Yuri ihm dann eröffnet er sei ein Elbe, eine besondere Form eines Elfen, und er bräuchte Finns Hilfe den Schlüssel zur Märchenwelt zu finden um zu verschwinden, steigt Finn in die Geschichte ein: er will ihn ja loswerden. Und so begehen die beiden einen Raub und es endet in einer spektakulären Verfolgungsjagd. Wie sollte es anders sein, dieses Abenteuer schweißt die beiden zusammen und ändert auch Finns Blick.
Es gibt zwar einen Krankenhausaufenthalt, aber im Grunde eine nette Geschichte über zwei die sich gesucht und gefunden haben. Der eine sucht Halt im Leben und muss die Flucht aus der Märchenwelt abschütteln und der Andere suchte Halt um sich zu trauen auch Unzulänglichkeiten zu äußern mit dem guten Gefühl trotzdem geliebt zu werden.
Keine Sorge, Finn gibt zum Schluss auch zu, dass er nicht lesen kann und es wird pädagogisch gut gelöst, weil die Lehrerin sogleich einen guten Plan hat Finn zu unterstützen!
Wir fanden dieses Kinderbuch großartig! Es ist wunderbar geschrieben und eignet sich hervorragend zum Vorlesen in die Grundschulzeit. Dieses Gefühl etwas nicht zu können wird hier sehr gut thematisiert. Kindern, die schlecht lesen oder sonstigen Förderbedarf haben, wird hier Raum gegeben nicht alleine zu sein. Die Altersangabe mit ab 8 Jahren halte ich für sinnvoll, sollte den Kindern doch klar sein, dass es keine Elfen & Hexen gibt und keiner über Dächer springen kann. Daher klare Empfehlung zum Vorlesen in der Grundschulzeit.
Uns haben auch die wenigen, aber gut akzentuierten Illustrationen gefallen, die in den kurzen Kapiteln die Geschichte unterstreichen.
Ungewöhnlich an diesem Buch ist, dass es mit dem literarischen Kniff beginnt eine Szene zu erzählen die erst nach ca 70% der Geschichte passiert und dann springt es nach ein paar Seiten wieder zurück zum echten Start der Story. Es kann recht irritierend sein, aber macht natürlich Lust herauszufinden wie es dazu kam!
Elbisch gut und eine super Eltern-Kind-Vorlese-Abenteuer!!! Mädchen spielen hier so gut wie keine Rolle, aber da der Büchermarkt auch die Kehrseite genügend bedient, finde ich das mehr als ok, wenn es Jungs zum lesen bringt und/oder mehr Interesse an fiktionalen Geschichten!