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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 31.01.2019
Das Geheimnis der letzten Schäferin
Maxian, Beate

Das Geheimnis der letzten Schäferin


sehr gut

Die österreichische Fernsehköchin Nina soll zusammen mit dem Münchner Koch Julian Leroy in einer gemeinsame Kochshow auftreten. Zuerst ist sie nicht sonderlich begeistert, aber als sie erfährt, dass die Aufzeichnung in einem Bauernhof im Heimatort ihrer Großmutter Lieselotte stattfinden soll, sagt sie doch zu. Die Dreharbeiten sind für Nina aufregend, denn nicht nur Julian entpuppt sich als angenehmer Zeitgenosse, sondern sie kommt auch dem Geheimnis ihrer Großmutter immer näher...

Beate Maxian entführt den Leser diesmal nach Salzburg und ins ländliche Hofberg. "Das Geheimnis der letzten Schäferin" ist ein unterhaltsamer Familienroman, der in zwei Zeitebenen spielt. In der Gegenwart bei Nina, die eine renommierte Fernsehköchin, Buchautorin und Restaurantbesitzerin ist. In der Vergangenheit wird die Geschichte ihrer Oma Lieselotte erzählt, die den Leser teilhaben lässt am Leben auf dem Dorf und auf einer Alm. Beate Maxian verknüpft diese beiden Erzählstränge gekonnt, so dass am Ende die Lösung des Geheimnisses als Dessert serviert wird. Für mich ist dieses Buch eine perfekte Kombination aus Kochshow, Liebesgeschichte und Heimatroman. Alles ist so authentisch geschildert, dass ich beim Lesen von leckeren Küchendüften umwoben wurde und am liebsten mit gekocht hätte. Die Passagen mit Liesl auf der Alm wirkten für mich richtig nostalgisch und entschleunigend, eben wie ein Teil aus alten Heimatfilmen.

Durch die detailliert und authentisch ausgearbeiteten Charaktere spürt man die Enge im Dorf und das eingeschränkte Leben Liesels. Daneben hat ihre Enkelin in der Stadt schon viel mehr Möglichkeiten ihren Berufswunsch durchzusetzen und Karriere zu machen.
Wie immer bei Beate Maxian hat mich ihr flüssiger, lockerer Schreibstil begeistert. Neben einem kurzweiligen Frauenroman gab es für mich auch viel Wissenswertes über Schafhaltung zu lesen.
Das war mal etwas anderes und hat mir gut gefallen.

Fazit: Kurzweiliger Zutatenmix aus der Küche, dem dörflichen Leben gewürzt mit einer Prise Liebe.

Bewertung vom 20.01.2019
From Ashes - Herzleuchten
McAdams, Molly

From Ashes - Herzleuchten


gut

Bei dem New Adult Roman "From Ashes - Herzleuchten" habe ich mir eine frische, mitreißende Liebesgeschichte eines Mädchens erwartet, das es in der Vergangenheit nicht leicht hatte und nun fernab von Zuhause ein neues Leben beginnt, um dort neues Vertrauen in die Menschen und die Liebe zu gewinnen. Grundlegend bekommt man auch genau das serviert, doch die Art und Weise war leider nicht so mein Fall, denn die Geschichte wirkte doch recht überdramatisierend und bediente sich dabei in großen Maßen an der Kiste gängiger Klischees ganz nach dem Motto, je mehr davon, desto realistischer wird die Erzählung. Nach wenigen Kapiteln war also klar, dass Augenrollen und ab und zu genervte Seufzer vorprogrammiert sind. Der Geschichte muss man jedoch zugute halten, dass sie auf einem vielversprechenden Gerüst aufgebaut ist. Cassidy Jameson war das Licht im Leben ihres Vaters, der sie wie eine Prinzessin bis zum Tag seines überraschenden Todes vergötterte. Ihre Mutter versank daraufhin in Trauer und wusste diese nur mit Alkohol zu ertränken, bis ein neuer Mann in ihr Leben trat, was zugleich das Ende von Cassidys unbeschwerter Kindheit markierte. Nahezu täglich wurde sie über einen Zeitraum von elf Jahren mit Händen und Gegenständen verprügelt, ohne sich dabei zur Wehr zu setzen. Ihre einzige Stütze in dieser Zeit war ihr bester Freund Tyler, der direkt nebenan wohnte und sie immer verarztete. Für Tyler ist es deshalb auch die logische Konsequenz, dass Cassidy ihn nach Texas begleitet, wo er sein Studium beginnt. Jeder trauert zwar auf seine eigene Art und Weise aber ich finde es einfach ungeheuerlich, wie jemand die Hand gegen das eigene Kind erheben und ein gerade einmal siebenjähriges Mädchen sich komplett alleine ernähren und versorgen lassen kann. Cassidy hat auf einen Schlag beide Eltern verloren, denn der sie verprügelnde Tyrann in ihrem Haus hatte nichts mit ihrer Mutter gemein als die äußere Gestalt. Texas soll nun also Cassidys Start in ein neues, selbstbestimmtes Leben sein, doch mit ihrer Ankunft dort beginnt das ganze Drama. Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass es Liebe auf den ersten Blick geben kann, aber in diesem Fall war die Szene des Kennenlernens zwischen Gage und Cassidy sowas von drüber. Er hat sie einmal erblickt, spürt beim Händeschütteln elektrisches Britzeln und verteidigt sie gleich gegen den erstbesten Typen, der nur mit ihr reden möchte? Das war dann doch etwas zu weit hergeholt und der Beginn einer aufgebauschten Erzählung voller Drama, das größtenteils hätte vermieden werden können, wenn man dem anderen einen Hauch von Vertrauen entgegengebracht und einfach mal miteinander geredet hätte. Normalerweise habe ich wirklich nichts gegen Romantik mit Ansätzen von Kitsch einzuwenden, aber dieses Buch trieft leider nur so vor unrealistisch kitschiger Szenen. Sind Dreiecksgeschichten auf Dauer schon anstrengend, bekommt man hier gar eine Quartettbeziehung vor die Nase gesetzt, die beinahe zu einer Fünferbeziehung ausartet. Obwohl ich Cassidy für ihre innere Stärke bewundere, dass sie trotz ihrer grausamen Kindheit zu einem selbstbewussten Menschen herangewachsen ist, wurde mir die Darstellung von ihr als Heilige ab einem gewissen Punkt echt zu viel. Jedes männliche Wesen, das ihr begegnet, verfällt sofort ihrer Schönheit sowie ihrem Charme und betet sie an. Dachte ich, ich hätte mich langsam an den immensen Kitschfaktor gewohnt, den man sicher nicht mehr steigern könnte, so wurde ich am Ende nochmal eines Besseren belehrt. Das absurde Feuerwerk an Kitschigkeit toppte wirklich alles.

"From Ashes - Herzleuchten" ist in meinen Augen ein ziemlich seichter New Adult Roman mit zahlreichen Schwachstellen, besonders was die doch recht spezielle Personendynamik sowie das großzügige Bedienen sämtlicher Rollenklischees angeht.

Bewertung vom 08.01.2019
Mein italienischer Vater
Landsteiner, Anika

Mein italienischer Vater


sehr gut

Laura steckt in einem großen Tief. Ihre Mutter ist gestorben und ihre Liebe zu David hat auch keine Zukunft. So entschließt sie sich spontan und ohne groß nachzudenken, ihren Vater in Apulien zu besuchen. Und das obwohl sie ihn seit Jahren erst wieder an der Beerdigung ihrer Mutter gesehen hatte. In Süditalien angekommen, muss sie sich erst zurechtfinden. Emilio sitzt vorübergehend im Rollstuhl und Gianna, die ihm den Haushalt führt, tritt Laura mit Ablehnung gegenüber. Als sie beginnt sich einzuleben, entdeckt sie ein Familiengeheimnis, das sie ziemlich durcheinanderbringt...

Nach ihrem Reisebericht "Gehen, um zu bleiben", von dem ich total begeistert bin, hat Anika Landsteiner nun ihren ersten Roman vorgelegt. Um es schon einmal vorweg zu nehmen, auch "Mein italienischer Vater" hat mir von der ersten Seite an gut gefallen.
Die Autorin hat als Kulisse, das herrliche Apulien ausgewählt, das man durch ihre Schilderungen sehen, riechen, schmecken und hören kann. So ist man von Anfang an direkt an Lauras Seite in Italien und erlebt den Unterschied der Mentalität und Gewohnheiten mit. Aber auch Freundschaft, Liebe, Verlust und Loslassen sind große Themen in diesem Buch. Es ist schön zu lesen, wie Laura und Emilio die Vergangenheit aufarbeiten und beide wieder frei sind, um ihr Leben ohne Ballast zu gestalten. Die authentischen, liebenswerten Charaktere mit all ihren guten und schlechten Seiten lassen die Geschichte richtig lebendig erscheinen. Ich war beim Lesen dabei bei Emilio, Laura, Luca, Gianna und Pino und habe mitgefiebert, wie sich Laura entscheiden wird. Der Roman ist absolut stimmig, flott und angenehm geschrieben und wird mit einem absolut passenden und logischen Ende hervorragend abgerundet.

Fazit: Unterhaltsame, kurzweilige Familiengeschichte vor herrlicher italienischer Kulisse

Bewertung vom 04.01.2019
Juli verteilt das Glück und findet die Liebe
Kokoska, Tanja

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe


ausgezeichnet

Die sensible, zurückhaltende Juli Mahlo lebt nach dem Tod der Mutter alleine in der alten Wohnung. Alles wird so belassen wie es ist, denn Juli braucht ihre vertrauten Dinge um sich, Veränderungen sind so gar nichts für sie. So hilft sie auch gerne in Maries Blumenladen aus, denn der ist ihr vertraut, gehörte er doch einst ihrer Mutter und Großmutter. Doch neben all ihrer Eigenbrötelei hat sie ein Herz für andere. So schafft sie es immer wieder ältere Menschen von ihren bedrückenden Erlebnissen zu befreien. Als sie Oskar kennenlernt, scheint auch für sie wieder die Sonne, bis sie durch ihn auf ein Familiengeheimnis stößt...

Mit "Juli verteilt das Glück und findet die Liebe" konnte ich mein Lesejahr 2018 wunderbar abschließen. Tanja Kokoska ist ein ganz besonderes Buch voller Poesie, Leichtigkeit, Humor aber auch Ernsthaftigkeit gelungen. Ihre Protagonistin Juli selbst ist herrlich altmodisch und liebenswert naiv, das ist richtig wohltuend. Vor allem wenn man die Passagen über Herrn Habakuk und Martha Zeising gelesen hat, die den Leser auf den Boden der Realität zurückbringen.

Die Geschichte lebt auch von einer ganz besonderen Sprache, denn Juli wirkt irgendwie aus der Zeit gefallen und dazu passt der einfühlsame, verschnörkelte Schreibstil. Die Sätze schweben wie seidige Federn über die Seiten und so umspinnt der feine, zarte Schreibstil Juli wie in einem Kokon vor der harten Welt, macht sie aber trotzdem sensibel für ihre Mitmenschen. Sie ist jemand, der hinsieht und sich um andere kümmert. Ein Satz von Seite 195 beschreibt sie meiner Meinung nach perfekt. Er lautet: "In diesem Jahr hatte sie eine Aufgabe gefunden, sie brachte das Leben anderer Menschen in Ordnung, und das war wichtig, das war nicht irgendwas." Gäbe es doch nur mehr Julis auf diesem Planeten.

Sie hilft aber nicht nur fremden Menschen, als Leser begleitet man Juli auch durch ihr eigenes Leben. Es ist wunderschön mitzuerleben, wie Juli in der Jetztzeit ankommt, sich von den Fesseln der Vergangenheit befreit und ihre Ängste hinter sich lässt.
Man sollte sich Zeit nehmen und das Buch in Ruhe und ohne Ablenkung lesen, damit man die Geschichte so richtig wirken lassen und genießen kann. Es lohnt sich!

Fazit: Wunderschönes kleines Lehrstück vom Glück und vom Loslassen

Bewertung vom 04.01.2019
Traum des Lebens
Archer, Jeffrey

Traum des Lebens


sehr gut

1968: Nach der Ermordung seines Vaters müssen der junge Alexander Karpenko und seine Mutter Elena im Hafen von Leningrad auf der Flucht vor dem KGB entscheiden, in welche der beiden Kisten sie steigen, um als blinde Passagiere das Land zu verlassen. Das eine Schiff fährt nach Großbritannien, das andere in die USA. Der Wurf einer Münze soll das Schicksal der beiden beschließen, die in den darauffolgenden Jahrzehnten noch mehrmals daran zurückdenken sollten, was wäre gewesen, wenn sie die andere Kiste gewählt hätten.

Nach "Kain und Abel" bin ich ein riesiger Jeffrey Archer Fan und verschlinge förmlich alles, was mir von ihm zwischen die Finger kommt. So war ich natürlich sehr gespannt auf sein neuestes Werk "Traum des Lebens" in dessen Mittelpunkt der junge Alexander Karpenko steht, der mit seiner Mutter Elena vor dem KGB aus der Sowjetunion flieht. Abermals ist das Cover a là Archer-Manier ein Traum und spiegelt den Inhalt des Buches perfekt wider. Denn nach dem Credo der Geschichte, "Wie wäre Alexanders Leben verlaufen, wenn er statt der einen in die andere Kiste gestiegen wäre?", verfolgt man abwechselnd die Lebenswege von "Sascha" in England und "Alex" in Amerika. Während ersterer sich schon früh in Ehrgeiz und Disziplin in der Schule und später der Universität übt, nur um sich darauf seiner Karriere als Politiker zu widmen, scheint Alex Leben in New York holpriger zu starten. Seine Noten sind nicht berauschend, weil er die meiste Zeit schachspielend auf dem Marktplatz verbringt und dort schon bald sein erstes Unternehmen gründet, der Beginn seines Werdegangs in der Wirtschaft. Verläuft Alexanders Leben nach der wichtigen Entscheidung in beiden Ländern noch so unterschiedlich, so gibt es natürlich charakterliche Parallelen, wie die Liebe zu einer kunstbegeisterten Frau, das scheinbar grenzenlose Talent alles in Gold zu verwandeln, was er anpackt, die insgeheime Leidenschaft für Politik und nicht zuletzt der Glaube an die Möglichkeit, das Leben vieler in seinem Heimatland Russland zum Besseren zu wenden. Zu letzterem gibt es eine herrlich amüsante Verkettung von Ereignissen, die ich natürlich ungern vorwegnehmen möchte, deshalb nur soviel vorab: Alex wird mit den Dämonen seiner sowjetischen Vergangenheit konfrontiert. Was mir hingegen ganz und gar nicht gefallen hat, ist die scheinbare Überschneidung der beiden Erzählstränge, die sich meiner Ansicht nach jeder Logik entziehen. Denn Alexander musste sich damals für eine Kiste entscheiden und egal ob er gerade Alex oder Sascha heißt, was Verwirrung ob der beiden Lebenswege und Länder verhindert, ist er nur eine Person. Deshalb kann es überhaupt nicht sein, dass der englische Alexander in Amerika mit dem Amerikanischen verwechselt wird, denn dieser existiert in diesem Szenario gar nicht. Davon abgesehen versteht der Erzähler es meisterlich durch die Jahrzehnte und geschickt eingebetteten historischen Ereignisse zu führen ohne dabei auch nur den Hauch von Langeweile aufkommen zu lassen. Leider bin ich nicht sehr in russischer Geschichte bewandert, weshalb ich einige Andeutungen schlichtweg übersehen habe, wodurch mich das grandiose Ende vollkommen kalt erwischt hat. Tatsächlich gibt es nämlich eine Person, die zu Beginn der Geschichte einen Stein ins Rollen bringt, im Laufe der Handlung kaum Erwähnung findet und deshalb ein wenig in Vergessenheit gerät, nur um auf den letzten Seiten - und dabei besonders den letzten zwei Worten - die gesamte Geschichte rückblickend zu dominieren - ein genialer Schachzug von Jeffrey Archer.

"Traum des Lebens" ist der neueste Geniestreich Jeffrey Archers, der die beiden Lebenswege des jungen Alexander Karpenko erzählt, der aus seiner Heimatstadt Leningrad fliehen und sich dabei für ein neues Land - England oder Amerika - entscheiden muss. Meisterlich verfolgt die mitreißende Erzählstimme die Auswirkungen beider möglichen Entscheidungen, um schließlich in einem genialen Finale zu enden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.01.2019
Paradies
Fried, Amelie

Paradies


sehr gut

Endlich einmal eine Woche lang weg aus dem öden Alltag und ab ins Hotel Paraiso, das auf einer idyllischen spanischen Insel liegt. Eine Seminarwoche vollgepackt mit Selbsterfahrungskursen, Körperarbeit, Meditation und Yoga. Das klingt nicht nur für Petra gut, die Abstand von Haushalt, ihrem Job und ihrer Familie bitter nötig hat, sondern auch für alle anderen Teilnehmer, wie z.B. Anka, Suse und Jenny. Wie es bei einer Gruppenreise oft der Fall ist, prallen auch hier Welten aufeinander und nicht nur für Petra ist nach dieser Reise nichts mehr wie vorher. Spätestens als auch noch ein Sturm die Insel vor der Außenwelt abschneidet, ist es mit dem Paradies endgültig so eine Sache...

Amelie Fried ist mit "Paradies" ein sehr kurzweiliges Buch gelungen, indem nicht nur eine spannende Geschichte steckt, sondern auch eine ordentliche Portion Zeitgeist.

Die Idee, die Handlung während eines Seminars auf einer spanischen Insel spielen zu lassen, gefällt mir gut, denn auf engem Raum kommen die Eigenheiten der Protagonisten noch deutlicher zum Vorschein. Und mit ihren Charakteren hat sich die Autorin wirklich große Mühe gegeben. Ihre Figuren sind präzise und detailliert ausgearbeitet, sie haben alle Ecken und Kanten, manche mehr, manche weniger. Kurzum sie sind absolut realistisch skizziert, ich hatte beim Lesen ein ganz genaues Bild von jedem Einzelnen vor Augen - und manchmal auch reale Vorbilder aus dem Bekanntenkreis. Das liegt vielleicht auch daran, dass zu Beginn des Buches die Personen im Vordergrund stehen, danach immer stärker die Handlung. Und diese entwickelt sich als eine rasante Fahrt durch die Ereignisse, die mit einem Paukenschlag zum stehen kommt.

Was so alles in einer Woche passieren kann, wenn Weltverbesserer, Esoterikfans, Menschen mit ungewöhnlichem Lebenslauf und sogenannte Normalos aufeinandertreffen, das hat die Autorin auf fesselnde, witzige und nachdenkliche Art und Weise in diesem Buch beschrieben. Sehr gut finde ich dabei auch immer wieder den Bezug zu aktuellen Themen, wie der Flüchtlingssituation. Durch Suse kommt man dann doch ins Grübeln, ob manche unüberlegte, jedoch gut gemeinte Hilfe nicht mehr schadet als nützt. Das gibt der Geschichte noch einmal einen zusätzlichen Schub und Ansporn zum Nachdenken.

Fazit: Unterhaltsamer, witziger, nachdenklicher Blick ins Paradies

Bewertung vom 31.12.2018
Archipel
Mahlke, Inger-Maria

Archipel


weniger gut

Schauplatz des Geschehens ist die Insel Teneriffa, wo sich die Kolonialgeschichte und diejenige europäischer Diktaturen im 20. Jahrhundert in der Peripherie des Kontinents verdichten. Die Erzählung führt rückwärts durch ein Jahrhundert voller Umbrüche, Verwerfungen und familiärer Dramen. Im Zentrum stehen dabei drei Familien aus unterschiedlichen sozialen Klassen wie auch scheinbar unbedeutende Einzelpersonen, in denen die Geschichte Spaniens von 1919 bis heute Brüche und Wunden hinterlässt.

In der Regel geht der Buchpreis ziemlich an mir vorbei, weil mich die nominierten Bücher inhaltlich nicht ansprechen. Deshalb war ich umso überraschter, als ich "Archipel" auf der Longlist für mich entdeckt habe und ausgerechnet dieses Buch den begehrten Preis erhielt. Neben dem Handlungsschauplatz Teneriffa, das auf der Liste meiner Urlaubsziele weit oben rangiert, hat es mir vorab besonders der Aufbau des Buches angetan. Denn dieser Familienroman wird rückwärts erzählt, was ich eine geniale Idee finde, sofern sie gut umgesetzt wird. Leider war genau das eines meiner vielen Probleme mit dieser Erzählung. Hatte ich eine fesselnde Familiensaga erwartet, die in die historischen Ereignisse der Geschichte Teneriffas eingebettet ist, so wurde ich ziemlich enttäuscht. Anstelle einer zu erwartenden Geschichtsschreibung von oben, schildert der Erzähler vielmehr stichprobenartig Alltagsszenen einfacher wie wohlhabender Menschen im Verlaufe eines Jahrhunderts und lässt Themen sozialer Ungerechtigkeit anklingen, ohne sie jedoch expliziter auszuführen. Manchmal verbirgt sich hinter der minimalistischen Sprache ein umfassendes, tiefergehendes Unrecht, meistens wirkt die Geschichte durch das andauernde Wechselspiel aus Erwähnen und Andeuten allerdings eher platt als mitreißend authentisch. Dabei hätte der telegrammartige Schreibstil grundlegend Potential, gleichwohl verkehren die teilnahmslose, beinahe schon gelangweilte Erzählstimme sowie das scheinbare Bestreben möchtegern anspruchsvolle Literatur zu verfassen, das Lesevergnügen ins Gegenteilige. Hinzu kommt das offenbar gewollte Fehlen einer stringenten Handlung, das durch einzelne, wirre, im Nichts verlaufende Erzählstränge kompensiert wird. Die zahlreichen Protagonisten, die häufig ähnliche Namen tragen, sowie die vielzählig eingestreuten spanischen Ausdrücke tragen ihr übriges zum andauernden Versiegen des Leseflusses bei. Für das Verzeichnis der agierenden Personen blättert man nach vorne, für die Übersetzungen der spanischen Worte nach hinten. Wenigstens sind die Charaktere selbst stellenweise interessant zu beobachten, da ihre Handlungen und Entscheidungen sich zumeist jeder Logik entziehen, wodurch es nahezu unmöglich wird ihre nächsten Schritte vorherzusehen.

Obgleich "Archipel" von der Jury des Deutschen Buchpreises für das herausragende schriftstellerische Schaffen mit dem ersten Platz honoriert wurde, konnte es mich nicht im Mindesten begeistern. Dabei hätten sowohl der spezielle, distanzierte Schreibstil als auch das rückwärtige Erzählen durchaus Potential, jedoch scheiterte deren Umsetzung in meinen Augen kläglich.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.12.2018
Der letzte erste Song / First Bd.4
Iosivoni, Bianca

Der letzte erste Song / First Bd.4


sehr gut

Vor langer Zeit hat Grace sich das Versprechen gegeben, nie wieder zu singen. Zu tief sind die Wunden, die sie mit einem schrecklichen Ereignis in ihrer Vergangenheit verbindet. Doch dann sucht Masons Band eine neue Leadsängerin und sie lässt sich dazu überreden am Vorsingen teilzunehmen und in die Band einzusteigen. Allerdings ist sie nicht darauf vorbereitet, welches Prickeln sie plötzlich in der Nähe von Mason verspürt, den sie aufgrund seiner vorlauten Sprüche anfangs nicht ausstehen konnte. Sie muss jedoch bald erkennen, dass sich darunter mehr verbirgt, doch sie können nie mehr als Freunde sein, denn Masons Herz gehört seiner Jugendliebe Jenny.

Mit "Der letzte erste Song" geht eine Ära an gefühlvollen, tragischen und berührenden Liebesgeschichten über eine Freundesclique am Blackhill College zu Ende, weshalb ich das Buch mit einer Mischung aus Vorfreude und Wehmut begonnen habe. Es ist schwierig zu beschreiben, aber in Bianca Iosivonis Erzählungen schwingt immer eine Traurigkeit mit, die auch nach dem Zuklappen des Buches noch nachhallt und sich nicht so leicht abschütteln lässt. So ging es mir bei den ersten Bänden der Reihe und war auch dieses Mal wieder der Fall. In irgendeiner Weise sind die Protagonisten unglücklich, haben in ihrer Vergangenheit ein furchtbares Unglück erlebt, stammen aus zerrütteten Familienverhältnissen oder kämpfen gegen ihre Selbstzweifel an. Eine Mischung aus allen dreien vereint sich in der Person von Grace Watkins, die bisher nur als Nebenfigur und Emerys alter Widersacherin aus der High School auftauchte, sich aber schlussendlich zu einer von Emerys besten Freundinnen entwickelte. Bereits in "Der letzte erste Blick" konnte man die Risse in ihrer schillernden, wunderschönen Fassade erkennen, die sich hier noch vertiefen sollten. Nachdem ihre ältere Schwester Gillian sich von ihrer Mutter loseisen konnte, hat diese ihre ganze Energie auf Grace fokussiert und sie zu einem Schönheitswettbewerb nach dem anderen geschleppt. Ständig wurde Grace kritisiert, sie sei nicht schlank genug, nicht schön genug, nicht perfekt genug, was tiefe Spuren hinterließ. Der Höhepunkt dieser Abwärtsspirale ließ Grace ohne Halt auf ihren seelischen Tiefpunkt stürzen, als sie bei einem Schönheitswettbewerb trotz ihrer Liebe zur Musik keinen einzigen Ton rausbekam und von allen verlacht und gedemütigt wurde. Am Blackhill College will Grace ein neues Kapitel in ihrem Leben aufschlagen, aber trotz der vielen Kilometer, die sie zwischen sich und ihre besitzergreifende, überkompensatorische Mutter gebracht hat, nagen die Selbstzweifel zunehmend an ihr. Da hilft es auch nicht gerade, dass sie schon wieder von einem Typen betrogen wurde, was sich für Grace so anfühlt als wäre sie wie immer nur die zweite Wahl. Deshalb fand ich es natürlich umso schöner zu lesen, wie sie in Masons Band neue Freunde gefunden und neues Selbstvertrauen geschöpft hat, ganz zu schweigen von den herzerwärmenden Szenen zwischen Mason und Grace. Während des Lesens keimte in mir ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass die Firsts-Reihe doch noch nicht zu einem Ende kommen würde, aber bei diesem berührenden Ende, in welchem alle Charaktere der vorherigen Bände nochmal auftauchen, wurde mir klar: Es ist vorbei.

"Der letzte erste Song" ist der würdige Abschluss der Firsts-Reihe, wenngleich die Charaktere verglichen mit den überaus authentischen, lebendigen Protagonisten der vorherigen drei Bände ein wenig blasser wirken. Dennoch nimmt einen der gefühlvolle, teils melancholische Schreibstil von Beginn an gefangen und hallt nach dem Zuklappen des Buches noch lange nach.

Bewertung vom 27.12.2018
Stürme des Lebens / Die Ärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Stürme des Lebens / Die Ärztin Bd.2


sehr gut

Fernab ihrer einstigen Heimat Berlin lebt die junge Ärztin Ricarda 1890 mit dem Brauereierben Georg und ihrer Tochter Henny in München ein beschauliches Leben, wenngleich ihr einige Steine in den Weg gelegt werden und besonders ihre männlichen Kollegen sie auch nach der Eröffnung ihrer eigenen Praxis nicht ernst nehmen. So läuft Ricarda gegen Mauern, als eine Diphteriewelle München erfasst und der sogenannte "Würgeengel" Hunderte von Kinderleben fordert und ihre Kollegen das neue Heilmittel Emil von Behrings für schwachsinnig abtun. Dennoch kämpft sie für ihre Überzeugung und ihre Patienten, bis ein gut gehütetes Geheimnis aus der Vergangenheit Ricardas Lebensweg erneut stark verändert und sich bis auf die nächste Generation auswirkt.

Erzählte der erste Band der Ärztin-Saga, "Das Licht der Welt", noch ziemlich locker und leicht von der heranwachsenden Gärtnerstochter Ricarda, die als Mündel einer der ersten weiblichen Ärztinnen Berlins ihre Liebe zur Medizin und später einem angehenden Arzt entdeckt, herrscht in Band zwei, "Stürme des Lebens", ein wesentlich ernsterer Ton. Denn Ricarda ist älter und reifer geworden, als Mutter, Ehefrau und approbierte Ärztin kämpft sie trotz ihres liberalen Ehemanns Georg um ihr Recht, im konservativen München praktizieren zu dürfen. Zugegebenermaßen hat es ein wenig gedauert, um mich in die Geschichte einzufinden, denn ich konnte Ricardas Entscheidung ihre Verlobung mit Siegfried zu lösen ohne ihm eine Erklärung zu liefern und nur wenige Tage später einen anderen Mann zu heiraten, schlichtweg nicht nachvollziehen. Irgendwann musste ich mir dann aber doch eingestehen, dass Georg ihr wirklich gut tut und München jede Menge neue Herausforderungen für Ricarda bereithält. Es ist bewundernswert und abscheulich zu gleich, wie sie als fertig studierte Ärztin mit abgeschlossener Dissertation dennoch über mehrere Instanzen hinweg darum kämpfen muss, ihr Handwerk praktisch ausüben zu dürfen. Ricarda ist besser als die meisten ihrer männlichen Kollegen, aber das Ungleichgewicht der Geschlechter ist zur damaligen Zeit noch vorherrschend. Es sollten erst einige weitere Jahre vergehen, bis ihre Tochter Henny sich in Berlin als Frau für das Studium der Medizin einschreiben durfte und den Verlauf der Geschichte zunehmend beherrscht. Dabei lernt sie einen jungen Mann kennen, der sich innerhalb kürzester Zeit in ihr Herz schleicht und doch ist die Beziehung der beiden ein furchtbares Unrecht, beruhend auf dunklen Geheimnissen, die zum Schutz einiger Beteiligten unter den Tisch gekehrt wurden. Ich weiß nicht, ob es an dem geschickt ablenkenden Schreibstil lag, aber erst kurz vor der Auflösung ist bei mir das entscheidende Licht aufgegangen, das mich aufkeuchen ließ, als ich die Beziehung und deren Folgen in allen Tragweiten realisierte. Abrupt wie schockierend war auch das Ende, bei dem ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass die Reihe "Die Ärztin" rund um Ricarda und ihre Familie schon vorbei sein soll. Es sind noch so viele Fragen offen, so viele Konflikte ungelöst! Deshalb musste ich gleich einmal im Verlagsprogramm stöbern, wo mir sogleich ein riesiger Stein vom Herzen gefallen ist, als ich das hübsche orangefarbene Cover von "Die Ärztin - Die Wege der Liebe" entdeckt habe, dessen Erscheinungstermin jetzt natürlich fett im Kalender steht.

"Die Ärztin - Stürme des Lebens" ist die Fortsetzung des Historiendramas rund um die Ärztin Ricarda Thomasius, die gegen die Ungerechtigkeiten des Lebens und der gesellschaftlichen Missstände kämpft.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.12.2018
Nichts zu verlieren. Außer uns.
Coplin, Lea

Nichts zu verlieren. Außer uns.


sehr gut

Wie schon Lea Coplins Jugendbuchdebüt habe ich den Spin-Off davon, in dessen Mittelpunkt der charismatische Max von Linden steht, noch an dem Tag verschlungen als ich das Buch aus dem Briefkasten gezogen habe. Gefiel mir das Erstlingswerk schon gut, so hat mir "Nichts zu verlieren. Außer uns." noch weitaus besser gefallen, weil mich die Geschichte von Lina und Max in ihren Bann gezogen und vollkommen überzeugt hat, denn sie war echt und wirkte nicht konstruiert. Große Handlungen wird man hier vergebens suchen, aber genau das macht für mich den Reiz dieser Erzählung aus. Denn dadurch liegt der Fokus gänzlich auf den beiden Charakteren, die das Buch mit ihren schlagfertigen Dialogen und ihrem teils sehr eigenen Charme zum Leben erwecken. Durch den intensiven, direkten Schreibstil und die wechselnden Erzählperspektiven nimmt man als Leser förmlich selbst den Platz von Lina beziehungsweise Max ein, was die Geschichte für mich noch interessanter gemacht hat. Die Figur des attraktiven Max von Linden, der nur so in Geld zu schwimmen scheint, fand ich schon in "Nichts ist gut. Ohne dich." faszinierend, denn unter der hübschen Oberfläche brodelte es schon darin gewaltig. Als reiches Politikersöhnchen genießt er zwar die Vorzüge einer Kreditkarte ohne Limit, doch gleichzeitig rebelliert er gegen die Bevormundung durch seinen Vater in dem Bestreben ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Allerdings erinnern seine Versuche bis dahin eher an pubertierendes Aufbegehren, denn indem er wenige Tage vor dem Geburtstag seines Vaters von der Bildfläche verschwindet, nur um ihm zu zeigen, dass er sich nicht alles gefallen lässt, finde ich schon ein wenig schwach. Doch in seiner scheinbar grenzenlosen Arroganz und seinem unbedingten Drang zur Rebellion belügt er sich selbst, denn wonach er sich eigentlich sehnt ist Anerkennung. Genau hierbei kommt nun die kratzbürstige Straßenmusikerin Lina Stollberg ins Spiel, die mit ihm das erste Mal auf dem Flughafen in Edinburgh zusammenstößt, wo sogleich die Funken fliegen. Die beiden beurteilen einander aufgrund ihrer gegensätzlichen Äußerlichkeiten und persönlichen Vorurteile und erkennen doch nicht, dass sie sich innerlich eigentlich ziemlich ähnlich sind. Beide sind unglücklich und auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Linas Mutter kümmert sich stets mehr um ihren aktuellen Freund als ihre Tochter und ihren psychisch kranken Sohn, der professionelle Unterstützung bräuchte. Deshalb sieht Lina sich in der Verantwortung finanziell für sich und ihren Bruder zu sorgen, was sie mit ihrer Straßenmusik zu erreichen versucht. Schon in jungen Jahren war Lina auf sich alleine gestellt, hat sich jedoch nicht aufgegeben, sondern immer weitergekämpft, was sie zu einer starken, jungen Frau mit einer harten Schale gemacht hat, unter der sich jedoch ein weiches Herz verbirgt. Durch einige Verkettungen des Schicksals bilden die beiden schlussendlich eine Zweckgemeinschaft und machen einen Roadtrip quer durch Schottland. Zu jeder Menge genialer verbaler Schlagabtausche, die unglaublich viel Witz versprühen und mich jedes Mal zum Schmunzeln gebracht haben, gesellen sich zunehmend das Gefühl von Erkenntnis, Verständnis und Verbundenheit. Es stellt sich nur die Frage, wie beständig Emotionen sind, wenn die stabile Unterlage des Vertrauens von einem Moment auf den anderen weggerissen wird. Erwähnenswert finde ich auch Linas ausdrucksstarke Songtexte, denn diese ermöglichen einen direkten Einblick in ihre Gefühlswelt, die sie ansonsten vor jedem, sogar sich selbst, verbirgt.

"Nichts zu verlieren. Außer uns." ist ein unabhängig lesbarer Spin-Off von Lea Coplins Jugendbucherstling, in dessen Mittelpunkt das attraktive, reiche Politikersöhnchen Max von Linden steht, der aus seinem Käfig der Bevormundung ausbrechen will und in Schottland auf die Straßenmusikerin Lina trifft, die ungewohnterweise nicht sofort von ihm fasziniert ist. Die Geschichte zweier Menschen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben.