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seschat
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 897 Bewertungen
Bewertung vom 24.11.2019
Schecks Kanon
Scheck, Denis

Schecks Kanon


ausgezeichnet

Ich schätze Denis Scheck's Stimme sehr. Der eloquente Literaturkritiker vermag mit seinen mitreißenden sowie kritischen Literaturbesprechungen andere zu begeistern. Wer ihn einmal live erlebt hat, wird bestätigen, dass er wie kein Zweiter vortrefflich über Literatur plaudern und streiten kann.

Das vorliegende Buch ist eine subjektive Zusammenstellung von 100 Werken der Weltliteratur. Darunter findet sich nicht nur Hergés "Tim und Struppi" und Fontanes "Effi Briest", sondern auch die "Historien" des Herodot oder "Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace. Einige Werke kannte ich bereits aus dem Schulunterricht bzw. aus eigener Lektüre, andere wiederum waren mir vollkommen neu. Auf diese Weise ergaben sich auch Literaturtipps.

Insgesamt mochte ich Schecks luzide Darstellung sehr. Die Klassiker der Weltliteratur beschreibt er kenntnisreich und spitzzüngig. Mit seiner eigenen Meinung geizt er, zu meiner Freude, dabei nicht.

FAZIT
Das richtige Buch für literarische Nostalgiker und Fans von unverhohlener Literaturkritik.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2019
Isch geh Bundestag
Möller, Philipp

Isch geh Bundestag


ausgezeichnet

Der freie Autor und ehemaliger Lehrer Philipp Möller (39) nimmt seine achtjährige Tochter Klara beim Wort und begibt sich als "Weltrettungspraktikant" in den Deutschen Bundestag. Dort soll er den Machthabern mal ordentlich die Meinung geigen und auf Missstände, wie Klimawandel, soziale Ungleichheit, Mietexplosion und verkommene Schulen, aufmerksam machen.

Wird er anfangs noch für sein Vorhaben belächelt, so darf er doch Woche für Woche bei einer anderen Partei (SPD, FDP, AfD, Grüne) hospitieren. Hierbei versucht er weitestgehend neutral zu bleiben, scheitert aber oftmals an eigenen Werten und Überzeugungen. Als Leser erlebt man hautnah mit, wie sich der Bestsellerautor von "Isch geh' Schulhof" in das ganz spezielle Milieu des Bundestags einfindet und nicht davor zurückschreckt, seine Meinung unverblümt vorzubringen. An Debatten und Sitzungen nimmt er wie selbstverständlich teil und stolpert ein ums andere Mal über politische Programme und erkennt, so einfach ist das Politikerdasein dann doch nicht. Mit Neugier und Langmut verfolgt er Debatten über Bundeshaushalt, Glyphosat oder Kernenergie und lässt sich kurzzeitig von Greta Thunbergs Klimahysterie anstecken. Allerdings gelangt er zur Einsicht, dass nicht alles so schlecht ist, wie es die Fridays-for-Future-Bewegung oder die Grünen uns suggerieren.

Neben viel Politik spielen auch Möllers private Sorgen eine Rollen. So findet er wegen der hohen Mietpreise in Berlin über 3 Jahre keine neue Wohnung und bedauert, dass seine Tochter genau jene Brennpunktschule besuchen muss, an der er einst unterrichtet hat.

An Möllers Buch fand ich vor allem die kritischen wie ehrlichen Töne sehr spannend. Er ist in seiner politischen Überzeugung nicht festgefahren. Das zeigt sich auch daran, dass er im Anschluss an sein "Weltrettungsprojekt" als überzeugter Grüner eine Stelle beim klimapolitischen Sprecher der FDP annimmt. Die Einblicke in die einzelnen Parteien waren allesamt aufschlussreich, weil Abläufe und Angeordnete fassbarer wurden.

FAZIT
Ein wirklich spannendes Buchprojekt, das dem Leser den Mikrokosmos Bundestag näherbringt und zeigt, wie Politik heute geht. Als Erkenntnis bleibt, auch wenn man nicht die gesamte Welt retten kann, man kann sie, jeder für sich, ein kleines bisschen besser machen.

Bewertung vom 31.10.2019
Winteraustern / Luc Verlain Bd.3
Oetker, Alexander

Winteraustern / Luc Verlain Bd.3


ausgezeichnet

INHALT
Der dritte Fall für Kommissar Luc Verlain entführt den Leser in die Heimat des sympathischen Ermittlers nach Arcachon. Hier möchte er noch einmal einen unbeschwerten Tag mit seinem krebskranken Vater auf See verbringen und stößt dabei auf einen verwundeten und zwei ermordete Austernfischer - von Erholung kann also keine Rede sein. Für seine Ermittlungen muss er tief ins hart umkämpfte Austernbusiness eintauchen und die stummen Austernfischer zum Reden bringen.

MEINUNG
Ich bin ein Fan von Alexander Oetkers französischer Krimireihe und konnte mir seinen neuesten Fall daher nicht entgehen lassen. Nicht nur der verzwickte Kriminalfall im Austernfischermilieu, sondern auch Luc Verlains private Herausforderungen boten beste Unterhaltung. In diesem Band überzeugt Oetker durch seine leisen Töne und weniger durch seinen Humor. Der Blick auf Frankreich und den dortigen Klimawandel ist aktuell und wurde gut in die Handlung eingebunden. Und vom Fischerdorf Arcachon wurde ein sehr realistisches Bild gezeichnet, das vor allem Frankreichliebhaber und passionierte Austernesser ansprechen wird. Die Krimikomponente wurde sehr spannend gestaltet und das Ende bzw. die Auflösung des Falls verblüffte. Zudem entwickelte sich Verlains private Beziehung zu seiner Kollegin Anouk weiter und nahm einen Großteil der Handlung ein.

FAZIT
Ein spannender Krimi mit viel französischen Lokalkolorit, der leise und gemächlich erzählt wird. Man darf gespannt sein, was sich Oetker für seinen Folgeband einfallen lassen wird.

Bewertung vom 27.10.2019
Miro
Reng, Ronald

Miro


ausgezeichnet

Miroslav Klose trat während seiner aktiven Zeit als Fußballer stets fair und bescheiden auf. Der flinke Stürmer stellte sich nie in den Vordergrund und spielte immer für die Mannschaft.

Der Sportjournalist und Autor Ronald Reng hat nun eine lesenswerte Biografie über den sympathische Sportsmann herausgebracht. Ausgehend von Kloses polnischen Wurzeln berichtet der Autor versiert und spannend über die Flucht nach Deutschland Ende der 80er-Jahre bis hin zu seiner nicht immer geradlinigen Karriere als Fußballer. Dabei kommt er auch auf Kloses mir bis dato unbekannten Ausbildung zum Zimmermann zu sprechen. Noch bevor Kloses Aufstieg in die internationalen Topligen begann, deckte er nämlich Dächer. Mit der gleichen Akribie widmete er sich später, mit 20 Jahren, dem Fußballgeschäft und kämpfte sich von der deutschen Regionalliga bis an die Spitze vor. Trotz seines vorgerückten Alters sollte ihm eine herausragende Fußballerkarriere gelingen. Vom Weg dorthin, von der besonderen Rolle von Kloses Vater, der selbst einst Profifußballer gewesen ist, und von seiner Spielphilosophie berichtet Reng ausführlich und authentisch. Er wird dem leisen, aber sportlich talentierten Menschen in seinem Buch mehr als gerecht.

FAZIT
Eine Fußballerbiografie, die mich ab der ersten Zeile gefesselt hat und mich dem Menschen und Ex-Spieler Miroslav Klose näher gebracht hat.

Bewertung vom 23.10.2019
World of Lehrkraft
Schröder, Johannes

World of Lehrkraft


ausgezeichnet

Johannes Schröder tourt zurzeit mit seinem ersten Soloprogramm "World of Lehrkraft" durch Deutschland. Nach 12 Jahren als Deutsch- und Englischlehrer versucht er sich nun als Comedian und hat sein ganzes Know-how ins Programm und ins gleichnamige Buch einfließen lassen. Da ich selbst Deutsch unterrichte und humorige Bücher liebe, kam ich Schröders Buch natürlich nicht vorbei. Es enthält einige spaßige Geschichten aus Schröders Schulalltag. An der fiktiven Helene-Fischer-Gesamtschule ist er Klassenlehrer der 10a und für seine Cordanzüge und sein loses Mundwerk bekannt. Alles und jeden zieht er während des Unterrichts durch den Kakao, merkt aber nicht, dass er damit nur sich selbst zum Lachen bringt. So erreicht er auf jeden Fall nicht sein Ziel, zum "Lehrer des Jahres" gewählt zu werden. Trotz Klassenfahrt nach Amsterdam, Theater-AG und eigenem Instagram-Profil, Schröders Imagekampagne will einfach nicht zünden. Ich habe Schröders Buch mit Freude gelesen, weil es mich bezogen auf die unterschiedlichen Lehrer- und Schülertypen nicht nur phasenweise an "Fack ju Göhte" erinnert hat, sondern weil ich auch Schröders Sprachstil sehr mochte. Sein Gemisch aus anbiedernder Jugendsprache und alt bekannten Paukersprüchen war sehr unterhaltsam und machte die einzelnen Geschichten erst interessant. Wie Schröder als Anti-Held versucht die Schüler von sich und seinem Unterricht zu überzeugen und sich immerfort mit den anderen Lehrerkollegen vergleicht, ist sehr amüsant und aufschlussreich - eine Persiflage auf den heutigen Schulalltag, die viel Wahres enthält. Nicht nur Pauker werden das 224-seitige Buch mögen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.10.2019
I Think I Spider
Hock, Andreas

I Think I Spider


ausgezeichnet

Bestsellerautor Andreas Hock hat wieder ein Buch über die deutsche Sprache veröffentlicht. Darin beschäftigt er sich eingehend mit dem Einfluss der englischen auf die deutsche Sprache und räumt dabei mit einigen Vorurteilen und Ängsten auf.

Die deutsche Sprache enthält laut Duden offiziell ca. 5000 Anglizismen. Der Einfluss der englischen Fremd- und Lehnwörter ist nicht zu unterschätzen, aber historisch und sprachgeschichtlich gesehen alles andere als verwunderlich. Ganze 55 Seiten widmet sich der Autor der indogermanischen Herkunft beider Sprachen und deren damit verbundenen Gemeinsamkeiten. Denn auch die englische Sprache hat deutsche Wörter in ihren Wortschatz integriert, wie z. B. Rollmops, Wunderkinder oder Kindergarten. Fans von Sprachwissenschaft & Co werden diese umfangreiche Einführung ins Thema lieben. Auf den sprachgeschichtlichen Exkurs folgen spannende Kapitel über sog. falsche Freunde (z. B. Bedeutung von Chef im Engl.), Pseudoanglizismen (bspw. Beamer oder Barkeeper) oder englische Begriffe in den Bereichen Fußball, IT und Werbung. Man muss schon zugeben, dass der momentane Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache Ausmaße angenommen hat, die man vom Französischen im 18./19. Jh. kennt. Nichtsdestotrotz bereichern diese Wörter unseren Wortschatz um Begriffe, für die es davor keine deutsche Entsprechung gab. Dies ist, wie Hock richtig argumentiert, kein Sprachverfall, sondern eine Belebung. Zudem können wir uns als Deutsche durch die schnelllebige Technik- und Werbebranche gar nicht mehr der vielen neuen Begriffe erwehren. Es liegt also an uns, unsere deutsche Sprache zu pflegen und nicht alles zu verteufeln, was aus Großbritannien kommt.

FAZIT
Ein wirklich kurzweiliges und informatives Buch über die heutige deutsche Sprache und den Einfluss des Englischen auf diese. Ich habe mich prächtig amüsiert, vieles wiederentdeckt, was ich bereits von Bastian Sick und Eike Christian Hirsch kannte, und ganz einfach vergnügliche Lesestunden verbracht.

Bewertung vom 11.10.2019
Jurafakten
Burow, Patrick;Rouzbeh, Adrian;Sam, Dallan

Jurafakten


ausgezeichnet

Die drei Autoren, allen voran Richter und Schriftsteller Dr. Patrick Burow, haben ihre witzigsten und verblüffendsten Fundstücke aus nationalem und internationalem Recht & Gesetz auf insgesamt 176 Buchseiten zusammengestellt. Die Lektüre "Jurafakten" basiert auf der gleichnamigen und gefragten Social-Media-Brand auf Facebook und Instagram.

In kurzweiligen Kapiteln wird der Leser über gegenwärtige juristische Stilblüten und Rechtslücken, wie z. B. dass das Duzen von Polizisten 600 € kosten oder das laute Knallen von Autotüren in Deutschland mit einem Bußgeld geahndet werden kann, informiert. Ich habe herzhaft über die aufgelisteten Fakten lachen müssen und war manches Mal echt über die z. T. recht lächerlichen Straftatbestände verwundert. Insgesamt las sich das Buch sehr flott und bot dabei beste Unterhaltung. Noch dazu konnte man seine persönlichen Rechtskenntnisse um einige "Fakten" erweitern. Daher lässt es sich auch bestens in den sonst eher trockenen Wirtschaft und Recht-Unterricht integrieren.

FAKT
Die perfekte Lektüre zum Schmunzeln und Weiterbilden für die Hosentasche bzw. einen Kurztrip.

Bewertung vom 08.10.2019
Lassen Sie mich mal machen!
Sommer, Heide

Lassen Sie mich mal machen!


ausgezeichnet

Heide Sommer (*1940) war über fünf Jahrzehnte Sekretärin von berühmten deutschen Literaten, Journalisten und Politikern. Darunter befanden sich u. a. Rudolf Augstein, Fritz J. Raddatz oder Helmut Schmidt. Ausgestattet mit einem wachen Verstand und Fleiß hat Sommer nicht nur den Schriftverkehr erledigt oder Reden mitgeschrieben, sondern auch Lebenshilfe geleistet. Diese eigenwilligen Geister und Machtmenschen der 60er- bis 90er-Jahre waren sicherlich keine einfachen Chefs, aber durchaus interessante Gesprächspartner und Künstler. Sommers persönlicher Einblick in die damalige egozentrische Herrenclub-Welt las sich ausgesprochen flüssig und spannend. Die Autorin hat einfach etwas zu erzählen und spart nicht mit allzu menschlichen Anekdoten. Ihre selbstbewusste wie verschwiegene Art machten sie zur perfekten, zutiefst loyalen Mitarbeiterin. Mir hat besonders ihre Offenheit sowie ihr modernes Frauenbild gefallen. Sie war nicht das damals propagierte "Heimchen am Herd", sondern lebte für ihre Arbeit und ordnete dieser stets alles unter.

FAZIT
Interessante Einblicke in ein bisher wenig beschriebenes Stück deutscher Zeitgeschichte.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2019
Ist das Deutsch oder kann das weg?
Hirsch, Eike Christian

Ist das Deutsch oder kann das weg?


ausgezeichnet

Die vorliegende Sprachstudie bzw. Momentaufnahme der deutschen Gegenwartssprache hat mich begeistert. Der leidenschaftlicher Sprachpurist Eike Christian Hirsch hat unzählige Sprachglossen für den STERN geschrieben und arbeitet beim NDR-Hörfunk. Auch dem vorliegenden Buch merkt man des Autors germanistische Expertise an. Hirsch hört im Alltag genau hin und liest Zeitungen und Zeitschriften gegen den Strich. Dabei hat er stets die korrekten grammatischen Formen im Hinterkopf und wundert sich nicht nur einmal über den Wandel der deutschen Sprache. Heutzutage scheint fast alles möglich zu sein. Übertreibungen, wie z. B. alle Daumen drücken, sind normal geworden, beim Einkaufen wird man als Kunde geduzt und amerikanische Redewendungen (z. B. mit jmd. auf Augenhöhe reden) gehen uns viel zu locker von der Zunge. Ich teile Hirschs Kritik und Verwunderung sowie seinen Sinn für Humor. Daher konnte mich das 156-seitige Büchlein von Anfang bis Ende überzeugen. Die prägnanten ein- bis zweiseitigen Glossen orientierten sich am Puls der Zeit und hielten neben bekannten Themen (wie den Deppenapostroph) auch manches Überraschende bereit. Hirschs Sinn für Ironie tritt nicht nur in seinen Texten zutage, sondern auch in der humorigen Covergestaltung. Titel und Dichterfürst Goethe mit Papierflieger machen auf den ersten Blick neugierig

FAZIT
Kurzweiliges Büchlein im Stile von Bastian Sick, das besonders Sprachliebhaber mögen werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2019
Sahra Wagenknecht
Schneider, Christian

Sahra Wagenknecht


sehr gut

Sahra Wagenknecht (*1969) galt bis zu ihrem Rückzug aus der Politik im Jahr 2019 als polarisierende Frontfrau der LINKEN. In TV-Talkshows argumentiert sie stets eloquent und versteckt sich nicht vor Wahrheiten. Mit ihrer ehrlichen Art eckt sie an. Politische Ränkespiele sind nicht ihr Ding, weil es ihr anders als den meisten Abgeordneten noch um die Sache und nicht um Macht und Geld geht.

Christian Schneiders Biografie, welche auf Gesprächen mit Sahra Wagenknecht und engen Vertrauten/Weggefährten basiert, versucht das Mysterium um die Linkenpolitikerin zu klären. Der Autor stellt dazu den Menschen und dessen Sozialisation wie Überzeugungen in den Fokus.

So erfährt der Leser u. a. von Wagenknechts ostdeutscher Herkunft und der prägenden Rolle ihrer Großeltern. Ihren iranischen Vater hat sie nie kennengelernt und sich früh in Traumwelten zurückgezogen. Wegen ihres exotischen Aussehens wurde sie in der Schule gehänselt und hatte nicht viele Freunde. Hinzu kam ihre hohe Intelligenz. Mit Einserabi in der Tasche träumte sie in der DDR von einem Philosophiestudium, was ihr aber verwehrt blieb. Ihre kritische Ader war schon damals stark ausgeprägt und so machte sie aus der Not eine Tugend und betrieb in Sachen Klassischer Philosophie eigenständige Studien. Dabei kam Wagenknecht ihre Liebe zu Büchern zugute. Bis heute gehört das Lesen zu ihrem Leben. Erst mit der Wende 1989 politisiert sie sich und tritt in die PDS ein. Nun darf sie auch studieren, erst Philosophie und Literatur dann Wirtschaftswissenschaften. Das nötige theoretische Rüstzeug für eine Politkarriere hat sie nun, aber Anerkennung und Wertschätzung innerhalb der Partei muss sich erst noch hart erarbeiten. Immer wieder sieht sie sich Anfeindungen ausgesetzt, flüchtet kurzzeitig ins EU-Parlament, um dann als neues Gesicht der LINKEN zurückzukommen. Hier lernt sie 2005 auch ihren zweiten Ehemann Oskar Lafontaine kennen. Er steht ihr bei innerparteilichen Grabenkämpfen bei und berät sie bis zum freiwilligen Rückzug von der Parteispitze. So weit, so bekannt.

An Schneiders Buch fand ich vor allen Dingen die Einblicke in Wagenknechts Kindheit und Erwachsenwerden sehr spannend. Denn hier lernt der Leser die Person Sahra Wagenknecht mit ihren Talenten, Ängsten und Überzeugungen besser kennen. Und schnell wird klar, sie ist keine "eiskalte Politikerin", sondern eine blitzgescheite Beobachterin, treue Freundin und ehrliche Haut. Sie verstellt sich nicht, um anderen zu gefallen, sondern macht ihr Ding - was ich im politischen Einerlei sehr sympatisch finde. Auch ihre Leidenschaft für Literatur konnte ich gut nachvollziehen, da ich selbst viel lese.

Als weniger überzeugend, weil zu intellektuell und dadurch mit Details überfrachtet, empfand ich den Teil über ihre staatspolitischen/-philosophischen Überzeugungen bzw. Vorbilder, wie z. B. Marx. Hier wäre weniger mehr gewesen, gerade für Leser ohne entsprechende Vorkenntnisse. Im Ganzen war dieser Part einfach zu theorielastig.

Die Umstände und Ursachen für ihren Rückzug werden angeschnitten und hätten gern noch etwas ausführlicher ausfallen können. Gefallen hat mir hingegen der Ausblick auf ihr Leben jenseits der Politik. Denn mit 50 Jahren , ihren Erfolgen als Buchautorin bzw. Sprachrohr der sozialen Gerechtigkeit ist noch lang noch nicht Schluss. Mich würde es jedenfalls freuen, bald wieder etwas von ihr zu hören.

Über das Titelbild lässt sich vortrefflich streiten, schön fand ich aber, dass Christian Schneider Wagenknecht innerhalb des Buchs genügend Raum gab und auf allzu kritische Töne verzichtete.

FAZIT
Eine Biografie, die Sahra Wagenknecht zwar nicht zu 100 Prozent ergründen kann, aber nahe dran ist. Für eine Person, die nie mit der Politik geliebäugelt hat, hat sie ihren Job doch souverän gemeistert oder?

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.