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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1393 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


sehr gut

Der Mossad und die Araber - das scheinen die "natürlichen" Feinde zu sein in den zwei Kriminalfällen, die Avi Abraham in diesem Band zu behandeln hat. Sie sind sehr unterschiedlich: einer betrifft den Mord an einem in Paris lebenden Israeli - zumindest scheint es aufgrund diverser Verletzungen der Leiche ein Mord zu sein, auch wenn diverse Stellen Avi und seinen Kollegen weismachen wollen, es sei nicht so.

Im anderen Fall geht es um ein ausgesetztes Baby, das abgetrieben werden sollte. Die jugendliche Mutter erhielt Hilfe von der werdenden Großmutter, also ihrer eigenen Mutter.

Alles sehr merkwürdig, zumal beide Fälle Avi nach Paris führen - auch wenn er mit einem von ihnen gar nichts mehr zu tun hat.

Ein Krimi, der eine Entwicklung durchgeht, wie ich finde: zunächst empfand ich den Plot als ausgesprochen wirr, mehr noch als verwirrend. Denn es gab verschiedene Handlungsstränge, die nichts miteinander zu tun hatten. Doch dann wurde mir klar, dass dies eigentlich eine sehr geschickte Darstellung des Autors ist - genauso gestaltet sich der Alltag eines Kriminalbeamten. Mehrere Fälle parallel und natürlich ist das auch für den Ermittelnden selbst ausgesprochen verwirrend - genau, wie wir es als Leser wahrnehmen.

Allmählich wird es dann weniger nebulös und endet - wie bei Dror Mishani nicht selten - mit Überraschungen. Zumindest habe ich das so empfunden, was diesen einfühlsamen Krimi für mich zu etwas ganz Besonderem und dessen Schluss zu einem richtigen Highlight werden liess.

Bewertung vom 08.04.2022
Schallplattensommer
Bronsky, Alina

Schallplattensommer


weniger gut

Mein Maserati fährt 210
Das trifft auf Alina Bronskys Maserati definitiv nicht zu. Ihr Maserati ist nämlich ein junges Mädchen, das Fahrrad fährt.

Wenn sie denn Mal nicht ihrer Oma im Imbiss helfen muss, was sehr selten der Fall ist.

Trotzdem macht sie die Bekanntschaft von Caspar und Theo, die zur frisch her gezogenen Familie gehören, einer Familie, der es mehr als gut geht. Denkt Maserati. Und teilweise stimmt es auch, zumindest im Vergleich zu ihr, deren Leben tatsächlich noch nie auf Rosen gebettet war.

Was viel mit ihrer Mutter zu tun hat, aber nicht nur.

Normalerweise mag ich Alina Bronsky und habe auch nur selten ein Problem damit, dass sie Dinge nicht zu Ende erzählt oder gar nur andeutet.

Hier allerdings war es mir des Guten viel zu viel. Es ging soweit, dass ich gleich mehrfach den Faden verlor. Auch konnte ich mir kein Bild machen von keiner der Figuren. Ob es daran lag, dass mir zu wenig Informationen vorlagen? Oder waren es die falschen? Keine Ahnung, jedenfalls war irgendwo der Wurm drin, zumal der Roman von seinen Figuren lebt.

Bewertung vom 08.04.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Köstlich in jeder Hinsicht

Verführerisch! Und das bezieht sich sowohl die beschriebenen Speisen als auch auf eine Vertiefung der Bekanntschaft mit Elizabeth Zott und ihrer Tochter. Was für ein Stil - witzig, aber kein bisschen oberflächlich - der Roman ist mindestens ein ebenso großer Genuss wie Madelines Pausenkästchen für die Schule! Wobei ich nichts dagegen hätte, wenn selbiges gleich mit zum Buch geliefert würde. Denn mir lief gleich mehrfach so sehr das Wasser im Munde zusammen, dass ich mir UNBEDINGT etwas gönnen musste. Aber nicht irgend etwas...

Tja.... nur leider war Elisabeth Zott gerade nicht vor Ort, um ihre Creationen zu kredenzen.

Aber das war nicht schlimm, denn Stil und Inhalt des Romans waren mir Genuss genug. Unterhaltsam, anspruchsvoll, warmherzig und feministisch - wann findet man all diese Eigenschaften in einem Werk?

Absolut köstlich! Und absolut zu empfehlen. Ich lehne mich vielleicht ein wenig aus dem Fenster, aber ich wage es zu behaupten, dass die wenigsten von Ihnen etwas wie das hier schon mal gelesen haben. Was mich selbstredend mit einschließt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2022
Nebelopfer / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.5
Fölck, Romy

Nebelopfer / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.5


sehr gut

In der Elbmarsch gibt es viel Nebel - eine gute Voraussetzung für Mörder, die nicht gesehen werden wollen. So gibt es hier gleich mehrere Morde, die mit einem längst - genauer gesagt vor 17 Jahren - vollendeten Familienmord zusammenhängen, für den damals auch jemand verurteilt wurde. Nämlich der Familienvater.

Hier ist viel Unausgesprochenes im Raum - auch, was Frida und ihre Kollegen angeht. Ich bin normalerweise nicht so der Fan davon, aber im Zusammenhang mit dem Nebel in der Marsch - da passt das natürlich wie die Faust aufs Auge. Und auch mir selbst ist dieser Seelenzustand nicht so ganz unbekannt, so dass ich mich teilweise gut hineinversetzen konnte.

Mir gefällt diese Serie von Romy Fölck wirklich gut, aber dieser Band gehört aus meiner Sicht doch zu den Schwächeren, wenngleich es natürlich eine Schwäche auf hohem Niveau ist, denn schwach kann die Autorin gar nicht. Ich hatte auch den Eindruck, dass nicht ganz gründlich redigiert wurde - ab und zu wiederholten sich Redewendungen in aufeinander folgenden Sätzen, was dem Lesevergnügen natürlich abträglich war.

Auf jeden Fall hat es mir wieder großen Spaß gemacht, Frida, Bjarne Haverkorn und ihrem Umfeld beim Ermitteln und dem Umgang miteinander über die Schulter zu schauen.

Bewertung vom 28.03.2022
Nordwestnacht / Soko St. Peter-Ording Bd.3
Jensen, Svea

Nordwestnacht / Soko St. Peter-Ording Bd.3


ausgezeichnet

Wieder daheim - so gut wie
So fühle ich mich nach der Lektüre dieses Krimis - auch wenn Dienststellenleiter Hendrik Norberg und seine Mitarbeiterin Anna Wagner vor nicht gerade leichten Aufgaben stehen und es auch privat bei beiden nicht geradlinig läuft, ist es für mich ein Treffen mit alten Freunden in vertrauter Umgebung. Also wie ein kleines Zuhause - fast jedenfalls. Auch wenn der junge Mitarbeiter Nils sich noch ganz gehörig die Hörner abstoßen muss, um eine vollwertige Unterstützung für die beiden erfahrenen Kollegen zu bieten.

Vor allem, weil ihm die in Fall Verwickelten nicht gerade unbekannt sind. Denn es ist ein Filmteam, das eine neue Staffel einer beliebten Krimiserie fürs Fernsehen dreht. Ein Toter, eine Vermisste - und die ist der große Schwarm von Nils, weswegen er alles andere als neutral agiert.

Dazu kommt, dass auch die anderen Mitarbeiter der Dienststelle - Hendrik und Anna eingeschlossen - nicht gerade einfache Charaktere sind. Autorin Svea Jansen gelingen besonders die Personendarstellungen sehr gut, was bei einem Krimi, der vor allem durch seine Figuren getragen wird, ebenso wichtig wie lobenswert ist.

Es kommt auch ordentlich Spannung auf, denn es gibt zahlreiche potentielle Lösungsansätze für dieses Verbrechen, wie Anna und Hendrik - und allmählich auch Nils - nach und nach herausfinden. Ein schöner Krimi und mittlerweile der dritte Fall des Teams von Schleswig Holsteins Nordseeküste, den ich sehr genossen habe. Ich freue mich schon auf den nächsten Band!

Bewertung vom 26.03.2022
Verdeckte Gerechtigkeit
Blackburn, Lynn H.

Verdeckte Gerechtigkeit


sehr gut

Ein Thriller, in dem es ganz schön heftig zugeht. Eine Familie steht unter Beschuss. Nicht irgendeine Familie, sondern die des größten Arbeitgebers der Region. Der zudem einen exzellenten Ruf genießt. Bis sie ins Visier einer bekannten Verbrecherfamilie geraet - zunächst, ohne es zu merken.

Nur dadurch, dass plötzlich eine Agentin ins Spiel kommt, die schon bald gezwungen ist, sich zu öffnen, bringen sie es überhaupt in Erfahrung. Zufällig ist sie jung attraktiv und hat das Herz am rechten Fleck - ebenso wie der Sohn des Hauses. Doch beide haben schon so einiges hinter sich, richtig üble Sachen. Werden sie sich einander öffnen können!

Ein Thriller, der berührt und bewegt. Einer, der Werte transportiert und den ich genau deswegen nicht Vergessen werde!

Bewertung vom 24.03.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


sehr gut

(Fast) Alle Teile einer Familie

Vater, Mutter, vier Kinder: zwei Mädels, zwei Jungs. Allesamt aus der Türkei - zumindest mehr oder weniger.

Bei Ümit, dem jüngsten, erst 15jährigen definitiv weniger: er ist komplett in Deutschland aufgewachsen, spricht nur wenig Türkisch und kann sich mit seiner Herkunft in keinerlei Hinsicht identifizieren. Er ist ein Verlorener.

Wenn man jedoch genauer hinsieht - auch Ümits Eltern und Geschwister werden explizit vorgestellt - erkennt man schnell, dass es sich um ein Häuflein Verlorener findet, jede*r auf seine Art und Weise.

Eigentlich sollte man nicht sagen, dass es jemanden am schlimmsten getroffen hat im Laufe seines Lebens, doch mein Herz schlägt für Sevda, die ältere der beiden Töchter und insgesamt das älteste Kind, das in der Türkei zurückgelassen wurde, als die Familie nach Deutschland ging. Ohne Schulbildung, die sie auch nicht erhielt, als sie endlich nachziehen durfte.

Statt dessen bekam sie einen Mann. Viel zu früh und ohne es selbst zu wollen.

Ich habe den Eindruck, dass auch das Herz der Autorin für Sevda schlägt. Doch auch ihre Schwester Peri, ihre Brüder Hassan und Ümit und natürlich die Eltern Hüssein und Emine sind Teile des Puzzles, das "Familie" heißt.

Das nicht ganz vollständig ist. Tragische Schicksale, denen jedoch stellenweise jede Menge Kraft innewohnt. Nicht allen und nicht immer dann, wenn es gerade hilfreich wäre, doch strahlt dieser Roman eine Menge Lebensmut aus, den - wie könnte es sein - nicht zuletzt meine Favoritin Sevda transportiert.

Ein Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte, bis ich ihn ausgelesen hatte. Auch wenn ich mir ab und an ein paar mehr Details gewünscht hätte - aber vielleicht war/bin ich auch nur etwas langsam!

Bewertung vom 14.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


ausgezeichnet

Familie auf dem Serviertablett

Wir erleben das mehr und mehr in den letzten Jahren: den gläsernen Menschen. Wir treffen auf ihn im Fernsehen, mehr noch aber im Internet, wo es offensichtlich noch viel Luft nach oben gibt. Denn Melanie, die in den Müller Jahren ein großer Fan der französischen Version von "Big Brother" war, hat - inzwischen selbst erwachsen - dies aus ihrer Sicht noch weit übertroffen: Sie ist YouTuberin mit zahllosen Followern, wobei - der eigentliche Clou an der Geschichte - ihre beiden Kinder die Stars sind. Genau genommen sitzt die gesamte Familie von morgens bis abends auf dem Praesentierteller.

Während meiner Lektüre habe ich wieder einmal genau gespürt, warum ich Autorin Delphine de Vigan so schätze: sie vermag es stets, bei ihrer Schilderung brennender Gegenwartsthemen, beziehungsweise - lassen Sie es mich aussprechen - aktueller Probleme den Finger in die Wunde zu legen und zwar so tief hinein wie nur möglich. In diesem Fall betrifft dies sogar Abläufe, die noch nicht stattgefunden haben können. De Vigan allerdings führt ihren Lesern eine mögliche Zukunft bereits jetzt vor Augen und zwar eine ausgesprochen realistische.

Ich muss sagen, ich lese sie nicht immer gerne, weil es eben kein gemütlich-kuschliges Lesevergnuegen ist, aber es sind enorm wichtig Texte und ich kann mir vorstellen, dass sie in deutlich fernerer Zukunft zu wichtigen Dokumenten unserer dann schon historischen Gegenwart werden.

Ein sehr aufregender Gedanke!

Bewertung vom 14.03.2022
Bone Music
Almond, David

Bone Music


gut

Sylvia entdeckt die Welt

Beziehungsweise eine neue, ihr bisher unbekannte Welt, mit der sie auf eine zunächst für sie unerklärliche Weise verbunden ist.

Denn für ihre Mutter ist es eine Rückkehr, doch die geriert sich seltsam verschwiegen, ja geheimnisvoll. Warum wissen alle genau, wer Sylvia ist, sie selbst hingegen gar nichts über die anderen?

So sehr die Mutter den Aufenthalt genießt, sie will am liebsten wieder Weg.

Doch dann trifft sie einen kleinen Jungen und dann auch dessen älteren Bruder, der sie mit sich zieht. In einen ganz schön verwirrenden Strudel von Eindrücken und Erlebnissen. Die allesamt aufs Engste mit der Natur verbunden sind.

Das war ein origineller, aber für mich nicht sehr eindringlicher Lesegenuss. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ihn so manch ein junger Mensch als recht oede bzw. langweilig empfinden wuerde. Eine tolle Idee, deren Realisierung allerdings recht ausbaufähig ist.

Bewertung vom 02.03.2022
Im Rausch des Aufruhrs
Bommarius, Christian

Im Rausch des Aufruhrs


ausgezeichnet

1923 war ein schlimmes Jahr - aber nicht nur

Jedenfalls nicht in der Weimarer Republik, in die der Autor seine Leser für die Dauer des Jahres mitnimmt.

Eines sehr extremen Jahres, in das Inflation und eine hohe Armutssteigerung fällt, allerdings auch eine Öffnung, die den Menschen erlaubt, Neues auszuprobieren.

Und wir begegnen so einigen Gestalten, wie Josef Goebbels, der seine ersten Schritte in Richtung seiner späteren zweifelhaften Karriere tut. Oder der Tänzerin Anita Berber, die für ein ganz anderes, völlig neues Leben steht. Und für ein neues Frauenbild. Eines, das man sich nur wenige Jahre vorher nicht einmal ansatzweise hätte träumen lassen.

Ein Sachbuch, spannender als so mancher Roman, das ich mit großem Vergnügen las, zumal die Texte mit interessanten Bildern "garniert" werden. Ein ganz besonderes Buch, in das ich ganz sicher noch häufig reinschauen werde!