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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 07.08.2019
Hektor spielt (nicht) mit Mädchen!
Ameling, Anne

Hektor spielt (nicht) mit Mädchen!


ausgezeichnet

Zusammen sind wir am besten
Hektor, der Wolfsjunge, freut sich auf einen wolfsmäßig schönen Tag, sammelt fröhlich Blumen fürs Schmetterlinghaus und begeistert sich zusammen mit Mücke und Klara über die ersten Schmetterlinge, die gleich einziehen wollen. Aber Rocky Igel, der Hartgesottene, findet das mädchenkramig albern und will „was Richtiges“ spielen, Ball zum Beispiel, jungenmäßig halt. Und er zeigt seine Dribbelkunst. Als Mücke und Klara mitspielen wollen, lacht Rocky sie aus, denn seiner Meinung nach stolpern Mädchen nur über ihre eigenen Füße. Das lassen Mücke und Klara natürlich nicht auf sich sitzen und zeigen Rocky und Hektor, dass Mädchen sehr geschickt sind und überhaupt, wie viel Spaß das gemeinsame Spiel macht.
Ob Rollenverhalten bereits im Kindergartenalter wichtig ist? Vielleicht ja, wenn die Eltern darauf drängen. Und genau diese Eltern werden wohl das vorliegende Bilderbuch ihren Kindern nicht in die Hand geben, fürchte ich. Ganz grundsätzlich ist die Botschaft jedoch wirklich wichtig: Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam haben wir Spaß, und gerade, weil wir unterschiedliche Fähigkeiten haben, sind wir zusammen am besten. Die Illustrationen von Günther Jakobs gefallen mir sehr. Sie drücken ganz unmittelbar die Bandbreite der Gefühle aus von entspannter stiller Freude bis zu stocksauerer Ablehnung, von angespanntem Leistungswillen, über Nachdenklichkeit hin zu freudigen Spielprojekten – all dies lässt sich an den Zeichnungen auf direkte Weise ablesen. Dazu kommt noch die dynamische Lebendigkeit der Bilder, so stark, als wären sie bewegte Bilder, besonders beim Baumballspielen. Besser geht es nicht. Und Papa Wolf bringt es beim mittäglichen Braten von Wolfsburgern beim Thema, dass Schmetterlinge Mädchenkram seien, auf den Punkt: „Schmetterlinge sind Schmetterlinge“! Dem ist nichts hinzuzufügen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.08.2019
Prinzessin Lillifee in der Tierklinik
Finsterbusch, Monika

Prinzessin Lillifee in der Tierklinik


ausgezeichnet

Feenstaub und Freundschaft
Monika Finsterbusch, die Schöpferin von Lillifee und weiteren Tieren und Wesen, war viele Jahre Modedesignerin für Erwachsene, bevor sie sich der kindlichen Welt zuwandte und seither dort ihre reiche Kreativität auslebt. Sie mag nicht selbst im Vordergrund stehen, sondern lässt ihre Geschöpfe für sich sprechen. Wie schön, dass der großartige Coppenrath Verlag es so meisterhaft versteht, all die zauberhaften Geschichten wunderbar in Szene zu setzen.
Das vorliegende Buch ist wieder ein Mädchenbuch, wie es schöner nicht sein könnte. Ein dreidimensional gestalteter Einband mit viel, viel Feenstaub versehen lädt ein in die Welt von Rosarien, in der Lillifee wohnt und missmutig in den Regen schaut. Da muntert sie der fröhliche und heftig verliebte Vogel Filou auf und verlockt sie, mit nach Tikitan zu kommen, einem Land, in dem immer die Sonne scheint. Das klingt so sehr verführerisch, dass sich Lillifee nur zu gerne zusammen mit Filou auf den Weg macht – nicht ohne auf jeder Buchseite für die kleinen Leserinnen weiteren Feenstaub zu hinterlassen. Doch kaum kommen sie an im immergrünen Dschungel, wird Lillifee von einer Kokosnuss getroffen und bleibt bewusstlos liegen. Die Affenmutter Moma kümmert sich um Lillifee, die nicht mehr weiß, wie sie heißt und woher sie kommt. In der Klinik für verletzte Tierkinder geht es Swami, wie Lillifee nun genannt wird, schnell besser und sie kümmert sich bald liebevoll um all die kranken Tiere. Doch wie kommt Lillifee wieder an ihre Erinnerungen?
Die liebenswert-warmherzige Geschichte erzählt vom Wert des zugewandten Miteinander, des gegenseitigen Helfens und Unterstützens, vom Geborgen-Sein in der Gemeinschaft, auch von Ehrlichkeit, Freundschaft und den allerersten Fragen nach der eigenen Identität. Der lebendig geschriebene, feinfühlige Text und die ausdrucksstarken Zeichnungen, auf denen so viel zu entdecken ist, ergeben eine Erzählung aus dem Reich der Feen-Fantasie, wie sie schöner nicht sein könnte.

Bewertung vom 03.08.2019
Die Gärten von Monte Spina
Scriverius, Henrike

Die Gärten von Monte Spina


gut

Versteht die Autorin mehr von Pflanzen als von Menschen?
Allem voran: Um das Buch zu mögen, muss man Pflanzen mögen, mehr noch, man muss sie unabdingbar lieben, wie passionierte Gärtner es tun. Denn in diesem Roman ist die Liebe zu den Pflanzen der Wegweiser durchs Geschehen, die eigentliche Stärke des Buches.
Worum geht es: Auf der abgelegenen Insel Monte Spina, einer Privatinsel, wird ein neuer Gärtner gesucht. Für Toni, 30, deren Mann vor kurzer Zeit durch einen Autounfall gestorben war, findet das Leben nur noch hinter einem grauen Schleier statt. Sie hängt in ihrer Trauer fest. Da scheint die Aufgabe, als Gärtnerin auf dieser einsamen Insel zu arbeiten, genau richtig. Sie schuftet hart, trifft auf seltsame Menschen, hört von dem noch seltsameren Inselbesitzer, der immer nur für wenige Wochen auftauchen soll, und je tiefer sie durch ihre Arbeit in die Pflanzenwelt der Insel eintaucht, umso mehr erwacht ihre Neugier – auf Max Bror, den bösartigen, unangenehmen Inselbesitzer, auf merkwürdige Geheimnisse, über die niemand sprechen will, aber auch auf eine neue Lebensneugier bei sich selbst.
Könnte es sein, dass die Autorin mehr von Pflanzen als von Menschen versteht? Ihre Protagonisten sind überzeichnete, klischeehafte, durchweg unsympathische Typen, deren Verhalten und Konversationen nicht nachvollziehbar und unrealistisch konstruiert wirken. Lediglich Toni in ihrem Trauergefängnis, aus dem sie Stück für Stück ausbricht, erreicht den Leser emotional. Leon, ihr verstorbener Mann, taucht in kritischen Situationen vor Tonis innerem Auge auf und fungiert wie eine Art Lebens-Souffleuse. Solche Szenen sind gelungen und getragen von einem leisen Humor. Überhaupt ist das Buch eine Sammlung von Stilbrüchen. Wunderschöne Naturschilderungen, unglaublich schöne lyrische Wortbilder wie z. B. „misstrauisch entknittern sich die Stauden“ (nach einem Sturm), wechseln sich ab mit abstoßenden, frauenfeindlichen, widerwärtigen Szenen oder unpassend-lächerlichen Schilderungen wie z. B. „Beine wie Wiener Würstchen“. Kluge Sätze wie „Alleinsein ist die kleine Schwester von Frieden“ wechseln ab mit dem nervigen sprachlosen Einheitskommentar, der wieder und wieder von der Autorin eingesetzt wird: „Pffff…“.
Und so bleibe ich in meinem Urteil über diesen Debütroman hin- und hergerissen zwischen wunderschön und abstoßend, zwischen gekonnt und laienhaft. Auf jeden Fall ist das Cover wunderschön gelungen.

Bewertung vom 18.07.2019
Immer kommt mir das Leben dazwischen
Schrocke, Kathrin

Immer kommt mir das Leben dazwischen


ausgezeichnet

Vergnügliche Jugendlektüre
Noch selten habe ich solch ein witziges Jugendbuch gelesen. Auch Wenigleser jeden Alters kann man mit dieser Geschichte auf den Geschmack bringen, dessen bin ich mir sicher.
Worum geht es? Der 13-jährige Karl steckt die Trauer um seinen toten Opa im Allgemeinen sehr geschickt weg. Dass ihm Opa in einem Traum einflüstert, er solle YouTube-Star werden, macht es ihm einerseits leichter, andererseits klappt es mit der Karriere nicht, weil Oma plötzlich in ein Mehrgenerationenhaus umziehen möchte und er ihr helfen möchte, die Eltern eigene, bedrohlich wirkende Pläne haben, und dann ist da auch noch Irina…
Sehr gekonnt und mit leichter Feder berührt die Autorin viele durchaus ernsthafte Themen, die nicht nur in der Pubertät eine Rolle spielen. Mir gefällt sehr, wie humorvoll und locker Kathrin Schocke erzählt und der realen Welt entlehnte Geschehnisse überzeichnet und in Situationskomik verpackt. Nicht nur die Zwillinge Master und Desaster sind dafür ein großartiges Beispiel. Durch das gesamte Buch zieht sich diese augenzwinkernde Erzählweise, und so bringt das Buch zwar auch Tiefe für den Leser, der sie erspürt, aber vor allem eine rundum vergnügliche, lebendig-frische Lektüre, nicht nur für Jugendliche!

Bewertung vom 15.07.2019
Brot backen mit Christina
Bauer, Christina

Brot backen mit Christina


ausgezeichnet

Brotbacken – eine sinnliche Freude
Vorweg: Man schlägt den Buchdeckel auf, sieht einen kross gebackenen halben Brotlaib und meint, das frische Brot zu riechen… herrlich! So liebevoll und anregend ist das vorliegende Buch gestaltet. Allein schon das Durchblättern macht Hunger und Lust aufs Backen.
Was mir auch sehr gut gefällt, ist, dass wissenswerte Informationen zu den Grundzutaten zu Beginn des Buches kurz und knackig abgehandelt werden, ohne großes Brimborium. Nur schade, dass sich eine Werbung für eine bestimmte Küchenmaschine eingeschlichen hat. Es folgen die Zubereitungsangaben für die Grundteige wie Sauerteig, Hefeteig oder Teig mit Über-Nacht-Gare und hilfreiche Tipps bei möglicherweise auftretenden Problemen. Alles ausreichend informativ und übersichtlich kurz dargestellt. Anschließend können wir schwelgen in 50 verschiedenen Brotback-Rezepten, allesamt auch diese klar strukturiert mit allen Zutaten, mit Gesamtzubereitungs- und reiner Arbeitszeit, mit Backzeit und ausführlichen, gut nachzuarbeitenden Angaben zur Zubereitung versehen. Dazu jeweils beigefügt die verlockend appetitanregenden Fotos. Besser geht es nicht!
Fazit: Ein rundum gut gelungenes Brotbackbuch für sinnliche, entspannende Backstunden und anschließendes genussvolles Verzehren. Geeignet für Knetwütige genauso wie für eilige Ruck-Zuck-Bäcker, für Anfänger ebenso wie für Erfahrene.

Bewertung vom 12.07.2019
Mord am Mandela Square (eBook, ePUB)
Boll, Matthias

Mord am Mandela Square (eBook, ePUB)


weniger gut

Leider gar nicht gut
„Ein Kriminalroman aus Südafrika“ klingt verlockend, das dazu passende Cover ebenso. Insofern war ich positiv neugierig gestimmt, einen für mich neuen Autor kennen zu lernen. Doch die erste Lesevorfreude wurde schon mal etwas ausgebremst durch das ausgesprochen leseunfreundliche, weil zu klein gestaltete Schriftbild. Das Lesen strengt sehr an. Und durch das billige Papier, das, so hat man das Gefühl, schon während des Lesens vergilbt, macht das Buch auch haptisch keine Freude. Leider erfüllt das vom Autor gelobte Fehlersuchprogramm nicht den Dienst, den ein menschlicher Korrektor perfekt erfüllen würde. So „übersieht“ so ein Programm sehr gerne die erforderlichen Großschreibungen bei „Sie“ und „Ihnen“. Oder fehlende Wörter bemerkt so ein Programm ebenfalls gerne. Also rundum: Es gibt reichlich Fehler im Text, bis hin sogar auf der Buchrückseite die fehlerhafte Schreibweise von Mfuneni.
Doch weg von den Äußerlichkeiten hin zum Inhalt. Es gibt durchaus auch spannende, temporeiche Passagen im Buch. Doch dies allein genügt halt nicht, um einen lobenswert guten Kriminalroman vorzulegen. Langatmige technische Details bremsen die Leselust ebenso aus wie unnötige, triviale Textpassagen. Die Protagonisten bleiben blass, fade, psychologisch unglaubwürdig und für den Leser nicht nachvollziehbar. Vollends verloren hat für mich der Roman bereits an der Stelle, als Sattler Pia, die Tochter seines Freundes (!), die er eigentlich retten soll, mal eben nach allen Regeln der Kunst „vernascht“ und Pia zu ihm anschließend sagt: „Du warst großartig“. Sorry, was haben solche fraglichen Altmännerträume im Buch verloren? Die Handlung als solche ist ein Wirrwarr verschiedener Themen, zusammengewürfelt, teils unlogisch. Verpackt ist das Ganze in einen spröden, zähen, schwerfälligen, uninspirierten Erzählstil. Ach ja, dass mir nach Lektüre des Buches von Südafrika nur der Eindruck stinkender Müllberge zurückbleibt, ist mir für einen „Kriminalroman aus Südafrika“ leider ein bisschen wenig…

Bewertung vom 08.07.2019
Wo die Freiheit wächst
Reifenberg, Frank Maria

Wo die Freiheit wächst


sehr gut

Dieses Buch schnürt dem Leser den Hals zu
Ein Briefroman – wollen Jugendliche einen Briefroman lesen? Ein Buch, das die schlimmen, die schlimmsten Kriegszeiten unter der NS-Diktatur schildert – wollen Jugendliche das lesen? Ich fürchte nein. Oder nur wenige vielleicht. Denn das Buch ist keine Spaßlektüre. Es ist auch nicht besonders spannend. Es schnürt dem Leser einfach nur den Hals zu.
Der Verlag bewirbt das Buch so: „Köln, 1942. Lene Meister ist 16 Jahre alt und Auszubildende in einem Friseursalon. Doch der Zweite Weltkrieg raubt ihr viel von dem, was sich ein Mädchen in ihrem Alter erträumt. Ihre Heimatstadt wird seit einem Jahr regelmäßig von Bombenangriffen erschüttert. Lene lässt sich aber nicht unterkriegen und versucht tapfer, die Familie zusammenzuhalten. Mit jeder neuen Todesnachricht von der Front und mit dem allmählichen Verschwinden ihrer jüdischen Freunde beginnt sie mehr am NS-Regime zu zweifeln. In dieser Zeit zwischen Furcht, Verzweiflung und Hoffnung lernt sie Erich kennen und verliebt sich. Bald entdeckt Lene, dass Erich ein gefährliches Spiel spielt. Er gehört zu den Jugendlichen, die nicht in Reih und Glied marschieren wollen: zu den Edelweißpiraten. Sie tragen keine Uniformen und singen ihre eigenen Lieder. Sie beschmieren die Wände mit Anti-Nazi-Parolen und teilen regimekritische Flugblätter aus. Und das alles ist der Gestapo ein großer Dorn im Auge.“
Dieses großartige Buch braucht den ernsthaft interessierten Leser, denn es hat durchaus, zumindest im ersten Drittel, einige Längen, solange die jugendlichen Briefschreiber sich über ihrem Alter angemessene, naiv wirkende Problemchen austauschen. Durch die unterschiedlichen Briefschreiber öffnen sich jedoch zunehmend wechselnde Perspektiven auf das politische und private Geschehen. Köln wird zur Steinwüste, kaum jemand hat noch ein Dach über dem Kopf. Es geht bald nur noch um das nackte Überleben. Bei Kalle, dem kleinen Bruder, hat die Nazi-Gehirnwäsche jeglichen Realitätssinn ausgelöscht. Franz, der große Bruder, marschiert auf Stalingrad zu und erlebt Grauenhaftes, wovon er nur in wenigen dürren Worten berichtet. Rosi schuftet bei Bauern auf dem Land und hat einen distanziert-kühlen Blick auf alles Geschehen. Bei Lene erleben wir eine Wandlung hin zum Erwachsen-Werden, zum Mut, nicht länger zu schweigen.
Dem Autor ist mit den fiktiven unterschiedlichen Briefschreibern und mit der Grundlage sorgfältiger Recherche ein vielschichtiger Blick auf eine entsetzliche, auf eine grauenhafte Zeit gelungen, so intensiv, dass es dem Leser im Verlauf des Buches zunehmend mehr den Hals zuschnürt. Aber meine Frage bleibt dennoch bestehen: Wie viele Jugendliche wollen und werden dieses Buch lesen? Zu wenige, fürchte ich.

Bewertung vom 01.07.2019
Die Zarin und der Philosoph / Sankt-Petersburg-Roman Bd.2
Sahler, Martina

Die Zarin und der Philosoph / Sankt-Petersburg-Roman Bd.2


sehr gut

Opulent erzählt
Mit dem Buch „Die Zarin und der Philosoph“ legt Martina Sahler den zweiten Band rund um St. Petersburg vor. Im ersten Band ist die Hauptfigur Peter der Große, im neuen Buch liegt der Schwerpunkt auf Katharina die Große, und zwar beschränkt auf die Zeit der Aufklärung. Wieder fällt die schöne Ausstattung des Buches ins Auge: Geprägter, mit Glanzschrift versehener Schutzumschlag, mit einem wunderschönen Gemälde aus der Finnischen Nationalgalerie „Blick auf Petersburg“. Innen findet sich ein Stadtplan von St. Petersburg um 1765. Dem Text vorangestellt sind das (dringend nötige) Personenverzeichnis und eine den Überblick verschaffende Zeittafel von 1725 bis 1775. Auch letztere habe ich als überaus hilfreich empfunden als „Roten Faden“ durch die vielfältigen Szenen im Buch. Sehr gut gefallen hat mir auch das Nachwort, in dem Martina Sahler auf sehr interessante weiterführende Literatur verweist, auf einen Fundus an geistesgeschichtlichem, literarischem und politisch-historischem Wissen. Spätestens hier bekommt man eine Ahnung davon, wieviel Arbeit in dem Buch steckte, um die Gratwanderung zwischen historisch Belegtem und Fiktion unterhaltsam und gut lesbar zu absolvieren.
Den Buchinhalt umreißt der Verlag so: „Die junge Katharina krönt sich nach einem Putsch selbst zur Zarin. Sie sieht sich als Nachfolgerin von Peter dem Großen und will Russland nach Westen öffnen. Doch die Welt hält den Atem an, kann man der Deutschen auf dem Zarenthron trauen? Preußens König Friedrich II. schickt einen Philosophen nach Petersburg, um die Pläne der neuen Herrscherin auszuspähen. Stephan Mervier ist beeindruckt von Katharina, von ihrer Klugheit, ihrem Charisma, aber Russlands Rückständigkeit und das Elend der Leibeigenen machen ihn wütend. Dabei wächst der Widerstand im Winterpalast längst heran. Eine enge Vertraute Katharinas kämpft auf Seiten der Unterdrückten. Stephan verliebt sich in die mutige Rebellin, die in großer Gefahr schwebt. Denn die Zarin fördert zwar Fortschritt, Bildung und die Wissenschaften, aber ihre Herrschaft ist absolut, und sie setzt ihre Macht mit äußerster Härte durch.“
Martina Sahler erzählt in einer opulenten, sehr schönen und sorgfältigen Sprache. Ihre Schilderungen sind anschaulich, bildhaft und detailreich. Dadurch liest sich das Buch weitgehend fesselnd und interessant-lebendig, auch wenn für große Emotionen kein Platz ist. Manchmal hatte ich Mühe, die durch mehrere Erzähl“nebenstraßen“ recht große Anzahl handelnder Personen richtig einzuordnen, auch waren mir manche politischen Exkurse etwas mühsam zu lesen, aber in der Summe bleiben mir nach Lektüre sehr intensive Bilder der Pracht des damaligen St. Petersburg zurück, ebenso wie bleibende Eindrücke der überaus interessanten, etwas zwiespältig zu beurteilenden, geistvoll-intelligenten Persönlichkeit Katharina die Große.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.06.2019
Das Gemälde der Tänzerin
Jaeggi, Christine

Das Gemälde der Tänzerin


ausgezeichnet

Opulentes Lesefutter
Zwar war mein Lesevergnügen etwas eingeschränkt, weil die digitale Version etliche Fehler enthält, bis hin zu Satzverworrenheiten und Zeilen mit (arabischen?) Unleserlichkeiten. Lesefreude sieht eigentlich anders aus. Dass mich der Roman dennoch gefesselt hat, spricht für die Qualität des Textes.
Hauptperson Helena lebt am Existenzminimum. Sie ist arbeitslos und versucht, sich und ihre pubertären Zwillinge durchzubringen. Leider ist sie gezwungen, ausgerechnet in dem Schweizer Hotel als Zimmermädchen zu arbeiten, dessen Besitzer Kronenberg schuld ist an ihrer Lebensmisere. Helena erfährt von einem Mord an einem Zimmermädchen im Jahr 1942 und von einem seitdem verschollenen Gemälde. Nach dessen Verbleib forscht eine Amerikanerin namens Jessica Dixon-Löwenfeld ebenso wie der Sohn Noah der Familie Kronenberg. Helene will helfen, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Doch je weiter sie eindringt in die damaligen Zusammenhänge, desto mehr gerät ihr eigenes bestgehütetes Geheimnis in Gefahr, ans Licht zu kommen.
In verschiedenen Zeitsträngen und Perspektivwechseln wird auf wunderbare Weise in einem großen Zeitbogen ein Familienroman erzählt, dessen verworrene familiäre Verstrickungen mit Schuld und Sühne beladen sind. In überbordener Erzählfreude, mit malerisch ausgearbeiteten, atmosphärisch dichten Schilderungen bringt uns die Autorin mitten hinein in eine Familiengeschichte voller Geheimnisse. Die gefühlvollen Darstellungen der vielen Protagonisten, dazu eine krimigleiche Geschichte um ein verschollenes Gemälde, halten die Lesefreude auf jeder Seite hoch. Die Autorin hat sorgfältig recherchiert und gibt durch die im Roman enthaltenen Einblicke in die politische Lage der Juden während der Nazizeit in der Schweiz und in das große Thema entartete Kunst bzw. Beutekunst dem Buch eine besondere Tiefe.
Fazit: Absolut lesenswert.

Bewertung vom 26.06.2019
Die Maske der Gewalt
Wind, Jennifer B.

Die Maske der Gewalt


ausgezeichnet

Perfekt durchkomponierter fesselnder Thriller
Dieser Auftaktband einer Thriller-Reihe rund um den Wiener Ermittler Richard Schwarz ist nichts für Zartbesaitete. Und wer das Buch zu lesen beginnt, hat für nichts anderes mehr Zeit. Dies sei als Warnung vorweggestellt.
Der LKA-Ermittler Richard Schwarz hat als Kind Schreckliches erlebt. Er hatte zusehen müssen, wie seine Mutter brutal ermordet wurde, während er mit schweren Verbrühungen hilflos am Boden lag. Von diesem traumatischen Ereignis sind ihm schlimme körperliche Narben und ebenso schwerwiegende seelische Narben zurückgeblieben. Er wurde von einer Zirkusfamilie liebevoll aufgenommen, trat im Zirkus auf, lernte es, seinen entstellten Körper unter einer Maske zu verbergen. Aber der unbedingte Wille, den Mörder seiner Mutter zu finden, veranlasste ihn schließlich zur Polizei-Laufbahn. Als in Wien zwei Frauenleichen gefunden wurden mit merkwürdig identischen Stichverletzungen auf ihren Körpern, setzt in einer schier aussichtslos erscheinenden Ermittlungsarbeit Richard Schwarz alles daran, den Täter zu finden. Die ebenfalls psychisch angeschlagene Gerichtspsychiaterin Theres Lend gibt Hinweise, die vielleicht weiterhelfen können. Als jedoch Sarah, seine geliebte „Schwester“ aus der Zirkusfamilie, in München entführt wird, jagt Richard Schwarz auch diesen Täter…
Der raffiniert aufgebaute Plot hält über das gesamte Buch hinweg den Spannungsbogen hoch. Und so jagt man als Leser durch die Seiten, getrieben von der Schreibekunst der Autorin, die es versteht, durch kurze Szenenwechsel, mitunter mit Cliffhangern, durch überraschende Wendungen, durch viel wörtliche Rede und durch immer wieder durchblitzenden versteckten Witz den Leser an das Buch zu fesseln. Was nur wenigen Autoren gelingt, schafft sie mühelos, nämlich jedem Protagonisten seine eigene Stimme zu verleihen, seinen eigenen Sprachduktus. J. B. Wind spielt mit Sprache, mit Sprachstilen, spielt mit Ausdruck und schafft damit einen besonders intensiven Leseeindruck. Mögen einzelne Protagonisten vielleicht etwas überzeichnet sein und ihre beschädigten Seelen allzu theatralisch und psychologisch nicht unbedingt immer stimmig in Szene zu setzen, so passt dies jedoch zum Gesamtkonzept des Buches, das einer hochdramatischen Oper gleich in einzelnen Akten und wechselnden Bühnenbildern perfekt durchkomponiert ist. Das Buch macht unbedingt Lust auf die in absehbarer Zeit erscheinenden Folgebände.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.