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Benutzername: 
gagamaus
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 510 Bewertungen
Bewertung vom 16.02.2018
Schlüssel 17 / Tom Babylon Bd.1
Raabe, Marc

Schlüssel 17 / Tom Babylon Bd.1


ausgezeichnet

Ein Schlüssel mit der Zahl 17 verbindet zwei Todesfälle und auch die Schwester von Mordermittler Tom Babylon ist vor über 20 Jahren mit genauso einem Schlüssel verschwunden. Dies verschweigt er allerdings gefließentlich als er den aktuellen Mordfall an einer evangelischen Pfarrerin übernimmt.

Mit „Schlüssel 17“ startet die neue Krimireihe von Marc Raabe. Ich hatte vor Jahren mal seinen Erstling gelesen den Autor aber dann wieder aus den Augen verloren. Raabe schreibt routiniert und setzt die üblichen Kniffe des Genres ein, um den Spannungspegel hochzuhalten. Dazu gehören unter anderem verschiedene Erzählperspektiven und kurze Kapitel mit einigen Cliffhangern. Auch sind alle Hauptdarsteller, also auch die Psychologin und der leitende Ermittler, mit mehr oder weniger großen psychischen Altlasten unterwegs, wodurch ihre Handlungen auch mal beeinflusst werden und nicht immer ganz Regelkonform mit den Statuten des Polizeiapparates sind.

Marc Raabe hat einen actionreichen unterhaltsamen Krimi abgeliefert, der das Genre zwar nicht neu erfindet aber durchaus zu unterhalten weiß. Solide 4 Sterne.

Bewertung vom 16.02.2018
Lied der Weite
Haruf, Kent

Lied der Weite


ausgezeichnet

"Das Lied der Weite" besticht durch eine edle Optik und einen verheißungsvollen Titel. Wer Harufs Geschichten kennt, weiß, dass die meisten wohl in der selben Gegend in den Vereinigten Staaten spielen. Eine eher ländliche Gegend, eine Kleinstadt, Viehzüchter und Bauern im weiten Umkreis. Dort sind die Männer noch wortkarg und bärbeißig und die Frauen stark und selbstständig obwohl der Mann hier noch das Sagen haben möchte.

Wieder hat Kent Haruf eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft ersonnen. Wieder sind auch ältere Menschen wichtige Protagonisten in einer Geschichte voll kleiner und großer Alltagsdramen. Eine depressive Mutter verlässt Mann und Kinder und ein Teenager erwartet ein Kind und wird deshalb von der hartherzigen Mutter hinausgeschmissen. Mütter kommen in diesem Buch nicht unbedingt gut weg. Dagegen gibt es zwei ältere Herren, Brüder, alleinstehende Rinderzüchter, die im Laufe der Erzählung zu Höchstform auflaufen und aus ihrem Alltagstrott ausbrechen um dem jungen Mädchen aus ihrer Not zu helfen.

Starke Charaktere bevölkern dieses Buch. Und stark sind auch die Entwicklungen, die sie durchmachen. Dabei setzt der Autor auf einen sehr verhaltenen zurückgenommenen Betrachtungsstil und beobachtet das Geschehen aus einer gewissen Distanz, die aber nie kühl sondern immer wohltuend neutral rüber kommt. Man spürt die Gefühle der Protagonisten obwohl er wenig Worte darum macht. Haruf beherrscht für mich die hohe Kunst des Erzählens hervorragend.

Ein rundherum gelungenes Buch mit einem stimmigen Plot.

Bewertung vom 09.02.2018
Der Klügere lädt nach
Freeman, Castle

Der Klügere lädt nach


ausgezeichnet

Für meinen Geschmack verrät der Klappentext eindeutig zu viel vom Plot des neuen Buches von Castle Freeman. „Der Klügere lädt nach“ ist das dritte auf Deutsch veröffentlichte Werk dieses nordamerikanischen Autors. Allesamt sind bei Nagel und Kimche in schlanker, hochwertiger Form erschienen. Freeman gehört zu den Autoren, die ihre Erzählstruktur auf das Wesentliche reduziert haben und mit wenigen Worten nicht nur Landschaften und gesellschaftliche Strukturen treffend und eindringlich beschreiben können, sondern deren Stärke auch die scharfe Zeichnung facettenreicher Charaktere ist. Sheriff Lucian Wings wirkt auf den ersten Blick wie ein tiefenentspanntes Landei. Ein Gesetzeshüter, der wenig zu tun hat, einer, der aus Langeweile und um seinen Verdienst aufzubessern jede Art von Handwerkerjobs annimmt. Einer, der weder besonders gut im Schießen ist noch ein begnadeter Ermittler. Außerdem hat ihn seine Frau vor die Tür gesetzt um sich mit einem anderen zu vergnügen. Jeder in der Gemeinde weiß Bescheid und bemitleidet den Sheriff der gute Mine zum bösen Spiel macht. Gleiches tut er scheinbar auch bei einigen seltsamen Unfällen bei denen über die Jahre mehrere Männer Opfer von Verstümmelungen werden und häufig kurz darauf spurlos verschwinden. Dies ist dem Stadtratsvorsitzenden ein Dorn im Auge und der beschließt, dem Sheriff Dampf zu machen.
Ruhig und fast beschaulich kommt das Buch anfangs daher. Aber der Eindruck täuscht. In der kleinen Gemeinde im Herzen der USA brodelt es ganz gehörig. Erst mit der Zeit erkennt man, dass der Sheriff nicht auf den Kopf gefallen ist aber seine ganz eigene Art hat, mit den seltsamen Vorfällen und auch mit der Untreue seiner Frau umzugehen.
Freeman ist ein Meister der Reduktion. Seine Geschichten sind auf wie komprimiert, voller Sarkasmus aber auch voller Liebe für die Unzulänglichkeiten seiner Hauptdarsteller. Seine Sprache ist klar und präzise, seine lakonischen Dialoge gehören mit zum Besten was es in diesem Genre gibt und könnten eins zu eins verfilmt werden.
Ich habe den Eindruck Castle Freeman steigert sich noch mit diesem Buch und kann das Buch mit großer Begeisterung empfehlen.

Bewertung vom 06.02.2018
Die Geschichte des verlorenen Kindes / Neapolitanische Saga Bd.4
Ferrante, Elena

Die Geschichte des verlorenen Kindes / Neapolitanische Saga Bd.4


sehr gut

Mit „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ geht die Geschichte von Elena und Lila in die vierte und letzte Runde. Ich bin unschlüssig, was ich über die ganze Reihe sagen soll. Dies liegt unter anderem auch an diesem Abschlussband, von dem ich mir etwas mehr erwartet hatte. Die Autorin spannt einen Bogen und lässt ihre Heldinnen wieder dort landen, wo sie als Mädchen am Anfang ihrer Freundschaft gestartet sind. Das ist dramaturgisch durchaus interessant. Aber ich hatte zwischendurch immer mal das Gefühl, die Geschichte würde vor sich hinplätschern und nicht so richtig zu einem Höhepunkt kommen. Geschweige denn, dass alle losen Enden aufgenommen wurden.

Das Leben der Frauen war geprägt von Enttäuschungen, unerreichten Wünschen, gescheiterten Plänen und Hoffnungen. Was haben die Frauen aus ihrem Leben schließlich gemacht? Was haben sie zurückgelassen? Was verloren? Die Freundschaft hat alles überdauert. Das italienische Flair kommt schön durch bei vielen Szenen aber dennoch habe ich mich irgendwie beim Lesen von den Figuren entfernt, war nicht mehr wirklich berührt von ihnen.

Hervorheben möchte ich nochmal, dass die Covergestaltung kongenial war – bei jedem der vier Bücher – und dass die Werbekampagne diese Buchreihe mehr gehypt hat als alles, was in den letzten Jahrzehnten aus Italien auf den Deutschen Markt kam. Das Geheimnis um die Identität der Autorin bleibt bestehen. Ich denke aber nicht, dass es sich hier um eine wirkliche Autobiographie handelt.

Bewertung vom 06.02.2018
Die amerikanische Prinzessin
Zijl, Annejet van der

Die amerikanische Prinzessin


ausgezeichnet

1832 wird Allene Tew als Kind amerikanischer Siedler geboren. Durch ihre erste Heirat begibt sich Allene in adelige Kreise und der frühe Tod des Ehegatten bringt ihr die erste Million ein. Allene ist eine energische Frau, die immer weiß, was sie will. Sie heiratet noch vier weitere Male, identifiziert sich aber nie über ihre Ehemänner. Sie verlässt Amerika und begibt sich auf den umgekehrten Weg nach Europa, wo sie im niederländischen Königshaus eine einflussreiche Position einnimmt. Das Leben dieser ungewöhnlichen Frau war mir bis dato völlig unbekannt und es fasziniert, dass eine Frau aus dem ländlichen Teil der USA sich ohne Probleme und erfolgreich in höchsten Gesellschaftskreisen bewegt und am Ende auch ohne die Unterstützung eines mächtigen Ehemannes immer ihren Weg ging.

Auch wenn es sich um eine Biografie handelt, so liest sich das Buch fast wie ein Roman. Der Schreibstil ist klug und anspruchsvoll und schildert sowohl die geschichtlichen Fakten als auch die privaten Details von Allenes Leben mit viel Empathie und Kenntnisreichtum. Ich habe das Buch wirklich sehr gerne gelesen. Schön ist auch die Ausstattung des Buches. Sie rundet das Lesevergnügen ab.

Bewertung vom 03.02.2018
Alif der Unsichtbare
Wilson, G. Willow

Alif der Unsichtbare


ausgezeichnet

„Alif der Unsichtbare“ hatte so einiges, dass mich auf das Buch aufmerksam machte. Neben dem tollen Cover und dem Klappentext, der einen ungewöhnlichen Genrecocktail verspricht, war es natürlich auch die Tatsache, dass der Roman mit dem World Fantasy Award als »Bester Roman des Jahres« ausgezeichnet wurde. Das muss zwar nicht zwangsläufig ein rundherum gelungenes Buch bedeuten aber es verspricht zumindest ein gewisses Maß an Anspruch und Einzigartigkeit.
Alif ist ein Hacker. Er lebt in einer modernen arabischen Großstadt, hat arabisch-indische Eltern und ist in eine junge Frau verliebt, die als Tochter eines altmodischen Moslems schließlich mit einem Mann verheiratet werden soll, obwohl sie eigentlich in Alif verliebt ist. Dessen Welt gerät dadurch ziemlich aus dem Ruder. Alsbald wird er von Unbekannten gehackt, verfolgt und bedroht. Die Rettung kommt schließlich in Form einiger ziemlich märchenhaft-phantastischer Wesen zu denen vor allem die Dschinn gehören.
Nach einem etwas holprigen Einstieg zieht die Spannung bald merklich an und der Autor, G. Willow Wilson, jongliert gekonnt mit diversen Genres. Stark sind dabei die Einflüsse von Märchen ala Tausend und eine Nacht zu spüren. Dass dabei die moderne Computertechnik eine wichtige Rolle spielt und Alif’s Flucht an einen Thriller erinnert, machte mir ungeheuren Spaß. An ein paar Stellen gibt es dramaturgische Durchhänger, die aber vor allem den Dialogen der Darsteller geschuldet sind, die gerne über das Leben und das Wesen der großen Weltreligionen philosophieren. Das gibt der Geschichte einen eigenen Ton.
Am Ende hat „Alif der Unsichtbare“ meine durchaus Erwartungen erfüllt. Wohltuend ist auch, dass das Buch in sich abgeschlossen ist. Ich würde 4,5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 25.01.2018
Mann am Boden
Smith, Roger

Mann am Boden


ausgezeichnet

Mit dem Titel „Mann am Boden“ beschreibt Roger Smith seine Geschichte im neuem Roman ziemlich knapp aber physisch und psychologisch sehr treffend. John Turner ist mit seiner Familie nach Amerika ausgewandert nachdem er sich in Südafrika in eine ausweglose Lage manövriert hatte. Mit Frau und Tochter hat er in den USA ein scheinbar solides und unscheinbares neues Leben begonnen. Alkohol und Drogen glaubt er ebenso hinter sich wie Mord und andere Verbrechen. Aber als er sich in Grace verliebt und mit allen Mitteln den Plan von einer Scheidung in die Tat umsetzen will, holt er sich erneut Gewalt und Tod in sein Haus und als um ihn herum alles eskaliert, findet er sich bald blutig und mit einer Knarre am Kopf auf dem Fußboden wieder.
Roger Smith gehört zu den Autoren, die ihre Thriller immer mit einer gehörigen Portion brutaler Gewalt und jeder Menge blutiger Szenen erzählen. Seine Romane sind rabenschwarz und sein Humor ist bitterböse. Er hat mit seinen Darstellern wenig Mitleid und treibt sie von einem Abgrund in den nächsten, spart dafür mit positiven Gefühlen wie Hoffnung, Vertrauen oder Freundschaft. Ich brauche immer zwei, drei Abschnitte, um mich an diesen leicht depressiven Ton zu gewöhnen und die Brutalität ist teilweise grenzwertig. Aber immer wieder gerate ich dann in den Lesesog seiner Bücher, denn Smith kann mit einigen Dingen bei mir immer punkten. Seine Sprache ist kraftvoll und eindringlich und er schildert die Beziehungen seiner Protagonisten und ihre Gefühlswelten sehr intelligent und mit einem psychologischen Scharfsinn, der mir unter die Haut geht. Obwohl also John Turner wirklich kein Held ist, sondern stattdessen ein schwerer Alkoholiker, der seine Drogensucht mit diversen Verbrechen finanziert hat, auch vor Entführung und Erpressung nicht zurückgeschreckt und einen Mord in Auftrag gegeben hat, kam mir dieser Kerl doch irgendwie ziemlich nahe. Seine Empfindungen, z.B. für seine Geliebte, waren erstaunlich tief und glaubwürdig und viele seiner Verfehlungen habe ich ihm trotz allem nachgesehen und wünschte ein ums andere Kapitel, dass er irgendwie aus diesem Horrortrip lebend rauskommen würde.
Die letzten 50 Seiten muss man an einem Stück lesen. Dabei haben mich zwei Wendungen tief erschüttert und tatsächlich erst auf den letzten drei, vier Seiten erkennt der Leser, wo die Reise hingeht, und wie Roger mit den Gefühlen und Gedanken des Lesers spielt, um ihn dann gegen eine Wand laufen zu lassen. Das ist ganz große Erzählkunst. Das ist hart, brutal und schwer verdaulich. Das hallt nach und wühlt auf. Also Vorsicht. „Mann am Boden“ ist nichts für Zartbesaitete. Es belohnt dafür mit einem ausgeklügelten Plot, der atemlos gleich mehreren Höhepunkten entgegenjagt, und am Ende in mehr als einem Blutbad endet.

Bewertung vom 14.01.2018
Das Mädchen aus dem Savoy
Gaynor, Hazel

Das Mädchen aus dem Savoy


ausgezeichnet

„Das Mädchen aus dem Savoy“ von Hazel Gaynor hatte alle Kriterien, um perfekt in mein Beuteschema zu passen. Das Buch spielt in England nach dem ersten Weltkrieg. Dorothy Lane hat ihre große Liebe verloren und macht sich auf nach London, um dort zu versuchen, sich ihren größten Wunsch zu erfüllen. Sie möchte Tänzerin werden. Über den Komponisten Perry lernt sie dessen bereist berühmte Schwester Loretta May kennen, die ihr hilft und den Weg ebnet. Zuerst muss sie noch als Zimmermädchen im Savoy arbeiten aber irgendwann erfüllen sich ihre Pläne und sie fasst Fuß in der Tanzszene. Aber das Leben hat noch eine große Überraschung für Dorothy bereit.
Hazel Gaynor hat es verstanden, mich von der ersten Seite an zu fesseln. Das lag vor allem an der wunderschönen Sprache, mit der sie eine faszinierende Geschichte erzählt. Gebannt folgt man der jungen Hauptdarstellerin in eine Welt von Musik und Tanz, spaziert mit ihr durch die Räume des großen Savoy-Hotels, spürt das Flair der damaligen Zeit und das Vibrieren einer Epoche, in der die Menschen versuchen Atem zu holen nach einem schrecklichen Krieg. Nicht nur Dorothy ist ein glaubwürdiger Charakter. Bis zu kleinsten Nebendarstellern wimmelt es von liebenswerten Charakteren.
Mit viel Liebe zum Detail erzählt die Autorin von Dorothy und ihren Freunden, flicht reale Personen in eine fiktive Geschichte in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Ich habe das Buch mit großer Freude gelesen und kann es nur wärmstens empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2018
Echo der Toten / Friederike Matthée Bd.1
Sauer, Beate

Echo der Toten / Friederike Matthée Bd.1


sehr gut

Friederike Matthee, eine junge Frau aus Ostpreußen, arbeitet in Köln als Polizeianwärterin. Der Krieg ist erst vor gut einem Jahr zu Ende gegangen und die Not im Land groß. Der bitterkalte Winter verstärkt die Probleme der Bevölkerung. Als ein Mord geschieht wird der Brite Richard Davis auf den Fall angesetzt und die junge Frau soll ihm dabei helfen. Ein kleiner Junge könnte mehr wissen und sie versuchen mehr aus ihm herauszubekommen.
Das Setting ist genau mein Beuteschema. Cay Rademacher lässt grüßen. Die Autorin Beate Sauer ist mir bereits von historischen Romanen bekannt und beherrscht es sehr gut, die damaligen Verhältnisse glaubhaft und lebensnah widerzugeben. Und die beiden Hauptdarsteller sind sehr sympathisch und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Es ist nicht wirklich ein Pageturner, also die Spannung dieses Krimis ist solide aber nicht nervenzerfetzend. Dennoch habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Es hatte das gewisse Flair und Potential für eine Reihe war meiner Meinung nach auch gegeben. Gute vier Sterne bekommt es dafür von mir.