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Lesendes Federvieh
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München
Über mich: 
Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 27.12.2018
Die verlorenen Töchter
Hippe, Hannelore

Die verlorenen Töchter


sehr gut

Die junge Norwegerin Åse Evensen verliebt sich während der Besatzungszeit in einen deutschen Soldaten. Als sie kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges in Tromsø ihre uneheliche Tochter Katrine zur Welt bringt, steht sie vor den Scherben ihres Lebens. Sie selbst, verunglimpft als "Tysketøser", muss in ein Straflager, Katrine wird unter anderem Namen in ein ostdeutsches Waisenhaus gebracht. Erst als sie erwachsen ist, erfährt sie wer ihre Mutter ist. Sie begibt sich auf die Suche nach ihr. Doch damit bringt sie sich in unerwartete Gefahren...

1970 wird im Isdal, nahe Bergen die Leiche einer Unbekannten gefunden. Dieser wahre Kriminalfall ist bis heute nicht aufgeklärt und inspirierte die Autorin zu ihrem Roman. Hannelore Hippe begibt sich mit ihrem Buch "Die verlorenen Töchter" auf Spurensuche nach Norwegen, beginnend mit der deutschen Besatzungszeit bis ins Jahr 1970. Sie erzählt nicht nur einfühlsam und dennoch präzise vom Schicksal der jungen Norwegerinnen, die ein Verhältnis mit deutschen Soldaten hatten, den sogenannten "Tysketøser - Deutschenflittchen". Einen großen Anteil im Buch nimmt ebenso das Schicksal der Besatzungs- und Wehrmachtskinder in Norwegen ein. Mit Åse und Katrine gibt sie diesen Frauen bzw. Kindern ein Gesicht und eine Stimme. Durch ihre hervorragende Recherchearbeit gewinnt diese Geschichte an ganz besonderer Kraft. Dazu kommt noch der angenehme, klare und lebendige Schreibstil, der mich das Buch fast nicht mehr aus der Hand legen ließ. Dieser Roman hat mich von Anfang an fasziniert und mein Interesse am doch sehr schwierigen und leidvollen Thema Lebensbornkinder geweckt. Das Buch, das ich sehr gerne gelesen habe, "passt" von Anfang an, es nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit und bringt ihn wieder zurück mit Eindrücken, die zum Nachdenken anregen.

Fazit: Gelungener, unterhaltsamer Roman mit Anspruch

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2018
Der Verrat
Sandberg, Ellen

Der Verrat


sehr gut

Nane wurde vor zwanzig Jahren wegen Mordes verurteilt. Nach dieser langen Zeit wurde sie nun vorzeitig auf Bewährung entlassen. Sie kämpft immer noch mit ihrer Schuld und denkt seit zwanzig Jahren darüber nach was in der verhängnisvollen Nacht schief gelaufen ist. Antworten können ihr nur ihre Schwester Pia und deren Ehemann Thomas geben. Doch wird Pia mit ihr sprechen? Was wirkt stärker? Rache oder Vergebung?

Das Buch "Der Verrat" habe ich sehr gerne gelesen. Es beginnt als "normaler" Familienroman und entwickelt sich zunehmend zu einem fesselnden Drama mit vielen unterschiedlichen Wendungen. Die Autorin beleuchtet in ihrem Buch ein düsteres Familiengeheimnis, sie zeigt auf, wohin Geschwisterrivalität führen kann bis zum bitteren Ende.

Die Handlung ist logisch aufgebaut und gut durchdacht, es "stimmt" einfach von Anfang an. Auch die Verflechtung der beiden Handlungsstränge Vergangenheit/Gegenwart sorgen für ein unterhaltsames Lesevergnügen. Gerade durch den steten Wechsel zwischen 1997/98 und 2018 wird der Verrat aus verschiedenen Ebenen betrachtet und erst ganz zum Schluss aufgelöst. Das hat mir sehr gut gefallen.

Die Charaktere sind gut und realitätsnah ausgearbeitet. Nane, Pia und auch Margot waren mir nicht sympathisch, ihr Verhalten und ihre Einstellungen sind so gar nicht meins. Aber gerade das passte perfekt und hat für mich dieses Familiendrama so interessant gemacht. Beim Lesen wurde ich überhaupt nicht davon beeinflusst, dass mir eine Protagonistin lieber gewesen wäre als die andere.

Gut gewählt finde ich als Kulisse ein herrschaftliches Weingut inmitten von Weinbergen und lieblicher Landschaft. Wer denkt denn schon, dass sich in solch einer Idylle ein düsteres Familiengeheimnis verbirgt. Beim Lesen dachte ich oft "Das gibt's doch nicht", denn der Abgrund wurde von Wendung zu Wendung breiter und tiefer. Das war für mich fast schon wie in einem Psychothriller. Es fiel mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen, so gefesselt war ich. Das lag sicher auch am klaren und flüssigen Schreibstil der Autorin, die Seiten verlogen im Nu.

Fazit: Gelungenes, spannendes Familiendrama mit unerwarteten Wendungen

Bewertung vom 19.12.2018
Mami braucht 'nen Drink / Tagebuch einer gestressten Mutter Bd.1
Sims, Gill

Mami braucht 'nen Drink / Tagebuch einer gestressten Mutter Bd.1


sehr gut

Dies ist Ellens Tagebuch. Das Tagebuch einer erschöpften Mutter eben. Sie nimmt sich daher vor zu Schuljahresbeginn alles besser zu machen und eine mustergültige Mutter zu werden. Doch der Alltag holt sie bald ein. Wird sie es wohl schaffen, ihre Kinder nicht mehr anzuschreien, ordentliche Tupperdosen mit biologisch einwandfreiem Inhalt zu packen, Zöpfe zu flechten, immer pünktlich und entspannt die Kinder in der Schule abzuliefern, tiptopp gestylt zu sein, und, und, und...

"Mami braucht 'nen Drink" ist ein absolutes Gute Laune Buch und war für mich Lesevergnügen pur. Ich habe Tränen gelacht. Gill Sims schafft es mühelos den Leser in Ellens Welt mitzunehmen. Sie schreibt so mitreißend und lebhaft, so dass es mir manchmal direkt vorkam, als ob eine Freundin beim Kaffeeklatsch oder eben bei einem Drink "mit Händen und Füßen" aus ihrem mütterlichen Alltag erzählt. Humorvoll und witzig bringt sie alles genau auf den Punkt.

Auch bei ihren Charakteren hat sich die Autorin große Mühe gegeben. Sie sind aus dem Leben gegriffen und decken das gesellschaftliche Umfeld einer Mutter wirklich realitätsnah ab. Wer kennt sie nicht, die perfekten Mütter, wie die von Lucy Atkinson oder die Mütterrunden, die die tollsten Kinder haben. Da grätscht Ellen mit ihrer ganz speziellen Art herrlich erfrischend dazwischen.

Insgesamt ein tolles Buch, das nicht nur für Mütter kurzweilige Unterhaltung bietet. Ich jedenfalls, freue mich schon auf die Fortsetzung.

Fazit: Gute Laune Buch mit Lachgarantie.

Bewertung vom 16.12.2018
Fünf plus drei / Berger & Blom Bd.3
Dahl, Arne

Fünf plus drei / Berger & Blom Bd.3


sehr gut

Sam Berger ist einer der meistgesuchtesten Männer Schwedens, weil er eines Mordes verdächtigt wird, den er nicht begangen hat. Als ob das nicht schon genug wäre, ist er vollkommen auf sich alleine gestellt, seit seine Kollegin Molly Blom im Koma liegt. Doch der Geheimdienst benötigt seine Hilfe, denn er ist der Einzige, der den ehemaligen Mitarbeiter, der unter dem Tarnnamen Carsten operiert und die siebzehnjährige Aisha gefangen hält, aufspüren kann. Allerdings hat er nicht mit der skrupellosen Raffinesse von Carsten gerechnet, der mit seiner Schnitzeljagd einen perfiden Plan verfolgt, der die Sicherheit des ganzen Landes in Gefahr bringt.

Arne Dahl gehört schon lange zur Elite der skandinavischen Kriminalromanautoren und auch mit Band drei rund um den Ermittler Sam Berger, "Fünf plus drei", hat er sein Können abermals unter Beweis gestellt. Hatte ich nach dem grandiosen Auftakt der Reihe mit der in meinen Augen deutlich schwächeren Fortsetzung so meine Schwierigkeiten, so hat mich die Handlung hierbei schon zu Beginn abgeholt. Der Erzähler beherrscht es meisterlich, durch den minimalistischen Schreibstil eine Sogwirkung zu erzeugen, deren Einfluss man sich nur schwer entziehen kann. Ärgerlicherweise habe ich den Fehler gemacht, manchmal nur wenige Seiten zwischendurch zu lesen, denn die sprachliche Raffinesse sowie die Genialität der Wendungen wird in seiner ganzen Tragweite eigentlich erst deutlich, wenn man das Buch mit so wenigen Unterbrechungen wie nur möglich liest. Bei Sam Berger und Molly Bloom sowie den anderen auftretenden Personen handelt es sich allesamt um runde Charaktere, die vielerlei Facetten aufweisen und somit etwaige Handlungsstagnation gekonnt abdecken. Ein Motiv, das sich bereits auf dem Cover findet und einem mehrmals in der Geschichte begegnen wird, ist dasjenige des Tiefenrauschs, einem Zustand in welchem alle geltenden Naturgesetze aufgehoben sind und man sich in einem Schwebezustand befindet. Fatal ist das insofern, als dass man die Grenzen zwischen rettender Oberfläche und abgründiger Tiefe im Falle des Tauchens, Gut oder Böse in der Realität nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Besonders auf die Gestaltung und Entwicklung der Protagonisten bezogen ist dieses Thema unglaublich faszinierend und überraschend aufgearbeitet worden. Neben der ohnehin fesselnden Erzählung baut sich das gesamte Buch hindurch im Hintergrund eine gewisse Spannung auf, die auf einen Showdown à la Hollywood-Blockbuster zusteuert. Dort erscheinen auch Charaktere auf der Bildfläche, die dem treuen Arne Dahl Fan aus den Romanen rund um die OPCOP-Gruppe keine Unbekannten sein dürften.

"Fünf plus drei" vereint all das, was man sich bei einem packenden Kriminalroman erhofft und lässt darüber hinaus keine Zweifel offen, weshalb Arne Dahl zum Olymp der skandinavischen Krimiautoren gehört.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2018
Frau Duan feiert ein Fest
Ge, Yan

Frau Duan feiert ein Fest


gut

Der 80. Geburtstag von Frau Duan steht kurz bevor. Zu diesem Zweck wird ein großes Fest organisiert. Doch dabei soll natürlich auch die Bohnenpastenfabrik der Familie hervorgehoben werden. Also versuchen ihre drei Kinder etwas Großartiges auf die Beine zu stellen. In einer Familie herrscht aber nicht immer eitel Sonnenschein. Bei solch einem Großprojekt kommt so einiges das jahrelang verschwiegen wurde, an den Tag...

"Frau Duan feiert ein Fest" ist eine außergewöhnliche Familiengeschichte. Schonungslos und direkt gewährt die Autorin Einblicke in das Leben und den Alltag der chinesichen Familie Duan/Xue und ihren einzelnen Familienmitgliedern. Die Autorin schreibt hintergründig und mit einer ordentlichen Portion Satire über all diese Unzulänglichkeiten und Eigenheiten. Sie verwendet dafür eine klare flüssige Sprache, die mir aber an manchen Stellen eine Spur zu derb ist.

Ihre Charaktere sind pointiert und messerscharf skizziert. Das hat mir gut gefallen. Auch die Handlung selbst ist unterhaltsam, aber trotzdem benötigte ich ungewöhnlich lange um in die Geschichte hineinzufinden. Das lag zum großen Teil an den schwierigen chinesischen Namen, bei denen ich ziemliche Schwierigkeiten hatte sie auseinander zu halten. Deshalb war ich heilfroh über die Legende zu Beginn des Buches. Aber das ewige Nachschlagen, wer ist das nun wieder, hat meinen Lesefluss doch sehr gehemmt.

Sehr interessant fand ich hingegen die kulinarischen Schilderungen der chinesischen Küche, die sie immer wieder in die Handlung einstreut, denn vor allem Shenhquiang ist gutem Essen ja nicht abgeneigt. Dabei musste ich allerdings feststellen, dass ich manchmal lieber bei Reis pur geblieben wäre.

Das war das erste Buch einer chinesischen Autorin, das ich gelesen habe. Die Geschichte ist insgesamt gut, aber bei mir ist der Funke nicht richtig übergesprungen.

Bewertung vom 12.12.2018
Die Schokoladenvilla / Schokoladen-Saga Bd.1
Nikolai, Maria

Die Schokoladenvilla / Schokoladen-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Stuttgart zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Judith Rothmann ist die Tochter des bekannten Schokoladenfabrikanten Wilhelm Rothmann. Als junge Dame aus gutem Hause wird von ihr erwartet eine standesgemäße Heirat einzugehen, um dann für Haus und Familie verantwortlich zu sein. Doch Judith ist ihrer Zeit weit voraus. Sie liebt nichts mehr als neue Schokoladenkreationen auszuprobieren. Liebend gerne würde sie einmal die Leitung der Schokoladenfabrik übernehmen. Doch ihr Vater hat andere Pläne mit ihr: eine Verlobung mit einem ungeliebten Kandidaten. Doch währenddessen taucht Victor Rheinberger auf, der in Stuttgart ein neues Leben beginnen möchte...

Was für ein wunderbarer Schmöker! Obwohl das Buch 656 Seiten umfasst, verflogen die Seiten in windeseile. Ganz klar ist "Die Schokoladenvilla" der Beginn einer meiner neuen Lieblingsbuchreihen, als großer Fan von Downton Abbey auch kein Wunder.

Diese Familiengeschichte hat einfach alles, was ich mir von einem unterhaltsamen Buch wünsche. Die Geschichte ist hervorragend recherchiert, man erhält fundierte und detaillierte Einblicke in das gesellschaftliche Leben um 1903 in Stuttgart, am Gardasee und auch in Venedig sowie in die Produktion einer Schokoladenfabrik. Durch den mitreißenden, flüssigen und absolut angenehmen Schreibstil von Maria Nikolai bin ich als Leserin zwischen den Buchseiten verschwunden und im Stuttgart Anfang den 20. Jahrhunderts bei Judith und Victor wieder aufgetaucht. Die absolut gelungenen Dialoge lockern die Erzählung wunderbar auf und verstärken das Gefühl, in einer anderen Zeit zu sein.

Auch die Charaktere sind authentisch und ausdrucksstark ausgearbeitet. Man merkt bei diesem Buch überall, dass die Autorin mit viel Herzblut an diesem Roman gearbeitet hat und das überträgt sich auch auf den Leser. Einfach herrlich sind dabei die beiden Rothmann-Zwillinge Anton und Karl, zwei Lausbuben die nichts als Unsinn im Kopf haben. Bei ihren Streichen habe ich Tränen gelacht.

"Die Schokoladenvilla" ist für mich eine gelungene Mischung aus Familien- und Liebesgeschichte mit einer wohldosierten Portion Historie, kurzum ein unterhaltsames, kurzweiliges Lesevergnügen mit Suchtpotential. Ich freue mich schon riesig auf die Fortsetzung, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Fazit: Kurzweiliges, schokoladiges Lesevergnügen mit Suchtpotential.

Bewertung vom 04.12.2018
Lügen. Nichts als Lügen
Callaghan, Helen

Lügen. Nichts als Lügen


sehr gut

Sophia lebt und arbeitet als Architektin in London. Dort amüsiert sie sich gerade mit ihren Kollegen im Londoner Nachtleben, als völlig unerwartet ihre Mutter anruft und sie bittet sofort nach Hause zu kommen. Sophia vertröstet ihre Mutter auf den nächsten Tag. Als sie in der Gärtnerei ihrer Eltern in Suffolk ankommt, erwartet sie nichts als Grauen. Ihre Mutter findet sie erhängt im Garten, ihren Vater mit schweren Stichwunden am Boden liegend. Die Polizei vermutet Mord mit anschließendem Selbstmord. Sophia fällt es schwer das zu glauben. Als sie dann im Schuppen alte Notizbücher ihrer Mutter findet, ist nichts mehr wie es war...

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf den Erlebnissen von Sophias Mutter Nina bei der Sekte Morningstar. Der Selbstmord oder Mord an sich ist eigentlich eher Beiwerk. Trotzdem fand ich die Geschichte unterhaltsam und mitreißend zu lesen.

Die Autorin schreibt in einer klaren, schnörkellosen Sprache, die gut zum Thema passt. Es gibt viele unerwartete Wendungen sowie interessante und gleichzeitig schockierende Einblicke in das Leben innerhalb einer Sekte. In gewisser Weise ist Ninas Zeit bei Morningstar durchaus ein Psychothriller. Das gesamte Buch allerdings ist für mich eher ein gutes Familiendrama mit Krimielementen. Zu einem Psychothriller, wie ich ihn erwartete, fehlte mir eindeutig der Nervenkitzel und das Gänsehautgefühl. Das bedeutet allerdings nicht, dass es an ordentlicher Spannung gefehlt hätte.

Mir hat "Lügen. Nichts als Lügen" gut gefallen, denn die Autorin hat das schwierige Thema Sekten mit den daraus resultierenden Manipulationen und Abhängigkeiten wirklich gut beschrieben. Auch die Verknüpfung mit dem Tod Ninas ist stimmig und das überraschende Ende rundet die Handlung perfekt ab.

Fazit: Unterhaltsames, spannendes Familiendrama mit sanftem Psychothrill.

Bewertung vom 25.11.2018
Gehen, um zu bleiben
Landsteiner, Anika

Gehen, um zu bleiben


ausgezeichnet

"Gehen, um zu bleiben" ist ein Reisebericht der etwas anderen Art. Informativ, witzig, lehrreich und einfach schön zu lesen. Anika Landsteiner schreibt absolut ehrlich über ihre Reiseerlebnisse, sie "schaut über den Tellerrand hinaus", was sie ja auch ihren Lesern empfiehlt, und genau diese Beobachtungen sind großartig.

Sie schafft es mühelos die Atmosphäre und die unterschiedlichen Kulturen der bereisten Orte zu beschreiben. Durch ihre Erlebnisse erfährt man dabei abseits des konventionellen Touristenprogramms viel mehr über das jeweilige Land. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass mich Indien faszinieren würde, nach dem Lesen dieses Kapitels ist es aber so. Sehr schön finde ich auch, dass die Autorin den Leser an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben lässt und in ihrem Reisebericht auch Dinge zum Nachdenken anspricht, die uns alle angehen, wie etwa die Verschmutzung der Meere durch den enormen Plastikmüll, den wir alle verursachen.

Durch ihren lockeren, lebendigen und mitreißenden Schreibstil war ich praktisch bei den Reisen dabei. Manchmal wäre ich gerne noch länger geblieben, manchmal war ich genauso froh wie Anika, als es zum nächsten Ziel ging. Ich hätte gerne noch weitergelesen, denn ferne Länder schon mal vorab auf diese kurzweilige Art und Weise zu erkunden, macht einfach nur Spaß und ist ein absolutes Lesevergnügen.

Fazit: Ein ganz, ganz toller Reisebericht, frisch, authentisch, einfach klasse!

Bewertung vom 24.11.2018
Ghost / Läufer-Reihe Bd.1
Reynolds, Jason

Ghost / Läufer-Reihe Bd.1


ausgezeichnet

Wenn Ghost, der mit richtigem Namen Castle Cranshaw heißt, eines schneller als jeder andere kann, dann ist das Rennen. Denn in seinem Leben gab es eine Nacht, in der er gemeinsam mit seiner Mutter um sein Leben rennen musste. In der Schule läuft es für Ghost nicht besonders gut, wer ihm blöd kommt, muss mit einem Schlag rechnen. Doch dann wird er durch Zufall Mitglied in einer Laufmannschaft, was sein bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellt. Der Trainer nimmt ihn unter seine Fittiche und das ganze Team steht an seiner Seite. Lief Ghost bisher immer davon, so geht es nun darum das Ziel immer vor Augen zu haben.

Da ich selbst begeisterte Läuferin bin - wenn auch glücklicherweise aus anderen Gründen als Castle Cranshaw - war ich unglaublich neugierig auf "Ghost - Jede Menge Leben", das mich in vielerlei Hinsicht beeindruckt hat. Ghost hat Ungeheuerliches durchgemacht, denn er musste eines Nachts um sein Leben rennen, als sein stark alkoholisierter Vater ihn und seine Mutter erschießen wollte. Nun sitzt er im Gefängnis und doch ist bei Familie Cranshaw längst noch nicht wieder die Normalität eingekehrt. Ghosts Mutter arbeitet, um sich und ihren Sohn zu ernähren, und er selbst hat seine Gefühle kaum unter Kontrolle und reagiert schnell gewalttätig, wenn ihn wieder jemand wegen seiner ärmlichen Kleidung, den abgeschnittenen Schuhen oder seiner Mutter aufzieht. Mit seinen elf Jahren weiß Ghost zahlreiche Weltrekorde auswendig und träumt von einer schillernden Karriere als Basketballstar, um der tristen Realität zu entkommen. Alles sollte sich jedoch ändern, als er angestachelt von der Arroganz einer der Mitglieder einer Laufmannschaft, denen er beim Training zugeschaut hatte, selbst am Rennen teilnahm. Der Trainer nimmt Ghost unter seine Fittiche und das erste Mal seit langer Zeit bekommt er das Gefühl von Gruppenzugehörigkeit. Neben der mitreißenden Geschichte war das außerordentliche sprachliche Geschick des Erzählers mein persönliches Highlight des Buches. Sämtliche in der Handlung vorkommende Charaktere sind absolut echt und authentisch, vielleicht auch gerade wegen ihrer zahlreichen Ecken und Kanten. Trotz seiner gerade einmal elf Jahren hat Ghost einen unglaublich erwachsenen Blick auf die Welt und die darin lebenden Menschen, was dem Buch in meinen Augen gepaart mit seiner immer mal wieder durchblitzenden kindlichen Naivität zusätzliche Eindringlichkeit verleiht. Auch wenn es zum Verlauf der Geschichte natürlich perfekt passt, fand ich das abrupte Ende alles andere als gut, denn nun ist meine Neugier auf die drei folgenden Bände der Reihe erst recht angestachelt.

"Ghost - Jede Menge Leben" ist soviel mehr als nur die Geschichte des Wendepunktes im Leben eines elfjährigen Außenseiters aus ärmlichen Verhältnissen, der ein schweres Trauma zu verarbeiten hat und dabei lernt ein Teil einer Mannschaft zu sein. Es ist ein kleines literarisches Meisterwerk, das von Träumen, Ängsten und dem Glauben an bessere Zeiten erzählt.

Bewertung vom 24.11.2018
Unter Verdacht / Die Schwestern von Mitford Manor Bd.1
Fellowes, Jessica

Unter Verdacht / Die Schwestern von Mitford Manor Bd.1


sehr gut

London 1920. Die 19-jährige Louisa lebt in London in ärmlichen Verhältnissen. Als sie eine Anstellung bei der angesehenen Familie Mitford in Oxfordshire ergattert ist sie überglücklich. Mit der ältesten Tochter des Hauses versteht sie sich sehr gut, Louisa und Nancy sind fast schon Freundinnen. Nancy ist aufgeschlossen und keinem Abenteuer abgeneigt. Als sie vom Mord an der Krankenschwester Florence Nightingale Shore hört, beschließt sie zusammen mit Louisa eigene Ermittlungen anzustellen...

Dieser historisch gut recherchierte Roman, denn die Familie Mitford gab es wirklich, ist eine Familiensaga mit Pfiff. Den Auftakt zu dieser Buchreihe macht Nancy, die älteste der Mitford-Mädchen und mit ihrer Neugierde und Ihrem Wissensdurst genau die richtige Protagonistin für diesen spannenden Krimi. Downton Abbey lässt grüßen. Allerdings nur im Hintergrund, denn im Vordergrund steht der Mordfall an der Krankenschwester Florence Nightingale Shore.

Neben eben diesem Krimi, der mit immer neuen Wendungen den Leser bis zum Schluss hinters Licht führt, wer denn jetzt der Täter ist, beschreibt die Autorin auch die Lebensbedingungen der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Und zwar mit Louisa, die aus der Unterschicht kommt und Nancy, die der Oberschicht angehört. Ich war richtig entsetzt, wie mit den Dienstboten damals umgegangen wurde, wie schnell man beispielsweise einfach entlassen wurde, nur weil der Hausherrin etwas nicht passte.

Durch den lockeren, flüssigen und leichten Schreibstil sind die Seiten nur so dahingeflogen. Auch die Charaktere sind präzise und mit Liebe zum Detail ausgearbeitet und geben damit Einblicke in den Lebensstil und Spirit im England in den sogenannten goldenen Zwanziger Jahren. Neben Louisa und Nancy und den Mitgliedern der Familie Mitford waren es gerade auch die undurchsichtigen und dubiosen, zwielichtigen Charaktere, die die Handlung authentisch wirken ließ.

Gerade diese Kombination aus Gesellschaftsroman, Geschichte und Krimi, hat mir unterhaltsame Lesestunden verschafft. Ich bin schon richtig gespannt, welche Geschichten die anderen Schwestern noch erleben werden.

Fazit: Unterhaltsamer Roman für alle Downton Abbey Fans!