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PMelittaM
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 428 Bewertungen
Bewertung vom 20.06.2021
Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1
Anour, René

Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1


ausgezeichnet

Wien 1908: Fanny Goldmann hat Medizin studiert und möchte gerne Rechtsmedizinerin werden –doch leider hat man ihr nur eine Stelle als Prosekturgehilfin angeboten. Als ein Obdachloser, eingeliefert wird, interessiert sich niemand für dessen Obduktion. Fanny meint Ungereimtheiten auszumachen und obduziert den Mann heimlich – der Anfang eines gefährlichen Abenteuers.

Mit Fanny ist dem Autor eine liebenswerte Protagonistin gelungen, die klug und schlagfertig ist, aber manchmal auch ein bisschen naiv und zu wagemutig handelt. Man kann sich gut in sie hineinversetzen, und verstehen, dass sie mehr aus ihrem Leben machen will als Hausfrau und Mutter zu sein, sie hat es geschafft, Medizin zu studieren, und muss immer noch gegen Vorurteile ankämpfen. Auch Fannys Umfeld, sei es beruflich oder privat, ist dem Autor gut gelungen, Charaktere, wie sie wohl jeder kennt, die man sich zumindest gut vorstellen kann. Nach und nach trifft Fanny weitere Charaktere, wie den zwielichtigen „Blaumeise“, Leonitine Kuderna, eine moderne Frau, die Fanny fördern möchte, oder den gefährlichen Grafen Waidring – alle gut gezeichnete Typen.

Apropos „gut vorstellen“ – durch René Anours sehr bildhaften Erzählstil kann man sich nicht nur die Charaktere, sondern auch das Geschehen sehr gut vorstellen, was bei manchen Szenen (Obduktion) vielleicht nicht für jeden so gut ist – hier zeigt der Autor aber auch seine gute Recherche – aber den Roman insgesamt sehr lesenswert macht. Was mir besonders gut gefällt, ist die Mischung aus Humor und Spannung, immer wieder gibt es etwas zu Schmunzeln – Personen, Szenen, Dialoge, auch dafür hat der Autor ein Händchen, wie auch für die Recherche (medizinisch und historisch).

Sehr gut gefallen mir auch die vielen überraschenden Wendungen (auch wenn ich nicht über jede glücklich bin), und all die Verwicklungen, in die Fanny gerät, aus denen sich spannende, aber auch absurde Szenen ergeben – manchmal erscheint mir die Geschichte schon ein bisschen abgedreht, aber genau das gefällt mir. Bereits mit „Im Schatten des Turms“ hat mich der Autor überzeugen können, so langsam sollte ich ihn wohl zu meinen Lieblingsautoren zählen.

Die Ermittlungen in diesem Band sind zwar abgeschlossen, aber dennoch gibt es am Ende einen fiesen Cliffhanger, der zweite Band soll im Oktober 2021 erscheinen. Vier Monate, das geht ja noch.

Auch das Bonusmaterial kann sich sehen lassen, eine Karte des Wiens von 1908, ein Nachwort, in dem der Autor auf Fiktion und Wahrheit eingeht, und ein Glossar der österrischen und medizinischen Begriffe.

Ich fühle mich sehr gut unterhalten und freue mich darauf, Fanny und die anderen Charaktere bald wiederzutreffen. René Anour ist es gelungen, Spannung und Humor wunderbar zu verschmelzen, einen interessanten Kriminalfall zu konstruieren, und Charaktere zu kreieren, die alle gut gelungen sind. Dazu kommt noch gute Recherche und nützliches Bonusmaterial – natürlich gibt es dafür volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.06.2021
Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7 (eBook, ePUB)
Eyssen, Remy

Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein toter Junge, misshandelt und in ein Kleid gesteckt – Leon Ritter ist sicher, dass das nicht das erste Opfer des Täters sein kann, doch wo sind die anderen Leichen? Dann beginnt eine Mordserie an gut situierten Männern, die zunächst keine Verbindung zueinander zu haben scheinen – und was könnte das Motiv sein?

Der 7. Band um den Gerichtsmediziner Leon Ritter ist ziemlich düster, schon der Prolog zeigt in eine bestimmte Richtung, später vermutet man immer einmal wieder eine Verbindung dazu, ich z. B. habe jeweils gerechnet, wie alt die einzelnen Personen zum damaligen Zeitpunkt waren, doch ganz so einfach macht es uns der Autor nicht, und ich zumindet habe auch tatsächlich bis zur – nachvollziehbaren – Auflösung nicht geahnt, wer Opfer und wer Täter ist. Auch einige Gesellschaftskritik schwingt mit, wenn z. B. gezeigt wird, wie schnell Menschen mit Vorverurteilungen sind.

Leon als Rechtsmediziner sieht und vermutet manchmal mehr als die Polizei, was immer wieder zu Konflikten führt, vor allem, wenn er seine Kompetenzen überschreitet.

Ein Nebenstrang betrifft das Privatleben Leons, der eine Beziehung mit der stellvertretenden Polizeichefin Isabelle Morell hat, deren 17jährige Tochter Lilou so langsam eigene Wege geht. Natürlich nimmt auch Land, bzw. die Landschaft der Provence, und Leute ihren Platz ein, die anderen Bewohner des Ortes, Leons Bekannte außerhalb der Arbeit. Der Privatpart nimmt gerade ausreichend Platz ein, um nicht zu stören und dennoch einen Blick auf das „normale“ Leben Isabelles und Leons zu werfen und sie zu authentischen Personen zu machen – gefällt mir.

Der Roman lässt sich gut lesen, ich mag auch die Perspektivewechsel, die den Leser auch schon mal das Geschehen aus Sicht eines Opfers präsentieren. Übermäßig spannend ist das Ganze nicht, muss es aber auch nicht sein, denn es punktet mit anderem, einem schlüssigen Fall, authentischen Charakteren und eben dem Ort, an dem es spielt. Man kann die Örtlichkeiten nicht nur bildlich vor sich sehen, man kann sie nahezu riechen.

Der siebte Band der Reihe hat mir gut gefallen und ich freue mich schon darauf, weitere Bände zu lesen – Leseempfehlung für alle Krimifans, sowie 4,5 Sterne, die ich, wo nötig, aufrunde.

Bewertung vom 05.06.2021
Der Schatz Salomos
Peter, Maria W.

Der Schatz Salomos


sehr gut

260 n. Chr.: Die Sklavin Invita reist mit ihrer Herrin und deren Vater, dem römischen Statthalter, nach Divodurum, der Stadt, in der sie früher lebte. Ob sie wohl endlich das Geheimnis ihrer Herkunft lösen kann? Doch dann findet sie eine Leiche und ein alter Freund wird der Tat verdächtigt – Invita muss wieder einmal Detektivin spielen.

Der dritte Band der Reihe führt weg aus Trier ins heutige Metz. Invita lebte dort seit sie denken kann als Sklavin des Cornelius Felix, bis dieser sie vor neun Monaten an den Statthalter verschenkte. In Divodurum herrscht keine gute Stimmung, die Stadt ist überfüllt mit Flüchtlingen, antisemitische Reden werden geschwungen, und dann gibt es noch Todesfälle, die auf Flüche hindeuten.

Invita erzählt wie gehabt in Ich-Form und durchaus selbstkritisch, so ist man immer nah bei ihr und ihren Gedanken. Auch in diesem Band ist sie wieder recht umtriebig, allerdings erkennt man sie in der Gegenwart ihrer früheren Herrn kaum wieder, viele schlechte Erinnerungen sorgen dafür, dass sie regelrecht erstarrt, wenn sie einen von ihnen trifft. Das hält sie aber nicht davon ab, u. a. im Hause der Cornelier nach Beweisen zu suchen und sich dadurch in Gefahr zu begeben. Generell handelt sie oft unüberlegt.

Erzählt wird wieder spannend, auch wenn viel Spannung durch Invitas Einzelgänge entstehen, aber man fühlt auch mit dem jüdischen Juwelier Salomo mit,der der Taten verdächtigt wird, und seinem Vater, dem Medicus Isaac, und hofft, dass es gut für die beiden ausgehen möge. Auch Marcella, die Herrin Invitas, die Christin ist, mischt mit und ist ebenfalls wegen ihres Glaubens in Gefahr. Auf der Antagonistenseite gibt es ein paar Charaktere, die man direkt nicht leiden kann – vielleicht ein bisschen zu viel Klischee und Schwarzweiß-Zeichnung, aber es passt recht gut, zumal auch Invitas eigene Geschichte tangiert wird.

Die Auflösung ist nachvollziehbar, und man kann als Leser auch gut miträtseln.

Ich besitze noch die alte Auflage, mittlerweile gibt es eine Neuauflage aus dem Piper-Verlag, der nun auch endlich den vierten Band herausbringen wird, dieser ist bereits angekündigt. Meine Auflage enthält neben einem Nachwort der Autorin mit historischen Anmerkungen auch ein Glossar und eine Karte des römischen Metz sowie das Foto der Grabstele Iunia Curmillas.

Band 3 der Reihe hat mir wieder gut gefallen und ich freue mich nun auf Band 4. Ich vergebe 4 Sterne und eine Leseempfehlung für die Reihe.

Bewertung vom 03.06.2021
Sturmglas
Amerein, R. M.

Sturmglas


ausgezeichnet

Fünf Archen haben die Erde verlassen, um Menschen von der zerstörten Erde zu einer neuen Heimat zu bringen. Mattie hatte das Glück, ein Los für die australische Arche Freedom zu bekommen, und eigentlich erwartet in einer geschützten Umgebung mit Ärzten an ihrer Seite aus dem Cryoschlaf zu erwachen. Doch nun trudelt sie in ihrer Cryokapsel mit tausenden anderen durchs All, die Arche offensichtlich zerstört, unter sich ein Planet. Wieder hat sie mehr Glück als manch anderer, der ins All driftet, und landet ohne schwere Verletzung auf der Oberfläche des Planeten. Schon bald merkt sie, dass zu der unbekannten Fauna auch Beutejäger, Raubtiere, Prädatoren zu gehören scheinen – und trifft endlich auch auf einen anderen lebenden Menschen.

In „Akkretion“ erzählte die Autorin die Geschichte zweier der fünf Archen, hier nun erfahren wir das Schicksal der dritten. Man war auf dem Weg nach Alpha Centauri, wo man sich gute Verhältnisse für den Fortbestand der Menschen erhoffte, doch wo Mattie letztlich gelandet ist, ist nicht sicher. Der Planet bietet gute Möglichkeiten fürs Überleben, aber eben auch eine Gefahr, die im Hintergrund lauert. Das Besondere aber sind die vielen Kristalle in allen möglichen Farben – der bildhafte Erzählstil der Autorin trägt dazu bei, dass man sich nicht nur sie wunderbar vorstellen kann.

Auch die Charaktere sind R. M. Amerein wieder gut gelungen, Mattie, aus deren Perspektive erzählt wird, ist eine unsicherer Person, die mehr als einmal über ihren Schatten springen muss. Sie hat eine künstlerische Ader und liebt es zu malen. Auch optisch sticht sie hervor. Cody, den Mattie als erstes trifft, mag ich besonders, er ist ein liebevoller Charakter, anders kann man das gar nicht sagen, und tut Mattie alleine deswegen schon gut. Ein weiterer wichtiger Charakter ist Skye, eine Soldatin, die manches schon wegen ihrer Ausbildung anders sieht. Und dann ist da noch eine rätselhafte Kreatur, die in meinen Augen besonders gut gelungen ist.

Der Roman, eher eine Novelle, ist recht kurz, aber mehr wäre nicht passend gewesen, am Ende ist alles gesagt. Das Ende wird womöglich nicht jedem gefallen, ich finde es grandios und im Nachklang absolut passend. Nachklingen wird der Roman auch sonst noch länger. Unbedingt sollte man auch das Nachwort lesen, in dem die Autorin noch manches wissenswerte erzählt.

Drei Archen, drei Schicksale – was wohl mit den anderen beiden passiert ist? Sicher werden wir das noch in einem weiteren Roman erfahren, ich freue mich darauf. „Akkretion“ und „Sturmglas“ kann man übrigens unabhängig voneinander lesen, auch die Reihenfolge ist egal. Sie spielen zwar im selben Universum, erzählen aber verschiedene Geschichten.

Auch der zweite Band der Archen-Odyssee ist absolut lesenswert und berührt mich auf vielen Ebenen. Gerne vergebe ich volle Punktzahl und eine Leseempfehlung, nicht nur für SF-Fans.

Bewertung vom 30.05.2021
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


ausgezeichnet

Als alter Mensch muss man dafür sorgen, auch weiterhin einigermaßen fit zu bleiben, körperlich, aber vor allem auch geistig, denn das Schreckgespenst Vergesslichkeit oder gar Demenz steht immer im Raum. Die Bewohner der Seniorenresidenz Coopers Chase haben eine reichhaltige Auswahl an Möglichkeiten, doch in den Donnerstagsmordclub, in dem alte, ungelöste Mordfälle gelöst werden, kommt nicht jeder. Die ehemalige Krankenschwester Joyce hat Glück, sie wird von Elizabeth angesprochen und gehört bald dazu. Als es einen aktuellen Mordfall gibt, können die vier Mitglieder ihr Glück kaum fassen und lassen es sich nicht nehmen, der Polizei bei der Aufklärung zu helfen.

Richard Osman erzählt seinen Roman aus mehreren Perspektiven, Joyce führt Tagebuch, das wir natürlich in Ich-Form lesen, dazu gibt es die Perspektive verschiedener anderer Charaktere, nicht nur aus dem Club, auch z. B. die eines Opfers, und schließlich auch die eines beschreibenden Erzählers, der z. B. die Landschaft oder die Seniorenresidenz und ihre Geschichte beschreibt. Ich persönlich liebe es, verschiedene Perspektiven zu lesen, zumal wenn sie, wie hier so gut ineinandergreifen.

Der Donnerstagsmordclub besteht aus vier Personen. Joyce lernt man am besten kennen, schon weil wir ihr Tagebuch lesen können. Ibrahim ist Psychiater, Ron ein ehemaliger Gewerkschaftler und Elizabeth hat eine Geheimdienstvergangenheit. Initiiert wurde der Club seinerzeit von der ehemaligen Polizistin Penny, die nun aber leider im Koma auf der Pflegestation liegt.

Fast besser als die Clubmitglieder lernt man die beiden Polizisten kennen, die eigentlich ermitteln: Chris und Donna – die sich schließlich damit arrangieren lernen, dass die Senioren sie „unterstützen““ und die Informationen, die sie erhalten nutzen können – gegen die raffinierten Rentner kommen sie sowieso nicht an. Mit die besten Szenen sind diejenigen, wenn sich alle Sechs zusammenfinden.

Die Fälle (es bleibt nicht bei einem Toten) sind kniffelig, und es gibt mehr als einen Verdächtigen. Als Leser erhält man zwar Gelegenheit mitzurätseln, aber nicht wirklich die Möglichkeit, den/die Täter zu enttarnen. Ich fand die Auflösungen nachvollziehbar.

Das wahre Plus dieses Romans sind die Emotionen, die beim Leser hervorgerufen werden. Zunächst habe ich viel geschmunzelt, dann kamen aber auch ernstere Töne, wie die Angst vor dem Vergessen, der Demenz, und schließlich gab es auch Momente, die mich zum Weinen brachten. Diese Mischung ist gelungen, und der vor allem der Humor hat es mir sehr angetan.

Hat man den Roman gelesen, kann man durchaus auf eine Fortsetzung hoffen, und das tue ich auf jeden Fall, denn ich möchte die sechs Protagonisten unbedingt wiedertreffen.

Für mich ist dieser Roman ein Highlight, er ist witzig, aber auch ernst und manchmal traurig, bietet sechs liebenswerte Protagonisten, die interessante Ermittlungen vorlegen und hat mich insgesamt sehr gut unterhalten. Sehr gerne vergebe ich volle Punktzahl, eine uneingeschränkte Leseempfehlung und hoffe auf weitere Bände.

Bewertung vom 29.05.2021
Behemoth
Orgel, T. S.

Behemoth


ausgezeichnet

2198 starten drei Schiffe, um für die Menschheit eine neue Heimat im All zu finden. Die Zheng He mit Bewohnern der Erde, die Tereschkowa mit Bewohnern des Mondes und die Venta Chitru mit Bewohnern des Mars, zwei davon als Generationenschiffe, eines mit den meisten Bewohnern im Cryoschlaf.

Gut hundert Jahre später trifft man auf ein 20 km langes Artefakt, das durch dass All trudelt, und da die Ressourcen langsam knapp werden, starten von allen drei Schiffen Shuttles, um das Artefakt zu untersuchen. Schnell prägt sich der Name „Behemoth“ für das Gebilde ein.

Der Roman ist der zweite Ausflug der Gebrüder Orgel ins Science-Fiction-Genre und hat mich sehr gut unterhalten. Auch wenn ich immer noch ihre Fantasy-Romane am liebsten mag, haben sie mich mit diesem Roman endgültig davon überzeugt, dass ich ihre Science-Fiction-Romane unbedingt lesen muss.

Ganz schnell hatte ich auch meine Lieblingscharaktere gefunden. Auf der Zheng He ist das Laohu, der mit besonderen Genen als Tiger Sicherheit und Ordnung wahrt, aber ein bisschen anders zu sein scheint als die anderen Tiger. Auf der Tereschkowa ist mir das Ehepaar Helen und Rangi Hopper schnell ans Herz gewachsen, die mit viel Pragmatismus und Köpfchen ihren Alltag auf dem schon ziemlich maroden Schiff gestalten und dem Geschehen im Roman ihren eigenen Stempel aufdrücken. Charaktere von der Venta Chitru trifft man erst später im Roman, und lernt insgesamt relativ wenige näher kennen, was aber auch kein Wunder ist, liegen die meisten ja im Kälteschlaf.

Alle handelnden Charaktere sind gut gezeichnet, dafür haben die Autoren aber auch ein gutes Händchen – aber nicht nur dafür, sondern auch für ihre bildhafte Erzählweise, die sofort das Kopfkino anspringen lässt. Sogar wenn die Geschehnisse auf der Behemoth manchmal etwas verwirrend werden - manchmal driftet das Geschehen schon fast ins Horrormäßige – entstehen Bilder vor dem inneren Auge und halten den Leser am Ball. Im übrigen kann man bei diesen Szenen immer schön spekulieren, was da wohl gerade passiert. Ob man dann auf das Ergebnis kommt, das den Autoren vorschwebt, ist dabei egal, Hauptsache man hat eine für sich schlüssige Lösung gefunden.

Leider gibt es, wie schon bei „Terra“ kein Nachwort, in dem die Autoren ihre Sicht der Dinge darlegen. Dafür findet sich ein Glossar und ein Personenverzeichnis, das ich persönlich während des Lesens nicht benötigt habe. Was übrigens die Namen angeht, empfehle ich fleißig zu googeln, ich hatte dadurch manches Aha-Erlebnis.

Das Ende ist rund und hat mir gut gefallen, ich habe den Roman zufrieden, aber auch mit einem Hauch Bedauern zugeklappt. Vielleicht wird man in einem späteren Roman noch ein bisschen mehr erfahren, über das weitere Schicksal der Überlebenden? Ich würde mich freuen.

Der zweite Science-Fiction-Roman der Gebrüder Orgel hat mich gut unterhalten. Mir gefällt die Mischung aus Zukunftsszenario und leichtem Horroreinschlag, besonders aber haben es mir die Charaktere angetan. Ich vergebe gerne volle Punktzahl und eine Leseempfehlung für Fans des Genre und/oder der Autoren.

Bewertung vom 24.05.2021
Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3


ausgezeichnet

Der Mörder Tom Kerr soll die Polizei zur Leiche eines Opfers führen, doch es gelingt ihm zu fliehen. Möglicherweise hatte er Hilfe von einem Komplizen, der wahrscheinlich auch die Taten mit verübte, von der Polizei „Der Andere“ genannt – die Fahndung nach den beiden Straftätern läuft nun auf Hochtouren.

William Wisting war mitverantwortlich für die Sicherung Tom Kerrs, und wird nun zum Sündenbock. Nicht nur die interne Ermittlung hat ihn im Visier, er wird auch vom Dienst beurlaubt. Dennoch versucht er, die Ermittlungen mitzuverfolgen.

Seine Tochter Line, Journalistin, war von Adrian Stiller, dem Leiter der Cold-Cases-Abteilung, beauftragt worden, den Ortstermin per Filmaufnahme zu dokumentieren. Im Anschluss möchte sie einen Bericht über Tom Kerr veröffentlichen, muss damit aber warten, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Auch sie ermittelt auf ihre Art.

Adrian Stiller hatte einmal mehr Hintergedanken, doch so hatte er sich das nicht vorgestellt.

Wisting gefällt mir wieder sehr gut, man merkt einfach, wie erfahren er ist, und es ist auch schön, einmal keinen gebrochenen Ermittler zu erleben. Wisting ist Witwer, hat Tochter und Enkelin, und ein ganz normales Leben, ohne besondere Probleme. Er ist mit Verstand und Herz beim Ermitteln, und wirkt dabei immer sachlich, aber nie gefühllos. Dies charakterisiert auch den Erzählstil, der Autor, selbst vom Fach, erzählt ruhig und sachlich.

Line Wisting ist Journalistin und hat daher ihre eigene Motivation, die nicht unbedingt die der Ermittler entspricht. Line hatte bisher in jedem der Cold-Case-Fälle ihre Rolle. Manchmal erscheint sie zu unvorsichtig.

Adrian Stiller kocht immer sein eigenes Süppchen, wofür er auch andere benutzt, ohne seine Intentionen offenzulegen. Sicher tut er das immer „für die Sache“, aber er nimmt damit in Kauf andere in Gefahr zu bringen, während er sich in der Regel absichert. Sympathisch ist das nicht, wirklich unsympathisch ist er mir aber dennoch nicht, denn letztlich will er vor allem eines: Täter ihrer Strafe zuführen.

Wenn man als Leser erfährt, was Tom Kerr seinen Opfern antut, hofft man sofort, dass er schnell wieder gefunden wird, und hat gewisse Befürchtungen, wer sein nächstes Opfer werden könnte. Auch zum Anderen ergeben sich einige Verdachtsmomente, und man kann als Leser prima miträtseln, wer das sein könnte. Die Auflösung ist dann gewohnt nachvollziehbar.

Auch der dritte Band der Cold-Cases-Reihe hat mich überzeugt. Hier erhält man interessante Fälle, die sachlich und kompetent gelöst werden. Sachlich und kompetent wirkt auch der Erzählstil. Für mich ist diese Reihe eine der besten Krimireihen, die ich kenne. Gerne vergebe ich wieder volle Punktzahl und eine Leseempfehlung für Genrefans.

Bewertung vom 20.05.2021
Shakespeares Welt
Mortimer, Ian

Shakespeares Welt


ausgezeichnet

Als Tourist im elisabethanischen England, in Shakespeares Welt? Wäre das möglich, wäre dieses Buch ein wunderbarer Reiseführer, denn es deckt alle denkbaren Bereiche ab, die für einen Besucher wichtig sein könnten.

Wie ist die Stimmung im Land, welche verschiedenen Klassen gibt es, und wie gehe ich mit deren Angehörigen jeweils um? Was muss ich in Beziehung auf die Religion wissen? Wo kann ich übernachten, was gibt es zu essen, wie kann ich mich pflegen? Welche Regeln sollte ich unbedingt kennen? Was kann ich zu meinem Vergnügen tun und was sollte ich mir unbedingt ansehen? Wie sind die Preise? Was sollte ich besser nicht tun und mit welchen Strafen müsste ich rechnen? Dies ist nur ein Teil der Fragen, auf die man hier Antworten bekommt.

„Shakespeares Welt“ heißt zwar das sehr lebendig geschriebene und gut zu lesende Sachbuch, aber eigentlich deckt es die Regierungszeit Elisabeths I ab, die (1558 – 1603) ungefähr deckungsgleich mit Shakespears Lebenszeit (1664 – 1616) ist. Die meisten Dinge, wie Religion und Gesetze hängen aber natürlich vor allem von der Monarchin ab. Vor und nach ihrer Regierungszeit sah manches anders aus.

Der Autor gibt einen sehr guten Einblick in diese Zeit, man hat oft regelrecht den Eindruck, mit ihm durch die Straßen zu laufen und über die Gegend zu reiten, die Menschen vor sich zu sehen, sie zu hören und - auch das – sie zu riechen. Ian Mortimer geht sehr ins Detail und liefert auch oft sehr anschauliche Beispiele und/oder Zitate. Das Leben damals war ganz anders als das unsere heute, und dennoch basiert das heutige auf dem damaligen, und gerade in der elisabethanischen Zeit wurden viele Weichen gestellt für die Moderne, sei es in der Wissenschaft, bei Entdeckungen oder in der Kunst (in der Shakespeare einen herausragenden Platz einnimmt).

Im Anhang findet sich ein Bildteil, den man nicht überspringen sollte und umfangreiche Anmerkungen.

Dem Leser diese interessante Zeit durch einen Reiseführer nahe zu bringen ist eine sehr gelungene Idee, ich habe vieles erfahren und werde das meiste in Erinnerung behalten – und habe mich noch dazu gut unterhalten. Durch die Einteilung in verschiedene Gebiete (Religion, Landschaft, Gesellschaftssystem, Reisen, Kleidung, Körperpflege usw.) kann man sich zudem die für einen selbst interessantesten Bereiche aussuchen – oder, wie ich, einfach alles der Reihe nach lesen. Natürlich vergebe ich hier volle Punktzahl und eine Leseempfehlung an alle, die sich für dies Epoche interessieren.

Bewertung vom 16.05.2021
Der Tod ist ein Tänzer / Die schwarze Venus Bd.1
Rusch, Veronika

Der Tod ist ein Tänzer / Die schwarze Venus Bd.1


ausgezeichnet

„Ich war nicht wirklich nackt, ich hatte nur keine Kleider an“ (Josephine Baker)

1926: Josephine Baker, bereits in Paris ein gefeierter Star, tritt ihr Engagement in Berlin an. Auch hier kommt sie gut an, doch nicht bei allen, es gibt Elemente, die alles „Fremde“ ablehnen, und es gibt Anzeichen, dass Josephine in Gefahr sein könnte. Nowak, Veteran des Großen Krieges, wird von seinem Onkel beauftragt, auf die Künstlerin aufzupassen.

Josephine Baker fand ich schon als Jugendliche faszinierend und freue mich, dass es derzeit ein paar neue Bücher gibt, die sich um sie drehen. Veronika Rusch hat gar eine Trilogie verfasst, in der Josephine im Mittelpunkt steht, und das, eher unerwartet, in Form historischer Kriminalromane. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt Josephine lebendig werden, man sieht sie regelrecht vor sich, hört die Musik, sieht sie tanzen – und hätte sie gerne einmal persönlich getroffen.

In diesem ersten Band ist sie erst 19 Jahre alt, und dennoch schon eine großartige Persönlichkeit. Man erfährt auch aus ihrer Vergangenheit, erkennt, wie sie wurde, was sie ist, und bewundert sie noch ein Stück mehr dafür, was sie geschafft hat. Ich bin gespannt, auf die Begegnungen in den Folgeromanen, die einige Jahre später stattfinden.

Auch der fiktive Nowak ist ein interessanter Charakter, der einige Traumata mit sich bringt, aber auch loyal und mutig ist, vor allem aber ist er ohne Vorurteile, und somit ein guter Gegenpart zu den nationalen Strömungen und den Antagonisten, die aus diesem Lager kommen. Auch sein Onkel, der zwar ebenfalls fiktiv ist, aber an eine historische Person angelehnt wurde, ist interessant – ich bin gespannt darauf, die beiden wiederzutreffen.

Die Antagonisten sind vielfältig, hier gibt es sowohl Mitläufer als auch Strippenzieher – und einen ganz besonders widerlichen Charakter, bei dem man Gänsehaut bekommt. Einer ist noch ein Phantom, aber man wird ihn sicher in den Folgebänden näher kennenlernen.

Die Geschichte ist spannend, sie hat mich von Beginn an gepackt, ich konnte den Roman kaum aus der Hand legen, und sie lässt sich sehr gut lesen, ist sehr bildhaft erzählt und das Kopfkino bekommt einiges zu tun. Auch die Atmosphäre des damaligen Berlin kann man gut spüren.

Wie es sich für einen guten historischen Roman gehört, gibt es auch hier ein paar Extras, so hat die Autorin ein interessantes Nachwort geschrieben, wo sie z. B. auch ihre Entscheidung erklärt, die historische Wortwahl zu verwenden.Im Anhang findet man außerdem Josephines Lebenslauf bis 1926 und ein Literaturverzeichnis.

Nicht jeder Roman kann einen von Anfang an packen, diesem ist es gelungen, und das hat auch bis zum Ende gehalten. Das Setting, die Charaktere, die Geschichte, die Atmosphäre, alles hat mir gut gefallen, so dass ich sehr gerne volle Punktzahl vergebe und natürlich auch eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 15.05.2021
Camouflage
Haldeman, Joe

Camouflage


sehr gut

1931 taucht ein Wesen aus dem Meer auf, das bisher u. a. als Hai gelebt hat, und nimmt menschliche Gestalt an. Über die Jahre hat es verschiedene Identitäten.

Ein anderes Wesen lebt bereits seit den Anfängen der Menschheit unerkannt unter ihr.

2019 wird ein Artefakt aus dem Meer geborgen. Die Untersuchung gestaltet sich schwierig und gefährlich.

Der Leser stellt sich ganz schnell die Frage, ob diese drei Phänomene miteinander zu tun haben. Leider verrät der Klappentext wieder einmal viel zu viel, wem es noch möglich ist, liest ihn besser nicht, aber auch für den, der ihn schon gelesen hat, wird es Überraschungen geben, nur leider liest man das Buch dann bereits mit bestimmten Vorzeichen.

Die beiden Wesen könnten unterschiedlicher nicht sein, und für eines von ihnen, im Roman werden sie Wechelbalg und Chamäleon genannt, habe ich deutlich positivere Gefühle entwickelt, nicht direkt am Anfang, aber im Laufe der Zeit, so wie das Wesen selbst sich auch entwickelt hat.

Die menschlichen Charaktere dagegen bleiben relativ blass, tragen aber natürlich auch ihren Teil zum Geschehen bei, vor allem natürlich die Mannschaft, die das Artefakt birgt und untersucht.

Gut hat mir das Ende gefallen, auch wenn es nicht alle Fragen beantwortet. In meinen Augen ist das aber nicht schlimm, nein, das passt hier ganz gut, finde ich, und ich kann mir meine eigenen Gedanken dazu machen.

Schreibstil und/oder Übersetzung scheint mir etwas holprig, und leider gibt es auch relativ viele Fehler in meinem Exemplar. Ich besitze allerdings die ältere Version (Deutsche Erstauflage von 2012), so dass sich das möglicherweise mittlerweile gebessert hat. Es hat meinen Lesefluss ein bisschen gestört, aber nicht wesentlich. Das Original ist übrigens von 2004.

Insgesamt wurde ich gut unterhalten, konnte mir meine eigenen Gedanken machen und finde auch das Ende gelungen. Ich vergebe 4 Sterne und eine Leseempfehlung an alle, die es nicht stört, dass am Ende nicht alles aufgelöst wird.