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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Insgesamt 2612 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2023
Zwischen zwei Welten
Jardin, Izabelle

Zwischen zwei Welten


sehr gut

Mitreißender Historienroman zu Zeiten der Weberaufstände
Bei Tinte & Feder erscheint mit "Zwischen zwei Welten" der Auftaktband der Achenthal-Saga von Izabelle Jardin.
Elise von Achenthal führt als Enkelin eines Tuchfabrikanten in Schlesien ein sorgloses und wohlbehütetes Leben in Wohlstand. Als es 1844 zu einem Aufstand der notleidenden Weber kommt, die bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne brauchen, um überleben zu können, flieht Luises Großvater. Der Aufstand wird vom Militär blutig niedergeschlagen.
Durch einen Zufall wird sie Zeugin eines Übergriffes auf die Webertochter Marie, sie bringt sie nach Hause, erkennt die große Armut und versteht zum ersten Mal, wer für ihren eigenen Wohlstand verantwortlich ist. Sie möchte das ändern und bekommt mit Konrad von Radenau einen reformbereiten Mitstreiter. Die Maschinenweberei würde den Menschen die Arbeit erleichtern, in England trägt die industrielle Revolution mit diesen Maschinen bereits reife Früchte. Elise reist mit ihren Eltern nach England und besucht die Fabrikantenfamilie Cunningham und lernt den Sohn des Hauses Fletcher kennen. Eine Verbindung des Paares würde die finanziellen Probleme der Achenthals lösen, aber Elises Herz hängt an Konrad. Aber sie gibt Fletcher ein Versprechen, dass sie hoffentlich nie einlösen muss.


Izabelle Jardin schreibt flüssig, sehr ausdrucksvoll und emotionsbeschreibend, sie lässt ihren Roman im Schlesien von 1844 stattfinden und zeigt unterschiedliche Gesellschaftsschichten, die Unternehmerfamilien und die armen Weberfamilien, wo schon die kleinsten Kinder am Webstuhl sitzen.

Die Charaktere werden alle erkennbar beschrieben, Luise steht im Mittelpunkt des Geschehens und hat mit ihrer mutigen und sich für die Armen einsetzenden Art gleich mein Herz gewonnen. Sie lebt das wohlsituierte Leben einer Unternehmerstochter, liebt ihre Jagdhündin, die ihr nicht von der Seite weicht und reitet mit ihrem eigenen Pferd durch die Wälder. Auf so einem Ritt hat sie auch einen Übergriff auf Marie beobachtet, seitdem setzt sie sich für das Mädchen ein und erkennt, wie wenig Macht diese armen Menschen haben, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. Durch die lebendig beschriebenen Gedanken und Gefühle Maries ist man ihr sehr nahe.

Hinter Luises Geschichte erlebt man die historischen Gegebenheiten, die durch das bildhaft beschriebene Setting zum Leben erwachen. Für mich sorgt das beschriebene Elend der Weberfamilien und die Einbindung des Zeitgeschehens für den entscheidenden Tiefgang des Romans.

Ein emotional mitreißender Roman, der mit den historischen Bezügen sehr authentisch die Weberaufstände beschreibt und mit Luises Erlebnissen gut unterhält. Durch das offene Ende erwartet man wissbegierig den zweiten Teil, der mir hoffentlich wieder so gut gefällt.

Bewertung vom 15.04.2023
Lavendel-Zorn / Lavendel-Morde Bd.5
Bernard, Carine

Lavendel-Zorn / Lavendel-Morde Bd.5


sehr gut

Kurzweiliger Krimiurlaub in der Provence
"Lavendel-Zorn" ist der fünfte Fall aus der Provence-Krimireihe von Carine Bernard, die im Knaur Verlag erscheint.

In Carpentras ist warmes Spätsommerwetter angesagt. Endlich haben Lilou Braque und ihr Freund Simon mal neben Polizeiarbeit und Restaurantbetrieb Zeit füreinander und nutzen das schöne Wetter zu einem Ausflug zum Stausee Lac du Péty. Doch kaum ist Lilou im Wasser, entdeckt sie im Wasser die Leiche einer Frau. Es wirkt wie ein tragischer Badeunfall. Kurz nach diesem Fund wird Lilou zu einem weiteren Todesfall gerufen, dort hat sich offenbar ein Notar mit seiner eigenen Waffe das Leben genommen. Merkwürdig ist nur, dass die Tote vom See seine Mitarbeiterin war, Lilou wird hellhörig und übernimmt die Ermittlungen in ihrem ersten Fall als Commissaire. Wie hängen die Fälle zusammen und warum führt eine Spur in Simons Restaurant?

Die Krimis von Carine Bernard lesen sich immer wie kleine Urlaubsreisen in die Provence, denn die Handlung spielt sich vor der schönen landschaftlichen Kulisse ab und das französische Lebensgefühl wird immer sehr stimmig mit kulinarischen Häppchen einbezogen. Dafür sorgt schon der Restaurantbetrieb von Lilous Freund Simon, der als Koch für leckere Gerichte sorgt. Sie wohnen beide nebeneinander, haben aber mit ihren konträren Arbeitszeiten wenig gemeinsame Zeit.

Der Erzählstil ist wie gewohnt flüssig, bildhaft und mit lebendigen Details unterhaltsam aufbereitet, die Krimihandlung sorgt für spannende Momente und man kann wunderbar mitraten.

Während der Ermittlungen kann man nicht nur Lilou, sondern auch den Kriminaltechnikern über die Schulter schauen und erlebt so die Untersuchungen aus nächster Nähe mit. Dabei zeigt sich, wie beharrlich Lilou sich in diesen Fall verbeißt und mit logischen Schlussfolgerungen der Lösung auf die Schliche kommt.

Ich mochte es, neben der Krimihandlung immer wieder ins Privatleben von Lilou und ihrem Simon einzutauchen und mir dabei die Schauplätze mit Lavendelfeldern und kulinarischen Genüsse optisch vorzustellen. Das weckt Urlaubsgefühle und zeigt auf atmosphärische Weise das Lebensgefühl von Land und Leuten in der Provence. Dabei wirken alle Charaktere sehr glaubhaft und sie werden lebensnah und mit menschlichen Facetten gezeigt.

Die Spannung zieht sich auf einem gemächlichen Level durch das ganze Buch, am Ende steigt die Kurve dann noch einmal zu einem gefährlichen Finale an. Insgesamt wird der Fall nicht blutig und grausam dargestellt, sodaß man durch die Ermittlungs-Puzzleteile gut mitraten und nebenbei das Flair der Provence genießen kann.

Lavendel-Zorn ist mal wieder eine gelungene Mischung aus Krimispannung, Privatleben und Frankreichflair und damit ein schöner Urlaubskrimi.

Bewertung vom 13.04.2023
Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
George, Nina

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu


gut

Das Bücherschiff fährt wieder los
Im Knaur Verlag erscheint der Roman "Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" von Nina George.

Der Buchhändler Jean Perdu besitzt die heilende Gabe, seelische Krankheiten seiner Kunden mit entsprechenden Büchern zu heilen. Nach einer längeren Auszeit mit seiner Catherine in der Provence lockt ihn ein an ihn adressiertes Manuskript des Schriftstellers José Saramago, mit der Bitte wieder Menschen und Bücher zusammen zubringen. Also begibt sich Jean gemeinsam mit Max Jordan wieder auf das Bücherschiff "Pharmacie Littéraire" und befährt die Kanäle Frankreichs.

Auf dieses Buch war ich sehr gespannt, es gab viele positive Stimmen für den Vorgänger "Das Lavendelzimmer".

Perdu beginnt neben seiner Aufgabe, den Menschen die richtigen Bücher zu "verordnen", selbst mit dem Schreiben einer "Enzyklopädie der kleinen Gefühle". Die Auflistung der verschiedenen Gefühle beim Lesen soll ein hilfreiches Nachschlagewerk für Buchhändler:innen werden. Dazu gehören Themen wie das Sammeln von Büchern, die Leselust, Bücherfreundschaften, bis hin zum Reisen der Gedanken. Bücher lösen in Menschen unterschiedliche Gefühle aus und manchmal kommen sie mit ihrer Aussage gerade zur rechten Zeit. Damit spricht die Autorin Themen an, die mir als Buchbloggerin sehr am Herzen liegen.

An die Kapitel der Hauptgeschichte um Perdu werden jeweils einzelne Enzyklopädie-Kapitel angehängt. Beide inhaltsreichen Erzählstränge stehen für sich, ziehen sich etwas und wirken nicht wie aus einem Guß, was meinen Lesefluß gestört hat.

Nina George versammelt in ihrem Buch alle Formen von Lesenden und sämtliche Genres von Büchern. Es macht Spaß, sich selbst hier und da in den Lesevorgaben zu entdecken und auch viele erwähnte Autor:innen zu kennen. Die Seele vieler Menschen dürstet nach Geschichten und Gedichten, die von Kummer ablenken, Inhalte vermitteln, Interesse wecken, Reisesehnsüchte erfüllen oder einfach nur gut unterhalten und Freude bereiten. Insofern ist dieser Roman für Bücherfreunde eine erbauliche Entdeckungsreise.

Die Idee der Story um Perdu finde ich interessant, leider verliert sich die Autorin mit ihrer floskelhaften Sprache sehr in Einzelheiten und driftet in Gedankengängen ab, die mir auf Dauer zu langatmig erscheinen. Oder, um es anders zu sagen: Das Schiff fährt streckenweise weiter, ohne mich mitzunehmen. Die Sprache lässt sich nicht flüssig lesen, denn viele Aussagen sind hintergründiger Art. Die Grundidee gefällt mir, der Spracherguß wirkt auf mich leider von Floskeln überfrachtet.


Ein geeignetes Buch für Literaturfreund:innen, das steckenweise langatmig erscheint, aber mit buchigen Seelenmomenten angefüllt ist.

Bewertung vom 10.04.2023
Großraumdisco
Drews, Christine

Großraumdisco


sehr gut

Eine besondere Zeitreise in die 80er Jahre

Im Jahr 1986 machen Anni und Vera ihr Abitur und feiern den Abi-Ball. Es gibt natürlich auch eine Abizeitung, die zu allen Abiturienten etwas Besonderes vermeldet. Daran hat Vera maßgeblich mitgearbeitet und erwähnt Annis Zwangshandlung vom Zählen hier öffentlich. Anni ist maßlos enttäuscht, entsetzt und verlässt den Ball, die Freundschaft zu Vera zerbricht daraufhin und Anni studiert in Bremen Psychologie und baut sich dort ein neues Leben auf. Sie jobbt fürs Fernsehen, erfährt im Studium mehr über die Hintergründe ihrer Zwänge und lernt den Banker Christian kennen.

Christine Drews lässt das Lebensgefühl der 1980er Jahre wieder aufleben und bringt damit eigene Erinnerungen an diese Zeit zurück.

Im Roman erleben wir Anni, die als Studentin der Psychologie ihre Hausarbeit über Zwänge schreibt und nebenbei beim Fernsehen jobbt. Außerdem lernen wir den sorglosen und übermütigen Banker Christian kennen, beide Figuren habe mit ihren persönlichen Problemen zu kämpfen.

Durch die Zeitebene werden wir auch mit der Musik der neuen deutschen Welle, dem Kleidungsstil, den damaligen Nachrichten und den Bemühungen um den Umweltschutz konfrontiert.

Bei den Charakterschilderungen lernt man die Personen mit ihren Emotionen, Lebensgedanken und Alltagsleben kennen. Besonders hervorgehoben wird die interessante Beschreibung einzelner Betroffener mit Zwangsstörungen. Christine Drews verdeutlicht einerseits den inneren Kampf, die Zwänge zu überwinden bzw. damit einigermaßen leben zu können und sie auszuhalten und zeigt den Druck von außen, wie Mitmenschen mit Häme oder Maßregelung auf die psychischen Erkrankungen reagieren.

In den 80ern war die Forschung in Sachen Zwängen noch nicht annähernd soweit wie heute. Damals wurde man noch schräg angesehen und das Verständnis für solche Ticks war nicht gerade groß.

Annis Person mit ihrer Zwangsstörung, die in allen Einzelheiten auserzählt wird, ist ständig präsent, das versetzt zwar den Leser in ihre "Welt", erscheint mir aber insgesamt zu ausführlich erzählt. Christians Perspektive lässt ebenfalls viele Einblicke in sein Leben zu. Die Geschichte einer Krebskranken wird, der Spannung halber, nur in kleinen Episoden erwähnt und ich konnte sie erst am Ende einer Person zuordnen. Das war mir persönlich viel zu kurz, ich hätte sie gern näher kennen gelernt.


In diesem Roman erfährt man von unterschiedlichen Zwangsstörungen, erlebt die Hänseleien, die Betroffene im Alltag erdulden müssen und wie sie damit umgehen. Die Handlungszeit der 80er wird mit einigen Details zeitgemäß beschrieben, ich hätte mir noch mehr Szenen gewünscht.


Eine Zeitreise in die 80er Jahre, die die Sicht erhellend auf psychische Erkrankungen lenkt.

Bewertung vom 08.04.2023
Solange wir leben
Safier, David

Solange wir leben


ausgezeichnet

Eine berührend erzählte, mitreißende Liebes- und Lebensgeschichte

David Safier erzählt die Geschichte seiner Eltern, die mit seinem Vater Joscho in Wien 1937 beginnt, die Gefängnisse der Gestapo mit seiner Tochter überlebt und schliesslich nach Palästina zieht, von wo aus er später zur See fährt. David Safiers Mutter Waltraut wächst in Bremen als Arbeitertochter auf, sie erlebt die Kriegszeit, die Trümmerjahre und das Wirtschaftswunder, wird Verkäuferin und verwitwet sehr früh. Dann lernt sie den über zwanzig Jahre älteren Seemann Joschi kennen und auch wenn vieles gegen eine gemeinsame Beziehung spricht, entscheiden sich beide füreinander, erleben glückliche Tage und auch dramatische Schicksalsschläge.

"Solange man an jemanden denkt, ist er nicht ganz tot." Zitat Seite 455

David Safier hat mich bisher mit seinen humorvollen Romanen begeistern können und beweist mit diesem Roman, dass er auch ernste Themen anpacken und gut umsetzen kann. Er erzählt in dem Buch seine Familiengeschichte, er selbst kommt darin allerdings kaum vor. Vielmehr geht es um das Schicksal seines jüdischen Vaters Joschi, der den Holocaust überlebte und nach Israel auswanderte.

Die glaubhaft erzählte Familiengeschichte wird aus den zwei Perspektiven der Eltern David Safiers erzählt, zur besseren Unterscheidung in verschiedener Schrift, was mir besonders gut gefallen hat. Durch die offene Beschreibung an Emotionen, Schwächen, Fehlern und unterschiedlichen Erlebnissen habe ich die schwierigen Schicksale, das starke Band der Liebe, das Familienleben und die gehüteten Geheimnisse der Eltern Safier sehr intensiv miterleben dürfen und deshalb die Lektüre absolut genossen. Die historisch bedingten Grausamkeiten muss man aushalten können, doch immer wieder blitzt in der Geschichte ein Funke der Hoffnung auf, auch wenn man es kaum glauben mag. Durch die menschliche Beobachtungsgabe David Safiers werden die Personen in diesem Roman lebendig und spürbar. Und sein Humor durchzieht auf feine Art die Erzählung an den passenden Stellen.

Die packende Geschichte bekommt mit den tragischen Erlebnissen des Holocaust eine düstere Atmosphäre, doch David Safier baut auch viele lebendige und fröhliche Momente der Familie mit ein, sodaß man den Roman ohne Tränen zu vergießen lesen kann. Ich habe die Liebe und den Zusammenhalt der Eltern bewundert, aber auch Waltrauts Stärke, sich mit aller Kraft um die Familie zu kümmern und alles zu regeln. Denn Joschi war nie der Vater, der beruflich Fuß fassen konnte, so sehr er es auch versuchte. Bei der Erzählung wurde mir vor allem klar, wie groß das Leid sein muss, wenn wie bei Joschi die ganze Familie ausgelöscht ist und man neu beginnen muss. Diese Wunden heilen nie und nur die Liebe hat den Menschen der Familie Safier neue Hoffnung gegeben.

Dieser Roman hat mich in eine Zeit eintauchen lassen, die den Menschen viel abverlangt hat. Doch die Liebe ist das Band, dass Menschen zusammenführt und Grausamkeiten überstehen lässt. David Safier ist ein berührender Roman gelungen, der seine Eltern stolz machen würde. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.04.2023
Leuchtturmherzen
Konnerth, Silvia

Leuchtturmherzen


gut

Solider Unterhaltungsroman um Verlust, Liebe und einen Neuanfang
Der Liebesroman "Leuchtturmherzen" von Silvia Konnerth erscheint im Blanvalet Verlag.

Silvia Konnerth entführt ihre Leserinnen gedanklich nach Schleswig- Holstein an die wunderschöne Gegend der Schlei. Sie hat einen lockeren Unterhaltungsroman vorgelegt, der lebendige Schreibstil macht den Einstieg in die Geschichte leicht und man lernt Protagonistin Marie kennen und erfährt von ihrem tragischen Verlust ihres Verlobten vor über vier Jahren. Mit welchen Gefühle und Selbstzweifeln sie an dieser Trauererfahrung leidet, wird immer wieder deutlich gemacht. Auch wenn es ihr merkwürdig vorkommt, nach diesem Trauerfall das Glück in Form von Brautkleidern zu verkaufen, gibt ihr diese Aufgabe Halt und ihr mobiler Brautladen macht ihr auch viel Freude.


Bei diesem Roman konnte ich mit Marie leider nicht so richtig warm werden, mal konnte ich sie gut verstehen, weil sie sehr an ihrem großen Verlust leidet, aber ihr Verhalten hat mich öfter zu einem Kopfschütteln veranlasst. Irgendwie scheint sie mit ihren 34 Jahren noch nicht erwachsen genug zu sein, um solche Dinge wie die Eifersüchtelei mit Uli, die alten Streitigkeiten mit Jessica und das Getue um dem Umzug ihrer Mutter einfach mal auszuhalten. Dieses Aushalten ist das Credo ihrer Tante, doch bei Marie klappt das scheinbar nicht. Klar leidet Marie an ihrem Verlust, sie hat immer noch nicht mit dem Tod von Simon abgeschlossen und ergeht sich häufig in ihrem Selbstmitleid. Ich hatte Probleme, ihre Handlungen nachzuvollziehen, so wie beim absichtlich herbeigefügten Unfall. Wenn ihr Bruder als Geliebter herhalten will, dann ist das sein Problem, der gehörnte Ehemann ist nach dem Schaden am Autor eher doppeltes Opfer und damit schädigt Marie den Falschen.

Der Roman hatte mit den Landschaftsbeschreibungen viel Schönes, aber einige Entwicklungen sind mir einfach zu vorhersehbar und auch wenn die Charaktere gut und lebendig ausgearbeitet wurden, war meine Sympathie nicht bei Marie, sondern bei Hannes und ihrer Tante Agnetha. Diese beiden wirkten wie Menschen, die ich gerne kennenlernen würde, Marie konnte mich eher nicht überzeugen und da konnte auch der liebenswert flüssige Erzählstil der Autorin nicht drüber hinwegtäuschen.

Für alle, die die Schlei und die Umgebung kennen, ist dieses Setting wunderbar geeignet zum Genießen. Und für alle Brautmodenfans bietet sich eine Hülle an Modellen und Vorführungen, die sie entzücken lassen werden. Eine unterhaltsame Liebesgeschichte, die uns zeigt, dass man sich dem Leben stellen muss, auch wenn es schmerzt.

Bewertung vom 05.04.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


sehr gut

Levanto sehen und sterben
"Abschied auf Italienisch" ist der Auftaktband einer neuen Krimireihe von Andrea Bonetto, die im Droemer Verlag erscheint.

Vito Grassi ist Commissario in Rom und erbt von seinem verstorbenen Vater ein Haus im idyllisch gelegenen Städtchen Levanto in Ligurien. Da es um Vitos Privatleben nicht gut bestellt ist, nutzt er die Chance und lässt sich beruflich nach Levanto versetzen. Im Haus seines Vaters lebt Toni, die sich um den Olivenhain und den Garten des Hauses kümmert. Vito fühlt sich in dieser landschaftlich schönen Gegend sofort heimisch und hat keine Sehnsucht nach dem Großstadttrubel in Rom. Doch kaum hat er seinen Dienst begonnen, sorgt die erste Leiche für Aufregung und Vito und seine neue Kollegin Marta Ricci bearbeiten den Fall.


Der Krimi beginnt mit dem Ortswechsel Vitos, kaum ist er nach Levante gezogen, wird in einem Tunnel eine Tote gefunden. Angeblich wurde sie von einem Radfahrer angefahren. Doch die Ergebnisse der Obduktion beweisen, dass man von einem Gewaltverbrechen ausgehen muss, Vito und Marta werden auf den Fall angesetzt.

Andrea Bonetto zeigt in seinem Krimi auf bildhafte Weise die malerisch schöne Landschaft der Riviera di Levante und lässt auch die kulinarische Seite ab und zu aufblitzen, sodaß man sich stimmungsvoll nach Italien versetzt fühlt. Die Charakterdarstellung finde ich insgesamt gesehen, nicht ganz ausgearbeitet. Vito entpuppt sich als aufbrausender Römer, der schon länger kaum Kontakt zu seinem Vater hatte und gleich an seinem ersten Arbeitstag mit seiner neuen Kollegin aneinander rasselt. Beide profitieren allerdings von den Erfahrungen und Fähigkeiten des anderen und wachsen während ihrer Ermittlungen etwas mehr zusammen.

Während Vito mit seinem E-Roadster durch die Gegend kurvt und sich beruflich in den neuen Fall kniet, gibt es auch Einblicke in sein Privatleben. Seine Ehe hat sich auseinander gelebt, beide Kinder sind groß und längst aus dem Haus. Ob sich Vito in einer Midlifecrisis befindet oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Die Tochter studiert in Berlin, braucht scheinbar doch noch etwas Nähe zu den Eltern, denn sie ist in ständigem Kontakt mit ihnen. Aber Vito hat durch seinen Job wenig Zeit und lässt seiner Frau den Vortritt im Bemuttern. Man kann sich gut vorstellen, dass die Ehe unter der beruflichen Karriere und damit verbundenen wenigen Zeit für die Familie gelitten hat. Doch mit dem örtlichen Wechsel bieten sich für Vito neue Lebenschancen. Er gewöhnt sich sogar an seine Mitbewohnerin Toni, die in ihrer Vergangenheit auch einiges zu verbergen hat.

Der Krimifall ist verzwickt und kurz nach der Toten im Tunnel wird in einem Waldgebiet eine von Wildschweinen angefressene Leiche entdeckt. Hängen beide Fälle zusammen?

Die Ermittlungen beleuchten das private Umfeld beider Toten, die Motive sind nicht offensichtlich erkennbar. Ich hatte allerdings von Anfang an einen Verdacht, der sich dann auch als richtig herausstellte. Dennoch habe ich gern bis zum Ende mitgefiebert und finde die Auflösung absolut stimmig.

Ein unterhaltsamer, kurzweiliger Urlaubskrimi mit dem Flair Italiens und einem ruppigen Ermittler, auf dessen weitere Fälle ich mich schon jetzt freue!

Bewertung vom 03.04.2023
Lebendige Nacht
Kimmig, Sophia

Lebendige Nacht


sehr gut

Vom Leben in der Dunkelheit
Das Sachbuch "Lebendige Nacht" von Sophia Kimmig erscheint im Hanser Verlag.

Die Nacht verbirgt einiges Leben, das wir nur erahnen, nach Sonnenuntergang fängt bei vielen Wildtieren das Leben erst richtig an. In den Städten tummeln sich Wildschweine, Waschbären und Füchse auf der Suche nach Essbarem. In der Dunkelheit der Nacht fangen Eulen und Fledermäuse ihre Nahrung. Die Wildbiologin Sophia Kimmig bringt Licht in die Geheimnisse der Nacht und erklärt, auf welche Weise sich nachtaktive Tiere auf ein Leben in dieser Dunkelwelt angepasst haben.

In kleinen Episoden bringt die Wildbiologin Sophia Kimmig Licht in die Geheimnisse der Nacht. Sie erklärt mit Fachwissen die Erkenntnisse, die sie auf Versuche, Erlebnisse oder Beobachtungen bezieht.

Der Prolog startet etwas mystisch, die folgenden Kapitel sind dann doch weniger märchenhaft angehaucht und gefallen mir deshalb viel besser. Dort wird das Wissen über verschiedene Tiere profund erklärt und mit wissenschaftlichen Hintergründen näher beleuchtet.

Sophia Kimmigs Doktorarbeit dreht sich um Füchse und entsprechende Forschungsprojekte, in denen sie nachtaktive Tiere erlebt und erforscht hat. Diese Kenntnisse bringt sie im Buch ein und streift alle möglichen Themen, die zum Beispiel mit nächtlichem Sehen zusammenhängen, was sie sehr verständlich und fundiert erklärt.

Vorgestellt werden die typischen bekannten nachtaktiven Tiere, wie etwa die Nachtfalter, Eulen, Fledermäuse, Waschbären, Haselmäuse und Siebenschläfer. Doch auch etwas unbekanntere Tiere werden hier mit ihren Lebensgewohnheiten gezeigt, dazu gehören die Kakapos in Neuseeland, der Tüpfelkuskus und die Blattschwanzgeckos, von ihnen hätte ich mir ein paar Fotos gewünscht, um die Tiere genauer vor Augen zu haben. Es gibt einige Illustrationen, die wie Federzeichnungen wirken, Fotos wären noch ausdrucksvoller gewesen.

Bei diesem interessanten Buch wurde mir mal wieder sehr bewusst, wieviel Leben in der Nacht abläuft, was wir nur in geringem Maße wahrnehmen. Dazu müssen sich die Tiere der Nacht in ihren Fähigkeiten spezialisieren, um in ihren Sinnen den tagaktiven Tieren (und Menschen) überlegen zu sein. Man denke nur an die Fledermäuse oder die Nachtfalter, deren Flügel teilweise für Fledermäuse unsichtbar wirken.

Dieses Buch hält unglaublich viele Themen bereit, es geht um flatternde Vielfalt, Unterwasserwelten, Nachtlichter und die Macht des Mondes. Besonders lesenswert sind die eingebauten Fun Facts, die von "klebrigen" Füssen der Siebenschläfer berichten und viele weitere spezielle Fakten aus dem Reich der Tiere bereit halten.

Der Erzählstil ist fachbezogen, aber auch unterhaltsam zu lesen und inhaltlich bringt Sophia Kimmig die Zusammenhänge gut auf den Punkt, sodaß man dem Text gut folgen kann. Man merkt ihrem Buch ihre Begeisterung für die nächtlichen Lebewesen deutlich an, wird über Probleme und Folgen von Umweltverschmutzung aufgeklärt und ganz besonders liegt ihr die Lichtverschmutzung am Herzen.


In "Lebendige Nacht" erlebt man nicht nur faszinierende Tiere, sondern kann die Nacht regelrecht erleben. Meine Leseempfehlung für alle Naturfreunde!

Bewertung vom 31.03.2023
Super Easy Backen
Head, Eloise

Super Easy Backen


gut

Im Südwest Verlag erscheint Eloise Heads Backbuch "Super Easy Backen: Fitwaffles beste 3-Zutaten-Rezepte, beliebteste Kuchen und Desserts". Es ist die deutsche Ausgabe des Amazon #1 Bestsellers des Sozial-Media-Back-Stars.

Eloise Head zeigt ihre Rezepte auf ihrem Social-Media-Kanal vor. Die ehemalige Fitnesstrainerin stellt die Rezepte unter das Motto: Backen war noch nie so einfach!

Es werden einfache und leckere Rezepte mit so wenig Zutaten wie möglich versprochen! Einfaches Backen in einhundert ihrer beliebtesten Rezepte hat Eloise Head in diesem Buch zusammen getragen. Davon kommen fünfzig Rezepte mit nur 3 Zutaten aus, wie die beliebte Cookies-and-Cream-Torte und köstlicher Schokoladen-Karamell-Kuchen. Andere Lieblingsrezepte benötigen 4 und 5 Zutaten und weitere Leckereien ein paar mehr Zutaten mehr.

Einfaches Backen ist mit diesen unkomplizierten Rezepten möglich, keine Frage und jeder, der Süßes mag, wird hier ein geeignetes Rezept finden.
Man sollte aber wissen, hier fehlen Kalorienangaben gänzlich, das verwundert mich sehr, wo die Autorin doch eine gertenschlanke Fitnesstrainerin ist. Aber vielleicht backt sie ja lieber für andere.

Die Kuchenfotos sind professionell und zeigen, wie das Ergebnis aussehen könnte.
Reichhaltige Fudges, Scones, Cupcakes und Shortbread kennt man von Tea-Time, aber es gibt auch Tassenkuchen und Cookies, einige Desserts und zum Ende des Buches die Favoriten aus Elois Backstube. Ein umfangreiches Register schliesst das Buch hilfreich ab.

Dieses Backbuch hat mir leider nicht so gefallen wie erhofft. Es werden einige englische Produkte benötigt, die man im deutschen Supermarkt vielleicht nicht unbedingt bekommt.
Nachgebacken habe ich lediglich Nuss-Nougat-Kekse (mit Nutella) und die Apfelschnitten. Beide schmeckten mir, aber es werden keine Lieblingsrezepte.

Beim Durchblättern fällt auf, das bei vielen Rezepten als Zutaten Fertigkekse (Spekulatius, Oreos, Crackers) und sogar eine Kuchenmischung als Grundlage genutzt werden. Das mag ja eine schnelle Variante sein, aber für ein Backbuch ist es dann doch zu einfach. Große Vorkenntnisse braucht man nicht für die Rezepte, das sollte man wissen. Wer sich gern an kreative Kuchen wagt, findet hier eher eine Grundvariante, die dann immer wieder abgewandelt wird..

Enttäuschend fand ich die Tatsache, dass es hier beispielsweise für Milchshakes oder einfache Pancakes eine Anleitung gibt, die wirklich keine benötigt. Auch entsprechen die Rezepte nicht unbedingt meinem Geschmack, sondern eher dem englischen. Vieles ist mir einfach zu süß, zu schokoladig oder von der Konsistenz her zu saftig und zu mächtig. Doch das ist mein eigener Geschmack, ich kann mir vorstellen, dass die Rezepte zufriedene Anhänger finden werden.


Ein Backbuch mit einfachen Rezepten, aber kein generelles Backbuch im herkömmlichen Sinne! Eignet sich für Fans von englischen Backwaren, für mich ist leider kaum etwas dabei!

Bewertung vom 30.03.2023
Wunder der Natur
Forshall, Beatrice

Wunder der Natur


ausgezeichnet

Ein faktenreiches und aufrüttelndes Buch über das Artensterben
Im Prestel Verlag erscheint Beatrice Forshalls Sachbuch "Wunder der Natur - Eine Hommage an die letzten Tiere und Pflanzen ihrer Art". Mit 150 exquisiten Illustrationen bebildert sie die unterschiedlichen Arten.

Die britische Künstlerin Beatrice Forshall fertigt handkolorierten Kaltnadelradierungen, die Wildtiere und Pflanzen abbilden. Ihr zentrales Anliegen ist der Naturschutz.

"In den 18 Monaten, in denen ich für dieses Buch recherchierte, wurden 111 Arten für ausgestorben erklärt." Zitat Seite 13



In diesem Buch erklärt Beatrice Forshall bezugnehmend auf die lebensnotwendigen Grundlagen Luft, Wasser und Boden, kapitelweise die jeweils gefährdeten Arten. Ein Kapitel beschreibt die Wildtierarten, die durch den menschlichen Handel gefährdet sind. So wie Wildbienen, das Java-Nashorn, Graupapagei, Andenkondor, Asiatischer Elefant, Kakapo, Sibirischer Tiger und andere Arten.

"Ein Paranussbaum kann 500 Jahre alt werden. Ihn zu fällen, dauert kaum länger als eine halbe Stunde." Zitat Seite 58

Im Kapitel Luft werden gefährdete Arten vorgestellt, die Sauerstoff erzeugen, Co2 absorbieren oder direkt vom Klimawandel beeinflusst werden. Plankton, Riesenmammutbaum, Pazifisches Walross, Koala, Paranussbaum, Moos, Karibu, um nur ein paar zu nennen.

Bei den gefährdeten Arten im Kapitel Wasser geht es um Korallen, Europäischen Aal, Seeotter, Karibik-Manati, Wildlachs, Flusspermuschel, Orca, Gangesgavial, und andere.

Arten, die aus dem Boden wachsen oder durch unsere Landnutzung gefährdet werden:

Schachblume, Wisent, Turteltaube, Pardelluchs, Mexikanische Blütenfledermaus, Numbat, Dungkäfer, Hawaii-Palme, Schwarzweißer Vari.
Die wissensreichen und interessanten Texte zu den jeweiligen Tieren und Pflanzen enthalten Angaben zu Fähigkeiten, Lebensraum, -gewohnheiten, zur Fortpflanzung, zu Nahrungsquellen und immer wieder die Gründe, weshalb sie gefährdet sind. Es werden wichtige Fakten und spezielle Informationen aufgeführt, die weit über die Allgemeinbildung hinausgehen und uns die schwierige Situation der verschiedenen Spezies klarmachen. Dazu gibt es treffende schwarz-weiß Ansichten, die die Arten in ihrer Bewegung oder als Silhouette zeigen.

Beatrice Forshall hat sich mit den Tieren und ihren Lebensgewohnheiten näher befasst und stellt sie uns mit viel Fachwissen vor. Wusstet ihr, dass Orcas, Belugas, Narwale und Kurzflossen-Grindwale die einzigen Tiere sind, die wie Menschen Wechseljahre haben? Oder aus den ins Wasser gelangten Düngemitteln in Florida eine Algenblüte entsteht, in deren Folge das Seegras abstirbt und Schadstoffe freigibt, die die Manatis vergiften?
Bei vielen Beispielen konnte ich nur betroffen lesen und merke, wir müssen viel mehr tun, um die Natur zu schützen.


Als Quintessenz führt die Autorin hilfreiche Möglichkeiten auf, wie wir bewusster leben und auch durch kleine Veränderungen etwas Gutes für eine bessere Welt bewirken können.

- Vegetarische Ernährung

- Weniger Verschwendung von Lebensmitteln

- Weniger Besitz und Überfluss (Bsp. Kleidung)

- Weniger Flugverkehr

- Weniger Abholzung der Regenwälder

Es sind die vielen, besonderen, oft wenig bekannten Arten, die doch die Welt so einzigartig vielseitig und wunderschön machen. Wir müssen uns für den Erhalt dieser Arten einsetzen, um diese wertvolle Natur zu erhalten. Dieses faktenreiche und aufrüttelnde Buch macht durch die Auflistung der zahlreichen aussterbenden Arten deutlich, dass wir alle handeln müssen.