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Benutzername: 
sabisteb
Wohnort: 
Freiburg

Bewertungen

Insgesamt 1375 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2011
Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter
Maier, Anja

Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter


sehr gut

Im Prenzlauer Berg - in den Großstädten dieses Landes, hat sich eine neue soziale Schicht gebildet: Nennen wir sie die Macchiato- oder Edel-Eltern. Diese Eltern leiden unter einem großen Missverständnis: Das Kind ist ihr Lebensinhalt. Es ist ihr alles in einem: Glück, Sinn, Statussymbol, Jungbrunnen.
Ein Kind ist heutzutage ein gesellschaftlich akzeptierter Grund, eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Es macht in unserer demographisch gebeutelten Gesellschaft zugleich aus seiner Mutter und seinem Vater sozial höher stehende Edelwesen, die sich ihres privilegierten Status verdammt sicher sein können. Stellen Eltern durch die bloße Existenz ihrer Kinder eine Art soziales Biotop dar, das man am besten als Weltkulturerbe anerkennen sollte? Zumindest scheinen das diese Edeleltern zu glauben. Sie denken, sie hätten mit der Geburt ihres einzigen Jetzt-wird's-aber Zeit Kindes auf der Skala der Menschengemeinschaft eine Art Schutzstatus erreicht.
In Deutschland ist das Politische ins Private schwappt. Eine Gesellschaft, der die Sinnhaftigkeit von Arbeit verloren gegangen ist, die keine planbaren Biografien mehr kennt und als Ersatz für berufliche Entwicklung sich selbst aufgebende, steuerfinanzierte Elternschaft anbietet, ist tief verunsichert.

So die Thesen, welche die Autorin aufstellt. Das klingt provokant, das klingt streitbar. Letztendlich kann das Buch dieses Versprechen aber nicht einlösen. Die Autorin zog für einige Monate aus ihrer Brandenburger Kaff wieder zurück in ihr altes Viertel, den Prenzlauer Berg in Berlin und vergleicht diesen heute mit vor 20 Jahren, als sie dort mit ihren Kindern lebte. Wie war es damals in der DDR und wie leben Eltern und besonders Mütter heute. Letztendlich jedoch vergleicht sie Ost- und Westmentalität.
Im Westen herrscht noch immer der Mutterkult wie man ihn aus den 1940er Jahren kennt mit Sprüchen wie "Wozu habe ich denn ein Kind, wenn ich es von fremden Leuten betreuen lasse?". Kinder, Küche, Kirche und wehe man will doch arbeiten, dann hat man Pech gehabt, denn das Betreuungsangebot ist fast nichtexistent, und wozu auch, denn wer will sein Kind in der Südwestlichen Provinz schon nach 6 Monaten abgeben, wenn man doch ein Jahr und länger daheim bleiben könnte. Eine Einstellung, die gut ausgebildete Frauen mit interessantem Beruf auf dem Budellkastenrand verbannt und die von windigen Werbestrategen mittels Muttercard zu einem Muttertier ohne Nachnamen degradiert werden, das sich über ihre Fähigkeit zu gebären definiert: voremanzipatorisch wäre noch milde ausgedrückt, denn damals wurden die Frauen noch als "Gattin von XYZ" und nicht als "Mutter von XYZ" angesehen.
Immer wieder jedoch ertappt sich die Autorin dabei, wie sie das ja eigentlich ganz kuschlig findet und fragt sich, ob sie vielleicht einfach nur eifersüchtig ist.
Letztendlich beschreibt sie aber nur ihre Zeit im Prenzlauer Berg und was ihr durch den Kopf ging. Sie interviewt ein paar Eltern, berichtet, wie ihr die vielen Kind teils gehörig auf die Nerven gehen und teils, wie sie diese Edeleltern doch ein wenig beneidet. Sie kann sich nicht entscheiden, sie bezieht keine klare Position und hinterfragt und kritisiert wird dieser für gutausgebildete Frauen katastrophale Trend zum Edelwesen auf dem Abstellgleis eher mal zufällig am Rande.

Fazit: Gute Ansätze, aber für meinen Geschmack zu neutral. Eher was für Bewohner des Prenzlauer Bergs oder Leser, die schon mal dort waren. Leserinnen wie ich, die aus der Süddeutschen Provinz kommen, kennen es nicht anders, hier war es schon immer so bieder, darüber regt sich schon keiner mehr auf, weil man es nie anders kannte.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2011
Zum Teufel mit Vampiren / Betsy Taylor Bd.9
Davidson, Mary Janice

Zum Teufel mit Vampiren / Betsy Taylor Bd.9


gut

Es ist Ende September. 3 Jahre ist Betsy nun schon Königin der Vampire. Sie ist gerade zurück von ihrem Meeting mit den Wyndham Werwölfen und gefrustet. Ihr Leben ist einfach nur deprimierend. Jessica ist wegen ihr wieder Single und schrecklich unglücklich. Mark borgt sich ihren kleinen Bruder aus, um einen Typen an Land zu ziehen. Antonia und Garret sind wegen ihr tot. Sinclair ist wegen irgendwas sauer auf sie und redet nicht mehr mit ihr, und dann ist auch noch Thanksgiving. Sie hasst Thanksgiving und fühlt sich an diesen Familienfeiertagen als Frau unterdrückt (warum auch immer).
In dieser Stimmung erscheint es Betsy letztendlich sogar als gute Idee, sich mit ihrer Halbschwester Laura (der wortwörtlichen Tochter des Teufels) auszusöhnen, und einen Ausflug in die Hölle zu unternehmen, um deren Mutter zu besuchen.

Zunächst dachte ich, OK, ein Buch für einen Nachmittag, wie die anderen Bände auch. Schnell mal zwischendurch lesen, mehr nicht, was Nettes für ein paar Stündchen. Hier die erste Überraschung: kleine Schrift und trotzdem über 300 Seiten. WOW, die Autorin hatte also endlich mal wieder was zu schreiben, Inspirationen, Ideen oder einfach nur mal mehr Lust, wer weiß. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie nun eine Sekretärin hat (darauf geht sie im Vorwort der englischen Ausgabe sehr ausführlich ein, das in der deutschen Ausgabe fehlt).
Die nächste Überraschung: Zeitreisen! Die scheinen wohl gerade richtig modern zu sein, sowohl im Fernsehen als auch in der Literatur, jeder springt fröhlich durch die Zeit und nun ist auch Betsy dran mit Zeitreisen.
Der Eindruck, den die ersten 4/5 des Buches hinterlassen: hmmmmmmm.
Erst einmal die übliche, ausführliche Zusammenfassung der ersten Bücher, hier nichts Neues.
Dann ergeht sich Betsy mehrere Kapitel in Selbstbetrachtungen und tut sich leid, auch nichts wirklich Neues.
Mit dem Trip in die Hölle beginnt langsam die eigentliche Geschichte, sie und Laura machen diverse Zeitsprünge. Auch diese, mäßig interessant und teilweise muten diese fast wie separate Kurzgeschichten an, ohne Zusammenhang, Episoden aus Betsys und Sinclairs Vergangenheit werden in großen Abständen aneinandergereiht und teils wird eingegriffen, teils einfach nur beobachtet.
Was das Ruder noch einmal herumreißt ist der letzte Zeitsprung. Der gibt der ganzen Serie eine vollkommen neue, unerwartete, überraschende und teilweise wohl von den Fans (zumindest in USA) überhaupt nicht gut aufgenommene neue Richtung. Ich finde diesen neuen Aspekt, diese neue Richtung sehr gut und spannend und prinzipiell derzeitig noch soweit konsistent.
Gut fand ich auch, dass es fast keinen nervigen Sinclair gibt und uns die Autorin diesmal auch ausführliche Beschreibungen des Beischlafes von Betsy und Sinclair erspart. Jedes Buch ohne Sinclair ist für mich fast schon ein gutes Betsy Buch.

Fazit:
Die ersten 61 Kapitel: nichts neues, teils schleppen sie sich doch ein wenig. Nicht schlecht, aber auch nicht die Betsy wie wir sie in den ersten Bänden kennen und lieben lernten (bis auf den ersten Zeitsprung, der ist richtig, richtig klasse). Hier ***
Ab Kapitel 62 eine Wendung, die zumindest für mich das Buch aufgewertet hat, besonders das letzte Kapitel, ein Knaller. Die Serie nimmt eine vollkommen neue Richtung, so wie es bereits im Band zuvor von der Autorin angekündigt wurde und in den amerikanischen Auflagen auch mit einer neuen Titelbildgestaltung ersichtlich gemacht wurde.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2011
Die Furcht des Weisen / Die Königsmörder-Chronik, Zweiter Tag Bd. 1
Rothfuss, Patrick

Die Furcht des Weisen / Die Königsmörder-Chronik, Zweiter Tag Bd. 1


ausgezeichnet

Drei Dinge fürchtet ein Weiser Mann: Das Meer bei Sturm, die mondlose Nacht und die Wut eines Gentleman.

Kvothes Zwist mit Ambrose nimmt derartige Auswüchse an, die beide Kontrahenten dazu zwingen, die Uni vorerst zu verlassen, damit Gras über die Angelegenheit wachsen kann. Kvothe reist ans Ende der bekannten Gebiete und tritt dazu in den Dienst des Mear.

Hier nun die lange erwartete Fortsetzung von Der Name des Windes. Die Deutsche Ausgabe wurde jedoch aus mir unerfindlichen Gründen in zwei Bände geteilt, von denen Band 1 Die Kapitel 1 - 92 der englischen Ausgabe umfasst, also etwa 2/3 des zweiten Bandes bis S. 617. Immerhin wurde das Buch nicht, wie in den 80er und 90er Jahren üblich in drei Bände aufgeteilt. Aber warum 2/3, also 617 von 994 Seiten. Das bietet sich weder inhaltlich noch von der Anzahl der Seiten wirklich an. Hier wurde der Schnitt mitten in einer Episode vorgenommen. Warum nicht bevor er auf Diebesjagt ging? Warum mitten drinnen?

Wie im ersten Band auch, wird die Fortsetzung auf zwei Ebenen erzählt. Da wäre zum einen der ältere Kvothe, der unter dem Namen Kote eine Gaststätte betreibt und seine Lebensgeschichte dem Chronisten diktiert. In diesem Handlungsstrang wird immer mehr ein großer Konflikt angedeutet, an welchem der junge Kvothe wohl einige Schuld mit trägt, doch noch bleibt dieser große Krieg im Schatten. Zum anderen ist da die, von ihm erzählte Lebensgeschichte, des erst siebzehnjährigen Kvothe.

Der zweite Band beginnt, wie der erste endete. Kvothe studiert an der Universität und kämpft mit seinen nicht vorhandenen finanziellen Mitteln. Es gibt abgedrehte Kurse bei Elodin und natürlich das Problem mit Ambrose, das sich immer weiter auswächst, so dass Kvothe dazu gezwungen wird den Wind jagen zu gehen, und so letztendlich mehr lernt, als er an der Universität je lernen könnte. In diesem Band beginnt die Legendenbildung, teils von Kvorthe selbst initiiert, teils tatsächlich verdient.

Diese 2/3 des zweiten Bandes erzählen einige Monate aus Kvothes Leben. Einerseits passiert nicht viel, andererseits doch. Es ist schwer zu beschreiben. Patrick Rotfuss Art zu schreiben ist poetisch und fesselnd. Man versinkt in der Geschichte, da die Handlungen in großer Detailtreue beschrieben werden und dazwischen poetische Erzählungen eingewoben werden, deren wahre Bedeutung einem erst mit Fortschreiten der Geschichte immer mehr bewusst wird, denn jede Geschichte hat mehr als eine Wahrheit. Teils sind ganze Abschnitte in Versen oder mit Versmaß geschrieben, so dass ich den Übersetzer wahrlich nicht beneide, der das ins Deutsche übersetzen muss(te). Der Autor erschafft neue, fremde Kulturen und deren komplizierte (Hof-)Rituale, die faszinierend neu und auch innovativ sind, wie das komplizierte System des Ringtauschs am Hof des Maer mit seinen eisernen, silbernen und goldenen Ringen.
Daneben ist der Autor ein Meister des feinen, hintergründigen Humors und einige der Aktionen, die Kvothe ausheckt, erinnern schwer an Die Lügen des Locke Lamora.

Fazit: Intelligente und poetische High Fantasy vom feinsten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2011
Herdhelden
Wiener, Sarah

Herdhelden


ausgezeichnet

Bereits zum fünften Mal reiste Sarah Wiener im September 2011 in zehn Folgen für den Sender ARTE auf kulinarischer Abenteuerreise durch Europa. Diesmal führten sie ihre kulinarischen Abenteuer in ihre österreichische Heimat.
Dabei legt Sarah Wiener auf einige Dinge besonderen Wert: regionale Küche, regionale Lebensmittel und vor allem Nachhaltigkeit. Aus Nachhaltigkeitsgründen ist dieses Kochbuch auf ausdrücklichen Wund der Autorin auf Recyclingpapier gedruckt und nicht eingeschweißt. Es ist Sarah Wiener nicht wichtig zu zeigen, wie gut sie kochen kann, sie will, dass die Menschen mit ihr kochen und alte Rezepte zu bewahren, damit sie nicht verloren gehen. Auf ihrer Entdeckungsreise durch Österreich sammelte Sarah Wiener daher Rezepte, die einfach und gut, dabei jedoch raffiniert und unkompliziert sind. Speisen wie man sie in Dorfgasthäusern, Almhütten und auf Bauernhöfen serviert bekommt aber auch auf der Wiener Hofburg. Sie vereint in diesem Kochbuch Rezepte, die alltagstauglich und rustikal sind, Hausmannkost mit ein wenig pepp wie Krautstrudel, mit eher feiertagstauglichen, unüblichen Rezepten wie Fasan mit Petersilienknödeln. Bei jedem Rezept ist angegeben wie viel Zeit die Zubereitung benötigt, da ist von 30 min bis 2,5 Stunden alles dabei.
Das Buch umfasst die Themenbereiche
1. Deftige Speisen aus Österreichischen Gasthäusern
2. Soezialitäten aus der wilden Natur
3. Bauernhofküche mit Gartengemüse
4. Wiener Klassiker
5. Wiener Zuckerbäckertradition
6. Ein Österreichisch - Deutsches Glossar
7. Ausführliches Register

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.11.2011
David und Juna / Das verbotene Eden Bd.1
Thiemeyer, Thomas

David und Juna / Das verbotene Eden Bd.1


gut

Köln im Jahre 2080. Vor 65 Jahren brach, verursacht durch ein gentechnisch hergestelltes Virus, ein Krieg zwischen den Geschlechtern aus, der einen Großteil der Bevölkerung dahinraffte. Die Welt wurde in zwei Lager gespalten: das der Männer und das der Frauen.
Das labile Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern wird durch einen Pakt garantiert. Alle paar Wochen dürfen die Männer sich aus einem jeweils anderen Dorf einen Zehnten als Tribut holen. Immer nur so viel, wie sie für das Überleben brauchen, keine Vergewaltigungen, keine Plünderungen, keine Brandschatzungen. Dann jedoch beginnen die Männer, unter Führung des Frauenhassenden Inquisitors diese Regeln zu brechen.

Prinzipiell eine gute Idee, eine Gesellschaft, in welcher Männer und Frauen getrennt leben. Was es jedoch problematisch macht, ist der Hass zwischen den Geschlechtern, der zwangsweise zur Auslöschung der Art führen muss. Und das ist das Hauptproblem der Geschichte, denn durch diese Zwickmühle ist der Autor permanent in Erklärungs- und Rechfertigungsnöte. Er muss rechtfertigen, warum und wie Kinder doch noch gezeugt werden. Warum die männlichen Kinder nicht getötet werden. Das wirkt bemüht und stark konstruiert, so wie die ganze Geschichte. Das hat Marion Zimmer Bradley in ihrem „Matriarchat von Isis“ deutlich besser und eleganter gelöst.
Der Plot ist nicht schlecht, aber eben auch nicht gut, er ist solide Konstruiert und das leider mit wenigen, vorhersehbaren Variablen über welche dann noch grob der Romeo und Julia Plot gestülpt wird, auf dem immer wieder rumgetreten wird. Jaaaaa, Versöhnung zweier verfeindeter Parteien am Grabe zweier Liebender. Damit ist fast schon klar wie diese Reihe (wohl eine Trilogie) weiter und ausgehen wird, fragt sich nur ob der Autor den Mut haben wird Juna und David wie Romeo und Julia zu töten oder doch am Leben lässt.

Zusätzlich ist das Buch ein Abgesang auf das gedruckte Buch. In ganzen Abschnitten lässt sich der Autor darüber aus, wie nur Bücher auf Papier überlebt haben, alle elektronischen Datenträger sind unlesbar geworden mit den Jahren (S. 95). Er schildert eingehend, wie ein Buch in Handarbeit hergestellt und gebunden wird. Ein Hochgesang auf das Lesen und die Kunst des Lesens und das Buch aus Papier.
Was ein sozialkritischer Fantasyroman hätte werden können, der den tatsächlich herrschenden Geschlechterkrieg überspitzt darstellt, der die Vorgehensweise von Pharmakonzernen hinterfragt, wurde zu einer seichten, vorhersehbaren Endzeit Romeo und Julia Geschichte. Diese Romanze ist wie ihr Vorbild bisher natürlich noch züchtig und keusch, wie es sich das für den derzeitigen Trend nach Stefenie Meyer gehört, da wird geküsst und Händchen gehalten. Dazu noch ein bisschen Dornenvögel, denn David ist Mönch.

Sprachlich ist das Buch durchschnittlich, weist aber einige verunglückte Vergleiche auf wie „Die Stimme flog wie ein Vogel über die versammelte Gemeinde (S. 25)“ oder „Seine geflochtenen Ledersandalen hinterließen quietschende Geräusche auf dem blanken Boden. (S. 176)“
Auch ein Flüchtigkeitsfehler ist mir aufgefallen: David verliert bei der Entführung einen seiner Schuhe aber S. 331 sind beide verschlissen.

Fazit: Nette, durchschnittliche, vorhersehbare, seichte, keusche Endzeitteenagerromanze.

0 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.11.2011
Arkadien fällt / Arkadien Trilogie Bd.3
Meyer, Kai

Arkadien fällt / Arkadien Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Rosa hat den Drogenhandel ihrer Leute gestoppt, sie hat die Geschäfte mit den afrikanischen Flüchtlingen auf Lampedusa auffliegen lassen und zumindest versucht den Waffenhandel einzuschränken. Aus ihrer Sicht, legitime Entscheidungen des Clanoberhaupts. Für ihre Familie jedoch Verrat.
Alessandro geht es nicht besser. Nachdem er den lukrativsten Zweig seiner Familiengeschäfte abgestoßen hat, die Leichenbeiseitigung, hat auch er massive Probleme mit seiner Gefolgschaft bzw. deren Treue zu ihm. Sie sind mittlerweile der der Meinung, dass der Feind des Feindes ein Freund ist. So kommt es zu einem neuen Konkordat zwischen Lamien und Panthera, denn in einem sind sich die Dynastien einig: Rosa und Alessandro müssen verschwinden und der Status Quo wiederhergestellt werden.
Gejagt von der Polizei wegen eines Mordes den sie nicht begangen haben, gejagt von den Dynastien und dem hungrigen Mann, gibt keinen Ort mehr, an dem sich Rosa und Alessandro verstecken können. Schon bald weiß Rosa, warum sich Florinda vor Vögeln fürchtete und die Nester verbrennen ließ.

Kai Meyer gehört zu den wenigen Autoren, die es noch schaffen einen Vielleser wie mich mit logisch nachvollziehbaren Plotwendungen zu überraschen. Teils gelingt ihm durch Verschweigen von Fakten, die die Protagonisten einfach nicht kennen und die somit auch dem Leser unbekannt sind, teils indem er mit Erwartungen spielt. Allesandro und Rosa erforschen dabei die Geschichte der Dynastien und ihre eigene Vergangenheit, während sie sich auf der Flucht befinden.
Ja, es gibt ein wenig große Liebe, Zweisamkeit und Andeutungen von Beischlaf, aber zum Glück alles unaufdringlich und dezent. Hier geht es nicht um eine nervige Teenieliebesschmonzette, die ist nur Beiwerk um weibliche Leser zu ködern, sondern um eine Actiongeladene Fantasygeschichte.
Dennoch wimmelt es in diesem Buch von einigen Klischees, die die Geschichte teils schon ein wenig unglaubwürdig machen. Die Auffindung des verrückten Wissenschaftlers, der natürlich ein enttäuschter Nobelpreisanwerter sein muss. Jeder Wissenschaftler träumt natürlich in seiner Studentenzeit mal davon den Nobelpreis zu erhalten, sobald man jedoch beim Postdoc angekommen ist, hat sich das erledigt und wird durch Realismus und die Angst um das nächste Gehalt abgelöst.
Des Weiteren wird die Art biologisch wie folgt definiert: Arten sind Gruppen von Populationen, deren Individuen von anderen durch genetische Kreuzungsbarrieren isoliert sind. Verschiedene Arten können somit nicht miteinander gekreuzt werden. OK, darüber kann man hinwegsehen, es ist ja ein Fantasybuch und Gestaltwandler gibt es ja auch nicht.
Aber es stimmt definitiv nicht, dass Wissenschaftler immer und nur weiße Kittel tragen, das ist ein Gerücht. Meist tragen sie die Kittel nur weil sie die eigenen Klamotten, weil das Labor wieder einmal nicht geheizt ist, weil die Uni Heizkosten sparen will, dann aber tragen auch die Sekretärinnen Kittel (ich spreche da aus leidvoller Erfahrung). Nicht umsonst gehen vor einer Sicherheitsbegehung E-Mails herum, in denen man daran erinnert wird, einen Kittel am Tag der Begehung zu tragen. Weiße Overalls (S. 348) werden schon mal gar nicht getragen, das tragen nur Malermeister, aber keine Wissenschaftler.
Ich persönlich bin ja der Meinung, die Löcher in der Menge entstehen durch Hydranten und Blumentöpfe, um die die Menge herumgeht, die aber auf den Fotos nicht zu sehen sind.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.10.2011
Eine dunkle & grimmige Geschichte
Gidwitz, Adam

Eine dunkle & grimmige Geschichte


ausgezeichnet

Die wahre Geschichte von Hänsel und Gretel. Blutig, grausam, und nicht kindgerecht, wenn es nach den Erwachsenen geht. Aber die haben doch keine Ahnung! Es war einmal eine Zeit, in der waren Märchen richtig toll. Dann kamen die Erwachsenen und waren der Meinung "daß nicht alle Märchen passend für das Kindesalter wären und nicht jedes hat sittlichen Wert hätte" und finden an die Märchen auszuwählen, die ihrer Meinung nach für Kinder geeignet wären. "Für das Kindesalter Ungeeignete wurden beiseitegelassen und vor allem das aufgenommen, was zum kindlichen Gemüt spricht. Märchen, die den lieben Gott auf der Erde im Verkehr mit den Menschen schildern und ihrer ehrerbietigen und sinnigen Weise das religiöse Empfinden der Kinder nur fördern können." (Agnes Sapper - Grimms Märchen). Um 1900 und den Jahrzehnten darauf und noch heute, findet man die Grimm'schen Märchen für Kinder meist nur in verstümmelter, entschärfter, als kindgerecht eingestufter Form.
Jetzt nun, endlich über 100 Jahre später, nachdem das Entschärfen um sich gegriffen hatte, hat ein Grundschullehrer erkannt, was Kinder wirklich wollen: Blut! Literweise, Eimerweise ja, je grässlicher und gruseliger, desto besser. Adam Gidwitz ist Grundschullehrer und er kann sich genau wie ich noch daran erinnern, was ein Märchen toll macht: Die gruseligen Stellen, genau diese, die die Erwachsenen als "nicht Kindgerecht" einfach weglassen. Kinder sind härter im Nehmen als ihr Erwachsenen glaubt.
Da es die Grimm'schen Märchen jedoch bereits gibt und man sie einfach nicht besser machen kann, hat Gidwitz beschlossen, Hänsel und Gretels wahre Geschichte zu erzählen, die sich durch viele Märchen der Gebrüder Grimm zieht, diese Abenteuer aber anderen Figuren zuschreibt und nicht den wahren Helden, diesen beiden Kindern. Gidwitz erzählt, basierend auf Motiven Grimm'scher Märchen, die eher zu den unbekannteren ihrer Art gehören, die Geschichte zweier Kinder, die ein Ziel verfolgen und scheitern, aber am Ende doch einen Weg finden. Eine Geschichte von zwei Kindern, die versuchen, die Welt zu verstehen. Da werden Hänsel und Gretel beinahe von einer kannibalischen Bäckersfrau fast gegessen, der kinderfressende Mond will sie verschlingen, Gretel schneidet sich ihren Finger ab, Hänsel wird zu einem wilden Tier und geht in die Hölle und doch geben die Beiden nie auf, auch wenn man ihnen nichts zutraut, weil sie nur Kinder sind.

So wie der Trend dazu ging die Märchen zu entschärfen, so nahm man im letzten Jahrhundert den Kindern immer mehr die Eigenverantwortung weg. Dieses Buch ist ein Aufruf Kinder ernst zu nehmen, ihnen Verantwortung zu geben, ihnen Aufgaben zu geben, und endlich aufzuhören sie in Watte zu packen, und in den Schrank zu stellen, um sie vor der bösen, bösen Welt abzuschirmen. Als Kind liebte ich Horrorfilme, je mehr Blut, desto besser, meine Eltern haben mir die unzensierten Märchen zu lesen gegeben, und ich bin auch erwachsen geworden. Ein Film war besser, je mehr Blut floss, so liebte ich es als Kind. Kinder sind direkt, und grausam, das ist ihre Welt, die Welt der Märchen der Brüder Grimm.

Ein wenig störte mich an diesem Buch, dass der Erzähler immer wieder witzig ironisch eingreift. Teilweise ist das sehr gelungen und sehr passend, aber der Scherz mit Ende... doch nicht... Ende... doch nicht... nervt irgendwann und wird bald schal. Auch hat der Übersetzer mal wieder "macht Sinn" statt "ergibt Sinn" übersetzt, was mich jedes Mal wieder ärgert, wenn es mir unter kommt.

Fazit: Gelungene, blutige, grausame und kindgerechte Erzählung nach Motiven der Grimm'schen Märchen.