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solveig

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Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 25.11.2014
Totentanz im Münsterland
Schulze Gronover, Sabine

Totentanz im Münsterland


sehr gut

"Der Zweck heiligt die Mittel" ...


… ein Spruch, der den Kern in diesem Regionalkrimi wahrlich trifft.
In Münster gibt es einige Ehemänner, die sich plötzlich von ihren Familien getrennt haben und nun ein abgeschiedenes Leben im Kloster führen.
Zwei der verlassenen Ehefrauen, Rafaela und Birgit, wollen nun endlich handfeste Erklärungen von ihren Ehegatten zu ihrer Entscheidung, Mönche zu werden, erhalten. Bei ihren Nachforschungen stolpern sie allerdings über eine Leiche, die wiederum Kommissar Delbrock auf sie und ihre frommen Männer aufmerksam macht.

Temporeich und humorvoll führt Sabine Schulze Gronover durch die verzwickte Handlung. Sowohl in Münster als auch im Kloster Gerleve wird fleißig ermittelt, sogar Rom wird Teil der Suche nach Wahrheit. Je mehr Delbrock sich dem tatsächlichen Motiv der ehemaligen Ehemänner, sich der Kirche zuzuwenden, nähert, desto gefährlicher wird es. Was haben sie zu verbergen? Was machen die Vertreter von Opus Dei ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt am diesem Ort? Es gibt so einige Geheimnisse unter dem Deckmantel der Kirche aufzuspüren und zu lüften. Überraschende Wendungen, in denen liebenswürdige und natürlich auch weniger sympathische Charaktere eine Rolle spielen, sorgen für Spannung.
Immer mehr Puzzleteilchen fügen sich zusammen, bis am Schluss ein deutlicheres Bild entsteht - und Rafaela in Gefahr gerät.
In einer angenehm klaren, flüssig lesbaren Sprache lässt die Autorin den Leser an den Ermittlungen Rafaelas und des genussliebenden Delbrock teilnehmen. Ob es ihnen gelingt, die Zusammenhänge zu klären? Welche Rolle spielt die Kirche - und heiligt der Zweck wirklich alle Mittel?

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.11.2014
Kopf hoch, sprach der Henker
Werner, Michael-André

Kopf hoch, sprach der Henker


sehr gut

Überlebens-Künstler


Titel und Buchcover versprechen dem Leser ein sarkastisches, schwarz-humoriges Lesevergnügen. Und der Autor hält dieses Versprechen.
Gleich das erste Kapitel facht die Neugier des Lesers an: Was für eine Art Kunst betreibt der Protagonist, der sich in eine Gruppe von Kunststipendiaten eingeschlichen hat? Wer ist Olof und warum ist er tot? Wo ist Jill? Und warum bricht der von einer Künstlergruppe erwartete Seamus in Verzweiflung aus?
Nicht alles klärt sich in dem Roman. Jeder einzelne der fünfundzwanzig Tage Aufenthalt, den die Stipendiaten im abgelegenen „Newgarden Mansion“ in Irland verbringen, wird aus der Sicht des Ich-Erzählers Karsten dokumentiert. Völlig chaotisch, da der Organisator Seamus nicht fähig zu sein scheint, gestaltet sich das Zusammenleben der Gruppe von Tag zu Tag schwieriger. Die fünfundzwanzig jungen Leute aus fünf unterschiedlichen Ländern bilden keine homogene Gruppe; auch die Schwierigkeiten, mit denen sie tagtäglich zu kämpfen haben, schaffen keinen echten Zusammenhalt. Die einzelnen Teilnehmer bleiben zumeist bei ihren Landsleuten, kapseln sich ab und jeder kocht (im wahrsten Sinne des Wortes) sein eigenes Süppchen.
In lockerem, saloppem Ton schildert der Autor, wie sich der Tagesablauf für die Künstler gestaltet. Heiter-ironisch bis zynisch wird von diversen Ereignissen berichtet, die immer skurriler werden, schließlich macht Karsten gar noch die Bekanntschaft eines Geistes.
Vor allem in die Person Karstens und sein (Vor-)Leben erhält der Leser nach und nach tieferen Einblick. Seine (nicht immer sympathischen) Eigenschaften und seine Aktionen hinterlassen beim Leser zwiespältige Gefühle. Dennoch ist es erfrischend mitzuerleben, wie er die Zeit in Irland überlebt.

Bewertung vom 21.11.2014
Die Lichtung / Jan Römer Bd.1
Geschke, Linus

Die Lichtung / Jan Römer Bd.1


sehr gut

Verdrängt, aber nicht vergessen


„Für jeden gibt es irgend etwas Wichtiges, das verdammt lang her ist“ (Wolfgang Niedecken).
Für Jan Römer, der für den Kölner „Reporter“ schreibt, fördert der Inhalt einer ganz gewöhnlichen braunen Mappe nicht nur angenehme Erinnerungen an seine Teenagerzeit zutage. Die Mappe enthält nämlich Akten aus dem Jahr 1986, über den unaufgeklärten Mordfall an zwei Jugendlichen im Bergischen Land. Jan soll die Berichte nun zu einer „schönen menschlichen Geschichte“ verarbeiten. Da er jedoch die Mordopfer kannte und einst selbst zu deren Clique gehörte, geht er zunächst nur widerstrebend an die Arbeit.
Während er den Fall aus der Vergangenheit mit Hilfe seiner ehemaligen Kollegin Mütze recherchiert, gewinnen das verdrängte, halb vergessene Verbrechen und seine Auswirkungen wieder an Bedeutung in Jans Leben. Er nimmt mit alten Freunden Kontakt auf, sucht weitere Verbindungen und gerät dabei selbst in Gefahr.

In einem angenehm klaren, flüssig lesbaren Stil führt Linus Geschke den Leser an authentische Schauplätze in Köln und im Bergischen Land. Er lässt ihn teilhaben an Jans Überlegungen und Problemen und abtauchen in seine Jugenderinnerungen an das Köln der 80er Jahre. Der Roman lebt vor allem durch seine Figuren; Sie sind glaubhafte Charaktere, Menschen mit Stärken und Schwächen, mit denen sich der Leser identifizieren kann.
Spannend beschreibt der Autor Jans Suche nach der Wahrheit in diesem Mordfall und er versteht es, die Spannung bis zum Ende zu halten.
Eine klare Leseempfehlung für diesen Newcomer!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.11.2014
Schwarzbuch Markenfirmen
Werner-Lobo, Klaus;Weiß, Hans

Schwarzbuch Markenfirmen


ausgezeichnet

Klare Information


Das „Schwarzbuch der Markenfirmen“ thematisiert die Verflechtungen von Wirtschaft und Politik und nimmt einzelne Firmen gründlich unter die Lupe.
Von Lebensmittelkonzern und Pharmaindustrie über Banken bis zu Energieriesen: Klaus Werner-Lobo und Hans Weiss informieren über die Machenschaften großer Konzerne, beleuchten dunkle Hintergründe der Produktionen, perfide Steuertricks und modernes Sklaventum. Gut und detailliert recherchierte Berichte erklären dem Leser in einzelnen, übersichtlich gestalteten Kapiteln, wie Verbraucher getäuscht und Politiker gekauft werden.
Auf deutliche, gut verständliche Weise geben die Autoren im neuen aktualisierten „Schwarzbuch“ hochkomplizierte, komplexe wirtschaftspolitische Zusammenhänge wieder.
Als wertvolle Ergänzung geben Firmenporträts der wichtigsten Unternehmen übersichtlich Aufschluss über die jeweiligen Daten, Vorwürfe, weitere Infos und vor allem Tipps für den Konsumenten.

Ist der Verbraucher hilflos? Was kann er tun? Zu dieser drängenden Frage gibt das Buch ebenfalls Ratschläge: Sich umfassend informieren, engagieren - bloß nicht alles einfach hinnehmen! Hilfreich sind da die Angaben zu den Internetseiten bedeutender Organisationen und die Hinweise zu weiterführender Literatur.

Fazit: Ein Buch, das aufrüttelt und zum Nachdenken anregt. Eines, das nach dem Lesen nicht im Regal verschwindet, sondern in dem man immer wieder einmal Wissenswertes nachschlagen kann.

Bewertung vom 12.11.2014
Österreichische Küche
Rieder, Bernie

Österreichische Küche


ausgezeichnet

Bewährte Rezepte kreativ aufgepeppt


Ein schlichtes Buchcover – aber was verbirgt sich dahinter!

Wer hier an die K.u.K.-Zeiten denkt und meint, die österreichische Art zu kochen sei leicht angestaubt, der irrt gründlich. Denn Starkoch Bernie Rieder gibt zwar Kochanleitungen zu bekannten österreichischen Gerichten (jeweils mit dem „Klassiker“-Stempel bezeichnet) weiter, so dürfen diverse Knödelvariationen und natürlich der Kaiserschmarrn nicht fehlen. Aber vor allem experimentiert er mit traditionellen Rezepten, verändert und modernisiert sie (oder „reloaded“ sie, wie es auf Neudeutsch heißt). Ungewöhnlich etwa ist das asiatisch angehauchte „Regenbogenforellen-Dim-Sum“ oder auch das „Rotweinrisotto mit Heidelbeeren und Blauschimmelkäse“.
Rieder bietet dem Hobbykoch eine Fülle an kreativen, stets gut erläuterten Rezepten und zusätzlichen Tipps.
Besonders appetitlich arrangiert und illustriert von Fotograf Kurt-Michael Westermann, locken sie den Betrachter, ausprobiert und nachgekocht zu werden. Immer wieder lockern auch humorvolle private Fotos das Kochbuch auf. So kann der Leser zum Beispiel verfolgen, wie der Koch selbst zu einem fangfrischen Fisch kommt.
Und wer mit „faschierten Laibchen“ nichts anfangen kann oder glaubt, sportliche Anstrengungen machen zu müssen, weil er „Spagat“ braucht, der schaue einfach einmal in das österreichisch-deutsche Glossar, das der Autor wohlweislich angefügt hat.

Frisch, fröhlich und farbenfroh: ein modernes 5 Sterne-Kochbuch auf traditioneller Basis!

Bewertung vom 11.11.2014
The Love Song of Miss Queenie Hennessy
Joyce, Rachel

The Love Song of Miss Queenie Hennessy


ausgezeichnet

Das Glück der kleinen Dinge


„It has been everywhere, my happiness … but it was such a small, plain thing that I mistook it for something ordinary …“
Miss Queenie Hennessys Erkenntnis, dass Glück aus der Summe vieler unscheinbarer, kleiner Dinge besteht, kommt erst ganz am Ende ihres Lebens.

Als Todkranke schickt sie eine kurze Nachricht an Harold Fry, den Mann, der einst ihr Arbeitskollege war und den sie seit Jahren heimlich liebt. Harold macht sich auf den Weg, um sie noch einmal zu besuchen - zu Fuß von Kingsbridge im Süden Englands nach Berwick-upon-Tweed und mit der Bitte: „Wait for me.“
So verbringt Queenie ihre letzten Wochen im Hospiz St. Bernadine mit Warten auf Harold und erfährt, dass die Zeitspanne vor dem Tod noch nicht das Ende bedeutet: „Pardon me, you are here to live until you die“ , macht Schwester Mary Inconnue, ihr Alter Ego, ihr klar.
Sie will die ihr verbliebene Zeit nutzen und lässt die Vergangenheit Revue passieren. Ihre Erinnerungen an Geschehnisse in Kingsbridge hält sie schriftlich für Harold fest. In ihrem Brief erklärt sie ihm, dass und warum sie sich schuldig fühlt und bittet ihn um Verzeihung. Wir erleben Szenen aus ihrer Kindheit mit, ihre Gedanken und Glücksgefühle für ihren geliebten Garten bis hin zu ihrer Begegnung mit Harolds Sohn David und den tiefen Gefühlen, die sie für Harold hegt: „I loved you and that was enough.“

In einer sehr bildhaften Sprache schildert die Autorin abwechselnd Queenies gegenwärtiges Dasein und ihre Erinnerungen. Mit leisem Humor und viel Liebe zum Detail erzählt sie vom Alltag im Hospiz und seinen Bewohnern.
Authentisch wirken auch die Gedanken und Erinnerungen der Sterbenden und die wirren Träume, die durch starke Medikamente hervorgerufen werden. Joyce´s Darstellung des alltäglichen Lebens und Sterbens im Hospiz, mit leiser Wehmut wiedergegeben aber nicht kitschig, wirkt ergreifend und dennoch tröstlich.

Mit dem Vorgängerbuch „The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry“ werden neben der abenteuerlichen Geschichte der Wanderung Harold Frys quer durch England vor allem seine Ehe und Leben thematisiert.
In „The Love Song of Miss Queenie Hennessy“ kommt nun Miss Queenie selbst zu Wort und wir erleben eine andere Seite der Ereignisse, aus ihrer Perspektive berichtet.
Dieser Roman ist ein ebenbürtiger Begleiter zu Harolds Geschichte.

Bewertung vom 10.11.2014
Die Knochen der Götter / Die Akademie der Abenteuer Bd.3
Pfeiffer, Boris

Die Knochen der Götter / Die Akademie der Abenteuer Bd.3


sehr gut

Zeitreise


Schon das Buchcover macht neugierig: Im „Rad der Zeit“ wird sichtbar, welche geschichtliche Epoche drei Freunde gemeinsam erleben und erforschen dürfen. Die Zeit der Pharaonen und ihre teilweise noch ungelösten Rätsel sind Thema dieses ersten Bandes der „Akademie der Abenteuer“.

Rufus, ein nachdenklicher Junge, der seine Zeit lieber in einem Museum verbringt als zu Hause auf seine Mutter zu warten oder in die Schule zu gehen, erhält ein mysteriöses Stipendium für ein Elite-Internat. Hier trifft er auf Lehrlinge, fortgeschrittene Schüler (die Gesellen) und Meister, die Lehrer. Und auf zwei weitere „Frischlinge“, mit denen er sich rasch anfreundet. Seltsame Dinge geschehen in dieser merkwürdigen Schule und schon bald stecken Rufus und seine neuen Freunde mitten in einem spannenden Abenteuer.

Aber es sind nicht nur Phantasie und Abenteuer, die dieses Buch ausmachen. Locker und frisch geschrieben, behandelt es ein sensibles Thema, das für jeden Heranwachsenden von großer Wichtigkeit ist: Freundschaft und Zusammenhalt. Denn ohne einvernehmliches Handeln werden Rufus, Filine und No ihr Abenteuer, bei dem sie eine Zeitreise in das alte Ägypten etwa 1300 Jahre vor Christi Geburt machen, nicht bestehen können.
Nebenbei erfährt der junge Leser Wissenswertes über Leben und Alltag zur Zeit von Pharao Echnaton: ganz ohne pädagogischen Zeigefinger und in gut verständlicher Form.

Ein sehr unterhaltsames, spannendes und lehrreiches Buch, bestens geeignet für neugierige Kinder ab 10/11 Jahren!

Bewertung vom 04.11.2014
Schwarzer Winter
Ekbäck, Cecilia

Schwarzer Winter


ausgezeichnet

Wolfswinter



„Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ (Thomas Hobbes´ negatives Menschenbild) : wenn die Furcht der Menschen übermächtig wird, besteht große Gefahr, sich einen „Sündenbock“ zu suchen.
Diese Erfahrung muss die junge Frederika machen, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit ihren Eltern Paavo und Maija und der kleinen Schwester Dorotea aus dem finnischen Österbotten in ein ärmliches Anwesen am Bergmassiv Blackåsen zieht. Hier, im unwirtlichen nordschwedischen Teil Lapplands, versucht sich die Familie unter großen Schwierigkeiten eine neue Existenz aufzubauen. Beim Ziegenhüten entdeckt Frederika die Leiche eines Mannes, dessen Tod die anderen, weit verstreut wohnenden Siedler dem „Bösen“ im Berg Blackåsen zuschreiben. Ihre Mutter Maija, die über Kenntnisse in der Heilkunde verfügt, erkennt, dass Eriksson Opfer eines Mordes geworden ist, und versucht Licht ins Dunkel zu bringen, um Furcht und Misstrauen der anderen Bewohner entgegen zu wirken; denn sie weiß: Angst und Aberglaube lassen Menschen erbarmungslos und unberechenbar werden.
Dabei werden nach und nach weitere düstere Geheimnisse und das mysteriöse Verschwinden von Menschen aufgedeckt. Maija selbst und auch Frederika, mit der besonderen Gabe des „Sehens“ ausgestattet, geraten in Gefahr.
Vor dem historischen Hintergrund der Nordischen Kriege unter Karl XII., ihren Auswirkungen und der großen Armut der Landbevölkerung entwickelt Cecilia Ekbäck diesen vielschichtigen Roman.
In einer klaren, nüchternen Sprache erzählt sie von dem extrem langen, bitterkalten Winter des Jahres 1717/1718 und dem mühevollen Kampf der Menschen in Nordschweden ums Überleben.
Der auf das Wesentliche beschränkte Stil spiegelt die Charaktere ihrer Figuren wider und macht sie kraftvoll und authentisch: es sind Menschen, die unter extremen Umweltbedingungen leben und arbeiten müssen.
Das Geheimnisvolle der Geschehnisse im Roman, die kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen des frühen 18. Jahrhunderts, der Krieg, die Not: all das wirkt verstörend und macht den „Wolfswinter“ düster und bedrohlich.
Das oft wiederkehrende (Sinn-) Bild des hungrigen, jagenden Wolfsrudels wird (auch im übertragenen Sinn) zum Leitmotiv des Romans.
Immer wieder verwendet die Autorin, selbst in Schweden geboren, eindrucksvolle Bilder, die dem Leser die Schönheit und Einsamkeit der Landschaft vor Augen führen, ihn aber auch an der Unbarmherzigkeit des nordschwedischen Winters teilhaben lassen.
Es ist ein anspruchsvoller Roman, den Cecilia Ekbäck uns hier vorstellt. Von den zahlreichen Roman-Neuerscheinungen diesen Jahres hat mich „Schwarzer Winter“ am meisten beeindruckt

Bewertung vom 04.11.2014
Tödlicher Frost / Alexander Winther Bd.1
Jaklin, Asbjørn

Tödlicher Frost / Alexander Winther Bd.1


ausgezeichnet

Mord am Todeslager



Ein Gefangenenlager aus dem zweiten Weltkrieg im Norden Norwegens - ein konspiratives Treffen hochrangiger Militärs aus Norwegen, Schweden und Deutschland zu Beginn des Kalten Krieges 1949 - ein brutaler Mord im Dorf Botn im Jahr 2009 : auf sehr spannende Weise versteht Asbjørn Jaklin es, diese unterschiedlichen Ereignisse zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen.

Alex Winther und die Fotografin Tora, die den Auftrag haben, über den Mordfall zu berichten, forschen nach und entdecken dunkle Ereignisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Alex, der (wie übrigens auch Autor Asbjørn Jaklin) als Journalist für die Zeitung „Nordlys“ arbeitet, sucht weitere Informationsquellen und folgt Spuren, die ihn bis zum Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag führen. Welche Zusammenhänge können da bestehen? Welche Rolle spielt die Anklägerin des ICTY dabei? Sie scheint mehr zu wissen, als sie zugibt.

Eindrucksvoll beschreibt Jaklin aus Alex´ Sicht, wie der Reporter nach und nach Licht ins Dunkel bringt, gut gehütete, beklemmende Geheimnisse aufdeckt und sich dadurch selbst in Gefahr begibt.
In der Art einer Dokumentation (mit Orts- und Zeitangaben) geben die einzelnen Kapitel im Wechsel geschichtliche Ereignisse und Alex´ Nachforschungen in der Gegenwart wieder.

Dieses Buch ist mehr als nur ein Kriminalroman, der geschichtliche Ereignisse mit einem „modernen“ Mord verbindet. Der Autor und Historiker Jaklin will aufrütteln, zeigen, dass Kriegsverbrechen und Rassismus nicht nur ein historisches Phänomen sind.
Er hat einen vielschichtigen, anspruchsvollen Roman geschrieben, der neue Fragen und Problematiken aufwirft : „Bringing war criminals to justice. Bringing justice to victims.“ Ein stets aktuelles Thema!

Bewertung vom 01.11.2014
Mein Vater, der Deserteur
Freund, René

Mein Vater, der Deserteur


sehr gut

Der Widerstand des kleinen Mannes



„Wo sind die Deserteure? … Haben sie Angst vor den ihnen eingeimpften Phrasen, die Fahneneid, Vaterland, Kameradschaft heißen?“ So äußerte sich Heinrich Böll im Jahre 1953, acht Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.
Es war schwierig für einen Fahnenflüchtigen zu bekennen, dass er desertiert war; denn es gab noch immer genug Menschen, die Wehrmachtsdeserteure als „Verräter“ bezeichneten.

Einer der ca. 350 000 bis 400 000 Fahnenflüchtigen des zweiten Weltkriegs war Gerhard Freund aus Wien. Als 18-jähriger 1943 eingezogen, verließ er im August 1944 in Paris zusammen mit einem älteren Kameraden die Truppe. Paris befand sich in Auflösung, in der Normandie begann die Invasion der Alliierten - der Krieg ging in die Endphase.

Freunds Sohn René ist den Spuren seines Vaters lange nach dessen Tod gefolgt. Fragen nach dem Warum und dem Wie der Desertion, dem Wiederfußfassen und dem Leben nach dem Krieg beschäftigen ihn. Auf einer Frankreichreise mit seiner Familie besucht er die von seinem Vater beschriebenen Ortschaften, versucht sich in dessen Situation hinein zu versetzen.
Da Gerhard Freunds Tagebuchnotizen eher spärlich sind, arbeitet der Sohn zusätzlich anhand von geschichtlichen Details, Berichten und Interviews mit Zeitzeugen die Vergangenheit auf und macht Hintergründe verständlich. So sucht er für sich und den Leser nach Antworten und Verstehen.
Aufzeichnungen aus dem Jahr 1944 wechseln sich mit Berichten aus der Gegenwart ab. So entsteht langsam ein Bild von Gerhard Freund und seinen Familienangehörigen.

Sachlich und informativ auf der einen, empathisch und sehr persönlich auf der anderen Seite, zeigt das Buch wieder einmal ganz deutlich, wie eng die private Familiengeschichte mit Weltgeschichte verbunden ist, wie sehr die jeweiligen Bedingungen in unser Leben eingreifen und es (mit-)bestimmen.
Mitbestimmen, ob er in den Krieg ziehen wollte oder nicht, konnte niemand im zweiten Weltkrieg. Wer den „Widerstand des kleinen Mannes“ (Reimar Gilsenbach) probte, musste damit rechnen, mit dem Tod bestraft zu werden.
Die Diskussion um Desertion und Wehrdienstverweigerung ist auch heute noch kontrovers und emotionsgeladen. Kein Wunder, dass erst 2002 das „Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege“ in Kraft trat, das Deserteure des Dritten Reiches rehabilitierte.
René Freund hat hier ein anspruchsvolles Buch geschrieben, das zum Nach- und
Weiterdenken anregt.

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