Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Mikka Liest
Wohnort: 
Zwischen den Seiten
Über mich: 
⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2015
Engelskalt / Kommissar Munch Bd.1
Bjørk, Samuel

Engelskalt / Kommissar Munch Bd.1


ausgezeichnet

Es gab eine Sache, die mir fast von Anfang an klar war. Ich wusste, dass etwas ganz Bestimmtes früher oder später passieren würde - und als es dann tatsächlich passierte, wollte ich mich schon darüber ärgern, dass der Autor es mir so einfach machte... Tja. Reingefallen, nach allen Regeln der Kunst! Bis ganz zum Schluss hat mich Samuel Bjørk immer wieder auf falsche Fährten geführt, und ich wäre nie, nie, niemals darauf gekommen, wie die ganzen Hinweise und widersprüchlichen Informationen zusammenpassen. Deswegen blieb das Buch für mich auch bis zum letzten Kapitel spannend und konnte mich immer wieder überraschen.

Aber vor allem lebte es für mich von seinen Charakteren, lebte und atmete sozusagen durch sie.

Da haben wir den Kommissar der Mordkommission, Holger Munk, der sich selber als dicken, sympathischen Nerd beschreibt, der klassische Musik, Mathematik und Schach liebt und grundsätzlich keinen Alkohol anrührt. Er hat eine gebrechliche Mutter im Pflegeheim, die auf ihre alten Tage noch religiös wird, eine zornige Tochter, die ihm die Scheidung ihrer Eltern nie verziehen hat (obwohl die Mutter ihn betrogen hat und nicht umgekehrt), und eine kleine Enkelin, die er sehr liebt und nach Strich und Faden verwöhnt.

Ihm zur Seite steht Mia Krüger, das kriminologische Wunderkind, der Superstar der Mordermittlung. Sie weiß ganz intuitiv, wie die Dinge zusammenhängen, wie die Menschen ticken. Sie sieht die Querverbindungen, die andere nicht erkennen. Aber sie ist auch psychisch krank und selbstmordgefährdet, trinkt zu viel und nimmt wahllos Tabletten. Seit einer persönlichen Tragödie fühlt sie sich schuldig dafür, dass sie noch lebt. Eigentlich hatte sie nicht vor, jemals wieder zu ermitteln, aber der Fall spricht zu ihr und sie kann sich ihrer Verantwortung nicht entziehen...

Ich fand die Freundschaft zwischen Mia und Holger unglaublich rührend. Die beiden sind in vielen Dingen so unterschiedlich, wie man nur sein kann, aber auf einer ganz elementaren Ebene verstehen sie sich einfach und bedeuten sich sehr viel.

Auch die anderen Charaktere haben mir gut gefallen; sie sind alle sehr lebendig. Keiner ist wie der andere, jeder hat seine komplexe Hintergrundgeschichte, und doch sind sie alle miteinander irgendwie vernetzt und verwoben. Der Autor lässt auch die Menschen am Rand des Geschehens immer mal wieder ins Rampenlicht treten und mit sorgfältig ausgewählten Details zum Leben erwachen. Nötig für die Geschichte? Vielleicht nicht. Aber dadurch wirkte sie für mich wie direkt aus dem Leben gegriffen.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Er liest sich unterhaltsam und flüssig, hat dabei aber etwas ganz Außergewöhnliches, denn dem Autor gelingt eine interessante Mischung: die Geschichte wird in der dritten Person erzählt, und dennoch bleibt der Schreibstil ganz nah dran an den Gedanken der jeweiligen Charaktere, unverfälscht und authentisch.

Da wiederholt sich schon mal etwas oder wirkt unbeholfen formuliert, denn ein Mensch denkt nun mal nicht immer druckreif. Aber das wirkte auf mich echt und lebensnah, und es gab den verschiedenen Charakteren ihre ureigene Stimme.

Wenn wir Mia folgen, dann wird der Schreibstil oft abgehackt, abstrus, chaotisch - denn so funktioniert ihre Gabe: sie lässt sich mitreißen vom Strom ihrer Gedanken und wartet ab, wohin er sie trägt.

"Sie war jetzt weit weg. Tief drinnen. Die Stadt gab es nicht. Das Justisen gab es nicht. Den Tisch gab es nicht. Das Bier gab es nicht. Springseil, ja. Schultaschen, ja. Puppenkleider, ja. Narkose, ja. Schweineblut, nein, unecht. Bye, bye, birdie, nein, nicht wichtig. Who's there?"

Fazit:
"Engelskalt" ist zwar nicht der erste Roman des Autors, aber der erste Thriller, und meiner Meinung nach ein mehr als gelungenes Debüt. Samuel Bjørk erweckt seine Charaktere mit einem ungewöhnlichen Schreibstil zum Leben und lässt sie durch eine komplexe Geschichte wandern, die für mich bis zum Schluss spannend und überraschend blieb.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2015
Red Rising Bd.1
Brown, Pierce

Red Rising Bd.1


ausgezeichnet

Weit, weit in der Zukunft. Die Menschheit hat sich in verschiedene Klassen aufgeteilt, denen festgelegte Aufgaben zukommen: Die Goldenen sind die herrschende Elite. Die Gelben sind die Ärzte und Pfleger. Die Grauen sind die Polizei. Und so weiter, und so fort.

Aber vor allem geht es in diesem Buch um die Roten, die auf dem Mars unter Tage in den Minen schuften. Ihr Leben ist hart, sie bekommen nie genug zu essen, und ihre Lebenserwartung ist dementsprechend gering. Aber sie sind stolz, denn ihnen wurde gesagt, dass sie die einzige Klasse sind, die stark genug für diese Art von Arbeit ist, und dass sie alleine den Mars für alle Menschen bewohnbar machen können, indem sie Helium3 abbauen, das zum Terraforming benötigt wird.

Der junge Darrow ist ein Höllentaucher, dem in den Minen die wichtigste Aufgabe zufällt. Er ist innerhalb seines Clans angesehen, er ist verheiratet mit Eo, einem Mädchen, das er liebt... Aber dann zeigt die rebellische Eo ihm, dass das ganze Leben der Roten auf einer Lüge beruht.

Die Geschichte ist in meinen Augen sehr originell und unverbraucht, mit vielen großartigen Ideen, die mehr als genug Potential für eine spannende Trilogie bieten. Alleine die Grundidee, die gesamte Menschheit in nach Farben geordnete Klassen aufzuteilen, fand ich schon sehr interessant und ansprechend!

In den ersten Kapiteln lässt der Autor sich Zeit, dem Leser diese merkwürdige, oft grausame neue Welt zu zeigen, was mir gut gefallen hat. Darrow nimmt uns mit in sein Leben, das er unverblümt und schonungslos schildert. Aber dann geht auf einmal alles sehr schnell, denn seine Frau Eo begeht einen Akt der offenen Rebellion... Die Spannung steigt rasant an - und dann lässt sie bis zum letzten Kapitel auch kaum einmal nach.

Das Buch ist manchmal gnadenlos brutal, und es wird sehr viel gekämpft. Über weite Strecken geht es um Schlachten, Hinterhalte und Strategien, und ich denke, das wird vielleicht nicht jedem Leser gefallen, ich fand es aber sehr spannend und auf düstere Art unterhaltsam.

Darrow ist ein ungewöhnlicher Protagonist. Er ist vollkommen ungebildet und dennoch sehr intelligent. Aber er ist an den rauen Umgangston in den Mienen gewöhnt, und das schlägt sich auch in seiner Sprache nieder: er flucht und schimpft, spricht oft sehr ordinär und mit Fäkalsprache... Da musste ich mich als Leser erstmal dran gewöhnen!

Am Anfang will er kein Held sein und hat kein Interesse an einer Revolution. Es ist seine Frau Eo, die die Dinge hinterfragt und anzweifelt, nicht er. Erst, als etwas passiert, das sein ganzes Leben auf den Kopf stellt, wacht er auf und beginnt damit, gegen die ungerechte Weltengesellschaft zu kämpfen - dann aber gnadenlos und mit voller Kraft.

Manchmal hat mich ein wenig gestört, dass Darrow in allem immer der Beste ist. Er ist der Intelligenteste, der Schnellste, der Stärkste, der Gerissenste... Und er tut schreckliche, grausame Dinge im Namen der Revolution, wird beinahe schon selber zu dem, was er hasst.

Aber der Autor lässt ihn genau diese Dinge hinterfragen, was ich wiederum gut fand. Ich will hier noch nicht zu viel verraten, aber im Laufe der Geschichte wird Darrow gezwungen, mit Goldenen seines Alters zusammenzuarbeiten, und er muss feststellen, dass nicht alle von ihnen schlecht sind - es gibt auch gute Goldene, die ihm ans Herz wachsen und ihn an seiner Mission zweifeln lassen.

Fazit:
"Red Rising" ist eine dystopische SciFi mit einem ungewöhnlichen Helden, der manchmal fast schon zum Antihelden wird. Das ist düster, brutal und dreckig, aber vor allem spannend!

Bewertung vom 10.05.2015
Das Jahr, in dem ich dich traf
Ahern, Cecelia

Das Jahr, in dem ich dich traf


ausgezeichnet

Das Leben entschleunigen: einen Schritt zurücktreten, tief durchatmen und mal darüber nachdenken, ob man seine eigenen Träume lebt oder die Träume der anderen. Cecelia Ahern erzählt davon in einem Buch, für das man als Leser selbst ein wenig entschleunigen muss; man muss ihm Zeit geben und sich ganz offen und unvoreingenommen auf die Geschichte einlassen, aber dann ist es meiner Meinung nach sehr lohnend.

Ich hatte noch nie etwas von der Autorin gelesen, hatte aber die vage Vorstellung im Hinterkopf, dass sie leichtherzige Liebesgeschichten schreibt. Deswegen habe ich auch genau das von "Das Jahr, in dem ich dich traf" erwartet - und wurde vom völlig unerwarteten Tiefgang (positiv) überrascht.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Jasmine und Matt.

Jasmine ist bisher erfolgsorientiert durchs Leben gehetzt, aber jetzt wird sie dazu verdonnert, ein ganzes Jahr lang zuhause zu verbringen. Ihr bisheriger Chef hat ihr zwar gekündigt, bezahlt sie aber weitere 12 Monate lang, um zu verhindern, dass sie direkt zu einem Konkurrenzunternehmen wechselt. Und so hat sie auf einmal alle Zeit der Welt, weiß aber nichts damit anzufangen. Sie fühlt sich nutzlos. Überflüssig. Abgeschoben.

Matt ist ein erfolgreicher DJ mit einer beliebten Radio-Show. Dummerweise ist er auch ein Alkoholiker, der nachts öfters mit kreischenden Bremsen in die Einfahrt schlingert, um danach brüllend gegen die Tür zu hämmern. Seine Frau hat genug davon, also geht sie und nimmt die Kinder mit. Und dann geht es für ihn auch beruflich den Bach runter. Er ist am Ende.

Und da sind sie also nun. Zwei gestrandete Menschen, die sich schon seit langer Zeit direkt gegenüber wohnen, sich aber jetzt erst zögerlich kennenlernen. Dabei können sie sich nicht ausstehen. Und sich selber eigentlich auch nicht.

Auch der Leser hat es am Anfang schwer mit den beiden, denn sie haben durchaus gravierende Fehler und Schwächen. Ehrlich gesagt habe ich anfangs halb befürchtet, dass es daraus hinausläuft, dass die zwei sich verlieben und sich gegenseitig wundersamer Weise zu besseren Menschen machen, aber so einfach macht es sich die Autorin Gott sei dank nicht. Hier gibt es keine Patentrezepte und keine einfachen Lösungen, nur die Irrungen und Wirrungen zweier schwieriger Menschen auf dem Weg zu sich selbst.

Mir sind sie immer mehr ans Herz gewachsen, trotz all ihrer Macken und weniger sympathischen Eigenschaften. Denn beide haben durchaus ihre gute Seiten, die man erst entdecken muss.

Auch die anderen Charaktere haben mir gut gefallen. Da gibt es zum Beispiel Rebecca, Jasmines Schwester, die trotz Downsyndrom entschlossen und selbstbestimmt durchs Leben geht, oder Matts mürrischen Teenagersohn Fionn, der verständlicherweise sehr wütend auf seinen Vater ist. Die verschiedenen Figuren werden lebensecht und mit liebevollen Details beschrieben, und ich fand es großartig zu verfolgen, wie sie sich alle so nach und nach kennen und lieben lernen.

Denn irgendwie ist es dann doch ein Buch über die Liebe, nur nicht so, wie ich es erwartet hatte. Ja, es gibt auch romantische Liebe, aber im Mittelpunkt steht in meinen Augen die Liebe zwischen Schwestern, zwischen Vater und Sohn, zwischen alten Freunden, zwischen neuen Freunden...

Der Schreibstil ist ungewöhnlich. Die Autorin ist ein echtes Risiko damit eingegangen, Jasmin die Geschichte so erzählen zu lassen, als würde sie sie Matt erzählen, in der "Du"-Form. Das fand ich erst irritierend, habe mich aber schnell daran gewöhnt, und irgendwie passt es auch und macht Sinn.

Denn dieses Jahr, in dem sich Jasmine und Matt treffen, wird für sie zu einem Jahr des Umbruchs und der Veränderung, und ohne einander hätten sie den Weg durch das Chaos sicher nicht so bewältigt.

Fazit:
Das Buch war für mich eine freudige Überraschung. Es ist eine Geschichte über die Sackgassen im Leben, die fatalen Entscheidungen, die scheinbar unüberwindlichen Hindernisse - und über das Umkehren, das Neuorientieren und das Ankommen.

Bewertung vom 03.05.2015
Killing Lessons / Valerie Hart Bd.1
Black, Saul

Killing Lessons / Valerie Hart Bd.1


ausgezeichnet

Das Buch hat eher durchwachsene Kritiken. Die Reaktionen im Netz reichen von angeödeter Langweile über vorsichtiges Interesse bis hin zu echter Begeisterung.

Ich? Ich liebe dieses Buch, vorbehaltslos. Es ist in meinen Augen grandios, einfallsreich, einzigartig und vor allem sprachlich innovativ. Ich konnte mich schon nach den ersten Seiten dem dunklen Sog der Geschichte einfach nicht mehr entziehen.

Es ist sicher kein Thriller, wie man sie gewohnt ist, und ich denke, das ist Fluch oder Segen, je nachdem, was man erwartet und was man sich wünscht. Als Leser verbringt man viel Zeit in den Köpfen der verschiedenen Charaktere, lässt sich sozusagen treiben im Fluss ihrer Gedanken - und das kann mal ein dümpelndes Bächlein sein, dann wieder ein reißender Strom, je nach Situation.

Das spiegelt sich auch wieder in der Sprache, mit der der Autor mutig und kreativ spielt. Mal ist sie düster-poetisch und beinahe malerisch, dann wieder brüllen die Gedanken der Protagonisten in abgehacktem Stakkato. Zugegeben, manchmal wurde mir das etwas zuviel, aber mir ist es tausendmal lieber, ein Autor geht innovative Wagnisse ein mit seiner Sprache und schießt dabei manchmal ein wenig übers Ziel hinaus, als einen belanglosen Schreibstil zu lesen, in dem man jede Metapher schon tausendmal gehört hat.

Wenn man die Handlung bis auf die blanken Knochen abnagt, klingt sie vielleicht wenig originell: ein Serienmörder folgt seinen kranken Ritualen, während eine besessene, emotional völlig kaputte Kommissarin versucht, sein Denken zu verstehen, um ihn zu finden. Aber die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird, macht sie für mich dennoch zu etwas gänzlich Neuem, Unverbrauchten.

Man muss der Geschichte Zeit geben - sich darauf einlassen, nicht zu sehr darauf drängen, dass es jetzt sofort mit der Mörderjagd weitergeht. Denn manchmal steht die Zeit still. Manchmal ist das Buch eher ein bedächtiges Porträt menschlicher Abgründe als ein klassischer Thriller, aber in meinen Augen war auch das spannend und auf beunruhigende Weise unterhaltsam.

Die Handlung wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt: Aus Sicht der beiden Täter. Der des kleinen Mädchens, das ihnen entkommen ist, und des alternden Schriftstellers, bei dem sie Unterschlupf gefunden hat. Der von Detective Valerie Hart. Ich fand sie alle gut geschrieben, auch oder gerade weil der Autor gnadenlos all ihre Schwächen und Sünden vor dem Leser ausbreitet.

Besonders Valerie ist für mich zur Identifikationsfigur geworden, und es tat manchmal beinahe weh, ihre wütende Frustration und ihre knochentiefe Erschöpfung nachzuempfinden. Der Fall frisst sie auf, bringt sie bis an ihre Grenzen und weit darüber hinaus.

Ein Hinweis: der Thriller ist nichts für Zartbesaitete. Die Gewalt wird manchmal gnadenlos detailliert geschildert. Bücher und Filme suggerieren uns immer wieder, dass Serienmörder charismatische Gestalten sind, aber an diesen Morden ist nichts, was auch nur annähernd sexy ist. Sie sind brachial, pervers und verursachen unermessliches Leid.

Fazit:
"Killing Lessons" ist ein sehr ungewöhnlicher Thriller mit einem einzigartigen Schreibstil. Der Autor lotet die finstersten Geheimnissen der Charaktere bis zum Grund aus, ihre ureigensten Ängste. Mal baut sich die Spannung eher gemächlich auf, dann wieder überschlagen sich die Ereignisse in schwindelerregender Geschwindigkeit...

So oder so, ich konnte das Buch kaum weglegen, und ich bin sehr froh, ihm eine Chance gegeben zu haben!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.05.2015
Der den Zweifel sät / Night School Bd.2
Daugherty, C. J.

Der den Zweifel sät / Night School Bd.2


ausgezeichnet

Das Buch beginnt rasant und hochspannend, mit einer wilden Verfolgungsjagd! Allie ist auf der Flucht vor vier geheimnisvollen Fremden in dunklen Anzügen, und diese Szenen zeigen sie von ihrer besten Seite: intelligent, entschlossen, mutig und einfallsreich wie eine junge Geheimagentin - geradezu geboren für die Night School. Oder?

Auch in diesem Band muss sich Allie in der Umgebung der geheimnisvollen Eliteschule Cimmeria behaupten, und auch wenn sie sich inzwischen besser dort auskennt, kann sie sich dennoch nie sicher sein, wer vertrauenswürdig ist und wer nur seine eigene, mitunter finstere Agenda verfolgt. Sie erfährt endlich mehr über ihre Familie und deren Rolle in dem politischen Machtkampf, der hinter den Kulissen tobt - eine Rolle, die Allie in große Gefahr bringt.

Ich hatte den Eindruck, dass sie durch die Ereignisse des letzten Bandes erwachsener geworden ist, deutlich reifer und zielstrebiger. Trotzdem macht sie immer mal wieder Fehler, trifft katastrophale Entscheidungen und vertraut den falschen Menschen... Aber ich bin ihr gerne auf ihrem Weg gefolgt und habe mit ihr mitgefiebert, denn sie war mir einfach sehr sympathisch.

Natürlich trifft der Leser alte Bekannte wieder, wie Carter, Sylvain, Jo und Rachel, aber es werden auch großartige neue Charaktere eingeführt. Da ist zum Beispiel die erst 13-jährige Zoe Glass, ein kleines Wunderkind, das überhaupt kein Gespür für soziales Verhalten hat. Allie und sie haben einen holprigen Start, aber mir ist Zoe schnell ans Herz gewachsen! Sie bringt eine Menge Humor in die Geschichte, und auf ihre schräge Art und Weise ist sie ein liebenswertes Mädchen.

Auch Nicole, die bildhübsche Ex-Freundin von Sylvain, hat mir gut gefallen und hat sich als positive Überraschung entpuppt.

Die Bedrohung, die schon im letzten Band über Cimmeria hing wie eine Gewitterwolke, nimmt immer größere Ausmaße an, und schnell wird klar, dass die Gefahr alles andere als vorbei ist. Ganz im Gegenteil! Ich fand den zweiten Band fast noch spannender als den ersten, und die Autorin scheut sich auch nicht davor, lieb gewonnenen Charakteren Schlimmes zustoßen zu lassen... Ich fand sehr originell und ansprechend, wie die Geschichte sich entfaltet, ohne jemals zuviel auf einmal preiszugeben.

Endlich sieht man als Leser die Night School in Aktion, denn wegen der Gefährdung der Schule durchläuft Allie sozusagen eine Ausbildung im Crashkurs! Ich hatte immer mal wieder den merkwürdigen Gedanken, dass sich das liest wie Hogwarts ohne Magie, dafür aber mit Kampftechniken und Hochleistungssport... Was ein Kompliment ist, da ich die Harry-Potter-Reihe geliebt habe!

Der Schreibstil liest sich angenehm, wenn auch eher einfach. Aber er "transportiert" die Geschichte sehr gut, und für mich gab es keine Phasen, die sich gezogen hätten.

Was mir leider gar nicht gefallen hat, war die unleidige romantische Dreiecksgeschichte. Allie kann keine wirkliche Entscheidung treffen zwischen Carter und Sylvain, und ehrlich gesagt habe ich mir öfter gedacht, dass ich an ihrer Stelle beide in die Wüste schicken würde... Oder zumindest mal einen Schritt zurücktreten, sich eine Auszeit nehmen und in Ruhe darüber nachdenken, was sie eigentlich will. Ihre schlechtesten Entscheidungen trifft sie immer dann, wenn es um diese Zwei geht.

Aber gut, die drei sind Teenager, und in dem Alter weiß man meist noch nicht so recht, wer man eigentlich ist, geschweige denn, wie eine Beziehung funktioniert... Insofern habe ich irgendwann beschlossen, es einfach hinzunehmen, und der Rest der Handlung gefällt mir ja sehr gut.

Fazit:
Es geht spannend weiter im zweiten Band dieser Jugendthriller-Reihe rund um die Eliteschule Cimmeria, die im Zentrum politischer Intrigen steht. Die Charaktere haben mich wieder überzeugen können, und ich fand auch die zunehmend komplexe Handlung sehr packend und unterhaltsam. Nur auf das Liebesdreieck hätte ich lieber verzichtet...

Bewertung vom 29.04.2015
Der Teufel von New York / Timothy Wilde Bd.1
Faye, Lyndsay

Der Teufel von New York / Timothy Wilde Bd.1


ausgezeichnet

Das Buch ist in meinen Augen einer der intelligentesten, originellsten Krimis, die ich in den letzten Jahren gelesen habe!

Da kommt so viel Interessantes zusammen:

Ein hochspannender, aber sehr bedrückender Kriminalfall, in dem es um kleine Kinder geht, deren Rechte vor ihrem Tod niemanden interessierten und die auf übelste Art und Weise ausgenutzt wurden.

Ein Einblick in die chaotische Begründung des Polizeiwesens im New York des Jahres 1845. Die lachhafte "Ausbildung" bestand aus einer kurzen Ansprache, und anscheinend konnte so ziemlich jeder Polizist werden, der sonst kein besseres Einkommen hatte und bereit war, 16 Stunden am Tag zu arbeiten...

Außerdem erfährt man als Leser viel über die sozialen Brennpunkte dieser Zeit, und das unterhaltsam und kein bisschen trocken. Es sind nicht nur farbige Menschen, die beschimpft und als Untermenschen betrachtet wurden, auch die Iren galten als "weißer Abschaum" und ihr Glaube fast schon als Blasphemie. Die Einrichtung einer katholischen Schule für irische Kinder ist da zum Beispiel eine unerhörte, beinahe revolutionäre Idee!

Die Geschichte wird uns von Timothy Wilde erzählt, der auch eher zufällig (und widerwillig) zum Polizeidienst kam - davor war er Barkeeper, doch dann verlor er in einer furchtbaren Feuersbrunst seine Bar, seine Wohnung und seinen Lebensunterhalt. Die Anstellung als Polizist wurde ihm von seinem älteren Bruder vermittelt, einem charismatischem Mann mit Einfluss und zweifelhafter Moral.

Obwohl er sich erst sehr dagegen sträubt, stellt sich schnell heraus, dass Timothy ein wahres Naturtalent in der Verbrechensbekämpfung ist. Als Barkeeper hat er gelernt, Menschen einzuschätzen, und das kommt ihm jetzt sehr zugute. Er berichtet mit ruhiger, aber eindringlicher "Stimme" über die Geschehnisse, wobei der Autorin das Kunststück gelingt, seine Sprache einerseits passend und schlüssig für die Zeit klingen zu lassen, aber andererseits auch für moderne Leser flüssig und angenehm zu lesen.

Ich fand den Schreibstil einfach wunderbar; er hat mich von der ersten Seite an mit atmosphärischen Beschreibungen und gelungenen Bildern mitten in die Geschichte hineingezogen. Auch die Übersetzerin hat großartig gearbeitet, und das kann nicht einfach gewesen sein! Denn viele Charaktere reden in der Gossensprache "Flash", die meiner Meinung nach sehr gut ins Deutsche übertragen wurde.

Mir war Timothy direkt sehr sympathisch. Er ist intelligent, einfallsreich und besitzt ein intuitives Gespür für die menschlichen Abgründe, aber vor allem ist er ein mitfühlender Mann von großer Integrität und einem erstaunlichen Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit.

Auch die anderen Charaktere fand ich komplex, lebendig und gut geschrieben, allen voran die kleine "Bird", die in ihren 10 Jahren schon viel Schreckliches erleben musste, die junge Mercy Underhill, in die Timothy heimlich verliebt ist, und Timothys Bruder, mit dem ihn eine Art Hassliebe verbindet.

Fazit:
Ein Barkeeper wird im Jahr 1845 widerwillig für die neugegründete Polizei rekrutiert und gerät direkt mitten hinein in einen monströsen Kriminalfall, in dem Kinderprostitution und soziale Ungerechtigkeit eine traurige Rolle spielen.

Ich fand das Buch großartig - spannend und fantastisch geschrieben, mit dreidimensionalen, glaubhaften Charakteren und einer Handlung mit mehr als einer unerwarteten Wendung.

Bewertung vom 27.04.2015
Du darfst keinem trauen / Night School Bd.1
Daugherty, C. J.

Du darfst keinem trauen / Night School Bd.1


sehr gut

Ich habe lange geglaubt, "Night School" sei ein Vampirroman, und ich denke, das geht vielen Menschen so. Aber weit gefehlt: es ist ein komplexer, intelligent geschriebener Jugendthriller voller unerwarteter Wendungen, aber ganz ohne paranormale Wesen. Trotzdem denke ich, dass das Buch durch seine stimmungsvolle, rätselhafte Atmosphäre auch Fans von Fantasyromanen ansprechen kann!

In meinen Augen ist die Geschichte sehr originell und vor allem unheimlich spannend. Die Autorin lässt den Leser lange verwirrt im Dunkeln tappen, gibt ihm immer nur hier und da ein klitzekleines Teilchen des Puzzles... Lange hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wie diese Teilchen zusammenpassen sollten und was tatsächlich hinter all den mysteriösen Vorfällen und den merkwürdigen Regeln des Internats steckt - und das fand ich super!

Die Geschichte hat mich schon im ersten Kapitel gepackt und dann bis zum Schluss nicht mehr losgelassen, weil ich unbedingt wissen wollte: was, um Himmels willen, ist denn nun diese "Night School"?! Und sind das die Guten oder die Bösen?

Allie, die jugendliche Protagonistin, hat ihren Bruder verloren und in ihrer Verzweiflung und Wut darüber dermaßen heftig rebelliert, dass sie direkt aus zwei Schulen rausgeschmissen wurde. Deswegen schicken ihre Eltern sie jetzt auf das Internat Cimmeria, worüber sie erstmal alles andere als begeistert ist. Strenge Regeln, kein Internet, kein Telefon?! Super.

Allerdings dauert es nicht lange, bis sie sich merkwürdig heimisch fühlt auf Cimmeria - als wäre sie endlich an dem Ort angekommen, wo sie hingehört. Das ging mir für einen zornigen, rebellischen Teenager ein wenig zu schnell... Aber gut, vielleicht hat sie ja genau diese Art von Umgebung gebraucht. Allie war mir jedenfalls sehr sympathisch. Sie ist clever und einfallsreich, mutig und entschlossen, und sie hat das Herz einfach am rechten Fleck.

Auch die anderen Charaktere haben mir gut gefallen; sie sind vielschichtig und interessant geschrieben, und man weiß nie so recht, wem man trauen kann - da passt der Titel perfekt.

Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, und leider ist die dann doch eher klischeehaft: da gibt es den Bad Boy Carter, und den charmanten französischen Austauschschüler Sylvain. Beide sind der Traum aller Mädchen, aber natürlich wollen beide nur Allie.

Ja, eine Dreiecksgeschichte, leider...

Außerdem war ich mir ziemlich schnell sicher, dass einer davon mit Sicherheit nicht das ist, was er zu sein scheint, dementsprechend war ich dann auch nicht überrascht, als er seine wahre Natur zeigte.

Was mich aber am meisten gestört hat: einer der beiden tut etwas, was absolut nicht in Ordnung ist. Und Allie ist auch erstmal geschockt, empört und enttäuscht, verzeiht ihm aber relativ schnell wieder, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte, und was meiner Meinung nach auch eine bedenkliche Botschaft für junge Leserinnen aussendet.

Die ein oder andere Sache erschien mir nicht hundertprozentig logisch oder schlüssig. So steht in den Regeln von Cimmeria sinngemäß: Es gibt etwas, das sich "Night School" nennt, aber da dürfen nur ausgewählte Schüler mitmachen. Wenn du nicht dazu gehörst, darfst du auch nichts über die "Night School" wissen; du darfst nicht mal Fragen dazu stellen, sonst fliegst du raus!

Gibt es eine sicherere Methode, Schüler neugierig zu machen, als zu sagen: hier gibt es etwas, das du auf gar keinen Fall wissen darfst? Es macht keinen Sinn, das überhaupt in den Regeln zu erwähnen! Man könnte die auserwählten Schüler einfach klammheimlich zur Seite nehmen, oder?

Der Schreibstil ist eher einfach, liest sich aber sehr unterhaltsam und locker-jugendlich runter. Die Autorin ist großartig darin, mit eher schlichten Worten eine dichte Atmosphäre zu erzeugen!

Fazit:
Eine Internatsgeschichte ganz ohne Vampire oder Zauberer, dafür aber mit dunklen Geheimnissen, zwiespältigen Charakteren - und Mord.

Bewertung vom 26.04.2015
Furchtlose Liebe / Die Überlebenden Bd.2
Bracken, Alexandra

Furchtlose Liebe / Die Überlebenden Bd.2


ausgezeichnet

Am Ende des ersten Bandes hat Ruby ein ungeheures Opfer gebracht: um ihre große Liebe Liam zu retten, hat sie sich vollständig aus seiner Erinnerung gelöscht und ist einen Deal mit der korrupten Children's League eingegangen. Insgeheim nimmt sich sie vor, sich nur so lange als deren Soldatin benutzen zu lassen, bis Liam genug Zeit hatte, sich wirklich in Sicherheit zu bringen, und sich dann abzusetzen. Auf keinen Fall will sie daher emotionale Bindungen zu den anderen Jugendlichen in der League aufzubauen!

Aber Ruby wäre nicht Ruby, wenn sie ihr Herz komplett verschließen könnte vor dem lieben, tapsigen Jude, der nach jedem Einsatz auf sie zuspringt wie ein begeisterter Welpe und sie ungestüm umarmt... Auch die anderen Jugendlichen in ihrer Einheit sind ihr schnell nicht mehr egal - nicht mal die mürrische, arrogante Vida, die Ruby immer das Gefühl gibt, Dreck unter den Sohlen ihrer Stiefel zu sein.

Und so beschließt Ruby, heimlich mitzuhelfen, die Children's League wieder zu dem zu machen, was sie eigentlich ein sollte: eine Organisation, die den Kindern hilft, die ihren Familien weggenommen und in Lager gesperrt wurden. Doch dabei macht sie sich mächtige Feinde... Dann gerät ausgerechnet Liam in den Besitz von etwas, das alles verändern könnte und das ihn in ungeheure Gefahr bringt, und so muss sich Ruby auf eine gefährliche Rettungsmission begeben.

Die Geschichte geht rasant und spannend weiter, denn die Gefahr für Ruby und ihre Freunde war nie größer! Die Geschehnisse überschlagen sich; kaum einer sieht die Jugendlichen noch als Menschen, überall sind sie nur die "Kreaturen" oder die "Freaks", die man entweder einsperren, benutzen oder sogar töten muss. Ruby weiß überhaupt nicht mehr, wem sie noch trauen kann, und noch schlimmer: sie vertraut sich selber nicht mehr...

In diesem Band wird viel darauf eingegangen, dass die Menschen ja durchaus Grund dazu haben, sich vor den Psi-Kids zu fürchten. Ihre Fähigkeiten sind so ungeheuer wie gefährlich, und sie können in den falschen Händen zur tödlichen Waffe werden. Ruby und ihr Team begegnen einer Gruppe von Blauen, die zeigen, dass absolute Macht manchmal absolut korrumpiert... Ruby selber wird gezwungen, ihre Fähigkeiten für Dinge einzusetzen, von denen sie weiß, dass sie eigentlich ethisch nicht vertretbar sind, und so nach und nach stellt sie fest, dass sie sie auch immer gedankenloser einsetzt, um das zu erreichen, was sie will. Macht sie das zum Monster?

Es gibt hier nicht DIE Guten und DIE Bösen, und das fand ich großartig. Die Autorin lässt Ruby sehr differenziert über die ethischen Fragen nachdenken und alles hinterfragen, und das macht aus dieser originellen Dystopie in meinen Augen auch ein lohnendes Jugendbuch zum Nachdenken, mehr als reine Action.

Die neuen Charaktere haben mir sehr gut gefallen, allen voran der goldige kleine Jude, der in seinem riesigen Herzen scheinbar Platz hat für die ganze Welt. Er ist unglaublich rührend, und oft wirkt die bedrückende, grausame Welt, die Alexandra Bracken erschaffen hat, umso schrecklicher im Kontrast zu seinem ungebrochenen Optimismus. Aber vor allem hat mich beeindruckt, wie sich die Charaktere entwickelt haben, die wir schon aus dem ersten Band kennen. Besonders Ruby hat nur noch wenig gemeinsam mit dem verängstigten Kind, das sie damals war, aber ihre Entwicklung ist zwar drastisch, aber plausibel und glaubhaft.

Der Schreibstil hat mir im ersten Band schon gut gefallen, und auch hier zeichnet die Autorin mit prägnanten Worten ein ungemein lebhaftes Bild dieser dystopischen Zukunft.

Fazit:
Die Fortsetzung zu "Die Überlebenden" ist in meinen Augen rundum gelungen: sehr spannend, zunehmend düster, mit lebensechten Charakteren, die an ihren Erlebnissen wachsen. Es gibt unerwartete Wendungen, Verrat und Tod, aber auch wunderbare Freundschaften und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2015
Die rote Königin / Die Farben des Blutes Bd.1
Aveyard, Victoria

Die rote Königin / Die Farben des Blutes Bd.1


sehr gut

Die Grundidee klingt an sich originell: eine fantastische Dystopie, in der paranormale Fähigkeiten und gesellschaftlicher Status von der Farbe des Blutes abhängen. Oft kam mir das vor wie eine clevere Parabel auf Rassismus und Intoleranz, was ich sehr ansprechend und interessant fand!

Leider hatte das Buch in meinen Augen ansonsten nur wenige neue Ideen zu bieten... Vieles kam mir so vor, als hätte ich es schon in anderen Büchern gelesen - aber dennoch ergibt die Mischung ein unterhaltsames, spannendes Buch!

Mare, unsere Protagonistin, ist keine strahlende, perfekte Heldin, und nach anfänglichem Zaudern fand ich das auch (meistens) gut.

Manchmal will sie mit dem Kopf durch die Wand, überschätzt sich dabei und verwechselt Leichtsinn mit Mut. Sie ist oft wütend und verbittert, und gelegentlich gibt sie sich die Schuld für Dinge, für die sie nichts kann. Mal vertraut sie naiv den falschen Menschen, dann ist sie wieder misstrauisch Leuten gegenüber, die das nicht verdient haben. Aber immer hat sie das Herz am rechten Fleck.

Maven, der jüngere Prinz des silbernen Königshofs, war mir direkt sympathisch. Er ist intelligent, sensibel und offen für gesellschaftlichen Wandel, macht sich sogar stark für die Unterdrückten. Das fand ich sehr bewundernswert! Im Laufe der Geschichte ist er mir immer mehr ans Herz gewachsen.

Cal, der Kronprinz, ist dagegen zwiespältig, hin- und hergerissen zwischen dem Status Quo, der althergebrachten Ordnung seiner Welt, und dem, was sein Gewissen ihm sagt. Die unterdrückten Roten tun ihm leid, aber er sieht vor allem, was eine Rebellion beide Seiten an Verlusten kosten würde. Womit er ja auch nicht ganz unrecht hat - natürlich würde ein Aufstand Tote kosten, und die meisten davon auf Seiten der wehrlosen Roten.

Kilorn, Mares Jugendliebe, wirkte auf mich gegen die beiden Prinzen etwas blass...

Erst habe ich ungläubig aufgestöhnt, als mir klar wurde, dass es hier direkt drei junge Männer gibt, die an Mare interessiert sind! Aber ich fand es dann doch plausibel und passend, was mich selber überrascht hat. Die Liebesgeschichte drängt sich meiner Meinung nach auch nicht zu sehr in den Mittelpunkt, erfreulicherweise.

Ich rechne der Autorin hoch an, dass sie es ihre Charakteren auch mal gnadenlos scheitern lässt, und dass gute Absichten zu grauenhaften Ergebnissen führen können. Das ist etwas, was ich in Büchern für junge Leser gerne öfter sehen würde! Sogar Mare muss erst herausfinden, wie weit sie im Namen der Revolution gehen will, kann und darf, um nicht zu dem zu werden, was sie bekämpft.

Der Schreibstil ist ab und an ein wenig unbeholfen und holprig, hat dafür aber auch immer wieder großartige Momente. Vor allem actionreiche Szenen sind gekonnt geschrieben!

Beim Lesen sind mir öfter Dinge aufgefallen, die mir unlogisch oder nicht ganz glaubwürdig erschienen, und das hat mich wirklich gestört. Ich hatte dein Eindruck, dass einfach viel zuviel auf wahnsinnigem Glück oder unglaublichen Zufällen beruhte!

Tja, aber dann... Dann passierte, später im Buch, etwas völlig Unerwartetes. Etwas drastisch Unerwartetes, wenn ich nicht einfach nur auf dem Schlauch stand.

Es dauerte ein paar Minuten, bis ich meine Kinnlade wieder vom Boden aufgeklaubt hatte und meine Gedanken nicht mehr wie eine kaputte Schallplatte bei "Waaaaaaaaas?!" festhingen. Und dann war ich nicht nur unheimlich erstaunt, sondern auch unheimlich beeindruckt. Erstmal nur wegen der Traute der Autorin, sowas durch zu ziehen - aber dann ging mir auf, wie genial sie das alles geplant hatte, und das auf einmal vieles perfekten Sinn ergab. Mein Gott... Im Geiste ging ich das Buch noch einmal durch und sah es mit ganz anderen Augen!

Nicht alles war für mich damit zufriedenstellend erklärt, aber das meiste. Wenn ihr also beim Lesen auch öfter das Gefühl habt, dass die Dinge nicht glaubhaft sind, wartet erstmal ab!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2015
Die letzten Tage von Rabbit Hayes
McPartlin, Anna

Die letzten Tage von Rabbit Hayes


ausgezeichnet

Was sind schon neun Tage? Neun Tage sind fast nichts, eine unbedeutende Zeitspanne, die in unserer schnelllebigen Zeit vergeht wie ein Wimpernschlag. Wie können neun Tage dann genug Zeit sein, loszulassen, mit sich ins Reine zu kommen, sich von seinen Lieben zu verabschieden - zu sterben?

Der Leser verbringt diese neun Tage ganz nahe dran an Rabbit und an ihrer wunderbaren, chaotischen Familie, sieht ihnen dabei zu, wie sie die Phasen der Trauer durchlaufen. Leugnen, verzweifelte Wut, Loslassen... Und schließlich, Akzeptanz.

Das geht an die Nieren, und ich habe mehr als einmal ein paar Tränen vergossen, aber es ist dennoch keine deprimierende Geschichte, sondern eher eine positive. Denn im Angesicht des Todes besinnen sich die Menschen auf die wichtigen Dinge des Lebens, und im Endeffekt ist "Die letzten Tage von Rabbit Hayes" in meinen Augen viel mehr ein Buch über die Liebe als ein Buch über das Sterben.

Es geht nicht nur um Rabbits Krankheit, sondern auch um ihre bewegte Jugend und ihre ganz große Liebe - über die ich hier lieber noch nichts verrate. Nur soviel: auf der letzten Seite schließt sich der Kreis.

Die Autorin erzählt in eher schlichter Sprache, ohne Pathos doch dafür mit erstaunlich viel Humor. Für mich war das genau richtig, denn so gleitet das Buch nie ab in sensationsheischendes Melodrama, und trotzdem ist es zutiefst bewegend.

Die Charaktere fand ich einfach großartig. Es ist merkwürdig, aber ausgerechnet in diesem Buch über Abschied, Sterben und Tod sind sie alle so bunt und voller Leben, wie man es nur selten findet. So merkwürdig es klingt, ich habe mehr als einmal gedacht: so möchte ich auch einmal sterben, umgeben von solchen Menschen.

Der Leser weiß von Anfang an, was passieren wird, und dennoch bleibt es spannend, Rabbit und ihrer Familie bei ihrer emotionalen Reise hin zum Ende zuzusehen.

Über das Hörbuch kann ich nur sagen, dass es die Geschichte gut umsetzt und dass Nina Petri als Sprecherin die Emotionen auch wunderbar rüberbringt.

Fazit:
In dieser Geschichte geht es um die letzten neun Tage im Leben einer krebskranken Frau, und dennoch ist es eine Geschichte voller Hoffnung und Lebensfreude. Mich hat das Buch zum Nachdenken gebracht, und ab und zu auch zum Weinen... Aber auch zum Lachen. Im Endeffekt werden mir die positiven Emotionen, die es in mir erweckt hat, wahrscheinlich länger und anhaltender in Erinnerung bleiben als die schmerzlichen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.