Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Glüxklaus
Wohnort: 
Franken

Bewertungen

Insgesamt 612 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2021
Wer wohnt denn da im tiefen Wald?
Piercey, Rachel

Wer wohnt denn da im tiefen Wald?


ausgezeichnet

Bezauberndes, liebevoll gestaltetes Wimmelbuch mit motivierenden Reimen

Im Bärenwald ist das ganze Jahr über viel los: Da blühen alle pflanzlichen und tierischen Bewohner im Frühling auf, gemeinsam wird der Frühjahrsputz in Angriff genommen, die Tierkinder besuchen die Waldschule, das Kaninchen feiert Geburtstag, im Sommer findet ein Sportfest statt, alle Waldtiere genießen die Sonne oder erfrischen sich beim Schwimmen am See, es wird gepicknickt, Theater gespielt, die Tiere feiern ein Herbstfest, erleben einen kühlen Regentag, malen gemeinsam in den letzten sonnigen Herbsttagen Bilder, sitzen am Lagerfeuer, machen Wintersport, organisieren ein Winterfest oder schlafen am Ende gemütlich und ganz ruhig in ihren Höhlen in einer kalten Winternacht.

Auf jeder Doppelseite erzählt Autorin Rachel Piercey in einem treffenden, gelungenen Gedicht von der dargestellten Situation. Die Reime sind für Kinder eingängig, motivierend und gut verständlich formuliert. Einige wichtige Wörter des Gedichts werden hervorgehoben und sind in einer anderen Schriftart gedruckt. Auf jeder Seite gibt es konkrete Aufträge, nach bestimmten Motiven Ausschau zu halten. Da sollen die jungen Leser z.B. eine Eule finden, die versucht zu schlafen oder Oma Kaninchen, die dekoriert. Am Ende ist noch ein kleiner „Naturlehrpfad“ mit Bildausschnitten aus den vorherigen Seiten angehängt. Zu Stichpunkten wie „Blätter“ oder „Höhlen“ sind kurze, interessante Informationen zum Thema zusammengefasst, teils werden auch Anregungen zum Forschen oder kleine Rätsel angeboten. Die Kinder erhalten also auch einige Sachinformationen rund ums Thema „Wald“.

Freya Hartas hat wunderschöne Bilder zum Verlieben gestaltet. Es macht Spaß, sich in den lebendigen, idyllischen Illustrationen zu verlieren. Sie sind so reich an Details, dass man immer wieder Neues entdeckt. So wird das Buch niemals langweilig.
Kinder ab drei Jahren sollten das Buch gemeinsam mit Erwachsenen anschauen, die ihnen die Gedichte und Suchaufträge vorlesen können, ältere Kinder im Grundschulalter gehen vermutlich lieber alleine auf Entdeckungsreise.
Das Buch ist ausgesprochen „schön“ und hochwertig aufgemacht. Die Seiten sind allerdings recht dünn und nicht so robust wie bei Pappwimmelbüchern für kleinere Kinder. Dafür ist das Buch mit 40 Seiten sehr umfangreich. Die Schrift auf dem ansprechenden Cover ist teils in Gold geprägt. Schon am Titelbild konnten meine Kinder und ich uns einfach nicht sattsehen.
Ein kleines Manko des Buchs ist, dass manche Teile der Bilder nicht ganz genau betrachtet werden können, weil sie sich direkt im Falz befinden. Gerade auf den ersten Seiten wölbt sich in der Mitte der Doppelseite das Papier recht stark und muss ganz vorsichtig glattgestrichen werden, um die gesamte Szene genießen zu können.

Ein wirklich besonderes, zauberhaftes, umfangreiches und vielfältiges Wimmelbuch, an dem kleine und große Leser sicher sehr lange Freude haben werden. Für uns ein echtes Wimmelbuch-Highlight.

Bewertung vom 03.04.2021
King Eddi und das Monster von Krong
Riley, Andy

King Eddi und das Monster von Krong


ausgezeichnet

Ein Hoch auf den einzigartigen, genial-witzigen König Eddi

Gerade sitzt König Eddi wenig enthusiastisch beim Essen vor einem Berg aus gesundem Gemüse, als ihn spektakuläre Nachrichten erreichen. Der Wulitz, ein extrem gefährliches, riesiges Monster mit unzähligen Augen macht das Eddiland unsicher. Natürlich muss Eddi als König das Monster vertreiben. Er möchte es im Zweikampf besiegen, um seine Untertanen zu beschützen. Doch der finstere Imperator Nurbison hat ganz andere Pläne und versucht, Eddi in eine Falle zu locken.

Andy Riley erzählt kindgemäß, in gut verständlicher, einfacher Sprache mit einem ganz eigenen, trockenem und extrem witzigen Humor. Sehr unterhaltsam sind z.B. die eigenen Wortschöpfungen des Autors wie „Nunst“, „Debel“ oder „Grässling“.
Die Schrift ist relativ groß gedruckt mit etwas weiterem Zeilenabstand. Oft variieren Schrifttypen und -größe, auf manchen Seiten finden sich auch Sprechblasen. Jede Seite enthält großflächige teils beschriftete, comicartige Illustrationen, so dass die Leser sich nicht von der Menge des Textes abschrecken lassen müssen und dabei zusätzlich motiviert werden, den Text zu lesen, um zu erfahren, welche absonderliche Situation da denn genau im Bild dargestellt wird. Überhaupt sind die Zeichnungen des Autors überaus amüsant anzuschauen. Wenn auf der einführenden Landkarte neben der Burg des Imperators oder dem Dorf ein einzelner Kieselstein oder ein „mies gelaunter Fisch“ eingezeichnet ist, dann ist das schon echt komisch. Und komisch geht es garantiert auf jeder einzelnen folgenden Seite weiter.
Zum Vorlesen ist das Buch für Kinder ab fünf Jahren geeignet, Leseanfänger und Kinder, die sich mit dem Lesen schwer tun, können gemeinsam mit einem Erwachsenen abwechselnd lesen, sich z.B. am Entziffern der Sprechblasen versuchen oder nur die oft lautmalerischen Wörter und Ausrufe in Großbuchstaben vorlesen - am Ende gibt es als Extra noch einen witzigen Comicstrip. Fortgeschrittene Erstleser und Zweitklässler werden das Buch wahrscheinlich alleine bewältigen können, lediglich die Aussprache der englischen Namen und mancher nicht alltäglicher längerer Wörter wie „Heidekraut-Dunkeldistel-Unterplauz-Schmilli“ könnten ein kleineres Problem darstellen.

Die Figuren sind wirklich witzig und originell. Eddi ist ein König, der noch ein Kind ist und ausgefallene Vorstellungen hat, wie z.B. ein Zweikampf auszusehen hat oder was der ideale Reiseproviant ist. Eddi besticht durch seine genialen Einfälle und verliert nie den Mut, auch wenn es einmal richtig brenzlig wird. Begleitet wird Eddi von seiner Hofnärrin Megan, die mit schwerem Gepäck reist und ihrem König was vernünftiges, erwachsenes Verhalten betrifft nicht unbedingt Vorbild ist. Außerdem treten noch ein Einsiedler auf, vom dem niemand weiß, ob er unter seiner Haar- und Bartpracht bekleidet ist, ein bitterböser Imperator, den fiesesten Herrscher, den die Welt je gesehen hat und natürlich ein gigantischer, starker Wulitz mit unzähligen Augen.

Superkomisch und superspannend Eddis Reise zum Wulitz. Mein siebenjähriger Sohn geht momentan in die erste Klasse. Er hat mir die Geschichte vorgelesen, musste aber immer wieder dabei kichern, weil die Erzählweise ganz genau seinen Humor trifft. In der Geschichte geht echt ordentlich was ab und King Eddis drollige kindliche Naivität ist auch für mich als Erwachsene einfach nur zum Schießen. „King Eddi und das Monster von Krong“ ist alles andere als konventionell, manchmal ziemlich skurril und unterscheidet sich stark von den sonstigen oft etwas drögen Erstlesebüchern. Und nebenher erfahren die Leser, dass auch Gemüse einen ganz wichtigen Daseinszweck hat, ja durch nichts zu ersetzen ist. Hätten wir in der Nähe einen Hutladen, würden wir uns sofort einen Hut kaufen, um ihn in die Luft zu werfen und Eddi zuzujubeln. Mein Sohn ist restlos begeistert von King Eddi und ich bin es auch.

Bewertung vom 03.04.2021
Ein Klonk um Mitternacht / Grimmskrams Bd.1
Mann, Miriam;Pfeiffer, Marikka

Ein Klonk um Mitternacht / Grimmskrams Bd.1


sehr gut

Wenn Märchengegenstände sich in die echte Welt verirren - magisch, abenteuerlich und auch noch witzig

Tom und seine Familie sind vor fünf Wochen in das moderne Hochhaus mitten in der Stadt gezogen, den Grimm Tower. Als Tom um Mitternacht von einem lauten „Klonk“ geweckt wird, ahnt er nicht, dass das der Beginn eines ganz besonderen Abenteuers ist. Gemeinsam mit seiner Nachbarin Milli steigt er auf das Dach und beobachtet eine Drohne, die eine Kiste auf dem Hubschrauberlandeplatz des Gebäudes abwirft. Die Kinder öffnen die Kiste und entdecken lauter merkwürdige Gegenstände, die sich wie von Zauberhand selbstständig machen. Die beiden versuchen zwar sofort alles wieder einzusammeln, doch die Suche erweist sich als überaus kompliziert und herausfordernd. Und was sind das überhaupt für seltsame Dinge? Natürlich müssen Tom und Milli das genauer wissen und kommen dabei nicht nur dem dubiosen Hausbesitzer Mister Grimm in die Quere.

Marikka Pfeffer und Miriam Mann erzählen kindgemäß und flüssig. Ich habe das Buch meinen Kindern vorgelesen, die im Altern von fünf bis neun Jahren sind. Wir fanden sofort einen Zugang zur Geschichte. Die äußere Aufmachung des Buches überzeugte uns ebenso auf Anhieb. Das Buch wirkt sehr hochwertig. Die Illustrationen sind in besonderem, individuellen Stil gezeichnet, die Figuren sehen ein wenig kantig aus, teils verniedlichend mit großen Augen, aber dennoch sehr ansprechend. Einige Bilder wie die Darstellung von Tom und Milli oder die Grafiken der Seiten mit den Kapitelüberschriften wiederholen sich zwar, aber trotzdem sind die Seiten generell motivierend und abwechslungsreich gestaltet. Das zweigeteilte wilde Cover zeigt sehr deutlich, dass es in der Geschichte einerseits dunkel und geheimnisvoll, anderseits fröhlich und abenteuerlich zugeht.
Leser ab neun Jahren dürften keine Probleme haben, das Buch selbstständig zu lesen. Zum Vorlesen ist die Geschichte auch schon für jüngere Kinder geeignet.

Tom und Milli sind wie Kinder so sind, aufgeweckt, abenteuerlustig und neugierig. Die Leser werden sie sicher schnell ins Herz schließen, sich rasch in sie und ihre Situation hineinversetzen können und mit ihnen mitfiebern.
Der düstere Mister Grimm wirkt dagegen viel furchteinflößender und irgendwie gruselig, fast wie ein böser Zauberer. Oder täuscht der erste Eindruck?
Unsere absolute Lieblingsfigur war allerdings eine andere. Über den Froschkönig und seine herrlich direkte, sehr witzige Art haben wir immer wieder schmunzeln müssen. Er bringt sehr viel Spaß in die Geschichte, ebenso tut das die etwas orientierungslos wirkende, aus der Zeit gefallene Frau Fee.

Als große Märchenfans haben wir sehr gerne und ausgiebig gerätselt, aus welchem Märchen denn nun die einzelnen magischen Gegenstände stammen, ein regelrechter Märchen-Rätsel-Krimi war das. Und auch sonst geht es sehr turbulent, ziemlich magisch und ganz schön nervenaufreibend zu.
Uns hat Toms und Millis erstes Abenteuer mit den verschiedenen Grimmskramsen wirklich prima unterhalten. Beim nächsten Mal sind wir sehr gerne wieder mit dabei.

Bewertung vom 31.03.2021
Calypsos Irrfahrt
Franz, Cornelia

Calypsos Irrfahrt


sehr gut

Eine spannende Abenteuergeschichte und gleichzeitig ein Plädoyer für Mitgefühl und Hilfsbereitschaft

Der vierwöchige Mittelmeer-Segeltörn, den Oscar mit seinen Eltern auf der Calypso unternimmt, entwickelt sich völlig anders als erwartet. Die Familie entdeckt auf offener See zwei Kinder, Nala und Moh, die auf einem Rettungsring treiben und zieht die beiden aufs Schiff. Nala und Moh stammen aus dem Kongo, sind Geschwister und wollten mit weiteren Menschen auf einem Boot flüchten, fielen dabei aber über Bord. Oscars Eltern versuchen, die Geschwister in einem Auffanglager für Flüchtlinge unterzubringen. Doch in keinem der angesteuerten Häfen sind Flüchtlinge willkommen. Während der Fahrt gewinnt die Familie, allen voran Oscar, die beiden Kinder immer lieber. Doch die Kinder können nicht einfach bei ihren Rettern bleiben, der unvermeidliche, schmerzliche Abschied rückt jeden Tag ein Stück näher...

Cornelia Franz schreibt kindgemäß und sehr flüssig. Meine Kinder und ich fühlten uns sofort von der Geschichte angesprochen und hatten keine Schwierigkeiten, uns in das Geschehen hineinzuversetzen. Kinder ab zehn Jahre können das Buch sicher schon selbstständig lesen und verstehen. Sie werden aber vermutlich Fragen zum Thema, zu rechtlichen Regelungen und zu Mohs und Nalas Situation haben, daher empfiehlt es sich für die Eltern, das Buch ebenfalls zu lesen.

Alle Figuren in „Calypsos Irrfahrt“ sind sympathische, angenehme Charaktere. Da ist Oscar mit seinem großen Herz, der offen und neugierig auf andere, in diesem Fall auf Moh und Nala, zugeht, sofort bereit ist, mit ihnen zu teilen und auf ihre Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Auch Oscars Eltern zeigen viel Mitgefühl, setzen sich engagiert für die Kinder auf der Flucht ein und tun alles, was in ihrer Macht steht, um es für die Geschwister so angenehm und erträglich wie möglich zu machen. Moh und Nala haben Dinge erlebt, die kein Kind erleben sollte. Nala wirkt für ihr Alter erstaunlich reif und gefasst, sie ist selbstständig und zupackend und liebt ihren Bruder über alles. Moh hingegen kann die Erlebnisse der Vergangenheit nicht vergessen, er wirkt zappelig, sehnt sich nach seinen Eltern, findet einfach keine Ruhe. Im Laufe der Geschichte verändert sich die Beziehung der Familien untereinander, sie kommen einander näher und näher. Auch die Charaktere entwickeln sich durch die Geschehnisse weiter.

Ganz schön abenteuerlich und spannend geht es auf der Calypso zu. Unterwegs gerät die Familie in einen lebensgefährlichen Sturm. Über allem steht aber die Frage, wie es mit Moh und Nala weiter geht. Und was die beiden von ihren früheren Erlebnissen berichten, lässt sicher keinen Leser kalt.
Anfangs war ich skeptisch, ob das hochkomplexe, vieldiskutierte politische Thema „Flüchtlinge“ wirklich für ein Kinderbuch geeignet ist. Wie können Kinder etwas verstehen, das selbst Erwachsenen überfordert? Cornelia Franz ist es gelungen, einen ganz individuellen Bezug zum Thema herzustellen. Sie sensibilisiert ihre Leser dafür, dass es Menschen gibt, die nicht so eine privilegierte Ausgangsposition haben wie sie selbst, dass es manche Menschen alleine nicht schaffen können und auf die Hilfe anderer angewiesen sind und dass wir es trotz aller Umstände in der Hand haben, sie in irgendeiner Form zu unterstützen. Cornelia Franz Buch ist genauso eine mitreißende Abenteuergeschichte wie Plädoyer für Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Die Geschichte erhebt sicher nicht Anspruch, komplett realistisch zu sein, aber sie zeigt einfühlsam und ohne zu laut zu werden, dass es im Hinblick auf globale Probleme auch und vor allem im Kleinen darauf ankommt, an andere zu denken, sich für andere einzusetzen und ganz intuitiv für sie da zu sein. Für mich wurde das Buch ganz zu recht mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2021
Die Frau vom Strand
Johann, Petra

Die Frau vom Strand


sehr gut

Wie weit würdest Du gehen, um Dein Glück zu schützen?

Nachdem sie einen schweren Schicksalsschlag überwunden hat, geht es Rebecca endlich richtig gut. Sie führt mit ihrer Frau Lucy eine glückliche Beziehung und lebt mit ihrer fünf Monate alten Tochter Greta in Rerik an der Ostsee. Eines Tag erlebt sie bei einem Strandspaziergang eine merkwürdige Begegnung. Eine junge Urlauberin, Julia, steht splitterfasernackt vor Rebecca und bittet sie um Hilfe, ihr wurden die Kleider gestohlen. Rebecca befreit Julia aus dieser misslichen Lage, leiht ihr Kleidung und lädt sie daraufhin zum Kaffee ein. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb, werden rasch zu Freundinnen. Als Rebecca Julia zu einem Abendessen einlädt, erscheint diese ohne Erklärung nicht, obwohl sie fest zugesagt hatte. Rebecca sucht daraufhin überall nach Julia, doch diese bleibt spurlos verschwunden. Und dann kommt es zu einem weiteren tragischen Unglück.

Dank Petra Johanns angenehmen, flüssigen und lebendigen Schreibstils fiel es mir sehr leicht, mich auf die Geschichte einzulassen. Die Autorin erzählt anfangs aus Rebeccas Perspektive in Ich-Form, später schildert sie den Fall aus Sicht der Polizei, in Person der ermittelnden Kommissarin Edda Timm.

Autorin Petra Johann hat zweifelsohne interessante, reizvolle Figuren gezeichnet. Zunächst fühlte ich mich der Protagonistin Rebecca ziemlich nahe. Ihre Schilderung, wie sie Julia kennenlernt, ihre Gefühle dabei, fand ich gut verständlich und plausibel. Rebecca spricht die Leser direkt an, nimmt sie durch ihre sehr persönliche Darstellung der Vorkommnisse für sich ein. Doch ab dem zweiten Teil erfahren die Leser die Handlung nicht mehr aus Rebeccas Sicht, sondern aus der der Polizei. Dabei wird ein ganz anderes Licht auf Rebecca geworfen, verschiedene Zeugen betrachten und beurteilen sie von außen, dadurch wird das Bild der Person Rebecca immer verschwommener, zwiespältiger und unklarer.
Auch den Charakter von Rebeccas Freundin Lucy bekommen die Leser nicht aus ersten Hand mit, sie müssen sich erneut auf die Aussagen von anderen verlassen. Das macht diese Figuren für die Leser natürlich sehr spannend und rätselhaft.
Kommissarin Edda Timm ist ebenso eine Person mit Ecken und Kanten. Sie hat kaum Privatleben, lebt für die Arbeit, aber vielleicht trübt gerade das fast besessene Fokussiertsein auf den Fall ihre Sinne?

Was für ein packender, kurzweiliger Krimi! Nichts ist hier klar, immer wieder werden falsche Fährten gelegt und am Ende kommt doch alles wieder ganz anders und vieles ziemlich unerwartet. Obwohl der Roman weitgehend ohne Blut und Gewalt auskommt, ließ er mich des Öfteren richtig schaudern. Denn auch eiskalte Berechnung und Skrupellosigkeit kann Gänsehaut verursachen.
„Die Frau vom Strand“ ist für mich ein gut konstruierter, komplexer, aber dennoch klar nachvollziehbarer Krimi mit überzeugender, überraschender Auflösung. Ein Thriller, der einmal mehr zeigt, dass so mancher Unschuldiger ganz schnell zum Kriminellen werden kann, wenn das bedroht ist, was er liebt. Fesselnde Unterhaltung!

Bewertung vom 25.03.2021
Edgar, Ellen & Poe
Leser, Antje

Edgar, Ellen & Poe


ausgezeichnet

Grellbuntes, spaßiges und spannendes Hexenabenteuer

Ellen steht kurz vor der Aufnahme in die Hexengemeinschaft. Doch ausgerechnet vor ihrer allerletzten Prüfung beim Hexenfest auf dem Blocksberg in der Walpurgisnacht tauchen die Krawallhexen auf ihren fliegenden Laubbläsern auf, ruinieren die Feier und legen alles in Schutt und Asche. Das will die Oberhexe der Besenhexen Hortensia-Emilia nicht auf sich sitzen lassen und schwört Rache. Dummerweise soll ausgerechnet Ellen zwischen den Hexen vermitteln, gemeinsam mit dem Raben der Oberhexe Edgar, mit dem sie gut befreundet ist. Doch dann kommt noch eine viel größere Gefahr auf die Hexen zu, ein gestrandeter Sturmriese. Und der ist gar nicht zimperlich und hat außerdem ziemlich viel Kraft.

Antje Leser schreibt kindgemäß, gut verständlich, klar und unheimlich witzig. Die einfallsreiche Namensgebung der verschiedenen Hexen beispielsweise ist ein echtes Vergnügen. Es finden sich Felgen-Helge, Touren-Tina oder die Frisöse genauso wie Erika oder eben Ellen unter dem Hexenvolk. Das Buch lässt sich flüssig vorlesen und an so manchen dezenten Anspielungen haben auch die Erwachsenen ihre Freude. Hier liest jede Altersklasse gerne mit, Kinder ab acht Jahren können die Geschichte sicher schon selbständig bewältigen. Alexander von Knorre liefert zur Handlung perfekt passende, amüsante Illustrationen. An seiner Darstellung vom Dönerhexenstand beispielsweise konnten wir uns gar nicht sattsehen.

Ellen ist eine gutherzige, sehr liebe, aber auch sehr pfiffige und überaus begabte Hexe. Sie hat meine kleinen Mitleser und mich sofort für sich eingenommen. Und auch die Raben Edgar und Poe mochten wir auf Anhieb. Ganz anders erging es uns da mit der Oberhexe Hortensia-Emilia. Die präsentiert sich ziemlich stur, sehr dominant, ist oft ungerecht zu anderen und würde nie über ihren Schatten springen. Und ihren eigenen Raben und Ellen behandelt sie auch nicht gerade freundlich. Im Streit mit den Krawallhexen offenbart sie ihre allerschlechteste Seite. Aber auch die Krawallhexen benehmen sich nicht wirklich vorbildlich. Dafür sind sie aber herrlich originell. Von currywurstmampfenden Hexen, die mit ordentlichen Getöse auf Laubbläsern fliegen, haben wir vorher jedenfalls noch nie gehört.
Insgesamt eine sehr gelungene und phantasievolle Figurenkonstellation. Und manche Charaktere sind trotz der starken Überzeichnung erstaunlich realistisch. Die eine oder andere Hortensia-Emilia, in abgeschwächter Form natürlich, ist mir auch schon begegnet.

Ob es Ellen und ihren Freunden gelingt, Frieden zu schaffen?
Ein wirklich spannendes, turbulentes und irre komisches Hexenabenteuer mit Riesen, Raben, strikten Veganern, Feministinnen, Umweltsauereien im großen Stil, politischen Erlassen und allerhand anderen Überraschungen. Auch wenn es schräg und lustig zugeht, erinnert das Buch doch ganz unaufdringlich daran, dass es immer gut ist, Kompromisse einzugehen, Toleranz zu üben- nicht nur gegenüber der eigenen Meinung- und einander zu unterstützen. So einfach ist ist das und so schwer. Aber zweifelsohne lebt es sich dadurch deutlich leichter und entspannter. Ein Riesenspaß für alle, die an Hexen, Riesen und Laubbläser glauben.

Bewertung vom 25.03.2021
Kiwi, Kalle und das Stadtgeflüster
Weber, Susanne

Kiwi, Kalle und das Stadtgeflüster


sehr gut

Von Schnudeln und merkwürdigen Geheimnissen aus der Nachbarschaft: rätselhaft und fast ein Krimi

„Ein Leben ohne Schnudel ist möglich, aber sinnlos.“

Pelle ist ein Schnudel, eine Mischung aus Schnauzer und Pudel, er gehört Oma Matz. Da die nicht mehr so gut zu Fuß ist, geht Kalle jeden Tag mit Pelle Gassi. Die beiden sind beste Freunde und lernen eines Nachmittags Kirsten kennen, die für Oma Matz Einkäufe erledigt. Anfangs glaubt Kalle, dass sie eine typische, eingebildete Ballett-Prinzessin ist, doch das stimmt gar nicht. Als in der Nachbarschaft lauter seltsame Dinge passieren -die Frau vom Luftballonladen verschwindet, schwarze Ballons mit kleinen Döschen schweben herum und ein Fremder möchte Omas Matz Wohnung kaufen- ist Kirsten, die Kalle jetzt Kiwi nennt, mindestens genauso neugierig wie Kalle selbst. Die zwei versuchen gemeinsam mit Pelle, herauszufinden, was hinter den Vorkommnissen steckt. Dabei taucht immer wieder der gruselige Bestatter auf, der ständig vor seinem Geschäft Ausschau hält. Ob der mit all den Merkwürdigkeiten zu tun hat?

Susanne Weber schreibt kindgemäß und gut verständlich im Präsens, abwechselnd aus der Sicht von Kalle und Kiwi. Vor jedem Abschnitt ist jeweils der Schatten des entsprechenden Kindes abgedruckt, das aus seiner Perspektive erzählt, wie sich die Geschichte aktuell weiterentwickelt.
Mädchen und Jungen ab acht Jahren können das Buch sicher schon selber lesen. Motiviert werden sie dabei von den amüsanten, treffenden Illustrationen der Zeichnerin Julia Dürr. Die Lagepläne der Nachbarschaft bspw. helfen den Vorstellungen der Leser vom Schauplatz der Geschichte anschaulich auf die Sprünge.

Die witzigste Figur ist natürlich Pelle, der Schnudel. Ein Schnudel muss dem Namen nach schon einfach ein lieber, gemütlicher Zeitgenosse sein. Das ist bei Pelle, der nicht mehr der jüngste ist, definitiv der Fall. Aber auch die beiden menschlichen Hauptcharaktere Kalle und Kiwi sind nette, unkomplizierte, patente Kinder mit viel Phantasie. Mit ihnen werden sich die Leser leicht identifizieren. Die beiden beobachten sehr genau, ihre Neugier ist ansteckend. Schön auch, hautnah mitzuerleben, wie die noch junge Freundschaft von Kiwi und Kalle jeden Tag mehr wächst und sich die beiden immer besser verstehen und ergänzen.

Geschehen im Viertel wirklich Verbrechen?
Der Enthusiasmus der beiden Kinder bei ihren Ermittlung lässt sicher kaum einen Leser kalt, die Geheimnisse des Viertels entwickeln sich fast zum Krimi, Kalle und Kiwi werden beinahe zu Detektiven. Auch der Alltag gibt manchmal ganz unverhofft viele spannende Rätsel auf, wenn man sich nur richtig umguckt, das zeigen die drei Freunde eindrücklich. Und manche Leute sind ganz anders als sie wirken, man muss ihnen nur eine Chance geben. Eine sehr unterhaltsame Geschichte über eine neue Freundschaft und besondere Nachbarn. Es hat immer was für sich, sich für andere zu interessieren und auf sie zuzugehen. Eigentlich kann man dabei nur gewinnen. Und auch dieses Buch ist ein Gewinn für alle, die was für Rätsel übrig haben.

Bewertung vom 18.03.2021
Hüte deine Zunge
Ephron, Hallie

Hüte deine Zunge


sehr gut

Solide konstruierter, spannender Krimi

Emily unterstützt ihre Kunden professionell dabei, zu entrümpeln und Ordnung zu schaffen. Sie arbeitet aktuell an zwei prekären Aufträgen. Die ältere Mrs. Murphy bittet Emily darum, ein Lager ihres verstorbenen Mannes auszuräumen. Im Lager befinden sich lauter Dinge aus Museen und Büchereien. Diebesgut? Und dann verschwindet auch noch der Ehemann einer zweiten Kundin auf mysteriöse Weise. Emily ist zur falschen Zeit am falschen Ort und ehe sie sich versieht, gerät sie selbst unter Verdacht, mit dem Vorfall zu tun zu haben.

Autorin Hallie Ephron schreibt gut verständlich und unkompliziert. „Hüte Deine Zunge“ liest sich angenehm und flüssig. Ich hatte keine Mühe, mich ins Geschehen hineinzuversetzen.

Protagonistin Emily ist eine sympathische, recht gutgläubige Frau. Sie ist von einigen Personen umgeben, die alles andere als berechenbar sind. Allen voran ihr eigener Ehemann Frank mit seinem ausgeprägten Sammeltrieb. Während Emily tolerant, ordnungsliebend und verlässlich erscheint, wirkt er eher bestimmend, chaotisch und wankelmütig. Beim Lesen wusste ich nie, woran ich bei ihm bin, ändert er doch seine Stimmung oft ganz plötzlich von einem Moment auf den anderen. Kann eine Beziehung zwischen zwei derart verschiedenen Partnern wirklich gutgehen?
Auch Emilys Kundinnen sind schwer einzuschätzen. Quinn beispielsweise verhält sich extrem seltsam, oft nicht nachvollziehbar und zieht Emily ganz selbstverständlich in eine Angelegenheit hinein, die diese eigentlich überhaupt nicht betrifft. Mit Emily litt ich daher besonders mit. Sie hat das große Pech, an die falschen Menschen zu geraten und weiß nicht mehr, wem sie überhaupt noch vertrauen kann. Echt vertrackt! Aber insgesamt eine sehr interessante Personenkonstellation.

Die Handlung entwickelt sich anfangs gemächlich, im Verlauf dann etwas drastischer bis zum extrem spannenden Finale. Es dauert länger, bis das eigentliche Verbrechen direkt zum Thema wird. Trotzdem ist der Roman nie langweilig, denn immer hat man das Gefühl, dass es in jeder Sekunde zum „Knall“ kommen könnte, permanent schwingt eine leise Bedrohung mit. Ich ahnte von Anfang an, dass Emily ganz unvermittelt und ohne ihr Zutun in Verdacht geraten könnte, dass sich die „Schlinge“ um sie ganz schnell „zuziehen“ könnte. Das macht „Hüte deine Zunge“ zu einem packenden, unterhaltsamen, solide konstruierten Kriminalroman, den ich wirklich gerne gelesen habe.

Bewertung vom 15.03.2021
Wenn Wahrsagen so einfach wäre / Akademie Fortuna Bd.1
Kempen, Sarah M.

Wenn Wahrsagen so einfach wäre / Akademie Fortuna Bd.1


sehr gut

Vielversprechender Auftakt: ein bisschen Harry Potter, noch mehr Magie und ganz viel Spannung

Annivarsary Fortune, genannt Sorry, ist aufgeregt. Endlich wird sie die Akademie Fortuna, die Schule für Wahrsagerei, besuchen. Als Tochter der Schulleiterin steht sie unter besonderer Beobachtung. Von ihr werden selbstverständlich gute Leistungen erwartet. Leider hatte Sorry bisher noch nie eine „große Vision“, sie kann nur voraussehen, was sich in ein paar Sekunden ereignen wird, kleinere Unfälle im Alltag, aber keine wegweisenden Voraussagen. Das darf aber niemand wissen. Wie soll sie da an der Schule bestehen können? Die Sterndeuterfamilie Astra wittert ihre Chance, endlich die Schulleitung übernehmen zu können. Und dann taucht auch noch unvermittelt ein neuer Schüler auf, Ben Dulum, ein Nekromant. Sorry sollte Ben eigentlich meiden, doch der lässt sich davon nicht beirren. Auch Hausmeistertochter Missy Harp, eine Nichtseherin, schließt bald Freundschaft mit Sorry.

Sarah M. Kempten schreibt humorvoll, unkompliziert und recht verständlich. Für ihre Figuren hat sie sich besonders originelle Namen ausgedacht wie Euphoria Fortune, Crystal Glass oder Estrella Taurus, die oft voller Anspielungen stecken. Die Namen machen Spaß, verwirren aber jüngere Leser, die kein Englisch können, sicher ein wenig. Daher ist das Buch frühestens für Leser ab zehn Jahren zu empfehlen.
Die Aufmachung des Buch ist sehr ansprechend. Das Cover mit den Hauptfiguren in der Mitte ist ein Hingucker, wirkt sowohl düster und geheimnisvoll, hat aber auch helle, freundliche Aspekte. Alicia Räths Illustrationen sind sehr individuell. Sie geben die Grundstimmung und die Emotionen der Figuren treffend wieder.

Sorry kann einem anfangs nur leid tun. Sie hat eine für den Alltag äußerst praktische Fähigkeit. Ihre Visionen kleiner Alltagsunfälle kann verhindern, dass sich Leute verletzen. Aber diese Gabe gilt in der Akademie nichts. Klar, dass sie da über kein Selbstbewusstsein verfügt und in ständiger Angst lebt, entlarvt zu werden. An ihren Vater erinnert sich Sorry gern: „Jede Vorhersage ist ein Wunder“, hatte er Sorry getröstet, wenn sie es wieder einmal nicht geschafft hatte, eine große Vision heraufzubeschwören. „Jede deiner Vision wichtig: egal wie klein. Und wer weiß: Vielleicht bist du ja die Begabteste von allen.“ Doch leider ist ihr Vater tot und nun hat Sorry niemanden mehr, der an sie glaubt. Die Bekanntschaft zu Hausmeistertochter Missy Harp kommt gerade recht. Missy, die ziemlich tollpatschig ist, der ein Missgeschick nach dem anderen passiert und die lieber in der Akademie herumstreunt, anstatt in die Schule zu gehen, erkennt sofort, dass Sorrys Talent besonders ist und Unglück verhindern kann. Sie bestärkt Sorry. Und dann ist da auch noch der geheimnisvolle Ben, der Außenseiter mit dem Pendel, den Sorry mehr mag als sie dürfte.
Mitschülerin Estrella Taurus erweist sich bald als Sorrys Feindin. Sie sieht wie ihre gesamte Familie auf Sorry herab und lässt keine Gelegenheit aus, Sorry zu demütigen.

Ein wirklich interessantes Setting mit originellen Personen hat Autorin Sarah M. Kempen da konstruiert. Ähnlichkeiten mit Harry Potter sind unverkennbar. Hier gibt es keine verschiedenen Häuser, dafür treten aber Vertreter der verschiedene Wahrsagedisziplinen in Konkurrenz zueinander. Und Estrella Taurus erinnert mit ihrer unangenehmen Arroganz stark an Draco Malfoy, der ebenso stark unter dem Einfluss seines dominanten Vaters steht wie Estrella.
Ganz schön aufregend geht es in Sorrys Leben zu. Wird jemand hinter Sorrys Geheimnis kommen? Schaffen es die Taurus mit ihren Intrigen, an die Schulleiterstelle zu kommen? Und wer ist Ben Dulum wirklich und was hat er vor?
„Akademie Fortuna- Wenn Wahrsagen so einfach wäre“ ist eine packende Geschichte über eine starke Freundschaft, die nicht sein soll, mit viel Magie und Figuren, die mitreißen. Kein neuer Harry Potter, aber der gelungene, unterhaltsame Auftakt einer vielversprechende Reihe.